Wie alte Hasen schlagen wir uns wieder bis zu den Landungsbrücken durch. Fast ohne nach links oder rechts zu schaun traben wir gleich zum Hafen hinunter. Dort buhlen typische Hamburger Marktschreier um Fahrgäste für ihre Barkassenfahrten. Da es heute zwar stark bewölkt, aber noch trocken ist, werden wir auch eine Fahrt mitmachen. Nur mit wem? Von allen Seiten werden wir umworben, da muss man einfach seinem Bauchgefühl folgen. Das einzige Kriterium ist, dass wir uns in ein kleines Boot setzen wollen, weil dieses nahe ans Ufer fahren kann – UND in die berühmte Speicherstadt.

Der heute größte zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt wurde 1888 erbaut und steht seit 1991 unter Denkmalschutz. Die sechs- bis siebenstöckigen Backsteinbauten mit gotischen Zierelementen und den grünen Kupferdächern prägen das Stadtbild Hamburgs. Die 630.000 Quadratmeter werden genutzt für das weltweit größte Orientteppichlager, eine Kaffeerösterei und zahlreiche Museen, wie das Zollmuseum, Speicherstadtmuseum oder das Gewürzmuseum. Auch die größte Modelleisenbahnanlage der Welt und das Dungeon (Gruselkabinett) sind hier untergebracht. Den besten Eindruck dieses historischen Viertels erhält man bei einer Fleetfahrt, die wir trotz des grauslichen Windes, unternehmen. Aufgrund des hohen Pegelstandes kann der Bootsführer heute leider nicht ganz zwischen die beiden Häuserzeilen hinein fahren. Ist aber nicht so schlimm, denn zur Belustigung aller bekommen wir allerhand Geschichten über die hanseatischen Kaufmänner und diejenigen, die sonst noch ihr Unwesen in der Speicherstadt getrieben haben. Während der gesamten Fahrt erhalten wir allerlei Interessantes im Hamburgischen Schnack (=Dialekt) erzählt. Wir sind uns aber oft nicht ganz sicher, ob es sich dabei um Seemannsgarn handelt oder nicht.

Ein Wahrzeichen im Hafen von Hamburg stellt der elegante weiß-rote Riesendampfer „Cap San Diego“ dar. Der 50-jährige Frachter wurde 1986 vor der Verschrottung gerettet und als Museumsschiff adaptiert. Sie gehörte früher zur Dr. Oetker-Flotte, auch Hamburg Süd genannt.

Nicht weit daneben ankert das mächtige Kreuzfahrtschiff „Celebrity Silhouette“, das erst vor wenigen Tagen hier getauft wurde. Wie kleine Ameisen kommen wir uns neben dem Ozeanriesen vor. Mit einer Breite von 37 m, 315 m Länge, über 13 Passagierdecks mit 1443 Kabinen für 2886 Gäste, sowie 1233 Crewmitglieder gehört der Luxusliner zur neuen Generation der XXL-Schiffe. Wir können der Putzmannschaft zusehen, wie sie mit Hilfe von Außenkränen die Fenster reinigen.

Geprägt wird der Hafen aber auch durch die Elbphilharmonie, die die Skyline Hamburgs zukünftig prägen soll. Es handelt sich hier um einen ehemaligen Kaispeicher, dem ein futuristischer Stahlbeton-Glaskomplex aufgesetzt wird. Das Herzstück wird ein Konzertsaal auf einer Höhe von 50 m, wo 2.150 Besucher Platz finden. Ein imposanter Eingang mittels einer 82 m langen Rolltreppe und einem 4.000 m² Plaza komplettieren das Gesamtkunstwerk. Bis es aber soweit ist, wird noch viel Wasser die Elbe entlang und vor allem Geld auf die Konten der Bauunternehmen fließen.

Von je her wird der Hamburger Hafen geprägt von Werften und mittlerweile gehört er aufgrund langjähriger Erfahrung und modernster Fertigungstechniken international zu den bedeutendsten. Wir schippern mit unserem Miniboot entlang der Docks und staunen wie kleine Kinder vor dem Christbaum über die gewaltigen Anlagen. Unser Käptn erzählt mit viel Witz Daten und Details über Neubau, Reparatur und Wartungsarbeiten in den mehr als zehn Werften Hamburgs. Die größte Werft hier ist die Blohm – Voss, die zum Thyssen-Krupp-Konzern gehört. Über die gesamte Länge vom Fischmarkt bis zu den Landungsbrücken bestimmt sie den Hafen. 1933 lief hier das berühmte Segelschulschiff „Gorch Fock“ vom Stapel.

Wir durchqueren die Schleuse und kommen in den zweitgrößten Containerhafen Europas, wo Woche für Woche 180 Containerschiffe den Hafen verlassen und mehr als acht Millionen umgeschlagen werden. Die Perspektiven vom Wasser aus sind schon ein Wahnsinn, da wirken die gigantischen Terminals noch spektakulärer. Mit riesigen Kränen werden die bunten Container aufgestapelt und wir haben das Gefühl, als würden wir beim LEGO-spielen zusehen. Tag und Nacht ohne Unterbrechung wird geladen und transportiert, um die Waren just in time zur Verfügung stellen zu können. Heute ist das 42,8 m breite Containerschiff COSCO aus Hongkong da, eines der größten auf der Welt.

Tief beeindruckt und mit Elbwasser geduscht, kehren wir nach einer Stunde wieder zu den Landungsbrücken zurück. Da das Wetter ein wenig zu wünschen übrig lässt, beschließen wir zum Rathaus zu gehen, um eine Führung im Inneren mitzumachen.

Die Diele im Inneren des Rathauses ist eigentlich eine Verlängerung der Straße und wird von mächtigen Säulen getragen, verziert mit Portraits von berühmten Hamburgern. An der Tür zum Obergeschoß werden wir von unserem Guide abgeholt und als wären wir ein Staatsbesuch schreiten wir ihr langsam nach. Das cremefarbige Stiegenhaus mit goldenem Geländer und roten Teppichen ist sehr elegant und macht schon neugierig auf die Räume. Als erstes bringt sie uns in den Plenarsaal der Bürgschaft, eingerichtet mit dunkler Eiche. Die Sitzungen hier sind öffentlich und man könnte hautnah dabei sein. Einer der nächsten Räume ist der Kaisersaal, dessen Wände mit Einlegearbeiten aus Messing, Silber und Perlmutt und einer tollen Ledertapete verkleidet sind. Die Decke ist geschmückt mit auffälligen Malereien und zwei riesige Bronzeleuchter hängen herab. Für offizielle Empfänge mit Staatsgästen dient das Bürgermeisterzimmer. Hier wird außerdem das Goldene Buch der Hansestadt aufbewahrt, das eigentlich kein Buch ist, sondern eine Kassette mit losen Blättern, die man je nach dem sortieren oder entfernen kann. Im größten Saal des Rathauses, dem Festsaal (46m lang, 15 m breit und 15 m hoch) gibt es überlebensgroße Wandgemälde und drei Kronleuchter mit einem Gewicht von je 1.500 Kilo und je 278 Lampen. Übrigens, hier noch ein super Link, um sich das Innere des Rathauses anzusehen.

Nachdem wir einige wenige von 647 Zimmern besichtigt haben, widmen wir uns nun dem Gebäude von außen. Das Rathaus gehört zu den prunkvollsten Bauten Hamburgs wurde 1897 eingeweiht, nachdem es 1842 völlig abgebrannt und wieder aufgebaut wurde. Es steht auf 4.000 Pfählen wegen des morastigen Untergrundes. Der 112 m hohe Turm teilt die aufwendig verzierte Renaissance-Fassade, die von zwanzig Kaiserstatuen gesäumt wird. Das grüne Kupferdach komplettiert das tolle Gebäude. Über dem Haupttor findet man die Inschrift „Die Freiheit, die die Vorfahren errungen, mögen die Nachfahren würdig zu erhalten suchen.“ Damit sollte damals die Unabhängigkeit Hamburgs vom Deutschen Reich verdeutlichen. Der vorgelagerte Rathausmarkt dient für zahlreiche Feste, wie z.B. der Weihnachtsmarkt. Zurzeit sind die Schwaben zu Besuch mit dem Stuttgarter Weinfest. Schade für uns als Filmer und Fotografin, denn das Rathaus lässt sich aufgrund der vielen Standl´n nur schwer aufnehmen. Ein gutes hat es aber doch, wir können uns auf den überdachten Sitzgelegenheiten ausruhen und typische Süddeutsche Kost genießen. Zu den Schupfnudeln mit Speck und Sauerkraut bestellen wir Trollinger Rotwein und das Ensemble schmeckt uns ausgezeichnet.

In der Nähe des Rathauses liegen die Alsterarkaden, die zahlreiche kleine Cafés und Geschäfte beheimaten. Auch sie fielen dem großen Brand zum Opfer und wurden im Zuge des Neuaufbaus im ursprünglichen Stil neu gestaltet. Die weißen Arkaden verzaubern unter dem Bogengang ihre Besucher mit prachtvollem Stuck und Deckenmalereien im Jugendstil. Wir werfen uns in das Getümmel und begutachten die Auslagen der kleinen, exklusiven Lädchen. Als wir im Café Saliba einen freien Tisch erspähen, gönnen wir uns eine kurze Pause. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir uns hier in einem In-Lokal befinden. Der Kaffee und der Kuchen sind auf jeden Fall traumhaft und das in dieser Kulisse. Wir sitzen direkt an der Alsterfleet mit herrlichem Blick auf das Rathaus und das Treiben der Alsterschwäne gleich gegenüber.

Am Ende der Alsterarkaden, am südlichen Ufer der Binnenalster, erstreckt sich der historische Jungfernstieg. Die einstige Flaniermeile der Hansestadt hat ihren Namen von den Betuchten, die mit ihren Töchtern (Jungfern) dort spazieren gingen, um mit etwas Glück den wahren Auserwählten zu finden. Ob die vielen Mädels, die heute hier herum hängen noch Jungfern sind, das ist wohl fraglich, aber die Grundidee wird wohl auf dasselbe herauskommen. Die zentrale Lage und der Charme dieser Promenade machen den Jungfernstieg noch heute zu einem Erlebnis für Jung und Alt. Obwohl im Laufe der Zeit viele Veränderungen und Umbauten vorgenommen wurden, lockt die Einkaufsmeile täglich zahllose Besucher an. Als etwas ganz Besonderes gilt der Alsterpavillion, der ein beliebter Treffpunkt geworden ist für Shoppingtouren in die umliegenden Kaufhäuser und Geschäfte. Aufgrund der vielen Kilometer, die wir heute schon in den Füssen haben, erliegen wir nicht dem Kaufrausch.

Wir sind mittlerweile schon einiges durch Hamburg gelaufen, haben eine Bootsfahrt auf der Elbe gemacht und wir haben dauernd das Gefühl, verfolgt zu werden. Egal, wo wir uns auch befinden, überall haben wir Blick zum Michel. Die Rede ist von der bedeutendsten protestantischen Kirche Deutschlands. Der 132 m hohe Barockbau wurde insgesamt dreimal gebaut, aber Nichtsdestotrotz feiert er heuer seinen 350. Geburtstag. Der Turm mit der markanten Kupferhaube ist das Wahrzeichen Hamburgs. Von der Turmhalle aus führt ein Fahrstuhl auf die Plattform in 82 m Höhe. Wir aber arbeiten uns die 453 Stufen hoch und die Belohnung dafür ist wirklich sehenswert – das sollte sich keiner entgehen lassen. Wir bekommen einen tollen 360° Panorama Rundblick auf die Stadt, die Alster und den Hafen. Außerdem steht man fast von Angesicht zu Angesicht mit der größten Turmuhr Deutschlands – 24 m Umfang.

Das Innere erstrahlt in schönem Weiß mit hellblauen Flächenmalereien und goldenen Ornamenten. Passend der schliche Altar und über dem Eingang die Wahnsinnsorgel mit 6.674 Pfeifen. Wir fühlen uns richtig wohl hier, zumal auch die die Kirchenbänke für lange Beine geeignet sind und ungewöhnlich gemütlich sind. Wäre der Altar nicht da, könnte man denken, man befände sich in einem Theater oder ein Konzertsaal. Die Akustik ist natürlich auch traumhaft und davon können wir uns überzeugen, denn ein etwa zweijähriger indischer Junge gibt eine Probe seines gesangliches Können (die Mami schämt sich a bissi, weil sie natürlich jetzt im Rampenlicht stehen).

Der Michel verdankt seinen Namen dem Erzengel Michael, dem Schutzpatron. Ein kupferner Michael steht über dem Hauptportal in Siegerpose über dem Satan.

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