The same procedure as every day, Frühstück, Klo gehen, Rucksack packen und los geht´s. Es ist trotz der Wettervorhersage, die Sonnenschein verspricht, noch diesig.

Die Fahrt durch das Waterworks Valley bei St. Lawrence ist aufgrund der teilweisen sehr engen Straßen ein wenig abenteuerlich. Wieder fahren wir durch grüne Tunnels und auf Wegen, die mit Schildern gekennzeichnet sind, wie „Reduce Speed“, „Slow“ oder „Narrow Road – Two Way – Recommended Speed 20 mph“. Auch ein 15 mph Schild entdecken wir, das kann doch der Tacho gar nicht mehr anzeigen, oder? Wir müssen einige Male rückwärtsfahren, um dem Gegenverkehr Platz zu machen, fürchten, fürchten! Dabei ist zu erwähnen, dass die Autofahrer hier auf der Insel extrem freundlich und zuvorkommend sind. Es kann aber auch sein, dass das aufgrund unseres Autokennzeichens so ist, denn da haben wir ein großes „H“ für Hire drauf, dass uns sofort als Touristen identifiziert. Unser Navi schickt uns die Gassen links und rechts und an einigen Stellen sieht man gar keine Straße, weil das Gras und Gebüsch daneben so hoch sind. Bei den vielen One-Way´s schick ich jedes Mal ein Stoßgebet gen Himmel, dass ja kein Gegenverkehr kommt. Wolfgang findet das wildromantisch. Eine kleine Erholung ist der Stop auf einem kleinen Parkplatz, wo der „Crapaud Sculpture Trail“ beginnt, angelegt vom National Trust. Hier sitzt eine riesengroße Kröte, geflochten aus Weide und lädt zu einem Kilometer langen Spaziergang ein. Entlang des Waldweges lernt man über die verschiedenen Lebensstadien der Kröte.

Eine Wanderung machen wir aber nicht, wir fahren weiter und queren jetzt die Insel Richtung Osten zur Eric Young Orchid Foundation, ein Muss für jeden Orchideen-Liebhaber. Da wir sehr zeitig hier sind, ist das kleine Gewächshaus von Touristen noch nicht überlaufen. So haben wir Zeit jede Blüte aufs Genaueste zu betrachten und zu fotografieren. Süßer Duft liegt in der Luft und das Plätschern von Wasser vermittelt den Eindruck eines Märchendschungels. Die hohe Luftfeuchtigkeit ist anfangs gewöhnungsbedürftig, aber die vielen Blüten, die oft wie Gesichter anmuten, lenken sofort davon ab. Die gesamte Farbpalette von weiß, über gelb, violett und rot bis hin zu fast schwarzen Blüten findet man hier. Orchideen gehören zur größten Pflanzengruppe mit 25.000 Arten und über 60.000 gezüchtete Hybriden (Kreuzungen zwischen verschiedenen Arten). In der Eric Young Orchideen-Stiftung werden Orchideen für Ausstellungen und Wettbewerbe gezüchtet und das kann zwischen vier bis sechs Jahren oder länger dauern. Zu den bekanntesten Arten gehören unter anderen die Phalaenopsis oder der Frauenschuh. Hier im Glashaus haben alle Orchideen Namensschilder umgehängt und bei den Gruppen gibt es zusätzlich eine interessante Beschreibung über die Herkunft und Eigenheiten. Wohin das Auge auch schaut, in Beeten, auf Bäumen und Seilen, überall hängen Arrangements oder Töpfe aus denen eine Orchideenpracht herausquillt. Blüten von anmutig zart bis hin zu Handtellergroßen und Anordnungen von einer einzigen bis zu einer Traube von Blüten. Unbeschreiblich schön diese außergewöhnlich tolle Gestaltung und Präsentation. Während unseres Rundganges verschwinden unsere Nasen in der ein oder anderen Blüte – herrlich! Beim Betrachten geht die Phantasie mit uns durch, denn die Blüten stellen die verschiedensten Gesichter dar. Würde man den Finger in so manches Maul stecken, wer weiß, was da passieren könnte? Wir kommen aus dem Foto schießen nicht mehr heraus. Farben und filigrane Linien und Punkte verzaubern uns komplett und als wir am anderen Ende des Glashauses ankommen, starten wir gleich zu einer zweiten Runde. Dabei wird jede Blüte mit ihrem Namen bildlich festgehalten und zudem auch noch die anderen interessanten Regenwald-Pflanzen, die es hier gibt. Zwischen den Orchideen gibt es noch Bromelien, Wachsblumen und Tillandsien zu bestaunen. In zwei angrenzenden Glashäusern können wir noch durch die Fenster auf den Orchideen-Kindergarten gucken.



Schweren Herzens reißen wir uns los und setzen unsere Fahrt fort durch die Pampas mit Ziel Nordostküste. Wieder „bevorzugen“ wir die engsten Gassen … ooooh, ich fürcht mich und mach mich fast in die Hose. Wir fahren die Rue du Scez entlang, die kurvig durch den Wald führt und dann stehen wir an und landen an einem winzigen Parkplatz, wenn man das so nennen kann.

Nur wenige Schritte auf einen Hügel hoch stehen wir vor dem Dolmen du Couperon. Das Galeriegrab stammt aus der Zeit zwischen 3250 – 2250 v. Chr. und besteht aus einer rechteckigen acht Meter langen Kammer, die in einem Gehäuse aus aufrechten Steinen untergebracht ist. Ursprünglich war die Anlage von einem niedrigen Erdhügel bedeckt. Die Decksteine stürzten bei Ausgrabungen 1868 in die Kammer. Interessant ist der Stein, der jetzt den Eingang versperrt. Er besitzt ein Seelenloch, eine Ein-und Ausgangsöffnung für die Seele des Verstorbenen. Bei der Restaurierung 1919 wurde der Stein falsch platziert. Ursprünglich war er so positioniert, dass er die Hauptkammer von einer Vorkammer trennt. Funde umfassen Feuersteinsplitter und Keramikscherben.

Ein Sturm 2016 zerstörte einen Deckstein, als eine große Kiefer umknickte, die sich neben dem Dolmen und dem Couperon Guard House befand. Das Wachhaus wurde 1689 errichtet und im Laufe der Jahre erweitert und modernisiert. Es wurde benutzt, um das Pulver aufzubewahren und die Geschützmannschaften unterzubringen, die die Kanone bedienten. Im Jahr 1812 waren in der Batterie zwei 24-Pfünder-Kanonen untergebracht.

Ich klettere die Böschung noch ein Stück hoch und von dort öffnet sich ein weiter Blick auf Rozel Bay hinunter. Nebelschwaden ziehen über dem Meer und auch heute sind die Speedboote wieder unterwegs. Wilde Brombeerstauden bedecken den Hügel und ihre rosa Blüten bilden mit dem gelben Geißblatt und den weißen Hundsrosen eine hübsche Symbiose.

Weiter geht die Fahrt, ein Stück zurück und wieder entlang der engen Straßen durch dichten Wald. Auf einem Parkplatz im Vallée de Rozel etwas außerhalb des Dorfes Rozel finden wir einen freien Platz. Wir beobachten, dass das Auto, das eben an uns vorbeigefahren ist, rückwärts wieder auf uns zukommt, weil es einem Bus ausweichen muss. Da parken wir lieber hier und gehen ein paar Schritte.

Wir kehren in den Rozel Bay Tea Room ein, den wir aus unserem letzten Urlaub schon kennen. Heute sitzen wir aber nicht in der Puppenstube, sondern im ersten Stock draußen auf der Terrasse. Inmitten von Blumen und Büschen genießen wir unser Mittagessen und natürlich wieder den leckeren Cider.

Gestärkt schlendern wir die Gasse runter zum Hafenbecken, das von pittoresken, kleinen Häuschen umgeben ist. In der malerischen Bucht gibt es einen Kieselstrand und im schmalen Sandstreifen graben zwei kleine Mädchen im Sand. Sind die süß die beiden, eine ganz nackig, die andere im hellblauen Kleidchen. Die Mamis sitzen daneben und unterhalten sich. Ruhig schaukeln die Boote im Wasser und ein Fischer ist in seinem Kutter am Werkeln. Ach ist das eine friedliche Stimmung hier.

Rozel ist seit 1274 ein Fischerhafen und im Jahr 1810 befanden sich etwa sechs bis acht kleine Boote im Hafen. Als die Austernfischerei sich weiterentwickelte vermehrten sich auch die Schiffe, zehn Jahre später waren es bereits dreißig. An der Zufahrtsstraße wurde ein Pier gebaut und Fischerhütten entstanden. Es wurden auch Kasernen als Teil eines Militärprogramms errichtet, aber so schlecht gebaut, dass bereits nach vier Jahren die Wand zur See hin untermauert werden musste. Als die Kasernen leer standen, wurden sie nur noch von Truppen in Kriegszeiten genutzt. Heute beherbergen die Barracken ein Hotel und Restaurant.

Am Ende des Piers stoßen wir auf einen Eisstand, wo Original Jersey Ice Cream verkauft. Na, das gönnen wir uns gleich mal. Wir kommen mit dem Schlecken gar nicht hinterher, da rinnt uns das Eis schon zwischen den Fingern durch, aber es ist wirklich super lecker.

Wolfgang, der Brave stapft dann allein zum Auto zurück und holt uns beim Tea Room ab. Von dort fahren wir die Straße erst im Norden weiter, biegen dann wieder ins Landesinnere ein, um einen Stopp beim Hamptonne Country Life Museum einzulegen. Nach einer kurzen Erklärung vom Guide erhalten wir noch einen Übersichtsplan und dann tauchen wir ein in die ländliche Vergangenheit. Auf dem Gelände stehen Häuser des 17. Jhdts., ein Bauernhaus des frühen 19. Jhdts. und eine große Anzahl viktorianischer Nebengebäude. Die Steinhäuser sind mit Reet bedeckt und die Holztüren und Fensterläden in hellrosa gepinselt. Im ältesten Haus, dem Hamptonne House erhalten wir von einer „Haushälterin“ interessante, spannende Geschichten und lustige Details über die Besitzer, das Leben und die Arbeit. Die Jerseyaner werden Beans genannt, weil sie so viele Bohnen essen, während zu den Guernseyaner Donkeys (Esel) gesagt wird, warum auch immer, das haben wie leider nicht mehr mitgekriegt. Sie zeigt und erklärt einige Ausstellungsstücke und beantwortet unsere Fragen. Thank you, very much and have a nice day. Jetzt spazieren wir noch von einem Raum in den anderen und begutachten die schön geschnitzten Truhen, die unbequemen Betten, die Bilder, die Vorratstöpfe und vieles mehr.

Wir setzen unseren Rundgang im Langlois Gebäude fort, wo im Erdgeschoß das Vieh und die Vorräte untergebracht waren. In den Stallungen niesten Hühner und die beiden Kinder-Kühe erhalten gerade ihr Abendfressen. Im Schweinestall dahinter puddeln die schwarzen Schweine mit ihren Schnauzen im Morast oder reiben sich ihren Rücken genüsslich am Türpfosten. Wir schauen ihnen eine Weile zu, dann müssen wir weitergehen, denn die Zeit rinnt uns davon.

Das Syvret House hat auch seinen Namen von den Bewohnern und die Familie lebte hier um 1830. Die Zimmer haben hohe Decken und große Fenster und sind typisch für die damalige Zeit. In allen Gebäuden können wir die ursprüngliche, historische Ausstattung betrachten. Im nördlichen Teil des Gebäudes befinden sich die Apfelpresse und die Fässer. Die Presse wurde restauriert und ist heute voll funktionsfähig und das riecht man hier, denn die Fässer sind gefüllt. Wolfgang versucht das schwere Steinrad zu bewegen, aber keine Chance. Dazu braucht man wirklich Pferdestärken. Zum Komplex gehören auch die Unterkünfte für die Landarbeiter, ein Backhaus, ein Waschhaus, eine Wagenscheune und Ställe. Im ehemaligen Stall wurden Ferienwohnungen eingerichtet.

Im Außenbereich kommen wir zum Kräutergarten, wo gerade Unkraut gezupft wird. Auf einer Informationstafel werden die Kräuter des 17. Jhdts. und ihre Benützung erklärt. Überall laufen Hähne und Hühner herum und die Mamas geben Obacht, dass die Küken nicht zu weit von ihnen weglaufen. Den Hasen ist es zu heiß, sie liegen ausgestreckt in ihren Käfigen und dösen.

Die Sperrstunde naht und wir beenden unsere Besichtigung. Wir haben uns Jahrhunderte zurückversetzt gefühlt und einiges gelernt aus der Zeit, als es uns noch nicht gab. Wir hätten noch Stunden hier verbringen und vielleicht auch einen Kuchen im Café essen können, aber dafür reicht leider die Zeit nicht mehr.

Um 17:00 Uhr treten wir die Rückfahrt an, es hat noch 21 Grad und aus dem Nebel in der Früh ist ein wunderschöner Tag geworden.

Hunger treibt uns dann nochmal aus den Zimmern und wir schlendern entlang des Hafenbeckens in St. Aubin auf der Suche nach einem Sitzplatz. Dabei fällt uns auf, dass trotz der kalten Temperaturen die Menschen hier mit kurzen Hosen und Röcken, Spaghettiträgern und Badeschlapfen unterwegs sind. Wir sitzen mit den Jacken da und fühlen uns gut so.

Wir landen schließlich wieder im „The Tenby´s“ und wir haben gelernt, denn wir Frauen essen nur Suppe und die Männer teilen sich Barbecue-Rips. Der Plan ist, heute mal Nachtisch zu essen. Für mich gibt´s Black Butter Sticky Toffee Pudding with Vanilla Ice Cream, für Helga Chocolate Brownie with Banoffee Ice Cream und die Herren entscheiden sich für Orange Panna Cotta with Pineapple Ice Cream. Auf tollen Tellern wurden diese Leckereien wunderschön angerichtet und haben alle unheimlich gut geschmeckt.

Mit vollem Bauch verlassen wir das Restaurant, jetzt müssen wir noch einen Verdauungsspaziergang machen. Doch schon nach wenigen Schritten beschließen wir, den Walk ersatzlos zu streichen, weil uns der Wind um die Ohren pfeift und wir nur die dünnen Jacken mithaben.

Wir schmeißen uns gemütlich in die Betten, öffnen noch ein wenig die Fenster und lauschen dem Möwen-Konzert, wie sie kreischen, bellen und schreien wie kleine Kinder.

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