Die Nacht war geprägt von Aufwachen, Einschlafen, Aufwachen, Einschlafen und prompt verschlafen wir und werden erst um 09:00 Uhr wach. Aber macht nichts, wir sind schließlich im Urlaub! Duschen, Anziehen, Frühstücken, das geschieht alles schon wie von selbst. Nach dem Abwasch geht´s dann los.

Wir durchqueren wieder den Pfänder-Tunnel und verlassen bei Lustenau die Autobahn. An der Zollstation bei Höchst werden einzelne Autos angehalten und kontrolliert, wir dürfen weiterreisen. Dann überqueren wir die Brücke über den alten Rhein, nehmen die Autobahn Auffahrt nach St. Gallen und landen gleich in einer Baustelle. Es geht aber zügig voran und unser Navi leitet uns im Zentrum in die Parkgarage „Einstein“ in der Wassergasse.

In wenigen Schritten erreichen wir das Klosterviertel, besorgen uns in der Tourist-Info einen Stadtplan und stapfen los. Wir verlieben uns auf den ersten Blick in die Stadt mit den vielen Plätzen und ihren alten Fachwerkhäusern. Die Ursprünge von St. Gallen gehen bis ins 7. Jhdt. zurück und die Stadt entstand rund um das gegründete Kloster.

Auffallend sind die vielen Erker an den Häusern und St. Gallen ist auch berühmt dafür, denn sie zeigten den Reichtum des Bewohners und hatten als Nutzen eine Vergrößerung des Wohnraums. In der Altstadt sollen mehr als hundert Erker angebaut sein und einige prächtige Exemplare begegnen uns schon nach den ersten Schritten. Bevor wir aber die Stadt erkunden, möchten wir uns die berühmte Stiftsbibliothek ansehen, die 1983 von der UNESCO ins Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Sie ist eine der ältesten Bibliotheken in Europa mit einer großen Handschriftensammlung. 130.000 Bücher sollen es sein, wir werden das aber nicht nachzählen.

Wir bezahlen unseren Eintritt (12,00 Franken), ziehen bereitgestellte Verhüterlis über die Schuhe und betreten ehrfürchtig die Bibliothek. Leider dürfen wir hier drinnen nicht fotografieren, es muss also ein abfotografiertes Bild reichen. Von dem mal abgesehen, würde sich diese Pracht auch gar nicht so einfangen lassen, wie sie auf den Betrachter auftrifft. Fahles Licht erzeugt hier eine mystische Stimmung und der knarrende Fußboden aus Tannen-, Nuss- und Kirschholz tut das Seine dazu. Die Besucher schleichen durch den Raum und es werden die Köpfe zusammengesteckt und nur leise getuschelt.

Umwerfend, was wir hier sehen! Tolle Einlegearbeiten auf dem Holzfußboden, seitlich auf schlanken Säulen ziehen sich die vollgestopften Bücherschränke auf zwei Etagen hoch und die Decke zieren Fresken, die mit Stuck eingefasst sind. Die Künstler haben Blätter, Muscheln und Blüten verewigt und an zwei Stellen auch ihr Firmenlogo, einen Hahn, eingearbeitet. Wir müssen uns aber die Hilfe der Aufsicht holen, um die Gockel zu finden.

Diese Schönheit kann man gar nicht beschreiben, das muss man gesehen haben. Beeindruckend auch das Deckengewölbe, wo in einer Blase Gott, Jesus und der Heilige Geist sitzen, darunter das Konstanzer Konzil. Diejenigen, die nicht an die Göttlichkeit glauben, sitzen unter einer schwarzen Wolke und werden mit Blitzen bestraft, während die Gläubigen mit einem Sonnenstrahl beleuchtet werden.

Die Bücher sind in Abteilungen geordnet, die alphabetisch nummeriert sind. Die Hälfte davon stammt aus der Zeit vor 1800 und sie decken alle wissenschaftlichen Bereiche ab. Edel die braunen Lederrücken mit goldener Schrift und Verzierungen. Zu den schönsten erhaltenen Handschriften gehört das Irische Evangelium von St. Gallen, um 780 in Mittelirland entstanden. Wunderschöne, farbige Meditationsbilder und Goldornamente zieren die 268 Seiten aus Pergamentpapier und finden auch unseren Gefallen.

Unsere Aufmerksamkeit erregt ein ausgestelltes Passionsbild in Schriftmalerei. Von weitem ist es nicht zu sehen, dass Bart, Haare, Augenbrauen und Dornenkrone mit Schriftzeichen „gemalt“ sind.

Tief beeindruckt verlassen wir die Stiftsbibliothek und widmen uns nun den Highlights der Stadt. Als erstes drehen wir eine Runde um das Kloster und vom Knopf im Ohr erfahren wir, dass es heute eine reine Knabenschule beherbergt. Hübsch zum Ansehen sind die Dachrinnen – da spucken die Drachen kein Feuer, sondern reichlich Wasser, wenn es regnet.

Dann betreten wir die Stiftskirche, die seitlich des Klosters liegt und von einer großen Rasenfläche umgeben ist. Zwei 68 Meter hohe Türme vermitteln eine Größe der Kathedrale und überwältigen uns auf den ersten Blick. Der Innenraum wirkt sehr weit und hell und beim Blick hoch in die Kuppel hat man den Eindruck bis in den Himmel zu sehen. Das Fresko mit Wolken symbolisiert, dass dieser Ort Teil des Himmels auf Erden ist. Auf dem Bild ist auch Franz von Assisi, vom konkurrierenden Orden, knieend zu sehen. Er hat es auch fast in den Himmel geschafft, seine Füsse aber ragen noch aus der Wolke raus. Mintgrüne Stuckornamente rahmen die Bilder ein und vermitteln eine warme Atmosphäre. Im Wasser des Taufbeckens spiegelt sich das Deckengemälde, der Himmel, der die Erde berührt. Außerdem blickt man sich auch selbst in Gesicht, das erklärt die Taufe und diese drückt aus, dass wir Menschen einfach so, weil Gott uns liebt, dazu gehören.

Der Altarbereich wurde neu geschaffen mit wertvollen Terrazzosteinen, nur der Sitzbereich für den Bischof ist in Holz gehalten. Das soll symbolisieren, dass er den Menschen dient und nicht umgekehrt.

Am Kopf der 16 Beichtstühle werden Szenen der Vergebung aus dem Neuen Testament dargestellt. Linkerhand sind die Hauptdarsteller immer Frauen und rechts Männer, denen vergeben wird.

Schmiedeeiserne Gitter gliedern den Übergang zum Chor und sind dafür da, damit die Mönche ihr Stundengebet ungestört abhalten konnten. Hier befindet sich auch eine Uhr, die alle Viertelstunde bimmelt, jedoch fünf Minuten vor geht. Das soll dazu dienen, dass die Mönche ihr Gebet rechtzeitig erreichen können, denn beim ersten Schlag sind sie losgegangen.

Beim Seitenaltar des Hl. Gallus können wir eine der ältesten Glocken Europas betrachten. Die Stahlglocke ist 33 cm groß und war im 18. Jhdt. bunt bemalt. Sie zeigt den Hl. Gallus und einen holzherbeitragenden Bären und stammt ursprünglich aus Bregenz. 1786 wurde sie als Geschenk an das Kloster St. Gallen weitergegeben, da sie in Bregenz beschlagnahmt und zerstört worden wäre. Im Domschatz der Sakristei überstand sie den Stürmen der Klosteraufhebung unbeschadet.

Es ist halb eins, als wir die Stiftskirche wieder verlassen und es wuselt nur so von Menschen. Jugendliche sitzen in Gruppen auf dem Rasen und essen oder chillen. Andere lehnen seitlich an der Kirchenmauer im Schatten und unterhalten sich. Es herrscht eine friedliche Stimmung hier und am liebsten würden wir uns dazu setzen. Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier ????.

Weiter des Weges kommen wir zum Karlstor von 1570, das letzte verbliebene Stadttor aus der mittelalterlichen Stadtmauer. Darüber ein dreidimensionales Sandsteinfresko, oben eine Kreuzigungsszene, darunter der Hl. Gallus mit dem Bären und Wappen und ganz unten ein kleines Männchen in Pluderhose, eine Selbstdarstellung des Künstlers. Die Räume über dem Tor wurden einst als Gefängnis genutzt.

Hunger treibt uns in die Gassen der Stadt und in einem kleinen Café bestellen wir uns zu St. Galler Klosterbräu Zwiebel – Käse – Flädle, eine Quiche. Schmeckt super lecker!

Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät – wir müssen unseren Audioguide wieder zur Tourist Info bringen, aber Wolfgang hat während des Essens die Infos auf sein Handy gespielt, sodass wir unseren Rundgang nun fortsetzen können. Wir spazieren durch die Gassen mit den reizvollen Cafés, Bodegas und Plätzen, wo die Menschen gemütlich sitzen, essen und trinken und einfach das Leben genießen.

Das Stadthaus sieht aus, als hätte man es auseinandergeschnitten, wird daher auch das Halbe Haus genannt und beherbergt die Ortsbürgerverwaltung.

Die niedrige Hallenkirche St. Laurenzen mit dem markanten, bunten Dach geht auf das 12. Jhdt. zurück und wurde im 16. Jhdt. erweitert. Hier wurde jährlich der Bürgereid geschworen. Heute ist sie aufgrund des Betriebsausfluges geschlossen, erzählt ein Schild an der Pforte.

Also stapfen wir weiter auf dem Jakobsweg, den uns die Muschel am Boden zeigt. Die Spisergasse zeigt den Charme aus der Blütezeit der Textilindustrie. Hier befinden sich die meisten Erker der Stadt, einer der prächtigsten auf dem Haus Nr. 22. Der zweigeschossige, hölzerne, reich verzierte Erker wurde erst 1986 wieder angefügt, nachdem er fast siebzig Jahre auf einem Dachboden verbracht hatte. Der mehrgeschossige Runderker, der sich am Haus zum Falken befindet ähnelt einem Wehrturm und war ein typisches Beispiel für ein gutbürgerliches Haus.

Wir biegen in die Kugelgasse ein, in deren Anfang sich weitere zwei prächtige Erker befinden, einer am Haus zum Schwanen von 1446 mit Motiven aus dem Reiche Poseidons. An der Konsole ein Schwan mit ausgebreiteten Flügeln und einer Schlange im Maul. Daneben das Haus zur Kugel, dessen Erker von drei starken Männern getragen wird, Herkules und zwei Türken. Namensgebend der goldene Globus im unteren Teil.

Am östlichen Ende des Marktplatzes befindet sich das denkmalgeschützte Waaghaus mit dem schönen Treppengiebel. Das Gebäude war von 1585 bis ins 19. Jhdt. ein Kaufhaus, wo die Ware gewogen und der Einfuhrzoll berechnet wurde. Heute dient es für verschiedene Veranstaltungen und Versammlungen. An der Außenfassade prangt eine schöne Uhr mit goldenem Ziffernblatt und darüber ein Mondphasenanzeiger.

Nicht weit davon entfernt kommen wir zum Kloster St. Katharinen, das 1228 von einem reichen Kaufmann den Beginen zur Verfügung gestellt wurde. Finanziert wurde es durch Spenden und das Gebäude befand sich einst außerhalb der Stadt. Die Nonnen kümmerten sich erst um das Leben der Stadt, 1448 haben sie sich ins Innere des Klosters zurückgezogen und das Kloster erlebte seine Blütezeit. Sie wirtschafteten erfolgreich mit Wein, Getreide und Leinenhandel, besaßen eine große Bibliothek und sie verrichteten Schreibtätigkeiten. Als 1526 die Reformation kam, wurden sie aufgefordert das Kloster für ein weltliches Leben aufzulassen und sie mussten in reformierte Gottesdienste gehen. Die Nonnen haben aber bis 1555 ausgeharrt und darunter auch die Bibliothekarin. Schlimm, was das da den Nonnen angetan wurde. Wir besichtigen den noch erhaltenen mittelalterlichen Kreuzgang und dann spazieren wir weiter zur St. Mangen Kirche. Der Grundriss ist ein Kreuz, sie ist die älteste Kirche der Stadt und liegt auf einer Anhöhe innerhalb der Stadtmauer.

Wir spazieren die Kirchgasse zurück und kommen zum Marktplatz, wo auf Ständen Gemüse, Obst, Käse, Marmeladen und vieles mehr angeboten wird. Auf der breiten Fußgängerzone lassen wir uns auf einem Bankerl gemütlich nieder, denn wir sind etwas müde geworden, geistig und körperlich.

Nach einer kurzen Rast geht´s weiter. An der Kreuzung der Neugasse und der Zunftgasse der Bäcker und Müller wurde 1904 das Gebäude Zur Waage erbaut. Zur Zeit der Stickerei stand viel Geld zur Verfügung und das wurde in dem gelben Sandsteingebäude gezeigt. Fünf männliche Köpfe stellen die fünf Kontinente dar. An der westlichen Seite blickt Europa nach Nordamerika, zu jener Zeit das größte Absatzgebiet für die Stickerei. Daneben sind Tiere zu sehen, ein Fuchs, der die Schlauheit symbolisiert und Eulen für die Weisheit. Unter einem Hahn und einer Henne oberhalb des seitlichen Eingangs steht geschrieben „Morgenstund hat Gold im Mund“. Bienen und Rosen stehen für frühes Aufstehen und unermüdlicher Fleiß führen zu blühenden Rosen.

In der Stickerei Börse traf man sich regelmäßig, um sich über Stickereien und Mode zu unterhalten. Man sprach über Aufträge, Kosten und Preise. Um 1910 war die Produktion von Stickereien der wichtigste und größte Wirtschaftszweig der Schweiz und St. Gallen lieferte die Hälfte der Weltproduktion. 1946 schloss die Börse, die Stoffe von St. Gallen sind aber nach wie vor weltweit anerkannt, weil sie für viele Modelabels auf dem Laufsteg gehen.

Wir beschließen unseren Rundgang durch St. Gallen und schlendern Richtung Garage. Dabei kommen wir noch zur Stadtlounge, St. Gallens Bankenviertel. Hier wurde ein 4.600 m2 Platz mit rotem Belag überzogen. Bänke und Tische, Brunnen und Skulpturen sind ebenfalls umhüllt mit dem Kunststoffgranulat. Wolkenartige Blasen über dem Platz dienen als „Wohnzimmerlampen“. Das Ganze schaut echt crazy aus, aber wirklich gemütlich ist es nicht, denn Autos, die durch das Wohnzimmer fahren, das geht nicht.

Zurück in der Garage sind wir kurz ratlos, denn wir finden unser Auto nicht mehr. Schlimme Gedanken gehen durch den Kopf, denn es gibt hier einen Bereich, der nicht für die Öffentlichkeit ist. Haben wir falsch geparkt und wurden abgeschleppt? Nein, Gott sei Dank, da steht ja unser Schnucki – wir waren nur im falschen Stockwerk. Wir bezahlen an der Kassa stolze 12 Franken für fünfeinhalb Stunden und starten los. Wir sind müde, kein Wunder, es ist kurz vor 17:00 Uhr und das Thermometer zeigt immer noch 28 Grad an. Aber besser so, als nass.

Wir haben in den letzten knapp zwei Wochen schon mehrmals die Grenze Österreich – Schweiz überquert und heute werden wir angehalten und gefragt, ob wir etwas gekauft haben. Nein, die Schweiz ist uns zu teuer. Während der eine Beamte unsere Pässe studiert, rätseln daneben die Kollegen was das UU auf unseren Autokennzeichen zu bedeuten hat. Tja, auch weitgereiste Oberösterreicher gibt es im Ländle!

Trotz Müdigkeit kann ich dann leider lange nicht einschlafen. Gegen halb zwei beginnt es zu regnen und das Prasseln hält mich wieder lange wach, sodass ich jede Viertelstunde das Schlagen der Kirchturmuhr mitzählen kann. Kaum eingeschlafen, wecken mich die Hausleute, weil sie mit dem Hund ihren Pipi-Gang machen. Irgendwann falle ich dann doch ins Träumeland.

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