Nach dem Frühstück nehmen wir die Metro zum Bahnhof, um zu checken, ob ein Zug nach Gent fährt oder nicht, denn es wird ja gestreikt. Glück gehabt, es wir nach Gent gefahren. Wir kaufen die Zugtickets und laufen zum Bahnsteig. Auf der Anzeigetafel poppen nacheinander die Verspätungen der Züge auf und auch unserer hat mittlerweile fünf Minuten. Nach wenigen Minuten verschwindet auf dem Display die Verspätung und der Zug fährt gleichzeitig mit demjenigen ein, der noch vorher abfahren sollte. Also egal, welchen wir nehmen, Hauptsache wir kommen nach Gent.

Eine gute halbe Stunde später erreichen wir bei schönem Wetter in Gent Sint-Pieters und fahren in einem beeindruckenden Bahnhof ein. Entstanden aus einem kleinen Bahnhof, wurde er 1913 zur Weltausstellung neu gebaut. Das heutige Backsteingebäude mit dem tollen Uhrturm und den vielen hübschen Details steht unter Denkmalschutz. Ein kleiner, rund angelegter Park mit einem Springbrunnen wird von hunderten von Fahrrädern umgeben. Das kennen wir schon aus Amsterdam, da radelt auch das ganze Volk. Rechts neben dem Bahnhof befinden sich die Tram-Stationen, wo wir ein Tagesticket erstehen. Mit der Linie 1 fahren wir sechs Stationen und verlassen die Straßenbahn ein Stück nach der Kornkammer.

Bahnhof Gent

Wir schlendern die wenigen Schritte die Burgstraat entlang und danach die Grasbrug zur Korenlei bis zur Anlegestelle von „De Bootjes van Gent“ von der Rederij Dewaele. Hier buchen wir die 40-minütige Bootsfahrt durch das mittelalterliche Gent. Bis das Boot voll ist, müssen wir noch eine Zeitlang warten, wir studieren inzwischen die vierseitige Übersicht der historischen Baudenkmäler, die wir in deutscher Sprache erhalten. Währenddessen schraubt die Kapitänin am Boot herum, das ist nicht recht vertrauenserweckend. Sollen wir da wirklich mitfahren? Nach der Reparatur setzt sie sich gemütlich ans Steuer, positioniert ihre Tasse vor sich, schraubt die Thermoskanne auf, leert Tee ins Häferl, ein Löfferl Honig dazu, kurz mal umgerührt und dann geht’s los. Sie meint, dass sie den härtesten Job der Welt hat.

Erste Eindrücke von Gent

Nach der Begrüßung erzählt sie uns einiges über die Flüsse Leie und Schelde, die hier in der Stadt zusammenfließen. Die Leie kommt aus Frankreich und mündet nach 202 Kilometern ins Stadtgebiet. Der Name Gent stammt vom keltischen Ganta, was so viel wie Zusammenfluss bedeutet. Mit viel Schmäh und Enthusiasmus erklärt uns die Kapitänin die historischen Bauwerke und erzählt Geschichten und Anekdoten. Die Fahrt geht als erstes Richtung Sint-Michielsbrug (St-Michael-Brücke) mit Blick auf die gleichnamige Kirche. Finanziert wurde der Bau der Kirche durch die reichen Brauer, als die Einnahmen aber sanken, was es mit der Freigiebigkeit vorbei und daher fehlt heute die Turmspitze. Während der Reformation stürmten Vandalen die Kirche, um Bilder zu zerstören. Mit Freibier wurde versucht, das Interieur der Kirche zu retten. Entlang des Kais auf der linken Seite, die Graslei, befinden sich viele alte Zunfthäuser aus dem 16. bis 18. Jhdt. Besonders beeindruckend das Haus der Steinmetzgilde mit einem verschnörkelten Treppengiebel und Türmchen darauf mit vergoldeten Spitzen. Die Fassade ist übersät mit Wappen und einem Engel, daher auch der Name Haus des Engels. Erwähnenswert auch die beiden Häuser der Getreidemesser. Das Getreide, das in Gent gelöscht wurde, musste in Bronzefässer randvoll eingefüllt und mit einem Stock abgestrichen werden. Das kleinste Haus der Stadt war das Tolhuis (Zollhäuschen), angedockt an das Stapelhaus, den Getreidespeicher. Rechts daneben das Zunfthaus der freien Schiffer.

Zunfthaus der freien Schiffer

Direkt vor der St-Michael-Brücke befindet sich das alte Postgebäude mit dem 52 m hohen Uhrturm, das 1910 anlässlich der Expo 1913 erbaut wurde. Heute beherbergt es ein Shopping-Center und ein nobles Hotel. Hinter dem Postgebäude ragt der Belfried der Sint-Niklaaskerk hervor. Die Kirche ist dem St. Nikolaus, dem Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute geweiht und stammt aus dem Jahr 1120. Sie fiel jedoch einem Brand zum Opfer und der Nachfolgerbau wurde aus Naturstein und mit einem Mittelturm errichtet. Er dient als natürliche Lichtquelle für die Querschiffe. In den folgenden Jahrhunderten folgten mehrere Umbauten und Zubauten von Kapellen, die von wohlhabenden Gilden und Kaufleuten finanziert wurden. Der Belfried war auch der Wachturm von wo das Signal gegeben wurde, wenn irgendwo in der Stadt ein Brand ausgebrochen war. Bei einem Aufstand der Protestanten wurden 30.000 Bücher in den Fluss geworfen und daher die Geschichte, dass man daraufhin den Fluss ohne nasse Füße überqueren konnte.

Auf dem der anderen Seite, dem Korenlei, befindet sich das Zunfthaus der unfreien Schiffer mit der schönen Barockfassade, die von Schiff, Anker und Meerestieren geziert wird. Während die freien Schiffer das Recht hatten sich mit ihren eigenen Schiffen frei zu bewegen, mussten die unfreien Schiffer ihre Waren mit den Schiffen der freien Schiffer transportieren.

Das Boot wird gewendet und wir fahren zurück und unter der Grasbrug durch. Schön öffnet sich nun der Blick auf die braune Leie, wo viele Paddelboote unterwegs sind. Zu unserer linken Flusszeile liegt die Fischhalle aus dem 17. Jhdt. und gegenüber die Fleischhalle aus dem 15. Jhdt. Fisch war für das arme Volk, während den Reichen Fleisch vorbehalten war. Bis 1880 war diese Fleischhalle der einzige Ort in der Stadt, wo es erlaubt war, Fleisch zu kaufen oder zu verkaufen. So wurden die Qualität und der Preis gesteuert. Wieder geht es unter einer Brücke durch und von hier haben wir Blick in die Kraanlei, wo auf dem Sims des weißen Hauses Nr. 17 der Manneken Pis von Gent steht. Er heißt Nestor und hat seit 2014 zwei pinkelnde Schwestern, Lena und Luna.

Fleischhalle in Gent

Anscheinend soll es noch zwei dieser Kerle in Gent geben. Im Mittelalter hatte jede Stadt in Flandern einen Manneken Pis, es war das Maskottchen der Gerberszunft. Für ein paar Cents pinkelten kleine Jungs aus weniger betuchten Familien in die Fässer der Gerber. Urin enthält eine Säure, die das Leder weich und geschmeidig machte. Auch diesen Kanal fährt die Kapitänin ein Stück hinein, wendet wieder und an der Fleischhalle biegen wir rechterhand ab. Hier verlassen wir den Fluss Leie und fahren auf den Lieve-Kanal, der im 13. Jhdt. von Gent, über Brügge bis zur Nordsee gegraben wurde. Am Sint-Antoniuskaai schippern wir unter der tollen Brücke der kaiserlichen Freuden durch, die die Lieve seit dem Karlsjahr 2000 überspannt. Sie zeigt dreidimensionale Szenen über das Leben des Kaisers Karl V. Vor uns tut sich das historische Viertel um den ehemaligen Prinzenhof auf, wo der letzte Holzgiebel aus dem 16. Jhdt. der Stadt zu finden ist. Im Mittelalter wurden alle Häuser aus Holz gebaut, außer die der steinreichen Leute. Später durften zum Schutz der Großbrände keine Häuser mehr aus Holz errichtet werden. Am Ende des Kanals befindet sich das mächtige Schleusentor Rabot aus dem 15. Jhdt. Es wurde errichtet als Siegesportal gegen Maximilian aus Österreich. Öffnete man die Tore der Schleuse, wurden dreizehn Quadratkilometer geflutet und kein Feind war so verrückt einen Angriff zu wagen.

Rabot vom Kanal aus gesehen

Wir wenden wieder und tuckern gemütlich den Kanal zurück, begleitet von Kormoranen und schwarzen Blässhühnern. Auch auf ein Boot der Müllabfuhr treffen wir, die die Kanäle sauber halten. Wir werden wieder mit Geschichten versorgt, so soll das rote Haus vor uns früher mit Ochsenblut beschmiert worden sein, damit die Insekten auf der Außenmauer hängen bleiben. Bekanntlich sind ja Insekten die Überträger von Krankheiten. Jetzt kommt auch das Grafenschloss immer näher, das 1180 Graf Philipp von Elsass auf den Ruinen einer Wikingerburg errichten ließ. Er wollte es nur für seine Frau bauen lassen, die ist aber nie eingezogen, weil es ihr hier zu kalt war. Noch was Witziges hat unser Guide auf Lager, nämlich, dass 1949 Studenten die Burg okkupiert haben aus Protest, weil der Bierpreis gestiegen ist. Sie warfen Tomaten und Eier auf die Polizei und Feuerwehr, doch genützt hat es nix, der Bierpreis ist oben geblieben.

Die Wasserburg Gravensteen

Schnell ist die Zeit vergangen und wir erreichen wieder die Anlegestelle und jetzt erkunden wir Gent auf eigene Faust entlang der vielen kopfsteingepflasterten Straßen. Als erstes widmen wir uns der imposanten Wasserburg Gravensteen, die nordwestlich des Stadtzentrums erhöht liegt. Einst lag sie mitten im Stadtgebiet und verwaltete ganz Flandern. Wie wir ja schon wissen, wurde sie auf den Resten einer Wikingerburg erbaut und ist somit die älteste Burg in Flandern. Das Torgebäude ragt hoch hinauf und durch eine mächtige, grün bepinselte Holztür betreten wir das Burggelände. Bevor wir uns der Besichtigung widmen, bezahlen wir unseren Obolus, wobei Antonia als EU-Staatsbürger unter 19 Jahren frei durchgeht. In der gesamten Burg wurden Beschreibungstafeln aufgestellt mit Infos in mehreren Sprachen und Pfeilen, die den Rundgang anzeigen. Mit einem Flyer ausgestattet, beginnen wir als erstes im Museum, wo hinter Glasvitrinen Ritterrüstungen, Kettenhemden, mittelalterliche Waffen, mit Perlmutt und Elfenbein eingelegte Pistolen, Armbrust, Degen und Dolche befinden und viele interessante Informationen dazu. Betrachtenswert sind natürlich auch die alten Kamine und die tollen Fenster mit den runden Scheibenverglasungen. Durch das kreuzförmige Fenster in der Kapelle dringt das Licht von draußen herein, sodass das Kreuz hell erstrahlt. Die Folterkammer und besonders der Anblick der Guillotine bereiten uns dann echt ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend und es ist für uns schwer vorstellbar, dass Menschen so grausam sein konnten. Wir steigen treppauf und treppab, teilweise auf sehr engen Wendeltreppen und erkunden einen Raum nach den anderen. Auf der ein oder anderen Fensterbank nehmen wir Platz, um etwas auszuruhen und die Stimmung auf uns wirken zu lassen. Was würden uns die Zimmer erzählen, wenn sie sprechen könnten?

Dann erreichen wir den Wehrgang, wo Antonia und Wolfgang ihre Köpfe zwischen den Zinnen durchstecken. Das schaut für mich echt witzig aus, denn jetzt sind nur noch ihre Hintern und Beine sichtbar. Die Ringmauer um den Burghof besitzt 24 Türmchen und sie wurde erst im 13. und 14. Jhdt. hinzugefügt. Wow, von hier oben haben wir einen traumhaften Blick auf das Dächermeer von Gent und die vielen Türme der Stadt. Neben den Kirchtürmen der Sint-Niklaaskerk (70 m), der Sint-Baafkathedral (89 m), sieht man auch auf den Belfried (95 m), der zwischen diesen beiden Kirchen steht, den Boekentoren (Bücherturm, 64 m) und auch auf die Brücke und den geköpften Turm der Sint-Michielskerk. Daneben ragt der hübsche Uhrturm der Alten Post hoch und auch einige Giebeldächer der Graslei sind zu sehen. Unter uns liegt der Saint Veerleplein-Platz, wo sich der Alte Fischmarkt mit der schönen barocken Fassade und dem tollen Tor und dahinter das Alte Fleischhaus befinden. Von 13. bis 22. Juli findet in der Stadt das Gentse Feesten statt, ein Straßen- und Kulturfestival und da ist man fleißig am Werkeln, auf jedem Platz eine Bühne aufzustellen.

Blick auf das Häuser- und Kirchenmeer von Gent

Im Hinterhof der äußeren Burgmauer befindet sich einsam und verlassen ein hölzernes Katapult. Wir sind mit dem Rundgang der Burg fertig, zum Abschluss steigen wir noch in den alten Keller hinunter, der aus dem Saalbau der Wikingerzeit noch erhalten geblieben ist. Im 14. Jhdt. verließen die flämischen Grafen die Burg und zogen in der Stadt in den Prinzenhof ein. Dreihundert Jahre lang diente sie als Gerichtssitz mit Folterkammer und Kerker. 1780 wurde sie verkauft und zu einer Textilfabrik umgebaut. Ein reicher Unternehmer schmuggelte eine Spinnmaschine aus Manchester und er revolutionierte damit den wirtschaftlichen Aufschwung. In der Baumwollspinnerei arbeiteten fünfzig Arbeiterfamilien, die in den Nebengebäuden ärmlich wohnten. Nach der Schließung verfiel die Burg und sollte abgerissen werden. Sie wurde von der Stadt gekauft, restauriert und ist Dank der Weltausstellung von 1913 zur wichtigsten Sehenswürdigkeit geworden.

Es ist kurz nach 13:00 Uhr und wir finden Platz im Restaurant „Bodoresto, das sich in der Burgstraat 2, nahe der Burg befindet. Wie in Großmutters Wohnstube sitzen wir urgemütlich direkt neben der kleinen Küche und können dem Koch beim Anrichten der Speisen zusehen. Nach dem Studieren der Speisekarte freuen wir uns auf Rindfleischstreifen auf Rucola mit Parmesan für Antonia, Herderl-Stew für mich und Fischeintopf für Wolfgang. Nach dem traumhaften Essen gönnen wir uns noch als Nachtisch Crème brûlée und Mascarponecreme mit weißer Schokolade.

Nach eineinhalb Stunden setzen wir gestärkt unseren Spaziergang durch die Stadt fort. Davor werden noch Fotos der hübschen Häuserzeile gemacht mit den Giebeln und Fassadenverzierungen. Wir überqueren die Vleeshuisbrug und kommen am langgezogenen Gebäude des Alten Fleischhauses vorbei. Dann schlendern wir die Leie entlang und an der Kraanlei 65 erreichen wir das Haus van Alijns. Von außen wirkt das beigefarbene Haus mit den roten Türen und Fensterzargen unscheinbar, verbirgt sich im Stillen eine grausige Geschichte dahinter. Im 14. Jhdt. standen die Familien Alijn und Rijm in einer ewigen Fehde und endete mit dem Mord zweier Alijn-Kinder. Als Bedingung für die Begnadigung mussten die Mörder ein Haus für Arme, Alte und Kranke zu errichten. 1951 ging das Haus in das Eigentum der Stadt Gent über und jetzt beherbergt es ein folkloristisches Museum, wo Alltägliches aus den 1960er bis 1980er Jahren zu finden sind. Heute haben wir leider keine Zeit, um in nostalgischen Filmen zu schwelgen oder in Fotoalben aus Großmutters Zeiten zu blättern.

Das Het Vliegend Hart an der Kraanlei

Wir haben noch so viel zu erkunden und zu entdecken in den malerischen Gassen und Plätzen. In der gesamten Stadt schmücken viele, traumhaft schöne Blumenkisten und – ampeln die Fenster, Kaimauern und Brücken. An den Geländern reiht sich ein Fahrrad ans andere und es sind auch viele Radfahrer auf den Straßen unterwegs. Wir betrachten nicht nur die Häuser und ihre Fassaden, sondern gucken auch in die Schaufenster. Wie schon in den anderen Städten von Flandern entdecken wir auch hier neben den Stoffen und Spitzen die vielen süßen Köstlichkeiten. Heute bleiben wir aber standhaft und schlendern weiter. Die nächsten schönen Bürgerhäuser an der Kraanlei finden wir bei der Nr. 77, das Haus De Werken van Barmhartigheid, das an der Fassade mit Reliefarbeiten aufruft, unter anderem Durstige zu tränken, Hungrige zu speisen oder Nackte zu bekleiden. Rechts daneben das Het Vliegend Hart ist auch übersät mit Reliefs, die die Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung darstellen und am Giebel entdecken wir noch einen Flötenspieler.

Die Dulle Griet – Kanone

Wir überqueren die Zuivelbrug, wo auf der anderen Seite der Grootkanonplein liegt. Hier treffen wir auf die rote Dulle Griet (böse Frau), einer mittelalterlichen Kanone mit 12.500 Kilo Gewicht. Nur wenige Schritte weiter gelangen wir zum Vrijdagmarkt, der schon Geschichte geschrieben hat. Grausige, weil hier einst Hinrichtungen durchgeführt wurden und schöne, weil hier verschiedenste Feste stattfinden. Mittig auf dem Platz zeigt von einem hohen Podest Jacob van Artevelde mit ausgestrecktem Arm Richtung England. Seine wohlwollende Gesinnung zum englischen König war der Grund, warum sich Gent im 14. Jhdt. aus dem Hundertjährigen Krieg heraushalten konnte und die Stadt daher so wohlhabend blieb. Artevelde wurde aber von seinen Rivalen während eines Volksaufstandes ermordet. Am Eck der Kammerstraat steht das hübsche Het Toreken, das Zunfthaus der Gerber mit einem schlanken Türmchen aus dem 15. Jhdt. Auf der Spitze sitzt die goldene Meerjungfrau Melusine mit einem Spiegel in der Hand, den sie dem Wind vorhält.  Im Inneren des Turms hängt noch die Marktglocke, die den Beginn des Handelns verkündete. Schräg gegenüber auf der anderen Seite steht das mächtige Bond Moyson Gebäude der Krankenversicherungsagentur, das Anfang des 20. Jhdt. erbaut wurde.

Toreken (das kleine Türmchen) – Zunfthaus der Gerber

Eine Gasse weiter kommen wir zur Sint-Jacobskerk, eine der ältesten Kirchen Gents, sie liegt auf dem Jakobsweg und ist leider verschlossen. Der Platz rund um die Kirche wird auch gerade für das Genter Feeste verbaut, denn er ist das Epizentrum des weltberühmten Volksfestes.

Wir stapfen weiter durch das Getümmel der Stadt und kommen über den Botermarkt vorbei am Stadhuis. Das Rathaus besteht aus zwei Teilen, dem Trakt vor dem wir jetzt stehen mit der Renaissance-Fassade und dem Teil in der Hoogpoort-Straße mit dem Flamboyant-Stil der Spätgotik. Die Fassade ist übersät mit schwarzen Säulen zwischen den Fenstern. Auf den Balustraden der Freitreppe stehen prächtige Blumenkisten. Im starken Kontrast zum Stadthaus befindet sich daneben die offene Markthalle mit einer siebenhundert Quadratmeter großen Überdachung aus Stahl und Holz und für Licht sorgen 1.600 kleine Fenster. Schaut sehr futuristisch aus, aber das macht eine Stadt liebenswert, wenn sie verschiedene Stile vereint. Gegenüber ragt der 95 Meter hohe Belfried gen Himmel empor, der mit der Genter Tuchhalle verbunden ist. Auf dem Rundgiebel ist das Relief des Mammelokker (Brustsauger), das einen Mann zeigt, der an der Brust einer Frau trinkt.  Einer Legende nach wurde der Gefangene Cimon zum Tode durch Verhungern verurteilt. Seine Tochter durfte ihn täglich besuchen und ließ ihn unbeobachtet an ihrer Brust trinken. Ihr Tun wurde jedoch eines Tages entdeckt und als sie sagte, dass sie das im Vertrauen auf Gott gemacht hat, wurde der Vater begnadigt und freigelassen.

Belfried

Der Bau des Belfrieds wurde vor 1314 begonnen mit einer hölzernen Turmbekrönung. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Turm immer wieder umgebaut. Auf der Spitze thront der goldene Drache von Gent. An den Ecktürmen befinden sich die Wächterfiguren aus Stein. Die Sturmglocke, auch Rolandglocke genannt hat ein Gewicht von 6.070 kg. Sie wurde betätigt bei Bränden und gab das Signal, wenn die Stadttore geöffnet oder geschlossen werden sollten. Der Belfried beherbergte die Stadtkasse, das Gefängnis und auch das geheime Archiv mit den Privilegien der Zünfte. Die verwahrten auch die vielen Schlüssel, die notwendig waren, um den Urkundenschrank zu öffnen.

Seit 1999 gehören der denkmalgeschützte Belfried und die Tuchhalle zum UNESCO-Weltkulturerbe.

In einer Linie zum Belfried befinden sich dahinter die St-Bavokathedrale und davor die Sint-Niklaskirche. Auf den ersten Blick schaut es aus, als würde sie inmitten eines Sandhaufens stehen, doch bei genauerem Hinsehen ist das der Rasen, der aufgrund der Hitze abgetrocknet ist. Um unseren Rücken ein wenig Ruhe zu gönnen treten wir ein und machen es uns auf den Bänken bequem, so gut das geht. Sakrale Musik erfüllt den Innenraum und lässt uns geistig ein wenig entspannen. Irgendwie ist bei uns auch die Power schon raus und deshalb sind wir nicht wirklich traurig, dass der Großteil der Kirche abgesperrt ist für die Restaurierung. Staub liegt überall und die Kirche wirkt sehr düster.

Wir verlassen nach einer Weile die Kirche wieder und widmen uns noch kurz dem echten Zunfthaus der Steinmetze, das sich gegenüber der St-Nikolauskirche befindet. Es stammt aus dem 16. Jhdt. und auf dem Treppengiebel drehen sich sechs Tänzer wie Wetterhähne im Wind. Für die Weltausstellung 1913 wurde eine Kopie davon an der Graslei errichtet, weil man glaubte, dass dieses Haus verloren gegangen war. Bei Umbauarbeiten 1976 entdeckte man diese prächtige Fassade hinter einer Blendwand.

Das Zunfthaus der Steinmetze

Wir nehmen wieder die Tram zum Bahnhof und sitzen kurz nach 17:00 Uhr im Zug nach Brüssel.

Als wir eineinhalb Stunden später den Bahnhof in Brüssel verlassen, stoßen wir mitten in einen Menschauflauf. Eine große Musikkapelle marschiert durch die Stadt und hinterher die Steltenlopers van Merchtem (Gründung Langevelde 1945) in ihren rot-schwarz-gelb gestreiften Uniformen.

Die Stelzenläufer

Keine Ahnung, wie viele Stelzenläufer das sind, aber sie haben weibliche und männliche Mitglieder jeden Alters und ihre Stelzenhöhe liegt zwischen einem und vier Meter. Unvorstellbar wie hoch die sind und mit einer Leichtigkeit bewegen sich die Geher und winken dem Publikum auch noch entspannt zu. Wir sehen auch Frauen, die mit der Gruppe mitlaufen, zu dritt und ihre Füße stecken in Holzschuhen, die auf Skiern befestigt sind. Super, da kriegen wir nach dem langen Sightseeing – Tag noch so ein Spektakel geboten. Wir schlendern ihnen hinterher Richtung Altstadt und als wir in Richtung Grote Markt einbiegen möchten, werden wir von einer Security aufgehalten und unsere Taschen durchsucht. Irgendetwas haben wir heute verpasst, was ist denn hier eigentlich los? Der halbe Grote Platz ist abgeriegelt und mit Tischen und Bänken verstellt. Da findet doch glatt mitten in der Woche eine riesen Sause statt. Auf einem Plakat lesen wir dann „Feest van de Vlaamse Gemeenschap“ und nach kurzen Recherchen wissen wir, dass der 11. Juli ein Feiertag für flämische Beamte und somit ein Ruhetag ist. Ruhetag, was wahrscheinlich das Arbeiten betrifft, denn wie schon erwähnt ist jetzt Feierabend und die Hölle los. Hubschrauber kreisen über der Stadt und das Brüssler Rote Kreuz ist mit Auto und Zelt anwesend. Daher beschließen wir kurzerhand auch noch nicht ins Hotel zurück zu gehen. Antonia und Wolfgang gönnen sich am Fritten-Stand noch Pommes und dann setzen wir uns in der Rue de la Bourse in die „Danish Tavern“ auf einen Absacker. Wir wollen die Partystimmung auch noch ein wenig genießen und die Temperaturen sind noch so angenehm und lau.

Gegen 20:00 Uhr brechen wir dann auf und als wir uns dem Place de la Monnaie nähern, kommt uns wieder laute Musik entgegen. Hurra, auch da ist was los. Auf einer Bühne spielt eine Band und es wird getanzt und gesungen, was das Zeug hält. Wir beobachten die Szene kurz und schlendern dann Richtung Hotel weiter. Dort angekommen ist die Musik immer noch zu hören, na da kann ja die Nacht lustig werden.

Musikbühne

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