Auch heute zeigt sich das Wetter nicht von seiner schönsten Seite und die dicke Wolkendecke lässt keinen Sonnenstrahl durch. Trotzdem genießen wir die Fahrt durch die bäuerliche Gegend mit den kleinen pittoresken Dörfer und den Maisfeldern. Die schmalen, holprigen Wege vermitteln uns das Gefühl, als wären wir mit einem Monstertruck unterwegs. Wir schlängeln uns die kurvige Strecke entlang der Streuobstwiesen und Äcker das Bergerl hoch, begleitet von Wildvögeln, die in der Luft schweben.
Die Botanik verändert sich wieder, als wir die Auffahrt zur Autobahn Richtung Heilbronn nehmen, um Meter zu machen. Aber auch hier erfreuen uns wieder allerlei Blüten, wie zum Beispiel die Malven oder meterhohe Königskerzen.
20 km vor Karlsruhe müssen wir uns in einen Stau einreihen und es entlockt uns ein Schmunzeln, als wir ein Schild passieren mit der Aufschrift „Fahr nicht zu schnell“. Wir nutzen die Gelegenheit zum Naschen und beobachten rundherum, wie es uns die anderen Verkehrsteilnehmer gleichtun. Das ältere Pärchen neben uns versenkt das Faltdach ihres Autos und genießt die nun vorhandenen Sonnenstrahlen im Gesicht. Die heimelige Atmosphäre wird kurz unterbrochen von der durchsausendem Ambulanz und dem mit Dauerhupen begleitenden ADAC, denn die Rettungsgasse funktioniert leider nicht.
Als die 6 km lange Staumeldung im Radio gebracht wird, haben wir die beiden „küssenden“ Autos längst hinter uns gelassen. Und ehe wir es uns versehen, befinden wir uns auf der kleinen Brücke, die den Fluss Lauter umspannt und Deutschland von Frankreich trennt. Dank dem Schengener Abkommen sind die Schranken der 25 m langen Brücke seit 1993 offen und das kleine Grenzkontrollhäuschen zwischen SCHEIBENHARDT (D) und SCHEIBENHARD (F) ist unbesetzt. Egal, ob „hüwwe oder drüwwe“, beide Dörfer erwecken den Eindruck, als wäre die Zeit irgendwann mal stehen geblieben. Wir schlendern über die mit Geranien üppig überwachsene Brücke von Deutschland nach Frankreich. Unmittelbar danach guckt das winzige Restaurant Auberge à la fleur aus einem Blumenmeer heraus und aus den offenen Fenstern können wir hören, wie sich der Wirt mit seinen Gästen auf Französisch unterhält. Wir sind angekommen!
Nach einem kurzen Rundgang setzen wir unsere Fahrt entlang der Bundesstraße fort. Langsam fahren wir durch die kleinen Dörfer und genießen das hübsche Flair aus Fachwerkhäuschen mit ihren prächtigen Blumenschmuck in den Vorgärtchen. Wie zu Großmutters Zeiten wirkt das Ambiente und um diese Stimmung länger genießen zu können, fahren wir das ein oder andere Mal zur Seite, um den nachkommenden Verkehr vorbei zu lassen. Der blaue Himmel mit den Schäfchenwolken tut das seinige dazu.
Den nächsten Stop machen wir in SEEBACH, wo im Restaurant-Brasserie A la Rose heute Mittag Lauch-Quiche auf dem Tagesgericht steht und die probieren wir auch gleich aus. Dazu gibt es Salat mit Senfdressing – einfach ein Gedicht. Danach bummeln wir gemäß einem alten Sprichwort „nach dem Essen sollst du ruh´n oder tausend Schritte tun“, durch die Gassen. Hinter den buckligen Glasscheiben der oft windschiefen Fachwerkhäuser, hängen hübsche Spitzenvorhänge. Liebevoll mit allerlei alten Gebrauchsgegenständen aus Großmutters Zeiten dekorierte Innenhöfe laden zum Bestaunen und Entdecken ein. Beim Drübergucken „unterhalten“ wir uns mit einem uns wohlgesonnen Hund und werden dabei neugierig von den Kindern beobachtet. In den Höfen der Bauernhäuser wird Hopfen abgeladen, der hier jetzt im September geerntet wird. Wir sind wieder zurück am Plâce de la Mairie, wo das imposante Rathaus steht, das gekrönt ist von einem Türmchen. Unter dem Dach kleben Schwalbennester, eins neben dem anderen und die Eltern sind rege beschäftigt, die hungrigen Schnäbel zu stopfen.
Irre, wir sind nicht mal einen Tag hier im Elsass und unsere Euphorie ist beinahe schon am Höhepunkt. Wie wird das in den nächsten Tagen noch werden? Das Wetter zeigt sich auch von seiner schönsten Seite, denn jetzt am späten Nachmittag zeigen die Temperaturanzeigen noch zwischen 26 und 29 Grad an. In HUNSPACH finden wir auf Anhieb direkt gegenüber der Mairie einen Parkplatz für unser WoMo. Den Titel, eines der schönsten Dörfer Frankreichs zu sein, verdient dieses Dorf allemal, mit ihren weiß verputzten Fachwerkhäusern und den Giebelvordächern aus dem 18. Und 19. Jhdt. In beinahe jedem Innenhof ist noch ein alter Ziehbrunnen erhalten geblieben und es versetzt uns in eine andere Zeit beim Gedanken daran, dass einst mit viel Mühe mittels Schwengelarm das Wasser in die Häuser gepumpt werden musste.
Wir schlendern durch die Gassen und bestaunen auch hier wieder die mit viel Liebe zum Detail angelegten Bauerngärten und den üppigen Blumenschmuck. Schon von weitem strömt uns der süße Duft aus der kleinen Boulangerie entgegen und beinahe wären wir schwach geworden. Wir erhaschen einen kurzen Blick ins Innere und in die prall gefüllten Vitrinen mit den Kuchen, Croissants und Patisserie-Kunstwerken und schenken dann wieder dem Dorf unsere Aufmerksamkeit. Das Kirchlein, aus dem Jahr 1757, liegt auf einer kleinen Anhöhe und ist außen, wie auch innen sehr schlicht gehalten. Der schöne Steinboden aus den Vogesen harmoniert hübsch mit dem modernen Bilderzyklus Freske der Versöhnung. Von Claude Braun geschaffen sind sie auf dem deutsch-französischen Weg der Versöhnung in acht Gemeinden der Pfalz und des Nordelsass verstreut. Eine wirklich nette Idee!
Wieder zurück am Parkplatz sind wir rundherum verparkt von uralten, blank polierten und liebevoll restaurierten Oldtimer-Cabrios. Das hölzerne Armaturenbrett glänzt in der Sonne und die speckigen Ledersitze zeigen ihre Geschichte. Selbst die Fahrer sind mit authentischem Outfit bekleidet und haben alte Lederkoffer auf der Rückbank platziert. Ist das hier alles echt oder befinden wir uns hier inmitten Kulisse für einen Dreh eines Heimatfilms?
Nach einer kurzen Pause rumpeln die Oldies über das Kopfsteinpflaster davon und auch wir setzen unsere Fahrt fort. Weite Grasflächen, übersät mit den rosa blühenden Herbstzeitlosen säumen die Straße und „zwingen“ uns zum Anhalten. Überall im Nordelsass sind am Wegesrand unter Bäumen immer wieder sogenannte Napoleonsbänke zu finden. Die aus Sandstein gebauten Bänke wurden unter der Herrschaft von Napoleon I. aufgestellt, als sein Sohn, der Roi de Rome getauft wurde. Die Bauern trugen an Markttagen ihre Körbe von Dorf zu Dorf und nutzten diese Bänke, um sich kurz auszuruhen. Auf der unteren Schwelle konnten sie sich niederlassen und den schweren Korb auf der oberen abstellen.
Den ersten ereignisreichen Tag lassen wir, wieder zurück in Seebach, auf dem Stellplatz vor der Mehrzweckhalle ausklingen. Gemütlich in der Wiese sitzend, lesen wir uns noch für den nächsten Tag ein, während uns die Vögel ein regelrechtes Konzert veranstalten.
Als die Dunkelheit hereinbricht, spazieren wir durch die Häuserzeilen wieder zum Restaurant A la Rose und genehmigen uns den ersten Flammkuchen. Das Krachen des knusprigen Teiges vermischt sich mit dem Donnergrollen, das langsam heranrückt. Unter der Markise genießen wir unser Essen, obwohl jetzt erste Regentropfen herabfallen. Die Schwalben fliegen aber sehr hoch und daher sind wir guter Dinge, dass das Wetter morgen wieder passt.
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