Um 05:00 Uhr morgens schmeißt uns der Wecker aus den Federn – wir müssen zum Flughafen, denn heute steht der Tagesausflug in die Hauptstadt der Insel Terceira auf unserem Programm. Kaum eine Menschenseele ist auf der Straße unterwegs, ist auch gut so, denn der wahnsinnige Laster, der uns in der Dunkelheit fast blind entgegen kommt, reicht eh schon.

Im Nu erreichen wir den Flughafen, auch hier ist nicht viel los und daher sind wir schnell eingecheckt. Dann frühstücken wir im Café und vertreiben uns die restliche Wartezeit mit Lesen.

Knapp vierzig Minuten dauert der Flug nach Terceira und je näher wir der Insel kommen, umso mulmiger wird´s uns. Wir sind bei trockenem Wetter abgeflogen und Angra do Heroísmo begrüßt uns mit grauem Himmel und Regengüssen. Die Fluglinie hat sich aber was einfallen lassen, das Bodenpersonal empfängt jeden einzelnen Fluggast persönlich und jeder bekommt einen aufgespannten Regenschirm in die Hand gedrückt, um damit trocken die zehn Meter vom Flieger bis zum Gebäude zu kommen. Wir sind bei den letzten, die die Maschine verlassen und wie´s kommt, genau bei uns sind die Schirme aus. Daher sprinten wir durch die Pfützen bis zum Eingang.

Nach wenigen Minuten verlassen wir den Flughafen auf der anderen Seite wieder und hier ist das Wetter auch nicht besser. Jetzt ist guter Rat teuer. Es ist 08:00 Uhr morgens und dunkel, als wäre die Sonne gerade untergegangen. Das Thermometer zeigt 21,5°C, auch nicht gerade gemütlich. Wir geben dem Taxilenker die Anweisung uns dorthin zu bringen, wo die Sonne scheint. Nur das klappt auch nicht, denn der Kerl versteht kein Englisch und daher setzt er uns im Regen mitten in der Stadt wieder aus. Frustriert setzen wir uns in ein Café und überlegen, wie wir es anstellen, die Insel so schnell als möglich wieder zu verlassen. Doch, wie haben wir es auf den Azoren schon oft erlebt? Auf Regen folgt Sonnenschein und den warten wir mal ab.

Der erste Weg führt uns in die Tourist Info, wo wir einen Stadtplan und gute Tipps erstehen. Dann gehen wir langsam eng an der Hausmauer der Rua da Sé entlang bis zur Igreja de Santissimo Salvador da Sé. Noch bevor wir dort ankommen, erwischt uns der nächste Guss von oben und schon etwas nass retten wir uns unter einen aufgespannten Sonnenschirm. Als sich der Regen ein wenig beruhigt hetzen wir die Stiegen hoch und nix wie rein ins Innere der Kirche. Hier werden wir ein Gebet an den lieben Herrn da oben schicken, damit er uns trockenes Wetter schickt. Mehr wollen wir auch gar nicht, man wird ja eh schon bescheiden! Kirchengeläut heißt uns willkommen und das dürfte die Einladung sein, die viele Frauen wahrnehmen. Sie stellen sich nämlich in eine Reihe, um beim Pfarrer zu beichtem. Wären wir der portugiesischen Sprache mächtig, könnten wir verstehen, was der Pfarrer so mit den Damen bequatscht. Kurioserweise sitzen sie nicht, wie wir es kennen in einem Beichtstuhl, sondern ganz offen gegenüber. Wir wollen ja nicht lauschen und widmen uns dem Innenraum. Die Kirche ist dreischiffig und wird von mächtigen, steinernen Säulen gestützt, die fast bis zur tollen, geschnitzten Kassettendecke hochreichen. Wie der Rest der Kirche ist auch die runde Apsis sehr schlicht gehalten, gefällt uns sehr gut. So und jetzt noch das Stoßgebet gen Himmel.

Danke, lieber Gott, denn als wir die Kathedrale verlassen, hat es aufgehört zu regnen, die Wolkendecke ist zerrissen und am Himmel zeigen sich sogar einzelne blaue Flecken. Die Fassade der Catedral Sé, wie sie schlicht genannt wird, leuchtet in einem schönen Gelb. Sie wurde aufgrund von Erdbeben und Brand immer wieder aufgebaut, ist heute das größte Gotteshaus auf den Azoren und das geistliche Zentrum der Hauptstadt. Der hohe Giebel wird auf beiden Seiten flankiert mit Glockentürmen, dessen Hüterl mit blauweißen Fliesen im Fischgrätmuster eingekleidet sind.

Vor dem linken Portal segnet Papst Johannes Paul II mit erhobener Hand von einem Podest den Straßenverkehr, ein Denkmal als Erinnerung an seinen Besuch 1991.

Wir setzen unseren Spaziergang durch die Gassen fort und landen beim Mercado Duque de Bragança. In einem Innenhof liegt ein kleines Geschäfterl neben dem anderen. In vielen Obst- und Gemüsekisten befinden sich regionale Produkte und was uns so gefällt, es ist nicht alles perfekt. Was auf dem Feld geerntet wird, landet auch hier auf den Ständen, egal, ob die Gurken krumm, die Erdäpfel verrunzelt oder die Tomaten behindert sind. Aber, auch hier werden die Bananen grün gepflückt! Eine Omi zupft bei den Kräutern und die Frau nebenan bricht Bohnen.

Großes Interesse erregen aber wie schon so oft die Fischstände. Hier sind schön aufgeschichtet oder nebeneinander gelegte Fische zu bestaunen. Toll anzuschaun die prächtigen Exemplare, wie die gelbschwarz gemusterten Tigermuränen, lachsfarbige Rockfische mit den blauen Mäulern, bauchstreifige Bonitos oder wie sie sonst noch heißen. Aber auch „normale“ Seeaale, Stockfische und Napfschnecken gibt´s hier. Jetzt wissen wir, wie der Fisch ausschaut, den wir schon mehrmals gekocht oder gebraten auf dem Teller liegen hatten. Wir sehen bei der Verarbeitung zu, wie die Fische filetiert, entgrätet und zerschnitten werden und wie die Marktschreier in Hamburg preisen sie während des Arbeitens ihre Waren an.

Wir schlendern weiter durch die Halle, deren Wände an einzelnen Stellen mit den blauweißen Azulejos bedeckt sind. Einige Läden sind geschlossen und es sind auch nicht sonderlich viele Kunden unterwegs. Wir haben aber auch nicht nachgelesen, ob es bestimmte Marktzeiten gibt.

Mittlerweile sind zwei Stunden vergangen und die Welt schaut jetzt ganz anders aus, zumindest was das Wetter betrifft. Als wäre es ein anderer Tag, blauer Himmel mit Schäfchenwolken und es wird immer schwüler. Wir schälen uns wieder aus den Jacken, die wir zuvor übergezogen haben. Dann setzen wir unseren Streifzug durch die Stadt fort. Hin und wieder werfen wir einen Blick in ein Geschäft, kaufen uns etwas zu trinken oder stöbern nur so herum. Dabei treffen wir ständig auf die Freundlichkeit der Leute. Egal, ob wir etwas kaufen oder nicht, wir werden mit offenen Armen empfangen. Es wird Smalltalk geführt und zum Abschied wünscht man uns noch einen schönen Tag und einen tollen Urlaub. Auch auf der Straße begegnet uns immer wieder ein Lächeln und selbst im Café brauch ich nicht nach der Toilette zu fragen, mein suchender Gesichtsausdruck verrät alles.

Das schmucke historische Altstadtzentrum von Angra wurde 1983 von der UNESCO auf die Liste der Weltkulturerbe gesetzt und das mit Recht. Breite Straßen, wie mit dem Lineal gezeichnet, ziehen sich durch die Stadt. Wir befinden uns am Eck der Via da Rosa und steuern als erstes den Palácio dos Bettencourts an. Der Palast wurde um 1700 im barocken Stil errichtet und das prunkvolle, steinerne Portal zeigt heute noch das Wappen der vermögenden Familie aus der Normandie. Heute beherbergt das Gebäude das Stadtarchiv und die Bibliothek. Wir werfen einen Blick in den Lesesaal mit dem rustikalen Holzboden, schweren, dunklen Möbeln und Schränke, die zum Bersten voll sind mit alten Büchern. Mehr als zwei Millionen Bücher zählt die Bibliothek, denn von jedem Buch, das in Portugal verlegt wird, kommt auch hier ein Exemplar dazu. Im Foyer wird auf den Azulejos an den Wänden die Inselgeschichte dargestellt. Wir sind stark beeindruckt von allem.

Mit dem Stadtplan von der Tourist Info schlendern wir weiter durch die Gassen und betrachten die Straßen und Gehsteige mit den schönen gemusterten Pflastern aus schwarzem Basalt und weißem Kalkstein. Ein harmonischer Kontrast bilden da natürlich die Renaissance-Häuser in den hübschen Lollipop-Farben. Und immer passend dazu die verschnörkelten Schmiedeeisernen Balkone, Türen, Fensterläden und – gitter. Üppiger Blumenschmuck tut das seine dazu. In den vielen prächtigen Herrenhäusern hatten viele Adelige ihre Herrensitze, wie zum Beispiel das hellgraue Casa do Conde de Vilaflor. Diese elegante Residenz ließ sich der Graf von Vilaflor errichten, der eine wichtige Rolle in der Geschichte von Terceira spielte. Ein weiteres Gustostückerl ist der Palácio dos Capitães Generais. Ursprünglich als Jesuitenkirche genutzt, ist es heute Sitz des Azorenpräsidenten. Irgendwie ist das geschichtsträchtige Flair noch heute zu spüren und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Am Neujahrstag 1980 legte ein starkes Erdbeben die Stadt in Trümmer und nach dem Wiederaufbau fegte ein Feuer über weite Teile hinweg. Mit vereinten Kräften wurde auch danach der Glanz der Stadt wiederhergestellt. Heute kommen dank der EU und der UNESCO Geld und Touristen ins Land und daher wird überall repariert, renoviert oder gekehrt.

Die Rua Direita, eine beliebte Einkaufsstraße, zieht sich vom Kai bis zum Praça Velha, dem Hauptplatz, wo sich das Stadthaus Paços do Concelho befindet. Der Bau wurde 1866 vollendet und dominiert heute den großen Platz, der von Bäumen gesäumt ist. Wir verweilen eine Zeitlang auf einer Bank im Schatten des Laubes und lassen das Treiben der Stadt an uns vorüberziehen. Auf dem Platz befindet sich gerade eine interessante Ausstellung. Auf Plakaten wurden themenweise Fotos von Fenster, Türen, Balkonen oder Straßenmosaiken abgebildet. Abfotografiert hab ich gleich viele Eindrücke auf einem Bild gesammelt. Wirklich imposant.

Wie bereits erwähnt kommt man am anderen Ende der Rua Direita zum Hafen. Dort stoßen wir auf die hellblau getünchte Igreja da Misericórdia. Die Barockkirche steht an der Stelle, wo sich früher das erste Krankenhaus der Azoren befand. Über dem Torbogen prangt das königliche Wappen. Das Innere bleibt uns aber verschlossen. Auf der anderen Straßenseite befindet sich das Zollhaus, das der Stadt einst zu seinem Reichtum verhalf, indem es den Seefahrern das Geld abknöpfte.

Wir schlendern zur Kaimauer hinunter und zu unseren Füssen liegt der Strand. Man merkt, dass Ferienzeit ist, denn hier tummeln sich die Kinder im Wasser und warten auf die nächste Welle, die sie mit Kraft ins Wasser stößt. Andere Jugendliche machen die ersten Surfversuche, doch der Wind meint es nicht recht gut mit ihnen. Lifeguards überwachen das Gekreische und Herumwirbeln der Kids, damit nix passiert. Wolfgang wirft ein Auge auf die junge Dame, die sich den Haarzopf richtet und sich dann dem Meer nähert.

Wir legen hier unsere Mittagspause ein und machen es uns gemütlich im Restaurant „Cais de Angra“, das direkt an der Marina liegt. Es ist chic eingerichtet und die Speisen werden kreativ angerichtet. Während wir auf unser Essen warten, bietet sich neben der schönen Sicht auf den Yachthafen viel Unterhaltung. Sei es das Brabbeln des etwa zweijährigen Mädels vom Nebentisch oder der junge Fischer, der mit seinem riesigen Fang Pose steht für uns Touristen oder die Katze, die von Tisch zu Tisch schleicht und Ausschau hält, ob etwas von den Tischen auf den Boden fällt. „Ich kann mich ja mal hinsetzen und warten, denn betteln, das darf ich nicht“. Laut Info des Kellners gehört der Kater einer französischen Lady, die im Sommer mit ihrem Boot im Hafen ankert und ihn mitnimmt, damit er sich hier durchs Leben schnorrt. Für 23,30 Euro verdrücken wir eine Tagessuppe, Steak und Schweinebacke mit Kartoffeln und Gemüse, zwei Bier und Espresso sind auch inbegriffen.

Mit vollen Bäuchen machen wir uns nun auf den Aufstieg zum 205 Meter hohen Monte Brasil. Oberhalb des Hafens ließen sich einst Fischer und Seefahrer nieder aufgrund der geschützten Lage der Bucht. Davon kommt übrigens auch der Name der Hauptstadt Angra, das auf Deutsch Bucht heißt. Wir kämpfen uns die schmale Straße hoch, auf beiden Seiten die kleinen Häuschen. In der Boa Nova stoßen wir auf das älteste Militärkrankenhaus der Welt, deren Glocke von einem Schiff stammt und das Wappen der Könige von Portugal über dem Eingang hängt.

Die Sonne brennt gnadenlos auf uns herunter und daher verständlich, dass kein Kind in Sicht ist auf dem riesengroßen Spielplatz mit Unmengen von Geräten und Klettermöglichkeiten, wie es jedes Kinderherz begehrt. Nur die wahnsinnigen Touristen sind in dieser Hitze unterwegs. Nein, wir wollen uns überhaupt nicht beschweren, denn das haben wir noch nicht vergessen, dass es noch vor wenigen Stunden aus vollen Schaffeln geschüttet hat. Daher marschieren wir weiter den Hügel hoch. Immer wieder bleiben wir stehen und blicken zurück auf die Stadt und den Hafen. Von hier haben wir einen schönen Blick auf die kleine Festung Castelo de São Sebastião, die südöstlich der Altstadt am Hafen liegt und wo heute die Hafenpolizei untergebracht ist.

Der Monte Brasil wird von fast fünf Kilometern Wehrmauer umgeben und mit dem Castelo de São João Baptista verbunden ist. Errichtet wurde es im 16. und 17. Jhdt. zum Schutz der Piraten. Wir durchschreiten die Burgmauern und werden linkerhand von Kanonen begrüßt. Hände hoch, ach nein, heute sind in der Festung 200 Mann des Militärs stationiert und die passen auf uns auf. Die militärische Zone dürfen wir nicht betreten, wir spazieren weiter die Straße hoch bis wir schließlich zur Aussichtsterrasse kommen. Dort befindet sich ein Denkmal, das an die portugiesische Besetzung während der Entdeckung der Azoren erinnern soll. Der Blick von hier auf die Stadt und ihre Umgebung ist atemberaubend. Wir versuchen auszukundschaften, in welchen Gassen wir heute schon herumgelaufen sind. Als uns ein Pärchen bittet, ein Foto zu knipsen, kommen wir mit ihnen ins Quatschen. Sie kommen aus Lissabon und sind schon viele Male auf den Azoren gewesen und überall gibt es riesige Unterschiede. Sei es von den Dialekten bis hin zum Essen. Dann verabschieden wir uns und machen uns auf den Rückmarsch in die Stadt.

Man trifft sich im Leben immer zweimal, nein dreimal laufen wir den Lissabonern übern Weg und wechseln einige Worte und wünschen uns gegenseitig einen schönen Aufenthalt.

Langsam werden wir des Wanderns durch die Gassen müde und daher führt uns unser letzter Weg in den Jardim Duque, wo wir erst mal im Café eine Pause einlegen. Während wir tollen Tee genießen, lassen wir unseren Blick im Park herumschweifen. Angelegt wurde er 1862 als experimenteller Garten um die landwirtschaftliche Entwicklung auf der Insel zu erforschen. Heute herrscht hier eine Artenvielfalt von Bäumen, Palmen und exotischen Pflanzen aus aller Welt. Danach spazieren wir die gewundenen Wege durch den Park und kommen zu hübschen Springbrunnen, Lauben und Skulpturen. Aus einem Teich quakt uns ein Frosch entgegen und präsentiert sich von seiner schönsten Seite.

Oberhalb des Parks an der Rua do Pisão liegt das Convento de São Francisco, einem ehemaligen Franziskanerkloster, das heute das Museum von Agra beherbergt. Der Inhalt des Hauses interessiert uns aber heute nicht mehr, zumal auch die Zeit zu knapp wäre.

Der Tag geht zu Ende und wir sitzen nun im Taxi, das uns zum Flughafen bringt. Der Fahrer, einst ausgewandert nach Kanada und wieder auf die Azoren zurückgekehrt, ist ein recht illustrer Kerl. Wir unterhalten uns über die Inseln, die Menschen, das Essen und die Flora. Als er nach einem Namen einer Pflanze sucht, kramt er während der Fahrt im Handschuhfach herum, zieht ein Botanik Buch heraus und blättert darin. Sein Blick ist dabei zu lange im Buch und beinah produziert er einen Unfall, indem er von der Straße abkommt und auf die erhöhte Straßenbegrenzung auffährt. Es ist besser, wir hören auf mit ihm zu ratschen, er soll sich lieber auf das Fahren beschränken. Wir wollen schließlich nicht noch im Krankenhaus landen!

Wir kommen heil am Flughafen an und was uns beim Herfliegen verwehrt war, können wir jetzt genießen. Nämlich ein toller Blick von oben auf die Stadt und die Küste und während wir im Geist den Tag Revue passieren lassen, werden die Häuser unter uns immer kleiner.

Ein anstrengender, aber schöner Tag geht zu Ende und der Abstecher auf Terceira´s Hauptstadt hat sich wirklich gelohnt.

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