Kurz nach 08:00 Uhr klettern wir aus unseren Betten und der erste Gang führt zum Fenster. Vom Himmel hängt eine graue Wolkendecke, aber es regnet nicht. Es ist Montag und es herrscht schon geschäftiges Treiben auf den Straßen und die fleißigen Menschen sind zu Fuß oder mit Auto und Taxi unterwegs. An den blau-gelben Jacken ist eine Gruppe Polizisten gut erkennbar, denn sie gehen mit ihren Fahrzeugen in Partner-Look.
Nach dem Frühstück packen wir noch unseren Rucksack und stapfen los. Mit der Metro erreichen wir in Nullkommanix den Plaça de Catalunya im Zentrum der Stadt. Von dort ist die Altstadt, das Barri Gòtic und die Neustadt, das Eixample gleichermaßen erreichbar. Das markante an diesem Platz ist die Pflasterung in den Farben rot, blau und weiß und in der Mitte symbolisiert ein Stern, dass es hier in alle Richtungen geht. Zwei Springbrunnen, die Skulptur der nackten Frau La Deessa und mächtige Bäume beherrschen den Plaça de Catalunya. Er wird umringt von majestätischen Bauwerken, die alteingesessene Banken und Geschäfte beherbergen. Leider hat es wieder zu regnen begonnen und wir überlegen, ob wir anstelle von Sightseeing lieber Shopping machen sollen. Kurzerhand schlendern wir über den Platz und betreten das Geschäft von Desigual. Nach einem Rundgang verlassen wir es unverrichteter Dinge und schlendern über den Platz, der aufgrund der Nässe sehr rutschig ist. Die Tauben stört der Regen nicht, sie wuseln zwischen unseren Beinen herum und streiten sich um die herumliegenden Essensreste.
Wir folgen dem Menschenstrom Richtung Rambles und betrachten mal links, mal rechts die tollen Gebäude. Die stuckverzierten Fassaden, geflieste Flächen, verschnörkelte Fenster- und Balkongitter und die Blicke durch so manche Fensterscheibe, das alles findet unseren vollen Gefallen. Prächtige, alte Straßenlaternen, Brunnen und Litfaßsäulen komplettieren das tolle Ensemble. Das Blätterdach der Platanen schirmt ein wenig den grauen Himmel und die Regentropfen ab. Auf dem Boulevard reiht sich ein Verkaufsstand an den anderen, wo Souvenirs, Kappen, Zeitungen, Lottoscheine und vieles mehr an den Mann gebracht werden. Einst verkauften hier nur Vogelhändler neben ihren gefiederten Freunden auch Fische, junge Hunde oder Meerschweinchen.
Direkt an der Rambla liegt die Jesuitenkirche Església de Betlem, die von außen mit einer barocken Fassade besticht. Das Innere ist sehr hell und schlicht, einfache braune Holzbänke reihen sich vor dem Altar, wo eine weiße Madonna mit Jesuskind am Arm auf die Besucher herunterschaut. Auch eine schöne Gruppe der Heiligen Familie mit den Heiligen drei Königen zählt zu den Kunstschätzen. Im Seitenaltar findet gerade eine Messe statt und wir lauschen kurz der Zeremonie. Wir verstehen kein Wort, fühlen uns aber gleich sehr heimelig. Trotzdem möchten wir auf keinen Fall stören und setzen unseren Spaziergang auf der Rambla fort.
Wenige Schritte neben der Kirche befindet sich der dreistöckige, Palau de la Virreina, dessen barocke Fassade echt ein Hingucker ist. Der Sims ist geschmückt mit einem steinernen Balkon und Vasen. Der Name Palast des Vizekönigs kommt vom peruanischen Vizekönig, der aufgrund der Hochzeits-Verweigerung seines Neffen dessen Versprochene zur Frau nahm. Er war 72 Jahre, sie 24 und drei Jahre später war sie dann auch schon Witwe und lebte allein im Palast. Heute beherbergt er das Kunst- und Kulturzentrum.
Der Duft von Freesien strömt uns in die Nase und das ist eine von vielen Blumen, die an Ständen an der Rambla Sant Josep verkauft werden. Benannt ist der Abschnitt der Rambla nach einem einstigen Josefinerkloster, trägt auch den Namen Rambla dels Flors aufgrund der vielen fixen Blumenstände, die sich aber vor der Markthalle, dem Mercat de la Boqueria befinden. Heute treibt der Regen die vielen Menschen in die Markthalle und dicht auf dicht schieben sich die Massen durch die Gänge. Als erstes verstauen wir unsere Wertsachen im Rucksack, man weiß ja nie. Dann widmen wir uns den einzelnen Verkaufsständen.
Neben den vielen Düften, die sich in der Nase vermischen, sind auch die Farben eine Augenweide. Alle Produkte sind so schön präsentiert und es gibt hier alles, was das Herz begehrt. Von Fisch, Fleisch, Obst und Gemüse angefangen bis hin zu Süßigkeiten, Käse und Oliven. Eine Auswahl, die es schwer macht, sich zu entscheiden und alles frisch. Wir beobachten den Verkäufer in der Fleischtheke, wie er mit einem säbelartigen Messer den Jamón Serrano hauchdünn von der Keule schlitzt. Schaut lecker aus, da möchte man sofort probieren. Daneben werden Hackfleischbällchen gedreht und für den nächsten Kunden super Steaks geschnitten. Ein wenig gruselig sind dafür die nackten Hasen, Hendl und Schafsköpfe, wie sie mit den großen Augen den Käufer angucken. Auch die Kutteln, Innereien und Tierhoden locken uns nicht wirklich an, obwohl auch die schön präsentiert sind.
Am Obststand lachen uns neben den bekannten Früchten wie Pfirsiche, Orangen, Ananas, Äpfel auch die exotischen wie Pitayas (Drachenfrüchte), Zimtäpfel, Papayas, Tamarillos und Nespres an. In Bechern, abgepackt mit Gabel können viele Früchte essfertig gekauft werden. Mmmmh, der Geruch der Erdbeeren ist umwerfend und wir entscheiden uns an diesem Stand, uns frische Frucht Smoothies zu gönnen. Die sind so gut, dass wir sie fast in einem Zug wegzischen, der Vitaminbedarf für heute ist gedeckt.
Die Farbenpracht und die Gerüche sind einfach unbeschreiblich und wir können uns gar nicht satt sehen. Das gleiche Bild empfängt uns beim Gemüse, wo es neben unzähligen Sorten Tomaten von schwarz bis grün auch alles gibt, was man sich nur vorstellen kann. Wir kommen zum Stand mit den Schoko-Trüffeln und da wir die sooo gerne essen, liegt es auf der Hand, spanische Kugerl zu probieren.
Den Stockfisch kennen wir schon von Skandinavien und die gekochten Tintenfische hinter der Glasscheibe verspricht Gutes. Auch die Gewürze bilden nicht nur ein schönes Bild, sondern die vielen Gerüche machen neugierig.
Es ist wirklich ein besonderes Erlebnis hier herumzulatschen, aber langsam spüren wir die Füße nicht mehr und daher beschließen wir, es uns bei einem Stand gemütlich zu machen. Frischer geht es nicht und daher bestellen wir uns an einer Antipasti-Theke dreierlei Frittiertes, Babyfische, Calamares und Tintenfischringe. Dazu gegrilltes Gemüse, wow ist das lecker. Da könnten wir den ganzen Tag sitzen, nur essen und alles durchprobieren.
Gegründet wurde der Markt 1827, knapp zehn Jahre später entstand die überdachte Markthalle, die nach und nach erweitert und für die Händler freigegeben wurde. Ein neues Viertel entstand und heute befindet sich mitten in Barcelona ein Magnet für Einheimische und Touristen auf einer Fläche von 13.600 m².
Gestärkt und voll von Eindrücken verlassen wir die Markthalle und setzen unsere Tour auf der Rambla fort. Auf der anderen Straßenseite des Marktes befindet sich das einzige Erotikmuseum Spaniens mit mehr als achthundert Objekten. Sie umfassen die erotische Kunst der antiken Welt bis zur zeitgenössischen Kunst. Und auch heute steht die Marilyn Monroe wieder auf dem Balkon und winkt herunter.
Auffällig aufgrund der Fassadengestaltung ist das Casa Bruno dels Paraigües, Haus der Regenschirme. Während 1883–1888 beherbergte das Gebäude ein Schirmgeschäft, das dem Haus den Namen gab. Japanische Reliefmuster, Drachen und Laternen schmücken neben vielen Schirmen ebenfalls die Fassade.
Vorbei am Palau Nou de la Rambla, das 1992 so erbaut wurde, dass man durch einen Bogen auf den Turm der Basilika Santa María del Pi hat, befindet sich das nächste Highlight, das Gran Teatre del Liceu aus dem Jahr 1847. Zweimal fiel das Gebäude einem Brand zum Opfer, wurde aber originalgetreu wiederaufgebaut. Ein Ticketverkäufer hält jedem, der zu nahe an ihm vorbeiflaniert einen Flyer ins Gesicht, um für die nächste Vorstellung, Romeo und Julia, Werbung zu machen. Zu einer Oper gehört natürlich auch ein Café de l´Òpera und das gibt´s seit 1929. Geschützt vom Nass nehmen wir dort unter einem riesigen Schirm Platz mit Blick auf die Oper. Wir bestellen uns Espressi und genießen das Treiben rund um uns. Verrückt, wie sich das unter unserem Hintern anfühlt, wenn eine Metro vorbeifährt. Da gibt es eine Rüttel-Massage. Für das Ambiente bezahlen wir beim Kaffee einen l´Òpera-Aufschlag, dafür bekommen wir auch das volle Programm auf der Straße geboten. Hier wandeln schon viele skurrile Typen herum. Die einen kommen vom Strand und die anderen frisch von der Piste. Jung und Alt ist unterwegs und süß ist das Pärchen im Rollstuhl, das mit ihren fahrbaren Untersetzern einen Zug bildet.
Wir sind trotz der Überdachung ein wenig nass geworden und dadurch auch ausgekühlt, jetzt heißt es wieder laufen, damit wir uns nicht verkühlen. In der Seitenstraße Carrer Nou de la Rambla kommen wir zum Palau Güell. Es ist Montag, an dem sowieso fast alle Museen geschlossen sind, heute kommt noch der Regen dazu, wo eine Begehung der Terrasse nicht möglich gewesen wäre. Das kennen wir schon von gestern. Wir lassen unseren Blick über die Fassade schweifen und dann trotten wir die Gasse weiter.
Im 10. Jhdt. wurde die romanische Klosterkirche Sant Pau del Camp gegründet und lag außerhalb der Stadtmauern. Ein griechisches Kreuz bildet ihren Grundriss und einen kleinen Kreuzgang aus dem 13. Jhdt. Sie liegt idyllisch umgeben von einem Park und einem schmiedeeisernen Zaun. Tauben und Kakadus stürzen sich auf alte Semmeln, die ihnen kurz zuvor jemand auf den Boden geleert hat. Leider ist die Kirche verschlossen, sodass wir unverrichteter Dinge weiterziehen müssen.
Ein Viertel, das zur Altstadt von Barcelona gehört, aber nachts etwas verrufen ist, ist El Raval. Tagsüber soll hier mehr los sein, aber nicht heute bei Regen, da bleiben die normalen Leute zuhause. Auch hier gibt es eine tolle Rambla, beidseitig gesäumt von Palmen, die von Kakadus bewohnt werden.
Ein anderer Bewohner dieses Stadtteils ist El Gato del Raval Fernando Botero. Die übergewichtige, bronzene Katze ist um ein paar Köpfe größer als ich und würde sie nicht so ein süßes Gesicht haben, wäre sie zum Fürchten.
Für den nächsten Besuch in Barcelona müssen wir uns das Hotel Barceló Raval vormerken und dort auf der Dachterrasse einen Kaffee trinken, denn von dort oben hat man einen 360º Rundblick auf die Stadt und Bilder im Internet sagen mehr als tausend Worte.
Wir biegen in die Carrer de l´Hospital ein und betreten die Jardins de Rubió i Lluch, benannt nach einem spanischen Historiker. Dicht nebeneinander gedeihen hier Orangenbäume prächtig und die fertigen Früchte gucken aus dem Blätterdickicht hervor. Am Boden wachsen Rosen und Clivias und der kleine Park findet nicht nur bei den vielen Einheimischen Gefallen, sondern auch bei uns.
Im Zentrum ziert ein Brunnen den Innenhof, gebildet vom Antic Hospital de la Santa Creu. Von 1401 bis 1926 beherbergte das Gebäude das Krankenhaus von Barcelona. Heute sind darin die Nationalbibliothek und die Königliche Akademie der Medizin untergebracht. 1926 starb Antoni Gaudí hier nach einem Unfall mit einer Straßenbahn. Eine Oase der Ruhe bildet der schöne Kreuzgang und um die Stimmung hier ein wenig auf uns wirken lassen zu können, verweilen wir eine Zeitlang auf einer Brüstung.
Es ist kurz nach 15:00 Uhr, die Füße schmerzen uns, der Regen ist wieder mehr geworden und vom vielen Plätschern müssen wir dauernd auf´s Klo. Daher beschließen wir, die Besichtigung für heute gut sein zu lassen und fahren mit der Metro ins Hotel zurück. Dort machen wir es uns gemütlich und kugeln in den Betten herum. Während wir ein wenig lesen, massieren wir uns genüsslich gegenseitig die Füße. Das Abendessen wird ersatzlos gestrichen und die noch vorhandenen Reste verdrückt. Laut Nachrichten soll es morgen trocken bleiben und auf das hoffen wir.
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