Schon wieder müssen wir sehr bald aus den Federn, schnell noch eine Katzenwäsche und dann laufen wir auch schon los. In einer Bäckerei genehmigen wir uns noch Kaffee, Orangensaft und Croissants und dann geht´s im Laufschritt zur nächsten Metro. Wir verlassen sie an der Haltestelle Solferino und huschen zum Gare du Musée d´Orsay, wo wir den Zug RER C besteigen. Dass wir im richtigen Zug sitzen, bestätigt uns das Innere der Waggons, denn die Wände sind mit Bildern vom Schloss Versailles tapeziert. Auch die anderen Fahrgäste dürften mit ihrem Schlafpensum noch nicht fertig sein, denn es ist sehr ruhig. Bis ein, wie soll ich sagen, Bettler, Clochard oder Auf-der-Straße-Lebender einsteigt, eine Durchsage macht, von dem wir nix verstehen und dann mit seinem Becher durch die Reihen geht und hofft, dass jeder seine Münzen reinschmeißt. Diese Art von Geld sammeln erleben wir in Paris immer wieder. Sollen wir ihm vielleicht das Plastiksackerl geben, das auf dem Sitzplatz gegenüber von uns liegt. Viele bunte Pillen sind da drin, Fake oder echt, wir werden es nie wissen, denn beim Aussteigen lassen wir es auch so liegen.

Nach knapp einer Stunde Fahrt erreichen wir den Bahnhof von Versailles – Rive-Gauche. Intuitiv starten wir gleich in die falsche Richtung los, doch als das Schloss nicht sichtbar wird, stoppen wir. Unsere Gedanken werden von einer Einheimischen gelesen und sie erklärt uns, in welche Richtung wir gehen müssen. Kurze Zeit später erreichen wir dann den großen Parkplatz vor dem Schloss. Er ist noch nahezu leer und so können wir schnurstracks auf das Eingangsgatter zugehen.

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Der goldene Zaun strahlt in der Morgensonne und zeichnet sich vom nahtlos blauen Himmel schön ab. Das Tor bleibt uns aber noch eine Weile verschlossen, denn der erste Einlass ist erst um 09:00 Uhr. Bis dahin lassen wir unseren Blick herumschweifen über die riesige Schlossanlage. Die zur Straße zeigende Front wird auch Marmorhof genannt. Busladung um Busladung wird herangekarrt und im Nu bildet sich eine Menschenschlange bis zum Parkplatz zurück. Wir haben uns wohlweislich gestern schon über´s Internet Karten gebucht, sodass wir damit zu den ersten gehören, die das Innere betreten dürfen. Zuvor lassen wir den Security-Check über uns ergehen und wir werden darauf aufmerksam gemacht, dass wir unsere Taschen nahe am Bauch und gut verschlossen halten sollen. Nach dem X-Ray stapfen wir der Menge nach, fassen Audioguides aus und dann stürzen wir uns ins Gewühl.

Im ersten Raum wird mittels eines sehr gut animierten Videofilms demonstriert, wie aus einem kleinen Jagdschloss der Prachtbau entstanden ist. Es ist heute mit den insgesamt 288 Wohnungen eines der größten und bekanntesten Anlagen in Europa. Vom 17. Jhdt. bis zur Französischen Revolution war es Residenz der französischen Könige und somit politisches und kulturelles Machtzentrum. Das Schloss wanderte von einem Ludwig zum nächsten und jeder ließ im königlichen Größenwahnsinn um- und ausbauen. Heute wird Schloss Versailles als Museum genutzt und wurde 1979 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Wir treiben mit dem Touristenstrom von Raum zu Raum, betrachten die Bilder und Möbel, lesen die Beschreibungen vor den Objekten, und lauschen dem Sprecher, der uns Zahlen, Fakten und Anekdoten ins Ohr flüstert. Wolfgang und Viktoria studieren mit Eifer die Stammbäume, um herauszufinden, welcher Ludwig mit Madame Pompadour, Maria Theresia und Marie-Antoinette verheiratet war. Österreich hat auf jeden Fall viele Damen ins Rennen geschickt. In jedem Zimmer hängen schwere Brokatvorhänge an den Fenstern, passend zu den Farben der Samt- und Textiltapeten. In den Appartements der königlichen Kinder und der Mätressen sind heute fast ausschließlich Bilder und Portraits ausgestellt. Auffallend ist, dass auf den Portraits keiner lacht, geschweige denn Zähne zeigt. Der Grund dafür war die mangelnde Mundhygiene und daher hatten sie schlechte Zähne und Mundgeruch. Igittigitt! Dafür repräsentierten kunstvolle, üppige Haargebilde und schwere Roben den Glanz und die Macht. An manchen Stellen weisen die Wände Lücken auf, wenn Bilder verliehen sind oder restauriert werden. Auf Infotafeln wird den Sponsoren gedankt für die Übernahme von Restaurierungskosten. In der Zeit der Revolution ging viel Mobiliar verloren durch Versteigerungen und Plünderungen, einiges konnte zurück erworben werden, andere Stücke wurden im Empirestil rekonstruiert. Original ist noch der tolle Tafelparkett, der bei jedem Schritt unter unseren Füssen knarrt. Im Apollo-Saal befand sich ursprünglich der drei Meter hohe Thron und selbst wenn dieser leer war, mussten sich alle in Ehrfurcht üben und sich vor dem leeren Thron verneigen.

Wir überwinden ein Geschoß und die Besichtigung geht weiter in der königlichen Kapelle. Hier können wir aber nur einen Blick durch die geöffnete Tür auf die drei Fresken machen, wo Gott, sein Sohn und der Heilige Geist dargestellt sind.

Großer Menschenandrang herrscht im strahlenden Spiegelsaal, der 75 Meter lang und mehr als 10 Meter breit ist. Hier sollte der Reichtum des Königs gezeigt werden, denn der Saal wurde mit 250.000 Goldblättern verkleidet. Teurer Luxus waren damals auch Spiegel, in Form und Größe gleich wie die gegenüber liegenden Bogenfenster reflektieren sie das einfallende Licht und holen auch optisch den Park herein. Beim Blick durch die alten Glasscheiben können wir schöne Blicke in den Garten und auf die Orangerie erhaschen. Der gesamte Saal wird von einem Gewölbe überspannt, auf dessen Deckengemälden der König verherrlicht wurde und war daher perfekt als Festsaal. Aufgrund der Lage diente die Spiegelgalerie auch als Promenade, um in die anderen Räume zu gelangen. Auch heute strömen die Menschen durch den Raum und besonders amüsant zu beobachten sind unsere japanischen Freunde, wie sie im Laufen das Tablet vor sich herhaltend Fotos machen. Einmal links, einmal rechts und fertig ist die Besichtigung.

Wir kommen nun zu den pompösen Gemächern des Königs und der Königin mit den prunkvollen Deckengemälden und dem Himmelbett. Während der König Gold bevorzugte, herrschen bei der Königin Pastelltöne mit floralen Mustern vor. Wir werden weitergeschoben in den Krönungsraum, in dem sich ein Bild befindet, auf dem Napoleon im Ägyptenkrieg dargestellt wird. Seine Frau ließ er einfach weg retuschieren, nachdem sie ihn verlassen hatte. Auch die Göttin mit dem Siegeskranz wurde entfernt und jetzt blicken die Krieger gen Himmel, wo nun nix mehr zu sehen ist. Am Bild daneben, das die Krönung von Josephine zeigt, wurde auch Hand angelegt, denn hier wird ihre Mutter dargestellt, obwohl sie sich weigerte, an der Zeremonie teilzunehmen.

Dreieinhalb Stunden später sind wir mit der Besichtigung durch, finden mit Glück noch einen freien Platz im Café und gönnen uns bei Baguette ein wenig Erholung und können vor allem endlich sitzen. Nach dem Pflichtritual, nämlich dem Klobesuch, widmen wir uns den Parkanlagen. Hier begegnen wir auch wieder den gefühlten tausend Touristen. Ob Jung oder Alt, mit den Selfiesticks kreieren sie die verrücktesten Bilder vor den Brunnen, Statuen oder Büschen.

Der Latonabrunnen mit den goldenen Krokodilen, Schildkröten, Warane und Frösche, auf einem Podest die Göttin Latona ist dabei auf jedem Foto. Die Brunnen wirken ein wenig nüchtern, weil die Wasserspiele leider nicht in Betrieb sind. Es wird gespart, denn Wasser gibt es nur am Wochenende und zu besonderen Anlässen. Die Gärten fallen in mehreren Terrassen vom Schloss weg und ein weiter Blick über die Brunnen, den Kanälen und die weitläufigen Wälder öffnen sich dem Betrachter. Wir schlendern auf dem weißen Kies die schattige Allee linkerhand entlang, die mit prächtigen Statuen und Vasen dekoriert sind. Die kunstvoll geschnittenen Buchsbäume sind in Perfektion in Schuss gehalten und dass das viel Arbeit und Geschick bedeutet, beweist die Frau, der wir eine Zeitlang beim Schneiden zusehen. Auf einer Leiter stehend schnipselt sie mit einer Schere die zu langen Triebe weg und das in der prallen Sonne. Auf dem breiten Grünstreifen befindet sich ein undefinierbares, verrostetes Kunstwerk, das sich „Dirty Corner“ nennt. Anscheinend hat es bei irgendwelchen Aktivisten keinen Gefallen gefunden, denn auf einem Schild wird erklärt, dass die Beschmierungen auf dem Ensemble von Vandalen in der Nacht zum 5. September stammen. Die Rasenflächen sind makellos und nicht verdorrt – und das trotz dieses Sommers – wahrscheinlich werden sie unterirdisch bewässert. Weit kommen wir nicht, denn in einer Seitennische entdecken wir einen Kiosk, gönnen uns erst mal ein Eis und versorgen uns mit Wasser. Mittlerweile ist es drückend heiß geworden und das Spazieren in der Sonne ist nach der langen Besichtigung im Schloss schon anstrengend geworden.

Wir arbeiten uns weiter vor und kommen zum Apollobrunnen, aus dem der Sonnengott mit seinem Sonnenwagen, gezogen von vier Pferden, aus dem Wasser hochsteigt, begleitet von Fischen und Meeresgöttern. Von Bäumen gesäumte Wege ziehen sich gerade bis zum Großen Kanal entlang. Zur Freude von so manchem gibt es hier einen Bootsbetrieb auf dem Wasser.

Nach einer kurzen Rast im Schatten spazieren wir wieder Richtung Schloss zurück und wenden uns abschließend dem geometrisch gestalteten Barockgarten zu. Hier ergänzen die kräftigen Farben der Blumen die kurz gestutzten Buchseinfassungen der Beete. Rote Geranien, weiße Cosmea, gelbe Mädchenaugen und vieles mehr räkeln sich in der Sonne. Im Hintergrund das cremefarbige Schloss mit den Blüten, das ergibt echt ein wunderschönes Postkartenbild – ein krönender Abschluss.

Wir verlassen das Areal diesmal auf dem richtigen Weg, sagen tschüss zu Louis XIV., der hoch zu Ross am Ende des Parkplatzes die Schlossanlage ziert. In Nullkommanix erreichen wir wieder den Bahnhof, wo auch der Zug schon wartet. Die Füße brennen, wir sind ordentlich geschafft und daher nutzen wir die Fahrt zum Relaxen. Wie in Trance bewegen wir uns danach zum Hotel zurück, machen uns frisch, marschieren wieder los und halten Ausschau, wo wir heute zu Abend essen. Wir landen schließlich in der Brasserie „Les Oiseaux“ nahe am Place d´Anvers. Entrecôte, überbackene Ravioli und baskisches Huhn stehen heute auf unserem Speiseplan. Gegen 21:00 Uhr füllt sich das Lokal und aufgrund der immer lauter werdenden Geräuschkulisse beenden wir den Abend. Auf den Heimweg führen wir mit Viktoria noch Erwachsenen-Gespräche und es erfüllt uns mit Stolz, dass sie uns das Gefühl gibt, unsere Ratschläge und Tipps ernst zu nehmen.

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