Tja, unsere innere Uhr hat von der Zeitumstellung nix mitbekommen und lässt uns daher sehr zeitig aufwachen. Egal, wir öffnen das Fenster und saugen die frische Luft ein – mal sehen, wie´s heute wird, denn laut Wettervorhersage ist Regen heute möglich. Noch sind auf dem klaren Himmel nur schöne Schäfchenwolken zu sehen.

Um 08:00 Uhr klopfen wir an die Zimmertür bei Helga und Ernst und dann steigen wir gemeinsam die mit Teppich belegten Stufen bis ins Untergeschoß. Dort werden wir im Frühstücksraum von der Köchin und der Serviererin freundlich begrüßt und zu unserem Tisch begleitet. Passend zu den anderen Räumen des Guesthouses finden wir auch hier einen hübschen Raum vor mit kleinen Tischen und Holzsesseln und Dekoration wie aus Großmutters Stube. Wolfgang bestellt sich das typische English Breakfast, während wir zu unserem Cream Tea lieber bei Toast und Jam / Orangenmarmelade mit gesalzener Butter bleiben. Joghurt mit Früchten und Müsli ergänzen unser Frühstück und auch ein Glas Grapefruitsaft. Helga liebäugelt mit dem schön angerichteten Bohneneintopf, Spiegeleiern, gegrillten Champignons, Bratwürstchen, Kartoffelrösti und Tomaten, die Wolfgang bekommt. Vielleicht morgen, mal sehen? Heute wird nur ein wenig vom anderen Teller stibitzt.

Um halb zehn sind wir bereit für die Entdeckung von St. Aubin und die Umgebung. Wir bummeln gemütlich die steile Gasse hinunter Richtung Hafen, wo die Boote ruhig im Wasser schaukeln. Der kleine Platz davor wird dominiert von der Parish Hall, dem Rathaus, das im ehemaligen Bahnhof untergebracht ist. Die Fassade wird beleuchtet von der Vormittagssonne und lässt die Pastellfarben wunderschön erstrahlen. Wir schlendern weiter entlang der Hafenmole und von dort haben wir einen schönen Blick zurück auf den Fischerort mit seinen historischen Häusern, teilweise eingebettet in die waldige Hügellandschaft. Im kleinen Park wird schon fleißig gearbeitet, damit der Rasen schön frisiert ist und von den Mittagsblumen vertrocknete Blüten und Blätter entfernt. Inmitten der Grünfläche sind Skulpturen ausgestellt in Form einer überdimensional großen Hand.

Nur ganz langsam kommen wir voran, denn wenn zwei Fotografen, ein Filmer und ein Reiseleiter unterwegs sind, dann gibt´s viel zu schauen und zu bestaunen. Vor allem klicken die Apparate fast unaufhörlich, um den Ort, Hafen und die Umgebung bildlich festzuhalten. In der ersten halben Stunde haben wir uns nur etwa 300 Meter vorwärtsbewegt. Es ist zu beobachten, dass sich das Meer auf der unendlich langen Bucht langsam zurückzieht und dem Sand ein wattähnliches Aussehen verleiht. Direkt an der Mauer hat das Meer schöne Steine, Muscheln, Kelp und Schwämme herangetragen. Zur großen Freude der Hunde sind Frauchen und Herrl mit ihnen hierhergekommen und da dürfen sie herumlaufen und im Sand buddeln. In größeren Pfützen gönnen sie sich ein Bad, rollen sich dann im Sand und die Panade ist fertig. Na dann viel Spaß beim Baden zuhause. Auch ein Kitesurfer hat seine Freude mit dem Wind und nutzt jede Böe, um sich hineinzulegen.

Das St. Aubin Fort wurde Mitte des 16. Jhdts. zeitgleich mit dem Elisabeth Castle in St. Helier erbaut. Es wurden dort Kanonen aufgestellt, um die Bucht zu verteidigen. 1880 war das Fort dem Verfall preisgegeben und nur ein Hausmeister verrichtete das Notwendigste. Als die Deutschen einzogen, wurde es mit einem Bunker ummauert und mit Stacheldraht und Minen abgesichert. Das Fort ist nur bei Ebbe zu Fuß erreichbar, aber heute haben wir dazu keine Zeit. Auf der gegenüberliegenden Seite ist auch schon das Elisabeth Castle sichtbar und das ist unser Ziel.

Die Promenade wird seitlich von einem parkähnlichen gestalteten Grünstreifen flankiert, wo das Blütenensemble der lila Schmucklilien, die rosa Hortensien und die bunten Mittagsblumen eine Augenweide darstellen. Verschiedene Palmen, Yucca´s, niedrige Nadelbäume und Ziergräser gedeihen dazwischen und kein Wunder, dass sich in diesem Ambiente die Spaziergänger und Sportler wohlfühlen. Vorsicht, es nähert sich der kleine Touristenzug, der sich den Fahrstreifen mit den vielen Radfahrern und Skatern teilt.

Wir erreichen den Ort Beaumont und an der Promenade befindet sich der sogenannte dritte Turm, der 1780 als Teil der Verteidigungsanlage erbaut wurde. Später wurde ein Zugang mit einem Tor errichtet, damit er noch als Lagerraum genutzt werden konnte. Heute ist der Turm in die Häuserzeile mit den Wohnungen, Feriendomizilen, Pubs und Restaurants integriert. In den kleinen Vorgärten haben die Bewohner auch wahre Blumenparadiese erschaffen, wo üppige Rosen über die Mauern hängen. So manches Haus findet schon unseren Gefallen und würde uns als Alterssitz ansprechen. Tja, wahrscheinlich sind sie nicht leistbar, aber träumen ist erlaubt.

Bei Saint Lawrence verlassen wir die Promenade und biegen in die Siedlung ein zur St. Matthew´s Glass Church. Behängt mit unseren Fotoapparaten sind wir schon von weitem als Touristen identifiziert. Eine Frau, die mit ihrem Hund Gassi geht, spricht uns daher gleich an, um uns zu informieren, dass die Kirche heute geschlossen ist. Schade, denn als wir das letzte Mal hier waren, hat es geregnet und außerdem war mein Fotoapparat verstellt und die Ausbeute danach waren wirklich keine schönen Bilder. Heute haben wir tolles Wetter und die Kamera ist kontrolliert. Na ja, kannst nix machen, dafür zieht der kleine Wuffi die Aufmerksamkeit auf sich. Obwohl Helga der englischen Sprache nicht mächtig ist, beginnt eine angeregte Konversation mit Hund und Frauchen. Die Kleine heißt Bella und ist gerade mal ein Jahr alt und sie darf mit im Bett schlafen. Dass sie jetzt der Mittelpunkt ist, weiß sie, denn sie streicht uns allen um die Beine und lässt sich von vorn bis hinten kraulen und streicheln.

So, wir setzen unseren Weg fort und angrenzend an die Kirche liegt der weitläufige Coronation Park bei Millbrook. Lady Florence Trent, die Witwe des Gründers der Drogerie-Kette „Boots“, schenkte die Kirche und den Park an Jersey zum Gedenken an ihren verstorbenen Mann. Direkt neben dem Eingang grinsen uns die Blüten der niedrigen Begonien entgegen von weiß über rosa bis ins tiefe rot. Umgeben ist der Park von hohen, dichten exotischen Bäumen und Büschen. Prächtige Eukalypten, Ilex, Bambus und Pfeiffenputzer-Sträucher, ergänzt mit Hortensien, Fuchsien und hohe Madeira Natternkopfblüten.

Wow, ich hoffe, ich hab nix unerwähnt gelassen! Das Schwimmbad liegt einsam und verlassen im Schatten deren Laubes, dafür ist der eingezäunte Spielplatz heute r ege besucht. Da wird herumgesprungen, geschaukelt und Fangen gespielt. Schön, wie unbeschwert die Kids sind. Auf der Grünfläche, ein Stück daneben, ist eine Kinderparty in vollem Gange. Während die Mamas das Picknick richten, tollen die Kinder den übergroßen Seifenblasen nach, die wie aus einer Maschinenpistole geschossen kommen. Die großen Kinder, sprich die Papas, sind mit dem Baseballspiel beschäftigt. Eine schöne Wochenendidylle wie aus dem Bilderbuch, das lenkt vom Arbeitsalltag ab und entschleunigt.

Dann dringt Discomusik in unsere Ohren und als wir ihr folgen, kommen wir zu einer Vereinshütte und auf deren Terrasse betreibt eine Gruppe Mädels Zumba. Wir schauen ihnen eine zeitlang zu und Ernst hält ihre ästhetischen Bewegungen filmisch fest. Als die Trainerin das dann bemerkt, drückt sie uns eine Visitenkarte in die Hand und fragt „can you send us the video?“. Machen wir natürlich gerne! Jeden Samstag wird hier fleißig trainiert und sie fragt uns, ob bei uns Zuhause Zumba auch angeboten wird. Sie erwartet uns nächsten Samstag um dieselbe Zeit hier mit unseren Workout-Klamotten. Wir wollen sie aber nicht länger ablenken und spazieren weiter. It´s Partytime, denn wir kommen zur nächsten, leider haben wir kein Geschenk mit, sonst hätten wir uns zu ihnen gesetzt. Der Kuchen schaut ja schon richtig lecker aus! Doch es gibt eh einige lauschige Sitzplatzerl im Park und eines davon suchen wir uns für eine kurze Rast aus. Damit der Park auch lebenswert und sauber bleibt, sind die Mistkübel mit netten Klebern versehen „Proud of you for picking up my … und daneben das Foto eines Hundehaufens“ oder „I´m sad, when you don´t pick up my Hundehaufen“, daneben ein gezeichneter Hund mit einem traurigen Blick. Wer kann da noch seinen Dreck liegenlassen? Wir packen auf jeden Fall unser Schokopapierl wieder ein. Beim Verlassen des Parks treffen wir Bella und ihr Frauerl wieder und viele andere Gassi-Geher steuern auf den Park zu. Helga „fällt“ über das nächste Hunderl her, der sich natürlich auch über die Streicheleinheiten freut.

Zwei Stunden später und sehr weit sind wir noch nicht gekommen, doch das Wetter ist etwas freundlicher geworden. Die schwarzen Wolken sind einem fast blauen Himmel gewichen und an den Wind haben wir uns schon gewöhnt. Das Wasser hat sich schon weit zurückgezogen und überlässt jetzt die weite Sandfläche den fleißigen Helferleins, die am Werkeln sind, um für ein Festival Stände, Begrenzungen, Fahnen und Musikanlagen aufzustellen.

Auf der gegenüberliegenden Seite ragt der First Tower zwischen den Häusern hervor. Er wurde 1780 erbaut und war bis zur Französischen Revolution bemannt von einem Sergeanten, einem Korporal und zehn Männern. Er war der erste von drei Türmen, die für die Verteidigung der Küste von St. Aubin errichtet wurden. Für hundert Pfund kaufte ihn der Staat der Krone ab und er diente seitdem unterschiedlichen Zwecken. Er wurde einst von einer Windmühle überragt und eine Zisterne errichtet, um Wasser für die Pflanzen bereitzustellen.

Wir nähern uns dem Hafen von St. Helier, der Hauptstadt von Jersey und haben schon einen schönen Blick auf das vorgelagerte Elisabeth Castle. Erreichbar ist das Schloss zu Fuß bei Ebbe und während der Flut mit Amphibien-Autos. Die Überfahrt möchten wir in den nächsten Tagen dann auch machen. Heute schlendern wir weiter und kommen zum Busterminal. Vor vier Jahren, haben wir die Insel nur mit den Bussen erkundet und das hat super geklappt. Wir zeigen Helga und Ernst kurz den Innenraum und erklären ihnen den Ablauf, damit man auch in den richtigen Bus einsteigt. Am Hinterausgang verlassen wir das Gebäude wieder, biegen an der nächsten Ecke rechts ab und stehen am Liberation Square.

Anlässlich des 50. Jahrestages wurde 1995 hier ein Denkmal errichtet, das an die fast fünfjährige Besetzung der deutschen Truppen erinnert. Es zeigt eine Gruppe Menschen in der Mitte eines Brunnens, in den Händen die Union Flag. Ein Brunnen voller symbolischer Bedeutung, die kurvigen Linien repräsentieren die freien Gedanken und die Befreiung, die zwölf Strahlen des Wasserspiels stellen die Gemeinden dar und der Kompass bedeutet, das Jersey Teil einer globalen Gemeinschaft ist. Jersey blickt nach außen in der Hoffnung, dass der Friede und die Freiheit, die das Land genießt, sich eines Tages auf der ganzen Welt ausbreiten wird. Welch schöner Gedanke, das würden wir uns auch alle wünschen. Umgeben ist der runde Platz mit lauschigen Bänken, die jetzt zur Mittagszeit alle bevölkert sind von ruhenden Menschen, die die Sonne genießen und eine Kleinigkeit essen oder sich gemütlich unterhalten. Linkerhand liegt ruhig der Hafen und auf der anderen Seite überragen prächtige, historische Gebäude den Platz. Der Wirrwarr an großen und kleinen Häusern, alten und neuen bildet ein total hübsches Ambiente.

Mittlerweile ist es 13:30 Uhr geworden, wir haben schon viele Meilen in unseren Beinen und Hunger macht sich auf langsam in uns bemerkbar. Vom letzten Jersey Aufenthalt kennen wir die Brasserie „The Cock & Bottle am Royal Square und die steuern wir jetzt direkt an. Zu unserer Freude ergattern wir auch noch einen Tisch für uns im Freien gemütlich unter mächtigen Kastanienbäumen. Das Personal hier ist sehr flink, freundlich und zuvorkommend. Für uns Damen gibt es wieder Cider und für die Herren Liberation Beer auf Empfehlung der Kellnerin.

Zu Essen bestellen wir Fish & Chips für mich, Beef Pie für Ernst, Wolfgang entscheidet sich für eine Paella und Helga für Chicken Gnocchis. Während wir unser Essen genießen, lassen wir unseren Blick herumschweifen auf den schönen Platz und den üppigen Blumenschmuck an den Häuserfassaden und Trögen rundherum. Das Sitzen hier ist auszuhalten mit den Jacken und uns schüttelt es ab beim Blick auf die Burschen und Mädels neben uns, die in Flip-Flops, kurzen Hosen und Spagettiträger-Shirts dasitzen. Auf einem Bankerl hinter uns am Platz verbringen zwei Markt-Angestellte ihre Mittagspause und müssen ihr Essen vor einer frechen Möwe verteidigen. Zwischen unseren Füssen wuseln Tauben und Vögel herum und versuchen Fressbares zu ergattern.

Ratzeputz leeren wir unsere Teller und sind jetzt wieder bereit für unsere Besichtigungstour. Bis Mitte des 18. Jhdts. war der Square Place der Marktplatz der Stadt und seinen Namen verdankt er Charles II., der 1649 zum König von England ausgerufen wurde. In der Mitte des langgestreckten Platzes steht das Denkmal mit dem goldenen George II., der für den wirtschaftlichen Aufschwung von Jersey verantwortlich war. An der Südseite befindet sich der Royal Court von 1866, ein Wappen an der Hausfassade erinnert an einen Vorgängerbau. Im Gebäude daneben ist die öffentliche Bibliothek untergebracht. Rechts neben dem Eingang blickt Lord Alexander Moncrieff Coutanche herunter, bedeutend aufgrund seiner Vermittlerrolle während der Besatzungszeit. Die offizielle Befreiung hat er am 08. Mai 1945 vom kleinen Balkon über der Büste ausgerufen.

Fans der Fußball-WM, kippen sich im Pub „The Peirson” ein Bier nach dem anderen in die Birne und quatschen mich an, ich solle ein Foto von ihnen machen. Bitte sehr!

Wir ziehen weiter durch die Gassen von St. Helier, schlendern mal hier mal dort in ein Geschäft oder bestaunen einfach nur die Auslagen. Im Schaufenster eines Maklers suchen wir uns dann noch ein nettes Haus aus für günstige 14,5 Millionen Pfund. Müssen wir halt bis zu unserem Lebensende die Schulden bezahlen! Die Preise in den Schmuckläden deuten darauf hin, dass wir mittlerweile in der King Street gelandet sind. Wieder war George II. der Namensgeber, dem die noble Einkaufsstraße gewidmet wurde. In den schönen viktorianischen Häusern sind unter anderem vor allem elegante Schmuck-, Schuh- und Bekleidungsläden untergebracht. Der Fußgängerzone wird noch Eleganz und Stil verliehen mit quergespannten Fahnenketten von England und Jersey. Der Ausverkauf zieht viele Käufer in die Geschäfte und auch wir lassen uns mit dem Strom mitziehen. Erstanden wird aber trotz Sale nix, wir geben unser Geld lieber für einen guten Drink aus.

Am Ende der King Street befindet sich die Steinskulptur La Croix de la Reine, die 1997 anlässlich des silbernen Kronjubiläums von Königin Elisabeth II enthüllt wurde. Gegenüber das nächste Monument The Good Toad, aufgestellt zur Feier der 800-Jahre-Zugehörigkeit zur englischen Krone. Die Kröte auf dem Sockel soll daran erinnern, dass sich hier einst das westliche Ende der Stadt befand und da nur die Kröten zuhause waren.

Über den Halkett Place gelangen wir zum Central Market, erbaut 1881 im viktorianischen Stil mit fast fünfzig Verkaufsständen. Schon von weitem sind die rot bepinselten Eisenkonstruktionen sichtbar, die sich dann auch im Inneren fortsetzen. An den Querbalken sind in filigranen Verschnörkelungen Wappen von Jersey eingefasst mit den drei goldenen Löwen und der Krone. Durch das Glasdach kommt von außen normalerweise Licht herein, heute leider nicht, da es mittlerweile stark bewölkt ist. Am zentralen Platz plätschert ein Brunnen direkt unter einer Glaskuppel. Wir durchschreiten das Eingangsportal und es tut sich eine Augenweide für alle Sinne auf. Der Duft von Gewürzen, Blumen und Obst strömt in unsere Nasen und während wir die Aromen aufsaugen, betrachten wir die bunten Stände. Prall gefüllte Boxen mit schönstem Obst und Gemüse, knusprigen Backwaren, leckeren Antipasti, bunte Blumen und auch die Fleischwaren sind ansprechend hinter den Glasvitrinen präsentiert. Die Körbe, Holzkisten und Regale aus Naturmaterial in denen die Produkte ausgestellt sind, verbreiten eine natürliche und gemütliche Atmosphäre. Nachdem wir uns bei einem Stand mit Schoki versorgt haben, fallen wir noch in das kleine Geschäft direkt daneben. Da habe ich vor der Tür ein Schild entdeckt mit der Aufforderung, die berühmte Jersey Black Butter zu probieren. Ich hab davon schon im Reiseführer gelesen und das hat mich schon neugierig gemacht. Aufgrund des Obstreichtums im 17. Jhdt. wurde Cider hergestellt, dieser wird mit Äpfeln, Zucker, Zitrone, Lakritz, Zimt und Gewürzen stundenlang eingekocht. Diese Prozedur kann bis zu zwei Tagen dauern und die Masse muss ständig umgerührt werden. Dieses schwarze Apfelgelee passt wunderbar zu Käse und gegrilltem Fleisch, kann aber auch so auf´s Brot gestrichen gegessen werden. Wir kaufen gleich zwei Gläser davon und außerdem gehen auch noch Salted Caramel und Jersey Apple Brandy Cream mit nach Hause. Der Cream Likör schmeckt ähnlich wie der Bailey, den wir kennen und als ich Helga auffordere zu probieren, lehnt sie dankend ab. „Das mag ich nicht“ meint sie, „oh doch, das schmeckt dir“, sag ich drauf und als sie probiert, packt auch sie eine Flasche davon ein.

Als wir die Markthalle wieder verlassen, hat es inzwischen begonnen zu regnen. Daher geht´s im Laufschritt durch die Gassen zum Fish Market. Nachmittags ist hier aber leider nicht mehr viel los. Vom Fischreichtum der Insel, den Austern, Muscheln oder den King Prawns ist heute nicht mehr viel zu sehen. Wir schlendern einmal hin und her, saugen den Fischgeruch ein und verlassen dann die Halle wieder.

Es ist knapp vor halb fünf und wir sind etwas müde geworden. In der Brasserie Tiffin finden wir noch einen freien Tisch für uns und da schälen wir uns erst mal aus den nassen Jacken. Ich freue mich schon auf den Cream Tea und die frischen Scones, die auf einer Tafel vor dem Lokal angepriesen werden. Leider sind sie heute schon aus und wir müssen mit den Resten in der Kuchenvitrine vorliebnehmen. Einen guten Tee gibt es trotzdem und der Kaffeekuchen ist dann auch ganz lecker.

Der feuchte Spuk draußen dauert nicht lange und es hört wieder auf zu regnen während wir hier im Trockenen sitzen. Die Einheimischen haben sich von dem bisschen Regen nicht stören lassen und laufen ohne Schirm und Jacke herum.

Wir beschließen für heute unseren Rundgang in St. Helier, es hat uns hier total gut gefallen. Die vielen Infotafeln, die in der Stadt verstreut aufgestellt sind und die Sehenswürdigkeiten mit Fotos, Zeichnungen und Erklärungen voll interessant erklären, haben uns die Stadt sehr anschaulich gemacht. Thank you, very much!

Um dreiviertel sechs sind wir wieder beim Liberation Place angelangt und beschließen, mit dem Bus nach St. Aubin zurückzufahren. Wir haben das Glück, dass wir nur eine Viertelstunde warten müssen und dann im Bus in der oberen Etage des Doppeldeckers sitzen können. Es ist schon ein irres Gefühl, wie der Bus sich durch die teilweise engen Straßen manövriert. Keine leichte Aufgabe für den Fahrer, wenn er im Zick-Zack-Kurs fahren muss, wenn die Straße dann auch noch verparkt ist. Aber es geht freundlich und zuvorkommend im Straßenverkehr zu. Es ist Sitte, dem Busfahrer zu winken, wenn man mitfahren möchte. Tja, alle diese Gewohnheiten bekommen wir hier in erster Reihe präsentiert. Von oben haben wir auch schöne Einblicke in die Vorgärten oder über so manche Mauer. Das Elisabeth Castle liegt jetzt vollkommen im Trockenen und die Veranstaltung am Strand ist auch vorbei.

Eine knappe halbe Stunde später erreichen wir St. Aubin und mit schweren Füßen schlendern wir den Berg hoch zu unserem Guesthouse. Laut unserer Sportuhr sind wir über zwölf Kilometer herumgelatscht. Deshalb ziehen wir uns für zwei Stunden in unsere Zimmer zurück, um ein wenig zu rasten oder für ein Power Napping.

Danach machen wir uns frisch und rücken nochmal aus. Es ist kühl geworden, das beirrt aber die jungen Mädels in den luftigen Sommerkleidchen nicht, die uns entgegenkommen. Sie sind zu einer Abschiedsparty unterwegs, denn eine davon läuft herum mit einem aufblasbaren Känguru und die anderen mit Luftballons mit der Aufschrift „we will miss you“.

Auf der Suche nach einem passenden Lokal für uns, wo wir Abendessen können, spazieren wir am Boulevard neben dem Hafen entlang. Die Boote liegen wieder im Nassen und der rosa gefärbte Himmel spiegelt sich im Wasser. Schön ist auch der Blick zum St. Aubins Forts und auf das beleuchtete Rathaus. Viele Spaziergänger sind unterwegs und uns läuft schon beim Anblick der Leute die Gänsehaut über den Rücken, weil sie alle nur leicht bekleidet herumlaufen. Dafür wird überall gekuschelt und geschmust, das ist doch schön.

Es wird uns dann aber zu kalt beim nächtlichen Spaziergang und deshalb machen wir es uns wieder in der St. Aubins Wine Bar gemütlich. Die Männer besorgen uns die obligatorischen Getränke an der Bar und dann lassen wir den heutigen Tag Revue passieren. Man merkt das Wochenende, denn heute ist die Bude gesteckt voll und es ist daher irre laut. Wir brauchen aber auch nicht mehr quatschen, denn für Unterhaltung sorgen die jungen Menschen an der Bar und den Tischen rund um uns. Wieder ist der Billard-Tisch belegt und da wird schreiend und hüpfend mit Euphorie gespielt. Der Alkohol tut natürlich das Seine dazu. Kurz vor zehn Uhr stürmt eine Gruppe Mädels herein, alle leicht bekleidet und sichtlich angeheitert. Innerhalb kurzer Zeit befinden wir uns der Schminke und den Klamotten nach zu urteilen mitten in einem „Faschingsball“. Eine junge Dame trägt eine kurze Felljacke, der anderen daneben hüpfen die Bälle aufgrund des zu engen BH´s raus, eine wilde Sause ist das hier. Die Musik wird immer lauter und die Jungs und Mädels bewegen ihre Kurven danach, begrapschen und braten sich gegenseitig an und das Schmusen kommt auch nicht zu kurz. Zwei Burschen beginnen dann zu raufen und streiten sich um eine Tussi. Die Befürchtung von vorhin wird wahr, da hüpft von einer die pralle Brust aus dem BH und schlägt damit der anderen das Glas aus der Hand. Pures Entsetzen ist in den Gesichtern von Helga und Ernst zu sehen, wo sind wir denn da gelandet? Wehe, wenn sie losgelassen, da kriegen wir das volle Programm geboten und haben dabei gar keinen Eintritt bezahlt! Wow, das sind ja regelrechte Orgien. Das wird uns dann doch zu viel, wir trinken unsere Gläser leer und verlassen das Lokal. Na hoffentlich können wir jetzt noch schlafen und kriegen keine Alpträume.