Die letzte Nacht hat es in sich gehabt, Schnarchen aus der Nachbarkabine oder dem Nachbarboot (da sind wir uns nicht ganz sicher), Geschnatter und das Plätschern des Wassers – daher sind wir bald munter und steigen auch aus unseren Federn. Nach einer wohltuenden Dusche packen wir die letzten Sachen zusammen und verstauen alles im Kofferraum von Georg´s Auto.

Das Wetter zeigt sich von seiner schönsten Seite und wir bekommen Besuch von einer Schwan-Familie, die zu unserem Boot kommt, um zu betteln. Tja, das einzige, was wir entbehren können und für euch passt, ist der Rest des Bio-Müslis. So schnell können die Schwäne gar nicht fressen, ist auch schon eine Horde Fische da, um mitzunaschen.

Um 09:00 Uhr öffnet die Rezeption von „Le Boat“ und wir treten mit ihnen in Verhandlung aufgrund des nichtfunktionierenden Kühlschranks und des defekten Fahrrades. Nach einigem Hin und Her bekommen wir schließlich gute hundert Euro Nachlass, nicht viel, aber immerhin etwas.

Eine Viertelstunde später sind wir abfahrbereit zu unserem ersten Ziel des Tages, dem nahegelegenen Supermarché. Dort versorgen wir uns mit Wasser und Mitbringsel für zuhause.

Dann starten wir los in Richtung Beaune, die Fahrt führt uns durch die Orte und da kommen wir unter anderem bei Seurre vorbei. Tagsüber schaut der Ort viel hübscher und belebter aus und wird daher vorgemerkt für den nächsten Besuch. Wir erleben auf der Fahrt einige Aha´s … hier sind wir vorbeigefahren, da haben wir geankert und dort haben wir gegessen. Auch die dazwischen liegenden Felder und Wiesen mit den blauen Kornblumen und den roten Mohnblumen, die gelben Rapsfelder und die sattgrünen Wälder finden unsere Begeisterung.

Bald bekommen wir die ersten Hinweisschilder zu sehen mit der Aufschrift „Climats du Vignoble de Bourgogne – Patrimoine Mondial“. Seit dem 5. Juli 2015 gehören die Climats des burgundischen Weinlands zum UNESCO Weltkulturerbe. Burgund besitzt mehr als tausend Climats und jede Weinparzelle trägt ihren Namen und ist berühmt für seinen einzigartigen Geschmack. Das Besondere der burgundischen Climats ist das bauliche Erbe der Kulturlandschaft, wie zum Beispiel in Beaune, wo im Hospiz seit langer Zeit Weinkultur betrieben wird. Schon seit dem Mittelalter wird in einigen Palästen, Klöstern oder Schlössern großer Wein hergestellt und das in unveränderten Parzellen. Während der Französischen Revolution verkamen die Weinberge und auch Reblaus und Co steuerten das ihre bei. Doch im 19. Jhdt. wurden sie rekultiviert und das führte schließlich in die Liste der UNESCO.

Wir sind unterwegs nach Beaune – nicht, um die Geheimnisse des Weins zu entdecken, sondern um das Hôtel-Dieu zu besichtigen. Das ehemalige Krankenhaus wurde 1443 gegründet und schließlich als Hospiz genutzt. Ein Teil des Gebäudes beherbergt heute ein Altersheim und der andere wird als Museum genutzt.

Nach dem Hundertjährigen Krieg litten viele Einwohner von Beaune an Armut und da kam es recht, als der betuchte Nicolas Rolin und seine Gattin ein Krankenhaus stifteten. „Ich, Nicolas Rolin, Ritter, Bürger von Autun, Herr von Authume und Kanzler von Burgund, an diesem Sonntag, dem 4. Tag des Monates August, im Jahre des Herrn 1443, … im Interesse meines Seelenheils, danach strebend, irdische Gaben gegen Gottes Gaben zu tauschen, … gründe ich, und vermache unwiderruflich der Stadt Beaune ein Hospital für die armen Kranken, mit einer Kapelle, zu Ehren Gottes und seiner glorreichen Mutter …“. Diesem Beispiel folgten noch viele Wohltäter mit Schenkungen und Vermächtnissen, sodass das Gebäude ständig erweitert wurde. Jetzt finanzieren die Erträge der vermachten Weinberge das Hospiz.

Wir erreichen Beaune kurz vor 10:00 Uhr und finden auf Anhieb im Stadtzentrum einen Parkplatz. Schon nach wenigen Schritten sind wir begeistert von Beaune mit den hübschen Stein- und Fachwerkhäusern. Sgraffiti, Türmchen und tolle schmiedeeiserne Gitter vervollständigen das Ensemble. Der Anstrich ist farblich aufeinander abgestimmt in Ocker- und Cremetönen und das unebene Kopfsteinpflaster machen die Altstadt wirklich pittoresk. Aufmerksam wird fast jedes Haus betrachtet und plötzlich stehen wir vor einer Auslage eines Geschäftes, wo Laguiole-Messer verkauft werden. Wir nutzen und schätzen unsere sehr und Sandra und Georg wünschen sich schon seit länger Zeit eigene Messer. Na dann los, nix wie hinein. Wow, so tolle Küchenutensilien werden hier verkauft und die beiden werden auch fündig.

Dann schlendern wir die Gassen weiter und erreichen schließlich die Menschenkette, die schon vor dem Hôtel-Dieu ansteht. Wir kaufen in der Tourist Info unsere Tickets und stellen uns hintenan. Es geht sehr zügig voran und in kurzer Zeit stehen wir im Innenhof des Krankenhauses und kommen aus dem Staunen nicht mehr raus. Das Dach ist mit farbigen Schindeln gedeckt, die in der Sonne strahlen und sie waren damals typisch in Burgund. Dachgaupen und Türmchen lassen den sogenannten Ehrenhof filigran wirken. Über einer Arkade führt ein Balkon und von der Dachrinne spuken Drachen, wenn es regnet. Der gelbe Anstrich harmoniert mit dem Dach und die rote Pflasterung des Hofs runden das Bild traumhaft ab. Einfach wunderschön!

Wir betreten seitlich den großen Armensaal, der mit einer Kastanienholzdecke in Form eines umgedrehten Schiffes ausgestattet ist. Der farbig bemalten Stützbalken wird von wilden Tieren ausgespuckt und dazwischen gucken skurrile Fratzen auf uns herunter. Auf beiden Seiten befinden sich die dreißig Betten, in denen je zwei Kranke liegen konnten. Das sollte Platz sparen und sie sollten sich gegenseitig wärmen. Erst 1925 wurde eine Zentralheizung eingebaut. Für die Größe des Raumes gibt es kaum Fenster, die Ärzte der damaligen Zeit waren der Meinung, dass von draußen unreine Luft hereinkam. Weihrauch und Duftstoffe reinigten die Luft hier drinnen. Jetzt wäre ein Kräuterauszug auch ganz gut, denn es wälzen sich viele Busladungen durch den Raum. Am Ende des Raumes gelangen wir in die Kapelle, die es den Kranken ermöglichte, vom Bett aus an der Heiligen Messe teilnehmen zu können. Durch die schön bemalten Glasfenster dringt die Sonne herein und lässt den Innenraum erstrahlen. Der nächste Raum Saint Hugues, benannt nach seinem Gönner, war für die Versorgung der begüterten Kranken gedacht und hier standen nur zwölf Betten. Er ist noch original ausgestattet und mit prächtigen Wandgemälden dekoriert. Im Saal Saint Nicolas wurden die Kranken zuerst stationiert und gecheckt, ob arm oder reich, heilbar oder hoffnungslos. Hier stehen heute Vitrinen mit interessanten Ausstellungsstücken. Neben Dachziegeln, Büsten und Gittern können auch Bilder, Kerzenständer und medizinisches Inventar betrachtet werden. In einer Vitrine wird Schwesterntracht gezeigt, die als Braut Christi betrachtet wurde. Gang und Gäbe war damals das Schröpfen und auch dazu gibt es einiges zu sehen. Beim Anblick der anderen brutalen Instrumente, wäre ich lieber gestorben, als mich von dieser fetten Spritze stechen zu lassen. Ludwig XIV. stellte 1658 finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass die Trennung nach Geschlecht möglich wurde.

Bevor wir weitergehen, werfen wir einen Blick durch das Gitter hinaus in den Klostergarten. In Steintrögen auf den Fensterbänken wachsen Zitronenverbene, Majoran, Salbei, Thymian und Rosmarin.

In den nächsten Raum befindet sich die Apotheke, wo in dunklen Holzschränken schöne beschriftete Flaschen aus Glas und Zinn, Steinguttöpfe und Porzellankaraffen stehen. In einigen ist sogar noch der Inhalt drin, sieht harmlos aus, es sind aber auch Drogen dabei. Der Mann im Ohr erzählt uns wissenswertes über die heilenden Wirkungen der Kräuter und Pflanzen. Im angrenzenden Labor wurden die Medikamente hergestellt.

Wir überqueren den Innenhof und in diesen Ausstellungsräumen müssen sich unsere Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen. Die wertvollen Bilder, Brüsseler Wandteppiche und reich geschnitzte Kleidertruhen werden nur mit wenig Licht bestrahlt, dass sie keinen Schaden nehmen können. Ein Bleiglasfenster zeigt religiöse Szenen aus der zweiten Hälfte des 15. und ersten Hälfte des 16. Jhdts. Es setzt sich aus Überresten alter Buntglasfenster zusammen, die einst die Kapelle des Hôtel-Dieu´s schmückten. Faszinierend sind auch die farbenprächtigen Flügelaltäre. Der Normalzustand war das zugeklappte Triptychon, geöffnet wurde es nur zu besonderen Anlässen. Es zeigt das Jüngste Gericht, Jesus mit Thymian und Schwert, links und rechts die Engel, in der Mitte der Heilige Michael mit der Seelenwaage. Darunter auf der weltlichen Ebene stehen die Apostel und die Heiligen.

Somit sind wir durch mit unserer Besichtigung, wir hätten noch länger bleiben können und uns alles noch genauer ansehen und durchlesen, aber die Zeit drängt (der Nachtzug in Feldkirch wartet nicht auf uns). Einen Einblick in die Krankenpflege aus dieser Zeit haben wir bekommen und sind wahnsinnig froh, dass wir nicht dieser Zeit ausgeliefert waren. Da schätzt man das jetzige Gesundheitssystem noch viel mehr.

Es ist Mittag geworden und wir spazieren weiter durch die Gassen auf der Suche nach einem Restaurant. Beaune ist eine pulsierende Stadt und es ist fast Wochenende, daher ist viel los um diese Zeit. Rund um den Place Carnot spielt sich das Leben ab. Im „Café Brasserie La Concorde“ nehmen wir an einem Tisch Platz mit Blick auf ein tolles Karussell auf dem Platz. Das Bier schmeckt wie ein Fruchtsaft und Georg ist von seinem Wein auch nicht grad begeistert. Da sich das Lokal von Minute zu Minute immer mehr füllt, müssen wir auf das Essen leider sehr lange warten. Dabei haben wir das Mittagsmenü gewählt, Fisch mit Zitronensauce und danach Apfelkuchen. Unser Tag ist durchgetimed, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns, daher sitzen wir ordentlich auf Nadeln. Wir wollen ja nicht lästig sein, aber wir sind im Urlaub und da haben wir keine Zeit! Dann hören wir ein Klingeln von der Küche, aus unseren Mündern kommt ein ahhh, das ist unser Essen. Ja, wirklich und das Warten hat sich gelohnt, es schmeckt vorzüglich. Auch der Nachtisch mundet, nur das Stück hätte ruhig etwas größer ausfallen können.

Wir verlassen kurz nach 13:00 Uhr Beaune wieder und fahren auf die A36 Richtung Besançon. Wir sind froh, dass wir jetzt im Auto sitzen, denn stürmischer Wind bläst Staub und Blätter wirr durch die Gegend. Im Restaurant haben wir auf einem Bildschirm schon gesehen, dass die Küste von Frankreich von Stürmen heimgesucht wird und Stürme bis zu 120 km/h gemeldet sind. Auf der Autobahn wird schon angezeigt „alerte meteo – vent violant“, Wetterwarnung mit heftigem Wind. Büsche und Bäume wiegen sich von einer Seite zur anderen und Gras und Blumen werden zu Boden gedrückt. Hoffentlich bekommen wir keine Probleme während unserer Heimfahrt. Die Fahrer der Lastwägen sind auch nicht sehr diszipliniert, denn ständig überholt einer und produziert dann dahinter einen Stau und den können wir heute nicht gebrauchen.

Gegen 15:30 Uhr überqueren wir bei Basel die Grenze in die Schweiz und gut, dass wir durchgewunken werden, denn auf die Schnelle können wir nicht sagen, wo wir unsere Pässe eingepackt haben. Wir bewältigen den Abendverkehr bei Basel ganz gut, dann haben wir wieder Zeit, die Gegend ein wenig zu betrachten. Außerhalb von Zürich sind sie wieder da, die Berge und Seen mit den Booten. Das letzte Stück der Fahrt in der Schweiz fahren wir fast direkt neben den Bergen mit den herunterstürzenden Wasserfällen, schön bestrahlt von der Abendsonne und sie sind zum Greifen nahe.

Kurz nach 18:00 Uhr erreichen wir Lichtenstein, aber das ist nur ein Kurzbesuch, denn bei Schaan verlassen wir das Land wieder. Ups, Georg ist ins Radar gefahren, glaubt er zumindest. Mal schaun, ob nach dem Urlaub Grüße aus Lichtenstein kommen. Rechts über die Bridge und zwanzig Minuten später sind wir wieder in unserem Heimatland Österreich.

In Feldkirch parken wir das Auto im Zentrum und dann schlendern wir durch die Gassen bis in die Neustadt Nr. 14. Dort befindet sich die „Bottega del Gusto“, ein kleines italienisches Bistro mit hervorragenden Weinen und italienischen Leckerlis. Hier gibt es keine Speisekarte, der Wirt kredenzt das, wozu er gerade Lust hat und kocht und bereitet alles selber zu. Er verwöhnt uns heute mit einem tollen Antipasti-Teller und Nudeln mit Lachs. Bevor wir weiterziehen, kaufen wir in seinem kleinen Laden noch Kleinigkeiten ein.

Das Wetter hier ist traumhaft und da wir noch genügend Zeit haben, bis unser Zug nach Linz bzw. Wien geht, spazieren wir noch durch die Straßen. Beinah an jedem Eck sitzen die Leute zusammen und essen, trinken, lachen und plauschen gemütlich. Hübsche Gassen, schöne Häuser und einfach ein tolles Ambiente verzaubern uns vollends und wir wissen schon, dass wir auch hier nochmal herkommen müssen.

Um 21:00 Uhr machen wir uns schließlich auf den Weg zum Bahnhof. Sandra und Georg geben ihr Auto ab und dann lümmeln wir noch eine Weile im Bahnhof, bis der Zug ausgerufen wird und einfährt. Wir verabschieden uns von Georg und Sandra, da diese in einem anderen Abteil untergebracht sind, danach lesen wir noch eine Weile, bis unsere Augen schwer werden und wir das Licht ausdrehen.