Es zieht uns heute wieder auf die deutsche Seite des Bodensees, wo umgeben von Wäldern das Schloss Salem liegt. Der Wetterbericht verspricht uns trockenes Wetter und es schaut auch schon viel freundlicher aus. Aufgrund der Geschwindigkeitsbeschränkungen zwischen 60 und 80 km/h haben wir Zeit, die Landschaft rund um uns zu genießen. Wie auf der Schweizer Seite des Bodensees wird auch hier viel Landwirtschaft und Obstbau betrieben. Die Äpfel und Zwetschgen (wie es die Deutschen schreiben – für uns Österreichreicher bleiben es Zwetschken) sind reif und fleißige Arbeiter sind schon dabei die Ernte einzuholen. Es gibt hier aber nicht nur Steinobst, auch an den Weinreben hängen dick die dunklen Trauben herunter. Fleißig wird schon geerntet und wir müssen mal einem Traktor nachzoggeln, aber das macht nix, wir sind im Urlaub. Mir als Hobybotanikerin fallen auf der Fahrt wieder die vielen schönen Blüten auf, rosa Herbstzeitlose, gelbe Goldraute und das rosafarbige Springkraut. Viele Raubvögel haben ihre Freude an den weiten unbebauten Flächen. Die Kühe tun ihnen nichts zuleide und so lässt es sich hier toll jagen. Zugvögel formieren sich schon in Schwärme, um sich für den Flug ins Warme abzusprechen. In einem abgeernteten Kukuruzfeld entdecken wir fünf Störche, die mit ihren Schnäbeln am Boden nach Insekten herumstochern.
Gegen zehn Uhr erreichen wir Schloss Salem und da wir zu den ersten Besuchern zählen, können wir ganz vorne einparken. Das Schloss zählt zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Süddeutschlands, wurde 1134 als Zisterzienserkloster gegründet und hatte schon im Mittelalter ihre wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Bis zu 300 Mönche und Laienbrüder beherbergte das Kloster und war politisch unabhängig. 1697 zerstörte ein Großbrand die Klosteranlage fast vollständig, sie wurde aber im 18. Jhdt. wiederaufgebaut, sodass von den neunhundert Jahren Bestehen fast siebenhundert als Kloster zählen.
Mit unserem Bodensee-Ticket zahlen wir für die erweiterte Führung für beide nur noch acht Euro Aufpreis. Bis zum Beginn haben wir noch genügend Zeit, um uns die Gartenanlagen und vor allem den Marstall auf eigene Faust zu erkunden. Als Marstall bezeichnet man seit dem 17. Jhdt. das Stallgebäude einer herrschaftlichen Hofhaltung, wo die Reit- und Kutschpferde des amtierenden Abtes untergebracht waren. Die Pferde haben sehr elegant gelebt hier in den schönen, geschnitzten Abteilen und mit Fresken bemalten Ställen.
Dem prächtigen Barockgarten, der den Besucher nach dem Eingang empfängt, fehlen Blumen und nochmal Blumen. Die Hecken sind symmetrisch geschnitten und die Wege mit Kies ausgeschüttet. Hier befand sich ein Gemüse- und Kräutergarten zu Zeiten, als das Schloss noch ein Kloster war. Hinter hohen Büschen gibt es einen Irrgarten für Kinder und einen eigenen für die großen Kinder, wo nicht geschummelt werden kann.
Um elf Uhr beginnt dann die Führung, bei der wir viel Interessantes erzählt bekommen. Bevor wir aber in die Innenräume dürfen, bringt uns die Touristenführerin noch das danebenliegende Münster. Die aus grauem Sandstein errichtete Klosterkirche zeigt außen keine Verzierungen oder Figuren, entsprechend dem Zisterzienserorden. Der damalige Abt, ein Freund der Maria Theresia, wollte seine Macht demonstrieren, indem er der Kirche einen hohen Turm aufsetzen ließ. Zu hoch, denn statisch war der Turm nicht vereinbar – der Abt wurde verurteilt und der Turm musste wieder abgetragen werden.
So schlicht das Münster außen ist, wirkt das Innere sehr bombastisch. Viele Baustile vereinen sich und wo man auch hinschaut, überall wurde Alabaster in vielen Farben verarbeitet. Toll auch die hintere große Orgel und das Chorgestühl, das man nur im Rahmen einer Führung besichtigen kann. Hier mussten die Mönche mindestens sieben Stunden am Tag beten und dabei stehen, während die Sitze hochgeklappt waren. Darunter befanden sich aber kleine geheime Schemel, wo sie sich zumindest anlehnen konnten. Weiter geht’s durch den Kreuzgang mit der tollen Stuckdecke, auch hier sind die verschiedenen Baustile schön sichtbar.
Salem ist eine vierflügelige Anlage und hat drei Innenhöfe und in einem großen Teil davon ist heute eine Eliteschule untergebracht. Wer es sich leisten kann für seinen Zögling dreitausend Euro pro Monat zu berappen, der ist hier richtig. Dafür ist die internationale Matura weltweit sehr angesehen. Weiter geht’s in den Speisesaal, wo schon außen oberhalb der Tür die Inschrift zu finden ist „Hier esst, was ihr vorgesetzt bekommt“ und das war ja gar nicht so Schlechtes. Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch von Zweibeinern standen auf dem Speiseplan und während des Essens wurde ihnen von einem Mönch aus der Bibel vorgelesen. Die Zisterzienser waren ja ein strenger Schweigeorden und sie mussten sich in Zeichensprache verständigen.
Im hinteren Teil des Raumes steht ein wunderschöner Kachelofen, wo auf den Fliesen die handwerkliche Tätigkeit der Mönche gezeigt wird. Auf einigen ist der kleine Jesus sichtbar, der bei der Arbeit mithilft. Auch innen oberhalb der Tür gibt es eine Inschrift, nämlich „Wenn es genug war, was ihr gegessen habt, dann seid dankbar und wenn es nicht genug war, dann gedenkt der Armen“. So, jetzt geht es rustikale, hölzerne Treppen hoch, die bei jedem Schritt unter unseren Füssen knarren. Anschleichen oder Einbrechen ist hier nicht möglich.
Die Tür zur Bibliothek öffnet sich und sie beherbergte einst über fünfzigtausend Bücher, die als Ganzes während der Säkularisierung an die Uni Heidelberg verkauft wurden. Heute gibt es nur noch wenige wirklich alte Bücher hier. Auch einen Blick in die Abtswohnung dürfen wir werfen, wo noch die originalen Textiltapeten zu sehen sind. Hinter einer kleinen Tür versteckte sich der Zugang zum Weinkeller, wo sich die besonderen Tröpferl befanden. Im unteren Bereich des Raumes wurden die Wappen der Schenker und Gönner von Schloss Salem aufgemalt. Die Spiegelfenster sollten verhindern, dass der Besucher in die Räume des Abtes einsieht. Im Empfangsraum ist ein besonderer Tisch mit Stuckeinlegearbeiten ausgestellt.
Das Highlight kommt zum Schluss, nämlich der Kaisersaal. Umwerfend, was hier alles zu sehen ist, Stuck, wohin das Auge reicht, von Podesten winken die Habsburger Kaiser fast in Originalgröße. Darunter wachsen Arme aus der Wand mit Kerzen in der Hand – jetzt wissen wir woher das Wort Armleuchter kommt. Als der Kaisersaal fertiggestellt war, kam kein König mehr. Wir sind am Ende unserer Führung, die sehr interessant war und auf jeden Fall zu empfehlen ist.
Hunger macht sich breit, es ist mittlerweile 13:00 Uhr und sitzen tut auch wieder gut, daher kehren wir in den nahe gelegenen Markgräflichen Badischen Gasthof Schwanen ein. Wir bestellen uns typische Kost der Region: Maultaschen mit geschmelzten Zwiebeln und Schwäbischen Zwiebelrostbraten. Auch bei den Getränken wählen wir Apfel- und Traubensaft, der regional hergestellt wird.
Eine Stunde später brechen wir auf, schmeißen unser Tagesprogramm über den Haufen und fahren wieder zurück nach Friedrichshafen – der Grund, unsere Zeppelin-Fahrt wurde von morgen auf heute vorverlegt. Nach dem Einchecken erhalten wir unsere Flugtickets und verbringen die letzte halbe Stunde vor dem Abflug im Freien des Cafés. Wir haben das Glück, bei der Landung eines Zeppelins zuzusehen. Nachdem die beiden Räder am Boden aufsetzen, wird das Luftschiff wie ein Luftballon an der Schnur gehalten. Zwei Passagiere steigen aus und zwei dürfen danach wieder einsteigen. So geht es zügig dahin, damit das Gleichgewicht gehalten wird. Der Propeller hinten macht einen Höllenlärm, sodass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
Mit gemischten Gefühlen warten wir nun auf unseren Abflug. Davor erhalten wir noch Sicherheitshinweise und einen kurzen Film über die Entstehung und die Fakten der Luftfahrt. 12 – 14 Passagiere finden Platz im Inneren der Kabine, der Ballon besteht aus reißfesten Dreischicht-Laminat und Aluminium- und Karbonfachwerkträgern und fasst ein Gesamtvolumen von 8.425 m³ unbrennbares Helium. Eine Tonne wiegt die starre Innenstruktur plus eine Tonne die Hülle. Der Zeppelin NT (Neue Technologie) hat eine Länge von 75 Meter und schafft eine maximale Geschwindigkeit von 125 km/h. Unsere Flughöhe beträgt heute 300 Meter. Hier in Ludwigshafen gibt es zwei Zeppeline, die bereits in Betrieb sind, ein dritter wird gerade gebaut. In Amerika fliegen drei, die von Good Year für die Übertragung von Sportveranstaltungen verwendet werden. Kostenpunkt für ein Luftschiff sind 18 Millionen Euro, Bauzeit ca. eineinhalb Jahre. Täglich werden zehn bis zwölf Fahrten veranstaltet und in den Wintermonaten wird pausiert.
So, jetzt sind wir an der Reihe – das Prozedere des Einsteigens kennen wir schon und nachdem wir die Flughöhe erreicht haben, dürfen wir uns abschnallen und herumgehen. Im Cockpit sitzt eine Pilotin, der wir über die Schulter schaun können. Wir haben mit dem Wetter volles Glück, denn die Nachmittagssonne beleuchtet die Orte wunderschön. Das türkisfarbige Wasser des Bodensees glänzt, Boote und Schwimmer sind gut sichtbar. Hübsch sind die Orte eingebettet in die großen Grünflächen, wie Wälder, Felder, Wein- und Obstgärten. Wir fliegen über das Weinanbaugebiet von Hagnau, dann kommt Konstanz und hier können wir schön die Sehenswürdigkeiten von oben sehen, die wir gestern zu Fuß abgeklappert haben. Der große Komplex der Universität aus Beton mit den bunten Blechdächern, erbaut 1964-1974, befindet sich auf dem Hausberg von Konstanz, dem Giesberg. Weiter geht’s über die Insel Mainau, wo wunderschön die bunten Blumenbeete und das Schloss zu sehen sind. Nicht weit davon entfernt liegt die hübsche Klosterkirche von Birnau und in Unteruhldingen die Pfahlbauten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Über Meersburg geht es die Küste wieder zurück. Die Fahrzeuge sehen von oben wie Matchbox-Autos aus und irgendwie erinnert uns alles an Hamburg an das Miniaturland. Die Landung ist ein wenig enterisch, als die Schnauze plötzlich nach unten geht.
Tief beeindruckt verlassen wir nach einer Stunde Fahrt wieder den Zeppelin, erhalten noch eine Urkunde und ein Logbuch und werden außerdem auf ein Glas Prosecco eingeladen, um das Spektakel gebührend abzuschließen.
Bevor sich der Tag zu Ende neigt, machen wir noch einen Abstecher nach Lindau. In der Parkgarage stellen wir unser Auto ab und schlendern die wenigen Schritte in die Altstadt. Durch die Kopfsteingepflasterten, schmalen Gassen führt unser erster Weg zum alten Rathaus. Es ist von oben bis unten mit der Lindauer Geschichte bemalt. Beeindruckend sind auch der Treppengiebel und der goldene Baum auf der obersten Stufe. Auch eine hübsche Sonnenuhr auf der einen und eine normale Uhr mit goldenem Ziffernblatt ist im Ensemble zu sehen.
Wir spazieren weiter und kommen zum gewaltigen, 20 m hohen Mangturm mit dem bunten Schindeldach. Er war einst Teil der Stadtbefestigung und wurde 1200 als Leuchtturm benutzt. Früher war er noch umgeben von Wasser und nur über eine Zugbrücke erreichbar. Aus einer Schießscharte hängt der lange, blonde Zopf mit roter Masche von Rapunzel herunter. Ein Hinweis darauf, dass hier im Turmzimmer Märchenstunden stattfinden.
Eindrucksvoll wird die Hafeneinfahrt vom Neuen Leuchtturm und einem sechs Meter hohem, 50 Tonnen schweren Löwen bewacht. Innerhalb kurzer Zeit fahren erst ein schweizer Schiff, danach ein deutsches und zum Schluss eines aus Österreich in den Hafen ein. Es herrscht eine wunderschöne Stimmung hier, nicht nur aufgrund der Abendsonne, auch die Menschen, die gemütlich im Hafen flanieren, chillen oder in den Gärten der Restaurants und Cafés sitzen, plauschen, essen und trinken.
Im Restaurant zum alten Rathaus ergattern wir den letzten Sitzplatz und bestellen uns heimisches Bier und Felchen (Fisch vom Bodensee). Es geht turbulent ab in der urigen Stube und wir lassen uns von dieser Atmosphäre einlullen, während wir unser Essen genießen.
Kurz nach 20:00 Uhr brechen wir dann auf, um zu unserem Ferienhaus zu fahren und den ereignisreichen Tag beschließen.