Das Strahlen der Sonne und der Kuckuck wecken uns heute, der Blick aus dem Fenster zeigt Schäfchenwolken auf blauem Himmel, die sich im Wasser spiegeln – das wird wieder ein schöner Tag. Im Hafen ist es noch sehr ruhig, obwohl die Uhr schon 07:30 zeigt. Ein Biber dreht gemütlich zwischen den Blättern der Teichrose seine Runden.
Nach dem Frühstück verstauen wir unseren Krempel und dann müssen wir bis 09:00 Uhr warten, bis die Schleuße aufsperrt. Es ist mittlerweile brütend heiß geworden, Kapperl aufsetzen, Sonnencreme auftragen und Sonnenbrille, mit der könnten wir ja eigentlich schon schlafen gehen. Dann öffnet sich die Schleuße, wir gleiten ins Becken, Tor zu und in Minutenschnelle sinkt der Wasserspiegel. Geschickt manövrieren wir unser Boot nach dem Wiederöffnen der Tore aus der Schleuße. Bei beschwingter Musik von Ten Years After tuckern wir die letzten Kilometer auf der Seille und verlassen den Kanal an der Kreuzung wieder, wo wir in die Saône einbiegen. Die Seille hat uns sogar etwas besser gefallen, weil sie heimeliger und enger ist. Tschüss, vielleicht bis demnächst.
Die Wolken zeichnen hübsche Muster in das Blau des Himmels und blauschwarze Libellen wirbeln in der Luft herum. Wir erreichen wieder Tournus und reduzieren unseren Speed. Heute liegt ein riesiges Kreuzfahrtschiff im Hafen, die Crew steht in einer Kette und reicht die Lebensmittel von einer Hand zu anderen. Die beeindruckende Häuserfront im Hafen wird von der schönen Morgensonne angestrahlt, daher klickt der Fotoapparat wieder und es wird alles bildlich festgehalten. So, weiter geht´s, schließlich sind schon wieder schreckliche Sven´s hinter uns her und von vorne kommen auch noch die ´ömer. Wir schippern gemütlich auf der stellenweise fast geraden Saône und betrachten die spektakulären Wolkenspiele. Natürlich kreisen wieder die Raubvögel über uns und die Ufer werden von den verschiedensten Reihern, Enten und Kormorane bevölkert. Die Schwäne haben ihre Köpfe unters Flügerl gesteckt und schlafen genüsslich. Als wir vorbeifahren, schaut einer kurz auf, wir sind keine Bedrohung, daher wird weitergeschlafen. Dafür werden wir Zeugen, wie Raben einen Raubvogel attackieren, der aber dann doch in den Büschen untertauchen kann. Das Tuckern des Motors, das Vogelgezwitscher und das Plätschern des Wassers wirken auf uns richtig meditativ, ja fast einschläfernd. Wolfgang sitzt am Steuer und starrt in die Ferne. Na hoffentlich fallen ihm nicht die Augen zu und wir laufen auf Grund.
Tja, wie schnell die Zeit vergeht, es ist schon nach 13:00 Uhr und wir kredenzen uns griechischen Salat und Ciabatta mit Käse und Fleischaufstrich. Chalon-sur-Saône kommt in Sichtweite und darauf freuen wir uns schon wieder. Bevor wir aber im Hafen sind, donnern mit Karacho ein Kreuzfahrtschiff und ein Schlepper an uns vorbei, sodass unser Boot ordentlich ins Schwanken kommt. Da wirst ja richtig seekrank. Die schlafenden Schwäne schrecken bei diesen Wellen auch aus ihrem Schlaf hoch.
Punkt 14:00 Uhr ergattern wir einen der letzten Plätze im Hafen von Chalon-sur-Saône. Tja, da bleibt der schreckliche Sven hinter uns auf der Strecke. Eine Stunde später haben wir unsere Rucksäcke schon umgeschnallt und stapfen los Richtung Altstadt. Der erste Weg führt uns wieder auf den Place Saint-Vincent und hier direkt zur Cathédrale Saint-Vincent, die heute die Pforten für die Besucher geöffnet hat. Von außen schaut die Kathedrale so zierlich aus, das Innere jedoch drückt ein wenig und ist auch etwas dunkel. Über dem Altar kommt die Sonne durch die bunten Glasfenster durch, die unter anderen den Heiligen Vincent zeigen. Es ist angenehm kühl hier drinnen und daher drehen wir eine Runde auf dem prächtigen Steinboden. In einer Ecke steht ein fast lebensgroßer Christus mit einem Kreuz in den Händen und auf dem Sockel ist die Jahreszahl 1600 zu lesen. Auf einer Tafel ist zu lesen, dass er ursprünglich vom Eck der Hausfassade an der Kreuzung der Grand Rue und der Rue du Chatelet herunterschaute. 1943 hat der Besitzer des Hauses die Statue der Gesellschaft für Geschichte und Archäologie gestiftet. An der Kreuzung war sie dem Verkehr ausgesetzt und wurde zu oft umgeworfen, daher hat der Christus diesen Platz verlassen und landete im städtischen Atelier. Er musste dann bis 1986 auf seine Restaurierung warten, kehrte aber nicht mehr auf seinen Sockel zurück, sondern wurde erst in den Kreuzgang der Kirche und danach hierhergestellt. Dieser fast nackte Christus hier ist eine Kopie davon und ihm wurde ein Tuch ums Becken gewickelt, um der Gegenreformation gerecht zu werden. Wir verlassen die Kathedrale und lassen unseren Blick noch über die neoklassizistische Fassade schweifen. Sie stammt aus dem 19. Jhdt., einige Elemente datieren bis ins 8. Jhdt. zurück. Weil es heute so heiß ist, marschieren wir Direttissima zu einem Café und lassen uns unter einem Sonnenschirm nieder. Ein witziger Kellner serviert uns mit Schmäh Bier bzw. Kaffee.
Bestückt mit einer Eistüte in der Hand schlendern wir die Grand Rue entlang, betreten das ein oder andere Geschäft und begutachten die Ware. Sandra kauft sich neue Duschgels, weil sie ihres unfreiwillig vor einigen Tagen in der Dusche einer Capitainerie stehenlassen hat. Georg kauft sich ein neues Stetson–Kapperl – très chic schaut er aus damit! Dann spazieren wir zurück zum Boot und trinken dort Burgunder und Bier und legen noch eine kurze Rast ein.
Frisch geduscht und mit Jacke bestückt rücken wir um 19:30 Uhr nochmal aus in die Stadt auf der Suche nach einem Restaurant. Wir bekommen einen Tisch im Inneren bei „Chez Jules“, denn das Wetter ist mittlerweile sehr windig und kühl geworden. Wolfgang bestellt sich Schnecken und Georg die Stopfgänseleber. Während wir essen, kommt innerhalb kurzer Zeit starker Wind auf, es wird dunkel und dann schüttet es wie aus vollen Schaffeln. Der Spuck dauert aber nicht lange und der Wind trocknet das Nasse gleich wieder auf.
Als wir uns nach 21:30 Uhr wieder auf dem Rückweg machen, friert uns ein wenig und wir überlegen, ob es am Boot eine Heizung gibt. Ach was, wir brauchen ja nur den Kühlschrank aufzumachen, denn der wärmt ja eh, anstatt zu kühlen. Spaß beiseite, wir ziehen uns zurück in die Kabinen und verschwinden unter unseren Bettdecken.