Nach einem reichhaltigen Frühstück packen wir unsere Koffer, verabschieden uns von den Hausleuten und brechen auf Richtung Flamencos. Dort ist unser Ziel der Botanische Garten, der 1986 eröffnet wurde und von der Universität betreut wird. Im Besucherzentrum zeigen sie uns einen interessanten Film über die Azoren, deren Entstehung, Fauna und Flora. Seit 500 Jahren werden die Azoren besiedelt und es gab 300 Pflanzenarten auf dem Archipel. Davon sind 74 endemisch und 700 Pflanzenarten kamen durch die Einwanderungen dazu. Zur Eiszeit war hier das Wasser viel tiefer und es gab mehr Inseln und über diese Landesbrücken konnten sich Pflanzen von Amerika, Europa und auch von Afrika viel schneller ausbreiten. Mit dem Steigen des Wassers wurden diese Zugangswege weniger. Die Eiszeit rottete Pflanzen in Europa aus, die sich aber hier auf den Azoren beheimatet hatten und überlebten. Genauso passierte es aufgrund der Wüstenbildung in Afrika, auch von dort haben sich Pflanzen hierher gerettet und sind endemisch geworden.
Es wurde ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem eine Samenbank installiert wurde, um gewisse Spezies für lange Zeit zu erhalten. Bis 2020 ist geplant, 80 % der verschiedenen Pflanzen in Form von Samen zu konservieren. Die Gefahr ist immer latent und groß, durch Vulkanausbrüche und sonstigen klimatischen und vegetativen Veränderungen endemische Pflanzen zu verlieren. Ziel ist es aber, diese Pflanzen wieder zu rekonstruieren. Klingt echt spannend!
So, genug mit der Theorie, jetzt widmen wir uns mal den Tatsachen. Mit einem Übersichtsplan bewaffnet, den es in allen Sprachen auszuleihen gibt, starten wir im Freien. In unmittelbarer Nähe eines Baumes, Busches oder Pflanze sind Beschriftungstafeln in Englisch aufgestellt, manche sogar mit abfotografierten Bildern.
Geschwungene Wege führen gleich zu Beginn durch mediterranes Dickicht aus Laub- und Nadelhölzer. Hier fühlen sich auch die verschiedensten Vogelarten wohl, für reichhaltige Nahrung sorgen die vielen Früchte auf den Bäumen. Die Heidelbeerbäume stehen gerade in voller Blüte und am Boden darunter erstrahlen die zarten, rosa Blüten der sogenannten Malvenblättrigen Cinerarie.
Wir wandeln durch die Gärten, wo viele endemische und gefährdete Pflanzen kultiviert und geschützt werden. Es ist hier gelungen, Vegetation aus den verschiedenen Höhenlagen darzustellen, von der Küstenregion bis hin zum Hochgebirge. Besonderes Augenmerk wurde auch auf die Kräuter gelegt, die sehr dominant sind auf den Azoren. Sie müssen viel Salz aushalten und im Vulkansand gedeihen. Mehr als fünfzig verschiedene Sorten wurden gepflanzt, die für die traditionelle Küche und auch für die Medizin verwendet werden. Einige davon sind uns ja von zuhause bekannt und daher nutzen wir die Gelegenheit und verreiben so manches Blatt zwischen unseren Fingern. Mmmh, köstlich riecht unser „Eau de Kräuter“!
Auf und ab, hin und her, langsam verlieren wir die Orientierung und daher nutzen wir eine von vielen Sitzgelegenheiten, um uns ein wenig zu erholen. Es ist unheimlich schwül, nur gut, dass die Sonne nicht vom Himmel herunterknallt. Verschiedene Pfadfindergruppen schlendern durch die Gärten und erfüllen – teils etwas desinteressiert – schriftliche Aufgaben. Tja, ehrlich, als wir in ihrem Alter waren, hat uns das auch nicht so interessiert.
Im hinteren, schattigen Teil des Gartens finden wir prachtvoll blühende Kamelien, Blauregen und Hibisken. Natürlich dürfen auch die Nutzpflanzen wie die Banane, Ananas- und Zitrusstauden nicht fehlen. Tabak, Hortensien und die Ingwer-Lilie haben es sich direkt daneben bequem gemacht.
In einem stickigen Glashaus sind mehr als 30 verschiedene Orchideen zu bestaunen, teilweise wurden sie von Einwohnern gezüchtet. Das ist jetzt ein krönender Abschluss im wirklich sehr interessanten botanischen Garten. Danke, es hat uns sehr gefreut, wir geben den Übersichtsplan zurück und verlassen das grüne Paradies.
Zurück in Horta ist der Miradouro de Nossa Senhora da Conceição der Ausgangspunkt für unsere Fahrt entlang der Ostküste. Immer wieder treffen wir auf Ruinen von Häusern oder Kirchen, die dem Erdbeben zum Opfer gefallen sind. Eine Renovierung wäre zu teuer gewesen, so hat man sie einfach ihrem Schicksal überlassen und anderswo neue Gebäude aufgestellt. Was uns immer wieder auffällt sind die hübschen handbemalten, blauweißen Fliesen mit Namen von Orten, Straßen oder Parks.
Über eine schmale Straße, die kurvig am Campingplatz Praia do Almoxarife endet, fahren wir ans Meer zu einem tollen, schwarzen Strand. Unmengen von steinernen Murmeln liegen neben- und übereinander, das ist richtig schön zum Ansehen. Im Schatten unter den Bäumen packen wir dann unsere Jause aus und genießen dabei das angenehme Lüftchen. Danach lassen wir noch ein wenig die Stimmung auf uns wirken und beobachten eine Mama mit ihrer Kleinen, der das Plantschen im Wasser sichtlich Spaß bereitet. Eine Gruppe Teenager buhlt um die Gunst des besten Köpflers ins Wasser, wer ist mutiger, die Burschen oder die Mädels? Papa sitzt indes gemütlich auf der Kaimauer und raucht eine Zigarette. Auf dem Meer draußen schaukelt ein kleines Fischerboot und lässt sich von den Wellen des Wassers tragen. Was für eine schöne Idylle!
Nach diesem kurzen Abstecher setzen wir unsere Fahrt fort bis zum Farol da Ribeirinha. Nach einem Erdbeben im Juli 1998 wurde der Leuchtturm aufgegeben und so verfällt er nach und nach. Von Weitem schaut er ja noch sehr ansehnlich aus, aber je näher wir kommen, umso mehr wird das Chaos sichtbar. Die Witterung hat auch ihren Beitrag geleistet und so fällt das Gemäuer langsam in sich zusammen. Die Fliesen lösen sich von den Wänden und die Holzzargen brechen auseinander. Von der ursprünglichen roten Kuppel und vom Wohntrakt der Leuchtturmwächter ist auch nichts mehr übriggeblieben. Auf einer aufgestellten Tafel werden Fotos mit dem Aussehen zur Zeit des Erbauens 1919 gezeigt und obwohl wir die portugiesische Sprache nicht beherrschen, können wir die wichtigsten Daten entnehmen. Der Plan für einen Leuchtturm war schon 1883 vorhanden, doch es dauerte noch Jahrzehnte, bis er in die Tat umgesetzt wurde. Ursprünglich wurde er mit einer Petroleumlampe befeuert und erst 1958 mit einem Stromaggregat elektrifiziert. Mehrere Erdbeben zogen die Bausubstanz des Leuchtturms so in Mitleidenschaft, dass er wie bereits erwähnt nicht mehr zu gebrauchen war. So steht er heute einsam inmitten einer großen, grünen Wiese und ist Zeitzeuge vulkanischer Aktivitäten.
Wir setzen unsere Fahrt fort entlang der Küste und die kleinen Orte, die wir durchfahren, wirken wie verschlafen. Nur hin und wieder sind Fußgänger unterwegs, die uns ansehen, als wären wir Außerirdische. Inmitten kleiner Häuser stehen immer wieder Erdbeben-Ruinen und wie es scheint, stört sich keiner daran. Ernüchtert wird das Ensemble durch die üppigen, farbenprächtigen Pflanzen rundherum. Mich entzücken die Montbretien, Lilien, Canas und Hortensienblüten auch vollends, sodass ich dieses Durcheinander total schön finde.
Im Nu sind wir im nördlichen Cedros angekommen, wo wir einen kurzen Halt einlegen. Eigentlich sind wir auf der Suche nach einem gemütlichen Café, aber hier ist alles ausgestorben. Vor der Kirche huschen noch ein paar Frauen herum und als wir näherkommen, sehen wir, dass sie gerade die Reste des Pfarrbüffets zusammenpacken. Na, da wollen wir auch nicht mehr stören und so widmen wir uns der Igreja de Santa Bárbara. 1594 erstmals urkundlich erwähnt wurde sie aufgrund von Feuer und Erdbeben mehrmals renoviert. Wir betreten das Innere durch einen kunstvollen Torbogen und gelangen von dort in einen Vorraum mit tollen blauweißen Fliesenbildern. Der kleine Kirchenraum selbst vereint alt mit neu und ist sehr schlicht und modern gehalten. Gefällt uns sehr gut. Wir gehen hin in Frieden, Amen.
Auf der Rückfahrt nach Horta legen wir einen Fotostopp in Pedro Miguel an der Kirchenruine Nossa Senhora ein. Die dreischiffige Kirche ist auch unwiederbringlich dem Erdbeben von 1998 zum Opfer gefallen. Sie schaut wirklich traurig aus, wie sie so dasteht inmitten von Palmen und mit dem geknickten Kreuz auf dem Turm.
Es ist mittlerweile spät geworden und wir erreichen Horta. In der Nähe des Fährhafens gönnen wir uns noch Kaffee und Kuchen, den wir mit frechen Spatzen teilen müssen. Schaut man mal kurz weg, sitzen sie auf dem Tisch und stehlen die Brösel vom Teller.
Ohne Probleme liefern wir das aufgetankte Auto wieder ab und verweilen die letzte Stunde im Warteraum am Fährhafen. Die 30-minütige Überfahrt nach Madalena auf der Insel Pico verläuft sehr schnell und abgeholt werden wir dort von einer Dame der Autovermietung, die uns einen fast neuen, weißen Toyota Aygo übergibt. Noch bevor wir ins Auto eingestiegen sind, haben wir schon ein wenig Angst vorm Fahren, denn genauestens werden die kleinsten Kratzer und Dellen dokumentiert. Daher lassen wir ihn vorerst noch stehen, denn Hunger macht sich breit und den stillen wir erst mal in einem nahegelegenen Restaurant.
Bei tollem Abendlicht begeben wir uns auf die einstündige Fahrt entlang der Ostküste zu unserer Unterkunft. Der erste Eindruck der Insel ist überwältigend, denn sie scheint üppiger und grüner als Faial zu sein. Hohe Feigen-, Eisenholz- und Eukalyptusbäume säumen die Straßen und an den Rändern wachsen hohe gelb blühende Girlandenblumen, orange Montbretien, violette Lilien und rote Fuchsien in voller Pracht. Mein Botanikerherz macht regelrecht Luftsprünge. Auffallend ist auch, dass hier nicht so viele Ruinen herumstehen und die Orte gepflegter und lebendiger wirken. Unverändert aber sind die lästigen Vögel, die auf der Fahrbahn herumlaufen und sich nur in letzter Minute aufscheuchen lassen, um nicht überfahren zu werden. Die Fahrt ist traumhaft und scenic und wir sind schon nach so kurzer Zeit vollkommen überwältigt. Für Mauern, Umfriedungen und Gärten wurden die schwarzen Lavasteine schön verarbeitet und in die Natur integriert.
Ständig werden wir verleitet an den Miradouros stehen zu bleiben, in die Gegend zu schaun und die Ausblicke zu genießen. Doch was hilft´s, wir müssen weiter, denn die Vermieter warten auf uns. Langsam kriechen die Wolken über die Berghänge herunter und erzeugen eine mystische Stimmung. Schon während der Fahrt verlieben wir uns in die Insel und unsere Neugier auf das, was vor uns liegt, ist sehr groß.
Unser Navi leitet uns von der Hauptstraße weg und während wir in der Pampas mal links, mal rechts abzweigen, glauben wir langsam nicht mehr daran, unser Appartement noch zu finden. Versteckt inmitten eines traumhaften, endlos wirkenden Gartens erreichen wir dann unser Ziel: O Zimbreiro in Piedade. An dieser Stelle möchten wir gleich ordentlich die Werbetrommel rühren, denn es ist hier so unbeschreiblich schön und – gleich vorweg genommen – passen die Eigentümer dieses Paradieses so gut hierher. In jeder Minute leben sie hier ihre Passion, der sie mit einer unvergleichlicher Liebe nachgehen. Anne-Lise Leduc und ihr Partner Jérémy Lebon mit seinen Eltern nehmen hier ihre Gäste auf, als wären sie Freunde oder Verwandte. Danke nochmal dafür, dass wir eure Gäste sein durften! Wir haben uns hier unheimlich wohl gefühlt und wer weiß, vielleicht sehen wir uns wieder einmal. Sehr warm und herzlich werden wir von den belgischen Gastgebern begrüßt und stolz wird der liebevoll eingerichtete Bungalow präsentiert. In aller Ruhe packen wir unsere Koffer aus und richten uns gemütlich ein. Nach einer wohltuenden Dusche relaxen wir noch und planen unsere Aktivitäten für morgen.
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