Wieder mal verspricht das Wetter nichts Gutes und der Himmel ist grau bedeckt, der Wetterbericht sagt für Nachmittag sogar Regen an. Daher müssen wir den Tag nutzen, so gut es geht. Wir widmen uns heute der Hauptstadt Ponta Delgada. Das Auto stellen wir am Hafen in der Parkgarage des Solmar Avenida Centers ab. Direkt am Ausgang zieht uns Lärm an und als wir dem Gekreische näherkommen, landen wir beim Schwimmbad. Trotz des diesigen und windigen Wetters wimmelt es nur so von Menschen hier. Die Windfahne ist zwar grün, steht aber waagrecht. Lifeguards beobachten aus ihren Hochstühlen das Treiben. Raus aus dem Wasser, rein in die Klamotten, also das Wasser dürfte auch nicht sehr warm sein und der Wind auf der nassen Haut lässt sofort eine Gänsehaut aufkommen.
Die Portas do Mar, die Türen zum Meer, das ist der neue Anlegesteg für die Kreuzfahrtschiffe mit Yachthafen, Freiluftbühne, Shops, Restaurants und einer Parkgarage. Eine Flaniermeile ist entstanden, um Ponta Delgada attraktiver zu machen. Wir halten uns hier aber nicht lange auf, denn uns zieht die Altstadt an. Wir schlendern am Kai entlang und werden Zeuge einer für uns befremdlichen Situation. Auf der Promenade sitzen Obdachlose herum mit Weinflaschen und Stummel im Mund, als plötzlich ein Auto stehen bleibt, hupt und aus dem geöffneten Fenster ein Sackerl Semmel rausgegeben wird. Die Männer bedanken sich handhebend und das Auto fährt weiter. Das ist aber nett.
Wir schlendern weiter und zweigen beim Largo de Goncalo Velho Cabral ins Stadtzentrum ab. Auf dem schön gemusterten Platz, der eingesäumt ist von rotblühenden Flammenbäumen, schreiten wir durch die Portas da Cidade. Einst stand das dreibogige Tor am Hafen, wurde aber 1947 hierher übersiedelt. Den Giebel des mittleren Tors ziert eine Krone und das Wappen der Stadt. Dem gleichnamigen ersten Inselverwalter wurde hier auch ein Denkmal gesetzt. Vor einer Woche gab´s hier ein Fest und daher ist der Großteil der Fläche mit einem Partyzelt, Tischen und Bänken belegt und Laster verparken die Sicht auf den Torbogen. Zwischen Platz und Gehsteig bevölkert ein Schwarm Tauben die Straße, weil ihnen ein Gönner Semmelreste hingeleert hat. Da wird gerangelt und gestritten, damit jeder das meiste in den Kropf bekommt. Selbst von den Autos lassen sie sich nicht wirklich stören.
Den Platz direkt daneben beherrscht die Igreja Matriz de São Sebastião mit der hohen Fassade und dem wuchtigen Turm. Erbaut wurde sie zwischen 1533 und 1547 an der Stelle, wo früher eine Wallfahrtskapelle stand. Beeindruckt sind wir vom prunkvollen, barocken Eingangsportal, das über und über verziert ist mit Ranken und maritimen Ornamenten. Diese Muster setzen sich auch im Inneren fort. Sie wirkt sehr verspielt, trotz der dunklen Holzdecke und Sitzbänke. Eine fleißige Frau wischt und bohnert gerade die Bänke und neben der sakralen Musik erfüllt auch der Duft von Öl den Raum. Das ist unserer Nase aber zu intensiv, daher verlassen wir die dreischiffige Kirche wieder und werfen draußen noch einen Blick auf den hohen Glockenturm.
Weiter geht´s ums Eck zum Càmara Minicipal, dem Rathaus, auch im typischen azoreanischen Barockstil erbaut. Eine Freitreppe führt beiderseits zum Eingang und dort befindet sich auch das Stadtwappen. Den Platz vor dem Rathaus beherrscht ein großer Brunnen, der aber leider nicht plätschert, sondern mit einer Platte abgedeckt ist. Mit erhobenem Zeigefinger bewacht die Statue des Schutzheiligen São Miguel den in Strahlenmuster verlegten Rathausplatz.
Wir spazieren die Gassen weiter hinter dem Rathaus und über den Platz Vasco da Gama. Hier biegen wir wieder Richtung Hafenmole ab. Schon von weitem wird das Forte de São Brás sichtbar, das 1552 zum Schutz vor den Piratenangriffen erbaut und danach mehrmals um- und angebaut wurde. Wie kleine Ameisen kommen wir uns vor neben den hohen, wuchtigen Wehrmauern, die sich viereckig um das Fort wickeln. Heute beherbergt es das portugiesische Militär und ein Museum. Wir möchten das noch schöne Wetter nutzen und daher verzichten wir auf das Innere. Außerhalb der Mauern sind Kanonen ausgestellt und ein Denkmal erinnert an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.
Auf der anderen Straßenseite kommen wir zum Praça 5 de Outubro, einem weiten, quadratischen Platz mit schönem Kopfsteinmuster. Er wird eingerahmt von Platanen und etwa in der Mitte wächst seit 1870 ein australischer Eisenholzbaum. Aufgrund des enormen Alters kann man sich wohl gut vorstellen, was das für ein riesiges Getüm ist. Ein grellgelbes Schild warnt vor herunterfallenden Ästen. Die Luftwurzeln bilden bereits dichte Teppiche und die Last wird an allen Ecken und Enden schon mit Pfeiler gestützt und Drahtseilen zusammengehalten. Der Pavillon neben diesem Prachtexemplar wirkt dagegen sehr mickrig, hier finden im Sommer Konzerte und Aufführungen statt.
Wir verweilen kurz auf einer Bank im Schatten der Platanen und lesen im Reiseführer nach. Am fünften Sonntag nach Ostern findet hier die Festa do Senhor Santo Cristo dos Milagres statt, eine vierstündige Prozession. Dafür werden Freiwillige angeheuert, die mit mehreren tausend Glühbirnen die Straßen und diesen Platz schmücken. Dafür erhalten sie einen Monat Sonderurlaub von ihrem Arbeitgeber. Aus der ganzen Welt reisen dafür die ausgewanderten Azoreaner an, um an diesem Spektakel teilzunehmen. 1530 brachten Nonnen eine lebensgroße Christusfigur auf die Insel, die sie von Papst Paul III. erhalten hatten. Dieser hölzerne Christus wird geschmückt und durch die Stadt getragen und soll Wunderheilungen bringen und vor Naturkatastrophen schützen. Heute lebt der Christus im Convento de Nossa Senhora da Esperança und wir werden ihn später auch besuchen.
Zuvor werfen wir einen Blick in die Igreja de São José, die sich auf der Westseite des Platzes befindet. Die Kirche wurde im 16. Jhdt. in sechzigjähriger Bauzeit geschaffen und ist die größte auf den Azoren. Zweihundert Jahre später wurde die Fassade neu gestaltet mit fünf in Kalkstein gemeißelte Reliefs, die das Leben des Heiligen Franziskus darstellen. Im dreischiffigen Innenraum beeindrucken viele reich verzierte Seitenaltäre, die von reichen Familien der Stadt finanziert wurden. Dicke Engerl stemmen den Altar mit ihren Schultern, na die müssen eine ordentliche Last tragen. Ein Eye-Catcher sind der vergoldete Altar und die tollen Fliesenbilder an den Seitenwänden. Während wir unsere Runde in der Kirche drehen, werden wir von Orgelmusik begleitet, die noch ausbaufähig ist. Erst später sehen wir, dass es sich nur um ein Training eines Schülers handelt, die Frau Lehrerin schaut ihm dabei akribisch auf die Finger. Na ja, für den Anfang nicht schlecht.
Wir verlassen die stickige Kirche, schlendern quer über den Platz und betreten die Igreja da Nossa Senhora da Esperança von 1541. Ihr ist ein Convent angeschlossen, wo noch heute dreizehn Nonnen leben. Sie ist in einen unteren und einen oberen Chor geteilt, die durch ein Eisengitter getrennt sind. Im unteren wird der Santo Cristo aufbewahrt, der noch heute von vielen Gläubigen aufgesucht wird. Während wir in einer Bank sitzen und die prächtigen Fliesenbilder bestaunen, betreten immer wieder Leute allen Alters die Kirche, knien sich vor dem Gitter nieder, beten und weinen.
Bevor wir unseren Streifzug durch die Stadt fortsetzen, werfen wir noch einen Blick auf das Monumento ao Emigrante. Lebensgroße Bronzefiguren auf einem Betonsockel stellen eine Emigrantenfamilie dar.
Die Highlights der Stadt haben wir gesehen, jetzt ist Mittagspause angesagt. In einer gemütlichen Seitengasse machen wir es uns im Freien unter der Markise des „Restaurants O Giro“ gemütlich, um etwas zu essen. Im Nu sind alle Tische besetzt und es sind auch viele hungrige Mäuler ins Innere des Restaurants verschwunden. Wir dürften in einem In-Lokal gelandet sein. Während wir auf unser Essen warten, können wir die Menschen beobachten, die an uns so vorbeischlendern. Und da bekommen wir wirklich so einiges geboten. Die azoreanischen Mädels sind nicht die schlankesten, haben aber ein großes Selbstbewusstsein, was das Anziehen betrifft. Unsere Beobachtungen werden kurz gestört, als ein Auto in die Gasse kommt und mit laufendem Motor vor der Bank stehenbleibt. Jetzt werden wir Zeuge eines Bankraubs! Na, Gott sei Dank nicht, ein Mann mit dunklem Vollbart und Sonnenbrille wartet mit Argusaugen die Umgebung beobachtend, während ein zweiter einen dicken Koffer ins Gebäude trägt.
Der Kellner bringt unser Essen und die Ernüchterung ist schnell da. Das was auf der Karte steht, ist nicht auf dem Teller. Die ausgeflockte Sauce macht das Gesamtbild nicht besser und verliebt ist der Koch auch nicht grad. Daher können wir dieses Restaurant nicht wirklich empfehlen. Wir werden trotzdem satt, bezahlen und spazieren weiter.
Auf unserem Spaziergang kommen wir zum Jardim Padre Serras Freitas, ein kleiner Park, der aber mächtige Exemplare an Exoten zu bieten hat. Fliederfarbig blühende Jacaranda, Palmen und die Beete darunter werden bedeckt von Sonnenblumen und hübschen Veilchen. Wir sind zu Mittag lange gesessen, daher lassen wir es dabei nur zu staunen und Fotos zu machen.
Es geht weiter, wir biegen mal links, mal rechts ab und landen schließlich wieder in der Nähe der Kirche São Sebastião. In der Rua dos Mercadores entscheiden wir uns für das Restaurant Calçada do Cais, um dort Kaffee zu trinken und wer weiß, vielleicht gibt´s ja auch was Süßes? Das Bestellen eines unserem Verlängerten entsprechenden Kaffees erweist sich als etwas kompliziert und wir einigen uns darauf, dass uns der Kellner Kaffee Americano bringen soll. Er empfiehlt uns dazu Bohnentarte und Ananaskuchen. Der Kaffee ist ein fast ungenießbares Schlabberwasser und die Kuchen schmecken an sich sehr interessant, aber essbar sind sie aufgrund des zu hohen Zuckergehalts auch kaum.
Wir haben eben unsere Rechnung beglichen, da kommt um Punkt 15:00 Uhr dann der angekündigte Regen. Wir sprinten bis zum nächsten Unterstand und verharren dort etwa 20 Minuten, denn dann ist der Spuk vorbei. Während wir noch in den Gassen herumkramen, ist die Luftfeuchtigkeit kaum auszuhalten. Daher beschließen wir den Tag, holen unser Auto und fahren gemütlich in unser Appartement zurück.
Der laue Abend lädt uns ein, um noch ein wenig auf unserer Terrasse herumzuhängen und die kreisenden Bats zu beobachten. Ist eine Herausforderung das ein oder andere Foto zu schießen, weil sie sehr schnell vorbeiziehen.
Dann ziehen wir uns doch zurück und gehen schlafen. Der währt aber nicht lange, denn um kurz vor Mitternacht schreien uns die Gelbschnabelsturmtaucher wieder aus den Federn. Während sie ihre Kreise an der Küste ziehen, machen sie einen Höllenlärm, sodass an Schlaf nicht mehr zu denken ist. Daher rücken wir mit unserer Taschenlampe aus, um vielleicht doch mal so einen Vogel zu Gesicht zu bekommen. Denkste, die sind zu weit draußen. Dafür raschelt es direkt neben uns im Gestrüpp und als wir mit unserer Taschenlampe hinleuchten, bekommen wir einen Igel zu Gesicht. Guten Abend, der Herr!