Lissabon schläft noch, als bei uns um 05:30 Uhr der Wecker läutet. Aufstehen, waschen und anziehen wie in Trance, dann fahren wir mit dem Lift zur Rezeption, um uns zu verabschieden. Da es um diese Zeit noch kein Frühstück gibt, lässt uns Leonel in der Küche etwas einpacken, während er uns noch einen Espresso bringt. Das ist voll nett, dankeschön.

Die Taxifahrt zum Flughafen bewältigen wir heute in der halben Zeit von gestern. Während wir trotz der frühen Zeit schon in der Warteschlange stehen, inspizieren wir die Breakfast-Box vom Hotel. Neben einer Box mit kleinen Blätterteig-Taschen gibt es noch zwei Dosen mit Sandwiches, Äpfel und Wasser. Davon könnte ja eine ganze Familie frühstücken. Vorweggenommen, drei Tage später essen wir immer noch an den süßen Teilchen.

Wegen „bad wheather conditions on destination airport“ auf der Insel Faial wird unser Abflug vorerst um vierzig Minuten verschoben. Na, das kann ja heiter werden, wo wollen wir denn da hin. Hier in Lissabon schaut´s doch gar so schlecht aus, blauer Himmel mit Schlierenwolken. 

Dann ist es endlich soweit, die SATA-Maschine hebt ab und 1.698 Flugkilometer und 2 Stunden 40 Flugzeit liegen vor uns. Je näher wir der Insel Faial kommen, umso grauslicher wird das Wetter. Nach etwa zweidrittel Flugzeit werden wir aufgrund der Turbulenzen gebeten, die Tische hochzuklappen und uns anzugurten. Der Kapitän sagt durch, dass es in Horta bewölkt ist und sie hoffen, dass die Wetterbedingungen besser werden, da wir sonst auf einen anderen Flughafen ausweichen müssen. Mir ist kotzübel, mein Herz klopft bis zu den Ohren und ich hab eine Scheißangst. Zweimal muss der Pilot den Landeanflug abbrechen, mit Geheul den Flieger wieder hoch ziehen und eine Schleife fliegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit bekommt er endlich die Erlaubnis und setzt mit Gepolter in den Wasserpfützen auf der Landebahn auf. Tränen kullern über meine Wangen, ach du lieber Himmel, bin ich froh heil am Boden zu sein.

Das stürmische, feuchte Wetter trägt auch nicht dazu bei, positive Urlaubsstimmung zu produzieren. Die Windhosen stehen waagrecht vom Pfosten weg, es herrscht eine regelrechte Weltuntergangsstimmung. Auf dem Flughafen selbst ist nicht viel los und im Nu sind die angekommenen Fluggäste verschwunden. Laut unseren Unterlagen sollte uns ein Repräsentant der Autovermietung abholen, doch da wir um vieles zu spät gelandet sind, dürfte der inzwischen wieder abgehauen sein. Na dann warten wir mal, bis unser Gepäck kommt und stellen inzwischen unsere Uhren um eine weitere Stunde nach vor.

Nachdem wir unser kleines Mietauto ausgefasst haben, machen wir uns auf den Weg zur Quinta da Meia Eira“, unserer Unterkunft für die Zeit auf der Insel. In nur wenigen Minuten erreichen wir das Dorf Castelo Branco und nach einigen Kurven sind wir am Ziel. Auf einem großen Naturareal befindet sich das hellrosa getünchte Landgut und daneben die Bungalows für die Gäste. Da auch hier kein Empfangskomitee bereitsteht, schlendern wir ein wenig durch den schönen Garten. Die Blütenpracht in der idyllischen Lage am Meer lässt schnell Flug und Landung vergessen und Urlaubsgefühle machen sich in uns breit. Dann begegnen wir einem Zimmermädchen, das sich als Mariana vorstellt und uns zu unserem Apartment bringt. Sie zeigt uns den Frühstücksraum, den Aufenthaltsraum den Pool und erklärt uns den Tagesablauf. Obwohl wir kein Wort portugiesisch verstehen und sie anscheinend kein Englisch spricht, verstehen wir uns doch irgendwie. Dabei werden wir begleitet von einer Katze, die aufmerksam beobachtet, wo die neuen Gäste einziehen, um diese später um den Finger wickeln zu können.

Wir packen das Wichtigste aus, schmeißen das Wichtigste in unseren Rucksack und machen uns auf den Weg zum Hafen, denn für heute Nachmittag haben wir eine Tour zum Whale-Watching gebucht. Richtig Lust dazu haben wir nicht, denn es hat nach einer kurzen Pause wieder zu regnen begonnen.

Im Hafen angekommen, der wie ausgestorben ist – kein Wunder bei diesem Sauwetter – sind wir auf der Suche nach dem Stand von Diver Norberto. Hier verschieben wir unsere Walbeobachtung für einen der nächsten Tage. Dann haben wir Zeit für das Sightseeing.  Als erstes steuern wir das berühmte Peter´s Café Sport an, das laut Reisebüro ein Must von Horta ist. Das hätten wir uns denken können, dass aufgrund der Nässe hier kein freier Platz zu haben ist. Daher trotten wir im Regen weiter Richtung Burg und finden dann doch in einer komischen Bar ein freies Tischerl.

Während wir Kaffee trinken und unsere Manner Wafferl dazu naschen, blättern wir im Reiseführer und machen uns schlau, was wir hier machen können. Es vergeht keine halbe Stunde und der liebe Gott dort oben legt den Schalter um, der Regen hört auf und innerhalb kurzer Zeit haben wir blauen Himmel mit Schäfchenwolken. Es ist furchtbar schwül und wir entledigen uns wieder der Jacken und der darunterliegenden Pullis.

Außerhalb der Festungsmauern des Castelo de Santa Cruz flanieren wir die Hafenmole entlang und bestaunen die tollen Jachten und Segelboote aus aller Welt, die hier im Wasser schaukeln. Auf der Landseite haben sich Weltenbummler mit Zeichnungen, Sprüchen und Namen auf den betonierten Kaimauern verewigt. Was klein begonnen hat, ist mittlerweile zu einer prächtigen Open-Air-Galerie geworden. Als Wellenbrecher liegen tonnenschwere Lavasteine im Wasser und es riecht nach Meer und Fisch.

Schicke Cafés und Bars reihen sich auf der Promenade aneinander und kleine Läden laden zum Bummeln ein. Dahinter klettern die Häuser den Hügel hinauf und schon beim Anblick wissen wir, dass noch ein strammer Fußmarsch vor uns liegt. Aber erst mal geht´s zum Fährhafen, um uns dort die Tickets für die Überfahrt in drei Tagen auf die Insel Pico zu kaufen.

Wieder zurück im Zentrum schlagen wir den Weg ein in Richtung Praça da República. Der Hauptplatz wird von alten Bürgerhäusern im Kolonialstil eingesäumt, deren Fassaden und Balkone den Charme vergangener Zeiten versprühen. Die feudalen Wohnhäuser wurden großteils dreistöckig gebaut und stammen aus dem 18. und 19. Jhdt. Dominiert wird der Platz vom knallig roten Pavillon, der im lauschigen Schatten von riesigen Araukarien steht. Gleich angrenzend plätschert das Wasser in einem künstlich angelegten Bachlauf und endet in einem Planschbecken für Schwäne und Enten. Der kleine Park wurde 1903 angelegt und die vielen Sitzgelegenheiten laden zum Rasten und Verweilen ein. Dabei können wir die Liebesspiele der Vögel und die Körperpflege der Tauben beobachten. Nur das Gezwitscher der gefiederten Freunde und Geplapper von Kinder sind zu hören, sonst geht es hier sehr ruhig ab. Papa füttert mit seinem Kleinen gemeinsam die schwarzen Schwäne, die sich mit euphorischen Gequake für die leckeren Semmeln bedanken.

Auf unserem Spaziergang fällt unser Blick auch immer wieder auf den Boden, denn die hübschen Mosaike aus schwarzem Basalt und weißem Kalkstein auf den Plätzen und Gehsteigen sind wirklich schön anzusehen. Nach einer kurzen Bergwertung erreichen wir den Torre do Relogio, der das Erdbeben von 1998 überlebte. Der im 15. Jhdt. erbaute Uhrturm ist das einzige Relikt einer Kirche, die 1941 abgerissen wurde. Er gibt ein schönes Fotomotiv ab in der tollen Nachmittagssonne, aber irgendwie wirkt der weiße Turm auch ein wenig verloren auf der grünen Wiese.

Nur getrennt durch eine Straße kommen wir zum Jardim Florêncio Terra, benannt nach dem gleichnamigen aus Horta stammenden Schriftsteller. Der 1857 angelegte Park beherbergt prachtvolle Drachenbäume, rot gestrichene Lauben, einen Pavillon und lauschige Bankerl. Wir nutzen wieder diese Gelegenheit und lesen in unserem Reiseführer nach. Von hier oben haben wir einen tollen Blick über die Stadt, auf den Uhrturm und sogar auf die Nachbarinsel. Punkt 16:00 Uhr rufen uns die Glocken des Turms auf, unsere Pause zu beenden und die Erkundung von Horta fortzusetzen. Außerhalb des Parks befindet sich das ehemalige Hospital, in dem jetzt ein Teil der meeresbiologischen Universität untergebracht ist.

Weiter des Weges, stets bergauf, entdecken wir inmitten der dicht besiedelten Stadt so manche Obstplantage. Die noch grünen Früchte, wie Bananen, Zitrusfrüchte oder Tamarillos (Baumtomaten) hängen zum Greifen nahe von den Stauden herab.

Die Heilig-Geist-Kapelle mit ihrer gewaltigen Bordüre an der Außenwand, die blaue Hortensien darstellen, lassen wir links liegen, wir klettern weiter die Gassen aufwärts. Das Stadtbild von Horta wird unter anderem auch geprägt von der Igreja de Nossa Senhora do Carmo, die inmitten der Wohnhäuser auf der Anhöhe thront. Sie ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, daher beschließen wir umzudrehen.

Bergab geht es schneller und wir kommen am Largo Duque D´Avila an, einem hübschen Platz mit einer tollen Häuserfront. Immer wieder wird sichtbar, dass die Azoren nicht vom Reichtum erschlagen werden, denn die tollsten Gebäude zeigen die Spuren der Zeit und der Erdbeben und es sind keine finanziellen Mittel da, um sie wieder in Stand zu setzen. So stehen sie leer, verharren der Dinge und bröckeln vor sich hin. Dank der pastellfarbigen Anstriche wirken die Schäden trotz allem sehr weichgezeichnet.

Der bombastische barocke Bau der Hauptkirche Igreja Matriz So Salvador, die 1760 vollendet wurde, bildet mit dem angrenzenden Jesuitenkolleg eine der größten Kirchenbauten auf den Azoren. Sie überstand mehrere Erdbeben und wurde immer wieder renoviert. Erhalten geblieben sind tolle Schnitzereien und schöne Azulejos an den Wänden aus dem 17. Jhdt. Auffällig sind auch die silbernen Altarverkleidungen und viele Einlegearbeiten aus Elfenbein. Während wir durch die Kirche schreiten, werden wir von leiser sakraler Musik begleitet. Ist das beruhigend!

Es ist mittlerweile 18:00 Uhr vorbei und es ist, als wäre es nicht mehr derselbe Tag. Das traumhafte Wetter lockt Kind und Kegel aus den Verstecken und die Stadt ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht und lebendig geworden. Wir haben uns Stärkung verdient und diesmal ergattern wir ein freies Platzerl im legendären Peter Café Sport. Der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen, denn es ist urgemütlich inmitten des Sammelsuriums. Von der Decke baumeln angetuckerte Flaggen und Wimpel, Fotos und Geldscheine verdecken die Wände. Jeder kleinste Platz ist mit sonstigen mitgebrachten Gegenständen ausgefüllt. In Schaukästen sind Haifischzähne mit filigranen Gravuren zu bestaunen, die animieren sollen, dass im oberen Stock befindliche Scrimshaw Museum zu besuchen. Komplettiert wird das Ambiente mit der rustikalen Einrichtung und dem wuchtigen Holz-Tresen. Die Seemannskneipe ist ein Ort fern der Heimat zum Ankommen, wo Jung und Alt plauschen, essen und trinken. Die leeren Teller und Gläser der bereits gegangenen Gäste stehen noch herum, aber das stört hier niemanden. Portugiesische Musik, die aus den Boxen sprudelt, lässt die Gäste sich wohlfühlen. Jeder tut das, wozu er gerade Lust und Laune hat. Nachrichten schreiben, Fotos schaun, Zeitung lesen oder nur tratschen. Apropos, wir bestellen uns Apfelcider und Quiche mit Thunfisch und Schwammerl. Mal schaun, ob wir das auch bekommen, denn unser Englisch klingt zu wenig portugiesisch und wir werden hier irgendwie nicht verstanden! Klappt dann aber doch und es schmeckt uns vorzüglich.

Bevor wir den Tag beenden, nutzen wir noch die schöne Abendsonne und machen noch einen letzten Abstecher auf den Monte da Guia, ein 145 Meter hoher Vulkankegel am südlichen Ende von Horta. Wir haben einen herrlichen Blick auf das Umland, die Stadt und den Hafen. Vor dem alten Stadttor Portao Fortificado do Porto Pim liegt ein schöner, schwarzer Badestrand, der einen tollen Farbkontrast zum türkisfarbigen Meer bildet. Wir fahren den Kegel hoch bis zu einem Gitter, das die Weiterfahrt versperrt. Hier befindet sich eine kleine Kapelle, die aber verschlossen ist. Von dort führt ein kleiner Wandersteg inmitten des Dickichts zu schönen Aussichtspunkten. Der Monte Guia ist ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet, wo sich auf 360 ha Natur pur ausbreitet. Lorbeer, Erica, Macchia, Wandelröschen und vieles mehr fühlen sich hier pudelwohl. Das Meeresrauschen vermischt sich mit dem Zwitschern der Vögel und Möwen schweben in den Lüften über dem Meer und halten Ausschau nach Futter. Von hier oben sind die beiden Kraterzungen schön sichtbar, in die das Meer peitscht. Auf Felsen sitzend nahe dem Meer halten Angler ihre Rute ins Wasser. Wir genießen eine Zeitlang die Aussicht und die Ruhe und dann machen wir uns müde und geschafft auf den Rückweg zu unserer Quinta.

Dort werden wir von den tierischen Bewohnern bereits erwartet. Wir lernen jetzt aber auch unsere Vermieterin kennen, die uns willkommen heißt und uns bittet, dass wir uns wie zuhause fühlen. Von Hund und Katzen sind wir schon nach kurzer Zeit adoptiert, denn die Mutter-Katze macht es sich auf meinem Schoß bequem und beschließt während meiner Streicheleinheiten einzunicken. Dem nicht genug, denn als wir es uns am Abend im Zimmer gemütlich machen, kratzt sie an der Glastür, weil sie unbedingt zu uns rein will.  Doch heute sind wir zu müde, um noch Gäste zu empfangen. Tschüss, bis morgen.


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