Um 07:30 Uhr scheppert der Wecker, denn wir müssen aus den Betten raus. Für heute haben wir Tickets für die Sagrada Família gebucht und das wollen wir nicht versäumen. Wie uns gestern die Wetter-Fee versprochen hat, haben wir schönes Wetter und laut Handy-Anzeige sogar schon 17°. Da ist man doch gleich viel besser gelaunt und tatenfreudig. Den Weg zur Metro kennen wir ja mittlerweile wie im Schlaf und mit einmal Umsteigen landen wir direkt bei der Kirche, die unter anderen von Antoni Gaudí entworfen wurde. Mit dem Bau wurde 1882 begonnen und sie ist bis heute nicht vollendet. Vielleicht schafft man es bis zum 100. Todestag von Gaudí im Jahr 2026. Heute stören auf jeden Fall viele Kräne das Bild und Baustellen-Netze, die über Teile der Fassade hängen. Trotzdem gibt es so viele Details zu schaun und betrachten. Trotz der frühen Morgenstund sind schon Massen von Menschen unterwegs und auch die Hop-on-Hop-off-Busse laden die Touristen direkt vor dem Eingang ab.
Als erstes schlendern wir mal rund um das Bauwerk und saugen die ersten Eindrücke in uns auf. Der Fotoapparat kommt nicht mehr zur Ruhe und es klickt im Sekundenabstand. Keine Ahnung, was ich alles bildlich festhalten soll, es ist alles so beeindruckend. Wohlweislich haben wir unsere Tickets bereits online gebucht und daher stehen wir schon bald in der Warteschlange und kämpfen uns bis zum Eingang vor. Nach dem Karten- und Security-Check heißt es nochmal anstellen für die Audio-Guides. Dann noch schnell in die Pipi-Box, sicher ist sicher und los geht´s.
Bevor wir ins Innere eintreten, lassen wir unseren Blick über die imposante Fassade gleiten. Die Geburtsfassade im Nordosten der Basilika wird geschmückt mit Szenen der Geburt und dem Leben Jesu und die drei Portale symbolisieren den Glauben, die Liebe und die Hoffnung. Im Südwesten befindet sich die Passionsfassade mit dem Leidensweg Christi und die wurde erst nach Gaudís Tod fertiggestellt. Der Bau erlebte immer wieder Stillstände nach Gaudís Tod und im Spanischen Krieg zwischen 1926 – 1936 kam es zu Beschädigungen, die wieder behoben werden mussten. Ehemalige Mitarbeiter Gaudís halfen mit beim Rekonstruieren von einzelnen Details. Finanziert wird der Bau ausschließlich aus Eintrittsgeldern und Spenden und so sind von den geplanten 18 Türmen bis jetzt 8 fertiggestellt.
Beim Eingang der Passionsfassade wird auf dem Keramikboden der Einzug Jesu in Jerusalem dargestellt. Ehrfürchtig betreten wir den Innenraum und sind überrascht, denn im Gegensatz zu draußen wirkt die Kirche innen sehr schlicht und einfach. Wie in einem Wald wachsen die Steinsäulen gen Himmel und spezielle Konstruktionen ermöglichten es, dass keine Strebepfeiler benötigt wurden. Im November 2010 wurde der Innenraum der 5-schiffigen Basilika fertiggestellt und von Papst Benedikt XVI. eingeweiht. Unvorstellbar, dass hier neuntausend Menschen Platz finden.
Unter dem Altarbereich liegt die Krypta und daher wurde dieser Bereich angehoben. Ein Baldachin, ähnlich einem riesigen Sonnenschirm hängt über dem Altartisch, in dem ein lebensgroßer, gekreuzigter Jesus schwebt. Wir sind fasziniert von der Stimmung im Inneren, die das Licht erzeugt, das durch die Glasfenster strahlt. Auf der linken Seite dominieren die Farben von gelb, orange und rot, während auf der gegenüberliegenden Seite blau, grün und lila vorherrschen. Das Schrauben, Bohren und Schneiden der Arbeiter und das Herumwirbeln der vielen Besucher haben leider nix Besinnliches.
Mit dem Lift fahren wir 65 Meter hoch und besuchen die Arbeiter. Nein, Spaß beiseite, hier schuften wirklich brave Arbeiter, um wieder kleine Bereiche fertigzustellen oder zu renovieren. Bei unserem Rundgang zwischen den Türmen haben wir bei tollem Vormittagslicht immer wieder traumhafte Blicke auf die Stadt und den Park. Die Aposteltürme sehen aus wie bei einer Sandburg und sie sind bekrönt mit bunten Elementen. Von Angesicht zu Angesicht stehen wir hier mit den großen Statuen und ihren kantigen Gesichtern.
380 Stufen führen wieder hinunter und bevor wir die Kirche verlassen, machen wir noch einen Abstecher ins Museum, wo Modelle und Pläne der fertigen Sagrada Família zu sehen sind.
Abschließend platzen wir uns nochmal im Park auf einer Bank und lassen die Kirche auf uns wirken, die so gar nichts sakrales an sich hat. Wir beschließen nochmal hierher zu kommen, wenn wir achtzig sind, um zu schaun, wie weit der Baufortschritt ist oder die Enkerl unserer Freundes-Kinder berichten uns im Himmel über die Fertigstellung. Antoni Gaudí war gerade 31 Jahre, als er mit der Bauleitung beauftragt wurde und er war damit 43 Jahre beschäftigt. Zu seinen Ehren erhielt er in seinem unvollendeten Werk seine letzte Ruhestätte.
Wir schlendern die Avinguda Gaudí entlang, die mit schönen Straßenlaternen geschmückt ist. Unter einer imposanten Baumallee laden rustikale Bänke zum Verweilen ein. Schon von weitem ist am Ende der Prachtstraße das Hospital de la Santa Creu i Sant Pau zu sehen. Ein Wahnsinn, wie toll der Gebäudekomplex aussieht, der zwischen 1902 und 1911 im Jugendstil erbaut wurde. Finanziert wurde das ehemalige Krankenhaus von einem Bankier nach dessen Tod. Mehrere Pavillons bilden eine Einheit und sind durch unterirdische Gänge verbunden. Den Eingang bildet die Administration, die in einem imposanten Gebäude untergebracht ist. Der Mittelteil ist als monumentales Altarbild gedacht, wo vier Engel die drei Tugenden und die Arbeit symbolisieren. Die Reliefs im zweiten Stock zeigen zehn historische Figuren. Ein 62 Meter hoher Glockenturm krönt das Gebäude, der zu einem Wahrzeichen Barcelonas geworden ist. Sechzehn Mosaikplatten, die auf der Backsteinfassade des gesamten Gebäudes angebracht sind, zeigen verschiedene Episoden der Geschichte des Krankenhauses. Einfach wunderschön, da könnten wir Stunden stehen um jedes einzelne Detail genauer zu bestaunen. Kein Wunder, dass das Hospital zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde und zwar im Jahr 1997.
Wir nehmen Abschied und da wir unsere Füße spüren, besteigen wir die Metro und fahren bis zu unserem nächsten Ziel, die Passeig de Gràcia. Auf dem eineinhalb Kilometer langem Prachtboulevard stehen viele hübsche Bänke und Laternen und er wird gesäumt von kolossalen Bauten. Aber auch kunsthistorisch wichtige Häuser sind dabei, wie das Casa Comalat. Benannt nach seinem Auftraggeber wurde es erbaut von 1906 – 1911 im Stil der Modernisme von einem Architekten, der von Gaudí beeinflusst war. Und das sieht man, denn auch hier dominieren geschwungene knochenartige Bögen aus falschem Granit die Fassade. Bunte Mosaike füllen Zwischenräume auf der Mauer und farbige Muster in den Glasscheiben sind von außen sichtbar.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der Avinguda Diagonal befindet sich der Palau del Baró de Quadras und auch dieses Haus ist nach seinem ursprünglichen Besitzer benannt. Die Hauptfassade ist geschmückt mit vielen Figurengruppen, darunter der Sant Jordi, der mit dem Drachen kämpft. Auch mittelalterliche Büsten, Blumen und Fabeltiere können wir entdecken. Ein bombastisches, schmiedeeisernes Eingangsportal ist über und über mit Rosen verziert und lassen das Tor ein wenig filigran wirken. Das Innere wäre auch toll zum Ansehen mit Mosaiken und Blumenornamenten, kann aber nur mit einer Führung besichtigt werden und die gibt es nur zu bestimmten Zeiten. Das heben wir uns für den nächsten Barcelona-Besuch auf.
Der Tag heute war schon zu perfekt und wir haben ihn bis jetzt voll genossen und daher ärgert es uns ein wenig, dass es schon wieder zu regnen beginnt. Wir gehen den Passeig de Gràcia entlang und flüchten an der Kreuzung Carrer de Provença ins El Café de la Pedrera, das sich im Casa Milà befindet. Pedrera, übersetzt Steinhaufen und wie eine steinerne Welle zieht sich die Decke durch den Raum. Der Name klingt schon so spannend, das Haus ist es ebenso. Kein Wunder, handelt es sich auch hier um ein Haus, das von Gaudí zwischen 1906 und 1910 für Herrn und Frau Milà errichtet wurde. Bevor wir uns dem Haus näher widmen, nehmen wir eine kleine Auszeit und lassen uns von den charmant lächelnden, überaus freundlichen Camareros, Kellnern Espressi servieren. Nach einem kurzen Klo-Besuch geht´s weiter und wir fahren mit einem Lift auf die Dachterrasse.
Hier stoßen wir gleich auf eine Armee Darth Vader´s aus Star Wars. Nein, das ist ein Scherz, es handelt sich hier um ausgeklügelte Kamine, die das Haus belüften. Treppauf, treppab bewegen wir uns auf den wellenförmigen Ebenen zwischen den verschiedensten Türmchen durch, einige davon sind mit Marmor- oder Glasscherben beklebt. Von hier oben haben wir wieder eine schöne Aussicht auf die Stadt, auch wenn der jetzt aufgrund der dicken Wolkendecke sehr dunkel ist. An manchen Stellen ist auch der Blick in die Innenhöfe möglich. Es gibt drei davon, zwei elliptisch und einer rund und sie versorgen die Räume mit Luft und Licht und das war damals nicht üblich. Wir betreten das Dachgeschoß, wo sich eine große Ausstellung befindet, gewidmet dem Werken Gaudí´s. Viele Dokumente, Film und Fotos und auch Modelle zeigen seine Arbeitsweise. Er konstruierte seine Gebäude so, dass er keine tragenden Wände benötigte. Beton und Eisen stützen Säulen und Parabelbögen und in diesem Raum hier sind es 270 Ziegelsteine, die den Raum tragen. Die ehemalige Beletage selbst besitzt überhaupt keine Wände und sie wird benutzt für Kunstausstellungen.
Weiter geht es in den sechsten Stock, wo eine Wohnung aus den 1920er Jahren nachgestellt ist. Liebevoll sind Tisch und Bett dekoriert mit stilvollen Dingen und zeigen einen Einblick ins damalige Leben. Eckige Wände suchen wir hier vergeblich, denn alles ist bucklig und rund, aber das findet unseren Gefallen. Warmes Licht setzt die Räume voll in Szene und man hat den Eindruck, gleich kommen die Bewohner zurück. Einige Wohnungen im Casa Milà werden auch wirklich bewohnt und hier haben die Mieter das Privileg, dass sie ihre Wände so verschieben können, wie sie es möchten. Heute so, morgen anders, ist doch irgendwie verrückt.
Selbst das Stiegenhaus ist noch ein eigenes Kunstwerk und bevor wir unsere Audioguides wieder zurückgeben, machen wir noch einen Blick von unten in die Innenhöfe. Wow, das sieht echt atemberaubend aus, nur schade, dass der Himmel so trüb ist, denn sonst wäre das Foto gen Himmel wirklich kitschig geworden. Dieser Besuch war ein echtes Highlight und bevor wir ins Hotel zurückfahren, betrachten wir das Gebäude noch ein wenig von außen. Bemerkenswert sind auch die aus Abfallmaterial hergestellten, schmiedeeisernen Balkongitter, die von einem Architektenkollegen Gaudís im katalanischen Jugendstil hergestellt wurden. Gaudís letzter Profanbau wurde 1984 Mitglied auf der Liste der UNESCO Weltkulturerbe.
Download der KML-Datei