Da das Gehirn die vielen Eindrücke des Tages zu verarbeiten hat, schlafen wir beide sehr schlecht. Wir sind wie gerädert, als uns der Lärm im Hotel aufweckt.

Wir gehen um halb neun Uhr zur Bushaltestelle, denn das Frühstück im Hotel kostet 15,- Euro und soviel können wir gar nicht essen, um diesen Preis gerechtfertigt zu finden. Gleich gegenüber dem Bahnhof bestellen wir uns bei einem Kiosk Kaffee und Croissants. Den Kaffee gibt es ohne Zucker, dafür aber brennheiß und das bekommt meine Zunge auch gleich zu spüren! Trotzdem tut die warme Flüssigkeit im Magen gut.

Wir kaufen uns ein Ticket und fahren mit dem Zug wieder zum Flughafen. Nein, wir wollen noch nicht nach Hause fahren! Der Flughafen ist mit dem Bahnhof schön „verwachsen und von dort gehen viele Busse in die Umgebung von Amsterdam.

Wir wollen heute zum Keukenhof fahren. Der Keukenhof ist eine 32 Hektar große Parkanlage in der Nähe des Örtchens Lisse, die vor allem zur Zeit der Tulpenblüte große Touristenscharen anzieht. Der Garten geht auf einen Vorschlag des damaligen Bürgermeisters im Jahre 1949 zurück. Er wollte in einem Sichtungsgarten den Blumenzwiebelzüchtern Hollands und Europas die Gelegenheit geben, ihre Pflanzen vorzustellen. Der Park hat sich zu einer der größten holländischen Touristenattraktion entwickelt. Rund 900.000 Besucher lassen sich alljährlich von der letzten Woche im März bis Mitte Mai verzaubern. In dieser Zeit blühen 7 Millionen Tulpen, Narzissen und Hyazinthen unter perfekten Bedingungen exakt zum richtigen Zeitpunkt. Sie bilden wunderschöne Blüten- teppiche ein buntes Ensemble aus Farben, Formen und Düften. Gepflanzt werden die Zwiebeln in drei Schichten: oben die Frühblüher und unten die Spätblüher. Auf diese Weise gewährleistet der Keukenhof ein zweimonatiges Farbenspektakel. Zwischen Beeten und Bäumen, Blumen und Büschen verbergen sich zudem zahlreiche Kunstwerke. Die Harmonie zwischen Kunst und Natur spielt im Keukenhof seit jeher eine besondere Rolle. Außerdem blühen in mehreren Pavillons wechselnde Ausstellungen von Rosen über Gerbera bis hin zu Orchideen.

Wir werden von so vielen Eindrücken überwältigt, sodass wir es kaum schaffen sie alle aufzunehmen. Wie von einer Tarantel gestochen, hetzen wir zeitweise von einem Blumenbeet zum anderen. Der Fotoapparat steht keine Minute still und schon nach kurzer Zeit weiß ich nicht mehr, ob ich diese oder jene Blüte schon geknipst habe. Daher setzen wir uns immer wieder auf ein gemütliches Bankerl, von denen es jede Menge gibt und genießen die Farbenpracht und den betörenden Duft.

Es ist gewaltig, wie viele Arten und Sorten an Zwiebelblumen es gibt. Farben von schwarz bis weiß in allen Nuancen und Mischungen und Formen von klassisch bis ausgefranst. Kunstwerke der Natur, wie wir sie noch nie gesehen haben. Die Anordnung von Bächen und Brückerl, Springbrunnen und Skulpturen ist einfach pittoresk und es bedarf schon viel Gespür, all das so liebevoll zu arrangieren. Da kann ich noch sehr viel für zuhause lernen. Ich hoffe, ich merke mir das alles (aber da werden mir hoffentlich die über hundert Fotos ein wenig helfen!).

Irgendwann müssen wir einsehen, dass wir die Orientierung komplett verloren haben, denn wir kommen mehrmals wieder an Beeten vorbei, die wir schon kennen. Gegen Mittag erreichen wir die Windmühle, die man am Rand des Parks aufgestellt hat und uns ein wenig Schatten bietet. Die Sonne brennt mittlerweile erbarmungslos herab und wir haben uns bereits einen leichten Sonnenbrand zugezogen. Die Füße tun weh und wir beschließen wieder, eine längere Rast einzulegen. Es gibt hier wieder kleine Kioske, wo wir uns ein Sandwich für den großen Hunger und zum Nachtisch als Leckerli Waffeln mit frischen Früchten kaufen. Lecker, aber das hat auch wieder seinen Preis. Was solls, wir sind auf Urlaub!

Während wir das Essen genießen, lauschen wir der Musik, die von einer Gruppe Sänger und Musikanten zum Besten gegeben wird. Ganz Touristen- Like werden Schlager aus aller Herren Länder geträllert und die Besucher angespornt, mitzusingen, was viele auch tun. Es herrscht eine lustige Stimmung und jetzt wird auch das Ausmaß der Menschenmenge so richtig sichtbar. Ein Holzschuh- Schnitzer hat inzwischen auch Aufstellung genommen und präsentiert in informativer, aber auch lustiger Weise, wie diese Holzclogs hergestellt werden.

Nach der „Mittagspause erklimmen wir die Stiegen der Windmühle und genießen den schönen Ausblick in die Umgebung. Weite Blütenfelder bieten uns ein Bild wie auf einer Farbpalette. Unbeschreiblich schön sieht das aus und wir können uns gar nicht satt sehen. Da wir auf dem schmalen Steg mit den vielen Menschen langsam ein wenig Platzangst bekommen, steigen wir die Treppen wieder hinunter. Wir machen uns wieder auf den Weg zwischen den Blumenfeldern und versuchen einen Weg zu finden, den wir noch nicht gekreuzt haben.

Der Tag vergeht schnell und bevor wir uns zur Bushaltestelle begeben, genießen wir noch einmal die Ruhe auf einer Bank ein wenig abseits und können dabei einem Brautpaar zusehen, das die schöne Umgebung als Hintergrund für ihre Hochzeitfotos nutzt. Der Kontrast des weißen Kleides zu diesem bunten Blütenmeer könnte nicht schöner sein. Die Rückfahrt nutzen wir, um uns ein wenig zu erholen. Da wir noch Zeit haben, beschließen wir eine Grachtenfahrt zu machen. Ein Kanal heißt auf Niederländisch Gracht und in Amsterdam gibt es eine Menge davon. Sie werden von zahlreichen Brücken überspannt. Die bekanntesten (insbesondere Herengracht, Keizersgracht und Prinsengracht) bilden den Grachtengürtel um das Zentrum und helfen bei der Orientierung in der Stadt. Sie wurden überwiegend im 17. Jahrhundert angelegt und haben eine Gesamtlänge von über 80 Kilometer. Eine interessante Kuriosität ist, dass auch viele Straßen im heutigen Amsterdam den Namenszusatz „gracht“ tragen. Das liegt daran, dass sie früher tatsächlich Grachten waren, aber irgendwann aus hygienischen oder verkehrstechnischen Gründen zugeschüttet wurden.

Eine Stunde schippern wir – beginnend im Hafen – durch die verschiedenen Grachten. Der Kapitän macht uns auf die typischen Sehenswürdigkeiten aufmerksam und kurze Erklärungen vom Band erläutern uns geschichtliche Hintergründe. Im 12. Jhdt. bestand die heutige Provinz Holland zum größten Teil aus Moor und Sumpfland. Diese Landschaft wurde durch mehrere Flüsse durchschnitten und einer davon war die Amstel, die in die IJ mündete. Rund um einen Damm entstand eine kleine Siedlung, der Amsterdam ihren Namen verdankt. Die Stadt wurde auf etwa 5 Millionen Tannenstämmen erbaut. Amsterdam ist durch den Noordzeekanaal mit der Nordsee verbunden, mit einem Damm gegen Überschwemmungen geschützt und von zahlreichen Grachten durchzogen. Die Amstel ist ein mittlerweile kanalisierter 31 Kilometer langer Fluss. Unzählige jahrhundertealte Denkmäler zieren den Stadtkern. Bis zum heutigen Tag zeugen fast 7.000 Kaufmanns- und Lagerhäuser sowie beinah 1.300 Brücken aus dem 16., 17. und 18. Jhdt. von diesem goldenen Zeitalter. Die erhabenen Händlerhäuser wurden entlang der 165 Grachten gebaut, die als Transportwege genutzt wurden. Heute werden diese Häuser als Wohnhäuser oder Restaurants verwendet. Sollten wir etwas Kleingeld übrig haben, dann können wir uns für 10 Millionen Euro ein solches erwerben.

Der Grachtenführer macht uns auch auf das schmalste Haus Amsterdams aufmerksam und erklärt uns, dass früher die Höhe der Grundsteuer anhand der Frontfassade berechnet wurde. Je schmaler das Haus, desto niedriger war die Steuer, unabhängig von der Höhe. Das Haus Singel 7 besteht lediglich aus einer Tür und einem schlanken Fenster pro Stockwerk. Was die Grachtenführer aber verschweigen ist, dass es sich in Wirklichkeit nur um den Hintereingang eines normal großen Hauses handelt. Es herrscht ein buntes Treiben in den einzelnen Grachten und der Vergleich mit Venedig ist nicht von der Hand zu weisen. Rundfahrtsboote, Wassertaxis, Segel- und Ruderboote und sogar Tretboote, die man zur individuellen Stadtbesichtigung mieten kann, legen an und ab oder schaukeln am Ufer festgemacht gemütlich im Wasser. Dazwischen thronen die unterschiedlichsten, zum Teil bunt bemalten Hausboote.

Mal sehen sie sehr gepflegt aus, mal heruntergekommen; mal sind es umgebaute alte Lastkähne, mal schwimmende Bungalows. Die Rede ist von den 2.500 Wohnbooten, die vor allem auf Singel und Prinsengracht dümpeln. In den 50er- Jahren kamen zuerst Studenten auf die Idee, dass ausgemusterte Schiffe hervorragende Wohnungen abgeben. Heutzutage werden Hausboote vor allem von Liebhabern und Exzentrikern bewohnt. Die Stadt hat die treibenden Häuser jedoch nur widerwillig hingenommen. Inzwischen ist es beinahe unmöglich geworden, einen Liegeplatz für ein neues Hausboot zu bekommen. In den frühen 70ern entstanden regelrechte Hausboot- kommunen, auf denen „Hippies“ und „Nonkonformisten“ das freie Leben uneingeschränkt genossen. Hausboote waren der Inbegriff für alternatives Wohnen. Was einst von den Anhängern des Flower Powers als billige Wohnmöglichkeit entdeckt wurde, ist heute ein Luxus, den sich nur Reiche leisten können. Heute sind die meisten schön renoviert und mit viel Blumenschmuck verziert und wir können sogar eines mit einem prächtigen Wintergarten bestaunen. Als Wahrzeichen und Touristenattraktion gehören sie zum Bild von Amsterdam wie Rembrandt und das Rotlichtviertel. Doch Wildwuchs und Überbevölkerung führten dazu, dass die Stadt bereits 1974 keine neuen Boote mehr zuließ.

Schnell ist die Zeit vergangen und wir setzen uns nach der Fahrt gemütlich in ein Restaurant in der Nähe des Bahnhofes und genießen unser Abendessen. Bevor wir mit dem Bus wieder zum Hotel fahren, holen wir uns noch ein Eis bei McDonalds.

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