Für heute haben wir wieder einen Ausflug in die Umgebung geplant – Zaanse Schans. Unser Tag beginnt schon spektakulär, denn um die Außentemperatur zu prüfen, gehen wir auf einen kleinen Balkon am Ende unseres Stockwerkes. Die Tür fällt laut hinter uns ins Schloss – sie soll für uns auch verschlossen bleiben. Als wir wieder zurück wollen, sehen wir, dass es an der Außentür keinen Türgriff gibt. Unser Klopfen wird von niemandem gehört und so sind wir erst sehr ratlos. Na prima, keine tolle Aussicht, die nächsten Stunden hier zu verbringen, bis uns vielleicht doch jemand sehen sollte. Da entdecken wir an der Hausmauer eine unscheinbare Tür, die sich auch öffnen lässt. Eine eiserne Wendeltreppe führt im dunklen Inneren sieben Stockwerke hinunter und dann stehen wir im Freien. So, jetzt sind wir im Gastgarten des Hotels ausgesperrt. Auch nicht viel besser! Doch nach einigem ratlosen Hin- und Herlaufen und Probieren diverser Türen, finden wir doch noch den Weg auf die Straße. Das Wetter haben wir jetzt genug getestet und da wir zu luftig angezogen sind, kehren wir ins Hotel zurück und ziehen uns wärmere Kleidung an.

Am Bahnhof besorgen wir uns an einem Kiosk wieder Frühstück, kaufen uns die Zugkarten und gehen dann auf die Suche nach dem richtigen Gleis. Die Zeit wird eng und deshalb erkundigen wir uns an der Infostelle und sehen ein, dass wir diesen Zug nie gefunden hätten. Wenn man das System des Zugplan- Lesens einmal versteht, dann mag es eh nicht schwierig sein, das richtige Gleis zu finden. Wir fahren ja sicher nicht das letzte Mal und daher haben wir noch Zeit zum Üben.

Als wir in Zaanstreek ankommen, ist es bewölkt und es weht eine ordentliche Brise. Wir packen die Windjacken aus und machen uns auf den Weg zum Freilichtmuseum. Wir haben das Gefühl, dass die Luft wunderbar nach Schokolade duftet und sind uns einig, dass wir an Halluzinationen leiden. Doch dann kommen wir an einer Fabrik vorbei, in der Kakao hergestellt wird. Unser Duftsinn hat uns doch nicht getäuscht. Am Ende der Straße biegen wir rechts ab und von der Brücke, die wir überqueren müssen, haben wir schon eine wunderschöne Aussicht auf die Windmühlen. Der Eintritt zum Gelände ist kostenlos und schon geht der Spaziergang los. Das Freilichtmuseum liegt 10 Kilometer nordwestlich von Amsterdam und ist der gelungene Versuch, ein Dorf aus dem 17. und 18. Jhdt. wiederzubeleben. Die traditionellen Holzhäuser des Dorfes stammen mehrheitlich aus der näheren und weiteren Umgebung. Sie wurden hierher versetzt, weil sie anderswo vom Abriss bedroht waren und veranschaulichen die Entwicklung der niederländischen Wohn- architektur der frühen Industrialisierung.

Torf war jahrhundertelang der einzige Reichtum an den Ufern des Zaan. Doch gleich nebenan wuchs Amsterdam zur Weltstadt heran und entwickelte einen enormen Warenhunger. Plötzlich rückte die Gegend in den Mittelpunkt des Interesses. Denn in dem flachen Landstrich gab es außer Torf etwas noch viel Wertvolleres: Wind! Mehr als tausend Windmühlen wuchsen aus dem Boden. Sie sägten, droschen Getreide, pressten Korn und Nüsse zu Öl und mahlten Farbpulver aus Kreiden. Von den zahllosen Windmühlen, die einst das Landschaftsbild prägten, sind nur zwölf erhalten geblieben. Fünf davon stehen in Zaanse Schans  allesamt instand gesetzt und mahlend und sägend wie eh und je. Dieser Freilichtpark ist ein Stück Holland wie im Bilderbuch: knarrende Windmühlen, grün gestrichene Holzhäuser, bucklige Brücken. Dazu frisch geschnitzte Holzschuhe, Stapel gelber Käselaiber und kleine Kaufmannsläden. Hier scheint es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Wir spazieren an den kleinen Grachten entlang, über die winzigen Brückerl von einem Häuschen zum anderen. Einzelne sind sogar noch bewohnt und haben hinten hinaus einen kleinen, pittoresken Garten. Es ist alles so liebevoll angelegt und arrangiert. Da könnte man sich wirklich was abschauen. Auf kleinen Feldern und Wiesen grasen Lämmer, Böcke und auch allerlei Vögel. Von weitem hört man Frösche und Enten quaken.

Als erstes fallen wir gleich in den Souvenirshop und entgegen unserem Vorhaben kaufen wir dort dann ein paar schöne, handgemachte Holztulpen. Danach sehen wir dem Schuhmacher über die Schulter, wie er paarweise die Holzschuhe (Klompen, wie der Holländer sagt) aushöhlt. Früher war die Herstellung dieses Schuhwerks der Nebenerwerb armer Tagelöhner. Heute ist es eine aussterbende Kunst. Handgemacht werden sie für den Verkauf schon lange nicht mehr, das besorgt heute eine Maschine in fünf Minuten pro Schuh. Interessiert lauschen wir zu, wie es von einem einzelnen Holzstück zu einem Schuh kommt.

Zum Tragen solcher Schuhe muss man dicke gestrickte Socken anziehen. Regale, gefüllt mit Hunderten von diesen Schuhen sollen dann die Touristen animieren, welche zu kaufen.

Die Präsentation der Käseherstellung versäumen wir leider, dafür kosten wir uns ordentlich durch die einzelnen Sorten durch. Der geräucherte Käse schmeckt uns so gut, dass wir beschließen einen mit nach Hause zu nehmen.

Ein wenig von den Wohnhäusern und „Fabriken abgelegen, liegen dann die Mühlen. Die Farbmühle stammt vom Jahr 1782 und gehört zum Typ der Kappen- oder Haubenmühlen an. In dieser Mühle wird Farbe, genauer gesagt, Farbstoff, erzeugt. Er diente zum Färben von Stoffen. Ab 1600 führte man tropische Farbhölzer in großen Mengen ein. In einem großen Bottich wurden die schweren Holzstücke mit Hackmessern in Späne gehackt. Danach wurden die Holzschnitzel von 5.000 bis 7.000 kg schweren, umlaufenden Mühlsteinen zu Pulver zermahlen und in einer Drehtrommel gesiebt. Um Farbe zu erhalten, rührten die Maler das Farbpulver mit Leinöl oder anderen Flüssigkeiten an.

Die Ölmühle aus dem Jahr 1676 erscheint uns noch viel interessanter, da dort noch richtig präsentiert wird, wie die Nüsse zu Öl werden. Ein Müller schaufelt von Zeit zu Zeit eine Menge Nüsse auf den Lagerstein. Sogenannte Kantsteine zermahlen sie dann. Wenn das Rohmaterial fein gemahlen ist, wird die Masse auf einem Herd geröstet. Anschließend wird das warme Gemisch in Wollsäcke gefüllt, die dann in einen Überzug aus Pferdehaar und Leder gesteckt werden. Danach werden sie in eine Holzlade gelegt und ein Fallhammer fällt mit großer Wucht auf einen Schlagkeil, der den Sack bei jedem Schlag seitlich gegen die Füllstücke drückt. Dabei wird das Öl aus dem Mahlgut gedrückt. Das Öl wird in einer Lade aufgefangen. Dieses Schlagen macht einen Höllenlärm, sodass früher viele Arbeiter davon auch taub wurden. Wir klettern auf die Aussichtsplattform der Mühle, wo wir fast in gleicher Höhe der Flügel stehen. Von hier oben kann man sehen, dass die Kappen der Mühle mit Reedgras gedeckt sind. Die Aussicht ist wunderschön und wir können die Ruhe genießen, da wir die einzigen sind, die sich den Eintritt in die Mühle (2,50 Euro) geleistet haben.

Beim Zurückgehen ringen riesige Karpfen in einem Teich um unsere Aufmerksamkeit. Ständig taucht einer auf oder balzt mit einem Weibchen nahe an der Oberfläche. Und hier sitzen auch die Frösche, die wir vor Stunden schon von weitem gehört hatten. Ein nettes Schauspiel, das uns die Tierwelt hier bietet. Die Sonne plagt sich langsam durch die Wolkendecke und an geschützten Orten ist sie auch schon wieder angenehm warm.

Am frühen Nachmittag sind wir wieder auf dem Rückweg. Direkt vor uns wird die Brücke aufgeklappt  ein interessantes Spektakel. In unmittelbarer Nähe muss eine Schule sein, denn plötzlich sammeln sich mindestens hundert Jugendliche auf ihren Fahrrädern rund um uns an. Als die Brücke dann wieder aufmacht strömen alle gleichzeitig los, sodass wir als Fußgänger ordentlich abgedrängt werden.

Auf den Zug zurück nach Amsterdam müssen wir nicht lange warten.

Es ist noch ein wenig Zeit übrig – daher beschließen wir in Amsterdam noch durch das Shoppingcenter zu schlendern. Unser Interesse lässt aber schnell nach, da uns die Füße brennen und die Wirbelsäule ordentlich schmerzt. Wir fahren zurück ins Hotel und gönnen uns noch ein wenig Erholung, bis wir ins Bett gehen.

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