Gut gelaunt machen wir uns nach dem Frühstück wieder auf die Reise Richtung Córdoba. Die Erde dampft vor Feuchtigkeit und Nebenschwaden treiben in der Luft. Auch heute fallen uns wieder die vielen Storchennester auf, ach ja und in der Nähe unserer Unterkunft haben wir auf einer Stromleitung einen Wiedehopf gesehen und natürlich auch bildlich festgehalten. Greifvögel lassen sich vom Wind treiben und lauern auf Beute.
Unser erstes Ziel heute ist die historische Stadt Écija, die zwischen Sevilla und Córdoba liegt. Um elf Uhr stellen wir in der Avenida Dr. Fleming direkt neben einem Park unser Auto ab und stapfen durch die Gassen Richtung Zentrum. Die Stadt der bunten Türme wird ihrem Namen wirklich gerecht, denn schon nach wenigen Schritten erheben sich die Kirchtürme des Convento de la Merced, dessen Fundament aus dem Jahr 1509 stammt. Die Kuppeln sind reich mit blauen und weißen Fliesen dekoriert und auch ein Storchenpaar hat Gefallen daran gefunden, denn sie haben sich bei traumhafter Aussicht dort oben ein Nest eingerichtet.
Gemütlich spazieren wir durch die hübschen Gassen, werden mal da von einem kläffenden Hund begrüßt, oder dort von einer schlafenden Katze ignoriert. Wir finden Gefallen an dieser Kleinstadt, die sehr elegant wirkt und reich an schönen Gebäuden und Herrenhäusern ist. Beinah in jeder Gasse wird gewerkelt, gestrichen oder gehämmert und dekoriert. Von vielen Balkonen flattert die spanische Flagge und die Brüstungen sind vollgestellt mit Blumentöpfen. Es herrscht hier überall eine friedliche und harmonische Stimmung, von der wir uns sofort anstecken lassen.
Im Nu erreichen wir den großen Plaza de España, den Rathausplatz, das Zentrum der Barockstadt. Gesäumt ist der schön gepflasterte Platz von prächtigen Gebäuden mit Säulengängen in Weiß und Gelbtönen. Im Rathaus kann man ein schönes, römisches Mosaik bewundern, leider ist es jetzt zur Mittagszeit geschlossen. Unter dem Platz wurde 2007 ein Parkhaus errichtet und dabei ist man auf römische Ruinen gestoßen. Écija wurde bereits im 8. Jhdt. v. Chr. besiedelt und lag an der Via Augusta, die römische Straße von Rom nach Cadiz. Links vom Rathaus guckt der Kirchturm der Iglesia de Santa Maria Nuestra Señora hervor. Sie wurde 1262 erbaut auf den Ruinen eines islamischen Tempels und musste aufgrund des Lissaboner Erdbebens 1755 mehrmals wiederaufgebaut werden. Na dann schaun wir mal, ob die Pforten für uns offenstehen. Ja – ehrfürchtig öffnen wir das dunkle Mahagonitor und betreten das Innere. Sonnenlicht dringt durch die Fenster der Kuppel und bestrahlt die schönen Bemalungen.
Dafür steht die beinah lebensgroße Señora de las Lágrimas im Halbdunkel und weint vor sich hin. Sie feiert übrigens am 2. Juni 2018 ihren 50. Geburtstag und dafür sieht sie noch sehr hübsch aus. Wir drehen eine Runde in den heiligen Hallen und entdecken einen kleinen Patio mit Orangenbäumen und blühenden Blumen. Neben dem Innenhof reiht sich eine geschlossene Tür neben der anderen und anstelle von Türglocken hängen Kästen mit der Aufschrift „Donation“. Kann man sich hier von den Sünden freikaufen, indem man einen Raum nach dem anderen betritt? Ein cooler Jugendlicher in Freizeitkleidung betritt die Kirche, die Ohrstöpsel drin, streckt seine Finger in den Weihwasserkessel, bekreuzigt sich und verlässt wieder das Gotteshaus. Was war das jetzt?
Am anderen Ende des Rathauses befindet sich die Iglesia de San Francisco und da diese Tür auch offen ist, huschen wir schnell hinein. Ein Padre erklärt uns dann, dass diese Kirche zu einem Kloster gehört und nicht frei zugänglich ist. Wir können aber einen Blick hinein machen und beim Verlassen sollen wie die Türe wieder schließen. Das machen wir dann mal.
Weiter geht´s in die nächsten Gassen, aber Obacht, leider liegt da sehr viel Hundescheiße und Vogelkot herum und so müssen wir uns mehr auf den Boden konzentrieren. Wir sind in der Calle Emilio Castelar unterwegs, auf beiden Seiten schneeweiße Häuserfassaden, wo sich die schwarzen Balkongitter schön abheben, einige davon mit üppigem Blumenschmuck behangen. In einer Kurve stoßen wir dann auf die beeindruckende Fassade des Palacio de Peñaflor, die mit spektakulären rot-gelben Freskenmalereien übersät ist. Wow, sieht das toll aus, leider bröckelt an einigen Stellen schon der Putz von den Wänden. Dazwischen zieht sich ein langer Balkon mit hübschen verschnörkeltem Gitter durch, aber auf den möchte ich auch nicht draufsteigen. Der Barockpalast wurde 1726 von einer reichen Großgrundbesitzerfamilie in Auftrag gegeben. Auffällig sind die verschiedenen Höhen des Gebäudes, als hätte man den Palast aus einzelnen Teilen zusammengeschoben. Ja und blöderweise ist noch Mittagszeit, also ist auch diese Türe für uns verschlossen. Daher belassen wir es bei den Fotos uns ziehen weiter.
Das Wetter wird immer freundlicher und nach dem vielen Grau blenden die hellen Häuserfassaden regelrecht. So geht es erst auch an mir vorbei, dass ich beim Fotografieren auf der Straße gelandet bin und ein Autofahrer mit Geduld wartet, bis ich alles im Kasten hab. Kein Gemaule oder Gehupe, „lo siento, gracias“.
Unser kurzer Abstecher in Écija ist sehr lohnenswert gewesen und ist auch vorgemerkt für ein Wiederkommen.
Kurz nach halb eins verlassen wir die Stadt bei 13 Grad und fahren auf die Autovía Richtung Sevilla, denn unser nächstes Ziel ist Carmona. Wir genießen die Fahrt aufgrund der schönen Umgebung, mit den weitläufigen Olivenhainen, aber auch Eukalyptenwälder, Palmen und Opuntien. Leider „wachsen“ im Straßengraben neben dem Fahrstreifen auch sehr viele Blechdosen, Plastikflaschen und Sackerl.
Schon von weitem sind die Reste der alten Stadtmauer von Carmona sichtbar, das auf einem Hügel in der fruchtbaren Ebene des Flusses Guadalquivir liegt. Wir schlängeln uns die Straße hinauf und wir passieren das alte maurische Stadttor Puerta de Córdoba. Den Anweisungen unseres Navis folgen wir den engen und verparkten Gassen weiter hoch bis zu einem Parkplatz außerhalb des Forts Peter des Grausamen. Heute beherbergt die Burg aus dem 14. Jhdt. ein Hotel. Es ist mittlerweile so warm geworden, dass wir unsere Jacken im Auto lassen können und so schlendern wir gemütlich die Ruta Turistica entlang, markiert mit Punkten auf der Straße, ins Altstadtzentrum. Wahrscheinlich treibt uns der Hunger voran, denn innerhalb weniger Minuten erreichen wir den Hauptplatz Plaza de San Fernando.
Zwischen schattenspendenden Bäumen stehen gemütliche Bänke, wo sich parlierende Männer oder junge Mamis mit ihren Kinderwägen versammelt haben. Umgeben ist der runde Platz von prächtigen Herrenhäusern und historischen Gebäuden, wo viele Völker ihre baulichen Spuren hinterlassen haben. Wunderbar, auch die Tapasbar El Tablao befindet sich hier und zufällig ist auch ein Platzerl für uns frei, auf dem wir uns gleich niederlassen. Wahnsinn, wir sitzen im Freien und das ohne Jacken! Erst mal wird ein erfrischendes Cerveza bestellt und dann fallen wir über die Karte her. Die Oliven, die wir dazu bekommen, sind wieder voll lecker. Während wir auf das Essen warten, lassen wir unseren Blick herumschweifen.
Plötzlich fliegt ein Storch mit klapperndem Schnabel an uns vorbei und wir folgen ihm bis auf den Turm der Iglesia San Pedro, wo in einem Nest seine Partnerin auf ihn wartet oder umgekehrt. Die Kuppel der Kirche aus dem 15. Jhdt. ist mit blau-weißen Azulejos gedeckt, die in der Sonne strahlen. Der Kirchturm dahinter wurde erst später angebaut, dahinter der Glockenturm.
Gestärkt folgen wir wieder unserer Route durch den historischen Stadtkern und kommen zum Marktplatz, der auf dem ehemaligen Grundstück eines Dominikanerinnenklosters erbaut wurde. Der rechteckige 45 x 35 Meter große Platz ist umgeben von Säulengängen, Rundbögen, die von toskanischen Säulen gestützt sind. Diese beherbergen 28 Stände für den Markt, von dem aber heute nichts zu sehen ist. Lediglich einige Bars buhlen um die Gunst der Gäste. Das muss ja irr gemütlich sein, wenn der gesamte Platz mit Leben voll ist und reges Treiben hier herrscht.
Wir setzen unseren Spaziergang durch die engen Gassen mit ihren weiß getünchten Hauswänden fort, die für die alten andalusischen Städte typisch sind. Hin und wieder müssen wir uns an die Hausmauer drücken, wenn ein Auto vorbei möchte. Zwei Frauen, die aufeinander zugehen, beginnen schon von weitem sich miteinander zu unterhalten und sie quatschen auch noch weiter, als sie längst aneinander vorbei sind, aber das Echo trägt ihre Stimmen noch weiter. Wären wir der spanischen Sprache besser mächtig, hätten wir auch was beitragen können.
Wir kommen bei der Biblioteca Pública Municipal vorbei, wo auf der Brüstung des imposanten Portals die Flaggen der EU, von Spanien und der von Andalusien in der leichten Brise baumeln. Auf beiden Seiten des Eingangs haben die Hausmauern schöne Bemalungen.
Die Altstadt von Carmona liegt zwischen den beiden Stadttoren Puerta de Córdoba und der Puerta de Sevilla und wir haben es jetzt geschafft, die Straßen von einem Ende zum anderen zu passieren. Die Araber haben rund um die Stadt eine Befestigungsmauer und an der Puerta de Sevilla den Burgturm Alcázar errichtet.
Heute ist hier das Fremdenverkehrsbüro beheimatet und hier bekommen wir auch die Tickets für die Besichtigung. Wir steigen einige Treppen hoch und gelangen auf eine Zinnen bewehrte Ebene. Von dort steigen wir im sogenannten Goldturm weiter hoch auf die Aussichtsplattform und werden belohnt mit einem atemberaubenden Panoramablick auf das weiße Häusermeer, Teile der Stadtmauer, auf das Kloster Santa Klara, die Kirchen und das grüne Umland. Die Iglesia San-Bartolome ist zum Greifen nahe mit dem steinernen Turm, der stark vermoost ist. Jetzt können wir auch die Wetterfahne auf der Spitze der Kirche San Pedro genauer sehen, die nämlich in Form eines Menschen ist.
Hübsch sind auch die kleinen Dachterrassen, die mit Brunnen und vielen Blumentöpfen liebevoll zu kleinen Gärten gestaltet wurden. Manche haben sich einen Pool angelegt und Sonnenkollektoren angebracht und es macht den Eindruck, als gäbe es hier einen Wettbewerb, wessen Fernsehantenne die höchste ist. Wir verweilen eine Zeitlang hier und beobachten das Treiben. Auf einer Terrasse ist Mama mit dem Aufhängen der Wäsche beschäftigt und einige Häuser weiter drüben wird ein Sonnenbad genossen. Wir können gar nicht genug kriegen von dieser traumhaften Aussicht und die ruhige Beschaulichkeit, die wir auf uns wirken lassen.
Trotzdem heißt es, Treppen wieder hinunter und weiter geht´s. Wir schlendern die Calle Enmedio entlang, die dann in die Avenida Jorge Bonsor mündet. Dabei erhaschen wir immer wieder Blicke durch offene Eingangstüren in die schönen, gefliesten Vorräume und manchmal sogar in das dahinterliegende, hübsche Gärtchen. Viele Bewohner haben sich Zeitzeugen aus dem Mittelalter auf ihren schweren Holztüren angebracht, nämlich tolle Türklopfer in Form einer Hand, die mit einer Kugel auf eine Metallfläche klopft. Wir bekommen auf unserem Spaziergang so einiges Skurriles zu sehen, aber das heftigste sind die Stromleitungen zu und von den Häusern. Da wurden Bündel von Kabel mit Bindern zusammengedreht und von einem Haus zum andern geleitet. Hinunter – hinauf und hin und wieder geht mal ein Kabel direkt durch die Mauer ins Innere. Damit das alles auch nett aussieht, wurden sie einfach mit der jeweiligen Hausfarbe übermalt.
Gegen halb vier erreichen wir die Ausgrabungsstätte der Grabanlage Necrópolis Romana, die während des Straßenbaus 1868 entdeckt wurde. Als EU-Bürger haben wir kostenlosen Eintritt – muchas gracias. Wir erhalten einen deutschsprachigen Plan und die Einladung, uns das angeschlossene Museum anzusehen. In Schaukästen werden verschiedenste Urnen und Grabbeigaben gezeigt und es gibt Infos und Beschreibungen auch in Deutsch. Wir erfahren Interessantes über die römische Religion, die Totenämter, Grabkammern, Bestattungsrituale und über die Ausgrabungen hier. Total süß sind die kindgerechten Zeichnungen und Erklärungen, die auch den kleinen Besuchern diesen Kult anschaulich erklären.
Nun sind wir schon neugierig auf die Ausgrabungen im Freien. Als erstes steigen wir über eine Metallleiter in die Tiefe, um in das große, runde Mausoleum, eine unterirdische Grabkammer, zu gelangen. Es sind noch die Nischen sichtbar, wo die Urnen hineingestellt wurden. Es ist schon ein komisches Gefühl hier drin, aber auch spannend. Mausoleen wurden errichtet als Teil der Bestattungsrituale und der Familie ein Gefühl der Ehre zu verleihen.
Wir klettern wieder raus und spazieren weiter auf dem großen Gelände. Auch hier sind Infotafeln aufgestellt, um die einzelnen Grabstätten und Riten zu erklären. Ist zum Beispiel der Hausherr verstorben, hatte der Erstgeborene die Aufgabe, das Feuer zu entzünden – und schaute dabei weg, als Zeichen des Respekts.
Der Weg führt uns als nächstes zum sogenannten Grab des Elefanten, benannt nach dem Fund eines Steinelefanten. Es ist zwar nicht erwiesen, ob diese Figur ursprünglich als Grabbeigabe mitgegeben wurde oder nachträglich hier hingestellt wurde. Das Grab befindet sich in einem früheren Steinbruch und hatte zwei Essbereiche mit einem Brunnen. Jedes Begräbnisritual endete mit einem Festmahl, das hier stattfand und jedes Jahr wiederholt wurde. Dafür wurde in der Grabkammer auf der einen Seite der Aufbewahrungsraum für die Urnen und auf der andern eine kleine Küche angelegt. Dieses Grab gehörte wahrscheinlich einer einzigen Familie und je nachdem wie reich eine Familie war, baute man oft sogar richtige Paläste als Grabstätten.
Wie durch einen schönen Park spazieren wir herum und sind total beeindruckt, was hier alles zu sehen ist. Von den etwa tausend Gräbern wurde ein Viertel davon freigelegt und die Nischen für die Urnen kann man gut erkennen. Sie stammen aus der Zeit vom ersten bis zum vierten Jahrhundert und während dieser Zeit war das häufigste Bestattungsritual die Einäscherung, es wurden aber auch und Erdbestattungen durchgeführt. Dabei wurden den Toten viele Gegenstände ins Jenseits mitgegeben, wie Gläser, Krüge, aber auch Altäre.
Interessant ist auch das Grab der Girlanden, in dessen Kammer noch Überreste von Malereien mit diesem Motiv zu sehen sind. Daneben liegen der Verbrennungsplatz und der Zugangsschacht zu den Urnenkammern.
So, nun sind wir beim Höhepunkt des Gräberfeldes angelangt, nämlich bei der Tumba de Servilia. Die tempelartige Grabanlage ist mit Fresken ausgemalt, von denen noch einige Fragmente gut sichtbar sind.
Gemütlich schlendern wir wieder zurück bis zum Ausgang. Auf der anderen Straßenseite gucken wir noch durch den Maschendrahtzaun, wo ein Amphitheater freigelegt wird, aber aufgrund der andauernden Ausgrabungsarbeiten das Gelände nicht zu besichtigen ist.
So, das war´s mit Carmona. Entlang der Ruta Turistica gehen wir nun verkehrt zurück und wenn alles stimmt, dann müssten wir wieder am Parkplatz ankommen und das ist dann auch so. Wir verlassen die Stadt wieder durch das Puerta de Córdoba und setzen unsere Fahrt fort. Dabei begegnen wir einer Familie Hase und an einem Tümpel vielen – mindestens – zwanzig Störchen!
Kurz vor 18:00 Uhr erreichen wir die Außenbezirke von Sevilla und im Nu sind wir mitten im Abendverkehr auf der teilweisen sechsspurigen Straße. Auf der Suche nach unserem Hotel San Gil in der Calle Parras, schickt uns das Navi in den engen Gassen herum, mir wird schon angst und bange und ich bin dann froh, als wir schließlich vor der Türe stehen. Die drei Rezeptionistinnen empfangen uns sehr kühl, aber dafür wird uns der Koffer aufs Zimmer gebracht und unser Auto in der Garage eingeparkt. Wir hüpfen als erstes aus unseren Schuhen und schmeißen uns mal aufs Bett, denn die Füße schmerzen uns vom vielen Herumlatschen heute ordentlich. Das Zimmer ist schön, aber leider auf der Straßenseite, mal sehen, ob wir heute Nacht wieder Ohropax brauchen.
Um Mitternacht sind normalerweise nur die Geister unterwegs, bei uns aber die Nachbarn, die um diese Zeit einen Wirbel schlagen. Das Hotel ist sehr hellhörig und leider liegt unser Zimmer auch in der Nähe der Rezeption und da ist es nur wenige Stunden am Tag / Nacht ruhig. Außerdem poltern die schweren Türen des Hotels mit lautem Krachen zu und das macht jedes Mal einen Höllenlärm.