Heute wird´s was mit der Glaskirche in St. Matthew, wir parken unser Auto, noch bevor die Pforten geöffnet haben. Von außen ist sie unscheinbar, ein weiß getünchter Klotz und auf den ersten Blick nicht mal als Kirche identifizierbar. Wie wir schon gehört haben, hat Lady Trent 1934 Jules Lalique beauftragt zum Andenken an ihren verstorbenen Mann René die Kirche umzugestalten. Er hat Altar, Kreuz, Chor, Fenster und Taufbecken mit künstlerischen Glasarbeiten im Jugendstilgeschaffen und immer wieder auch die Motive der Jersey- und Guernsey-Lilie eingearbeitet. Die blauen Vorhänge, Teppich und Pölster verleihen dem Inneren eine kühle Eleganz. Wir sind begeistert von dem ganzen Ensemble und versuchen noch mit Fotos alles einzufangen.

Jetzt sind wir in der Kirche beten gewesen und trotzdem hat der Nieselregen seine Tätigkeit nicht eingestellt. Das soll unserem Urlaub und dem Wissensdurst aber nichts antun, wir machen das Beste draus.

Vor der Kirche treffen wir auf Oma und Opa mit vier Leinen in der Hand. An drei davon sind Hunde angeleint, an der vierten das Enkerl. Na das schaut vielleicht lustig aus. Wenige Schritte entfernt, schlendert eine Mama mit ihrem Kinderwagen und auch sie hat einen kleinen Wuffi an der langen Schnur. Also, sollten wir mal auf die Kanalinseln auswandern, dann brauchen wir auch einen Hund, das ist hier Usus. Auf dem Parkplatz begegnen wir noch einer mobilen Bibliothek, einem Kleinlaster, vollgestopft mit Büchern. Damit er auch als solcher erkennbar ist, wurde er außen hübsch bemalt und animiert nicht nur Leseratten, sich mit Büchern zu versorgen.

So, wir hüpfen in unser Auto und setzen die Fahrt fort in das verregnete St. Helier. In der Sand Street fahren wir in die Parkgarage ein. Laut einer Leuchtschrift draußen gibt es noch 155 freie Plätze und wir fahren Stockwerk für Stockwerk hoch, um einen davon zu finden. Wir landen schließlich im elften Stock mit Blick auf die Dächer der Stadt. Kurz vor 11:00 Uhr verlassen wie die Parkgarage und zu unserer Freude hat es aufgehört zu nieseln. Direttissima stapfen wir zum Hafen und erstehen am Kiosk der Elizabeth Castle-Ferry den Heritage Pass. Wir lassen ihn auch gleich abstempeln für die Überfahrt zur Festung, müssen aber noch warten, da die Tide noch zu hoch ist.  

Während wir am Hafen ein wenig herumschlendern, klart der Himmel auf und es werden erste blaue Flecken über uns sichtbar.

Um 11:30 Uhr betreten wir das „Puddle Duck“, ein Amphibienfahrzeug und innerhalb kurzer Zeit legt die Charming Betty ab. Während der Fahrt kriegen wir Instruktionen und Anweisungen über einen Monitor vom Käpt´n aus anno dazumal. God save the Queen! Jetzt stellt sich für uns noch die Frage, sind wir ein Autobus oder spielen wir Boot?

Eine halbe Stunde später rollt das Fahrzeug auf die Rampe zum Aussteigen und wir werden noch auf die Tidezeiten aufmerksam gemacht. Heute ist Ebbe von 14:40 – 19:40 Uhr.

Wir durchqueren das Haupttor zum Elizabeth Caste, erhalten hier einen Übersichtsplan des Geländes und Instruktionen. Jetzt sind wir bereit für die Erkundung der Festung und ihrer Geschichte. Als erstes erreichen wir den äußeren Bezirk, wo noch Ruinen von Fenstern stehen, die einen schönen, weiten Blick auf das Meer und den höchstgelegenen Teil der Burg bieten. Vor uns liegt hoch oben auf einem Felsen das Castle, dem ältesten Teil der Anlage. Die Fahnen wehen waagrecht im Wind, Möwen kreisen in den Lüften und Zwitschern von Meeresvögeln erfüllt die Luft.

Weiter des Weges erreichen wir das zweite Tor, das von Wappen des englischen Königs Wilhelm III., des damaligen Gouverneurs und des Lieutenant-Governors geziert wird. Von dort kommen wir zum sogenannten Green. Hier befinden sich die in der Besatzungszeit angelegten Bastionen und Bunker. Die Kanonen stehen bereit zum Abschuss, aber dazu später.

Informative zweisprachige Tafeln mit Zeichnungen und Beschreibungen säumen den Weg und geben Auskunft über das Leben zur damaligen Zeit. Um die Insel Jersey nach der Aufgabe von Mont Orgueil Castle an der Ostküste noch weiter verteidigen zu können, wurde Elizabeth Castle im 16. Jhdt. errichtet. In den folgenden Jahrhunderten erfolgten mehrmals Erweiterungen und Umbauten der Anlage. Bis 1923 wurde das Castle von der Krone genutzt, dann an Jersey verkauft. Von 1940 – 45 besetzten die Deutschen die Insel und nach der Belagerung übernahm der Jersey Heritage Trust 1984 die Festung.

Wir passieren das dritte Tor und kommen zum eigentlichen Elizabeth Castle, das um einen weitläufigen Paradeplatz angelegt ist. Hier reihen sich die Offiziers- und Waschräume, die Kantine und Magazine aneinander, wo die stationierten Soldaten nicht gerade komfortabel gewohnt haben. In kleinen Räumen mussten sie eng auf eng nebeneinander leben und die sanitären Anlagen waren unzureichend.

Der helle Sand auf dem Paradeplatz blendet uns, da jetzt die Sonne schon fast die Überhand ergriffen hat. Heute wirkt die Anlage beschaulich und die schönen Rosenblüten lassen das oft unwirtliche Leben von damals vergessen. Wir betreten einen Verteidigungsbunker, wo in Schaukästen die Zeit der deutschen Besatzung durch Zeitungsauschnitte dokumentiert wird. Uns läuft die Gänsehaut über den Rücken beim Lesen und Betrachten. An den Wänden sind Zeichen und Kürzel zu entdecken, eingraviert von den einstigen Soldaten. Mehr als zweihundert Zwangsarbeiter mussten sich hier hart abschinden. Den hundert deutschen Soldaten wird es wahrscheinlich nicht anders ergangen sein, denn mit Sicherheit war die Stationierung hier nicht freiwillig.

Im ehemaligen Haus des Gouverneurs ist heute das Museum Militaria untergebracht, wo mit lebensgroßen Wachsfiguren die Geschichte von Elizabeth Castle in „War and Peace“ anschaulich nachgestellt wird. Die Männer mussten drei Tage die Woche von 06:00 – 06:00 Uhr Dienst verrichten, die anderen Tage wurden ihre eigenen Felder bestellt, um überleben zu können. Wir gehen von einem Zimmer ins andere und betrachten die Einrichtung. Die primitiven Betten in den düsteren Schlafzimmern, die in Doppelreihen nebeneinanderstanden, schaun nicht wirklich gemütlich aus. Nur einer geringen Anzahl der Soldaten war es erlaubt, ihre Frauen mitzunehmen, das wurde per Los entschieden. Kein Wunder, dass da viel Alkohol floss, der dann vielen Männern das Leben kostete, weil sie die Ebbe verpassten, zu spät losmarschierten und in den Fluten ertranken.

Das Offiziersquartier wirkt da gleich viel eleganter, hier steht ein Klappbett, das tagsüber hochgeklappt werden könnte, sodass mehr Raum blieb.

Auch Kriegskleidung und –zubehör wie Brustpanzer, Helme, Waffen, Säbel und Lanzen und viele andere Gegenstände sind ausgestellt. Kleidung, Orden, Gasmasken, Fotos, Bücher und Auszeichnungen komplettieren das Museum.

Wir spazieren ein Stück hinter das Gebäude, wo wir einen tollen Blick auf die Breakwater, das Meer und auf St. Helier haben. Der höchstgelegenste Teil ist auch der älteste der gesamten Anlage. Die Mauern sind schön bewachsen mit Grasnelken, Mittagsblumen und Spornblumen. Hier halten gerade Spatzen, Möwen und Austernfischer ihre Mittagsruhe und weil ich mich ganz ruhig anschleiche, ergattere ich super Fotos von zwei Austernfischer.

Zurück auf dem Paradeplatz sind wir nun auf der Suche nach einem geeigneten Platz, damit wir die Mittagsparade gut beobachten können. Wir steigen seitlich Stufen hoch und da entdecken wir eine Möwen-Mama mit ihren zwei Kleinen. Am Strand darunter bevölkern gefühlte hundert Austernfischer die Schotterfläche. Wow, so viele auf einmal haben wir auch noch nie gesehen! Oberhalb in einer kleinen Nische liegt im Schutz der Mauer ein kleines Gärtchen, wo Rosen, Yucca, Natternköpfe und viele andere Pflanzen gedeihen.

Es ist nach 13:00 Uhr, wir warten mit vielen anderen Besuchern auf die „freiwilligen Soldaten“, die jeden Tag zu dieser Zeit in einer witzigen Handlung einen Böllerschuss abfeuern. Dann kommt vom Tor drei ein einziger kostümierter Soldat angestapft, das Gewehr an der rechten Schulter angelehnt und quasselt irgendwas daher. Verstehen können wir davon nichts, aber wir warten gespannt, was passiert. Dann stopft er die Flinte, legt an und feuert ab. Rauchschwaden hüllen ihn ein und es stinkt. Dann marschiert er auf die Leute zu und heuert einige davon an mit ihm auf dem Paradeplatz im Gleichschritt zu stiefeln zur Belustigung der anderen.

Da uns das Spektakel aber zu langwierig wird, schlendern wir zur ehemaligen Kaserne, wo heute ein Café untergebracht ist. Wir bestellen uns Quiche und Pie mit Coleslaw, Jersey-Kartoffeln und Salat. Schmeckt hervorragend.

Wir schaffen es noch zur rechten Zeit zu den Kanonen, wo der „Kasperl“ dann zelebriert, wie früher die Kanonen angefacht und abgefeuert wurden. Auch daraus macht er ein langes Hin und Her in Einbeziehung des Publikums. Er erklärt dabei einige Riten und Aktionen von damals während er versucht die Lunte zum Brennen zu kriegen. Dann endlich, es kracht und raucht und alle freuen sich und applaudieren.

Ein interessanter Besuch geht zu Ende, wir haben viel über die bewegte Geschichte von Elizabeth Castle gehört und einen Einblick in die damalige Zeit erhalten.

Als wär´s ein anderer Tag haben wir jetzt Bilderbuchwetter mit blauem Himmel und lauem Lüftchen. Es ist kurz vor halb drei Uhr und die angekündigte Ebbe zeichnet sich schon ab, der Causeway ist bereits zu sehen und an einigen Stellen sogar schon begehbar. Wir besteigen das Amphibienfahrzeug und der Driver kündigt an, dass die Fahrt zurück zum Hafen etwas ruppelig werden wird, weil wir mehr fahren, als schwimmen. Je näher wir das Ufer erreichen, umso mehr ragt der Steg aus dem Wasser, zur Freude der Wasservögel, die jetzt die Muscheln serviert bekommen.

Wir kommen zur Parkgarage zurück, müssen nur noch unser Autokennzeichen am Automaten eintippen und schon erhalten wir die Rechnung. Beim Einfahren wurde das Auto gescannt und somit weiß der Computer, wie lange man geparkt hat. Außerdem ist es die einzige Parkmöglichkeit in St. Helier, wo man noch mit Kreditkarte bezahlen kann. Bei allen anderen muss man sich vorher die sogenannte Paycard besorgen.

Wir verlassen St. Helier und fahren die knapp fünf Kilometer Richtung Norden zum Museum La Hougue Bie. Das ist ein Hügelgrab aus der Steinzeit, auf dem eine mittelalterliche Kapelle thront. Sie ist eine der größten Megalithanlagen Europas und wurde 1924 ausgegraben. Es wurden auch Skelette, Keramik und Pfeilspitzen gefunden

Mit unserem Jersey Heritage Pass können wir kostenlos in die Anlage. In einem Raum neben dem Eingang wird uns ein Kurzfilm gezeigt, bei dem der Fund, die Ausgrabungen und über die Geschichte von La Hougue Bie berichtet wird. Entstanden ist das Ganggrab zwischen 3100 – 2600 v. Chr., besteht aus fast siebzig Steinen und ist bedeckt von einem vierzehn Meter hohen Erdhügel.


So, Helga und Ernst sind jetzt neugierig geworden und wir spazieren zur Öffnung des Dolmens. Wolfgang und ich watscheln geduckt durch den niedrigen Zugang ins Dunkel hinein. Die Hauptkammer ist knapp zwei Meter hoch und mystisch ausgeleuchtet. Insgesamt ist die Kammer neun Meter lang und von ihr führen Nebenkammern weg. Die Steine der großen Kammer ​​sind so ausgerichtet, dass am Morgen des Frühlings und Herbstes bei Tagundnachtgleiche die Sonne den zehn Meter langen Gang hinunter scheint, um den hinteren Teil der Kammer zu treffen. Wir versuchen mit einigen Fotos die Stimmung vom Inneren einzufangen, damit wir den Eltern dann zeigen können, wie es hier aussieht.

Seitlich des Weges sind Schautafeln angebracht mit Zeichnungen und Erklärungen, die wir noch kurz studieren.

Dann spazieren wir den spiralförmig angelegten Weg den Hügel hinauf zur Kapelle Notre Dame de la Clarté. Sie stammt aus dem 12. Jhdt. und wurde 1520 an die Jerusalem Chapel direkt angebaut. Hier befinden sich an den Wänden noch Reste von Fresken, erkennbar zwei Erzengel. Von außen ist nicht zu sehen, dass es sich hier um zwei Kapellen handelt. Kurios ist die Tatsache, dass um 1830 an dieser Stelle ein Hotel gebaut wurde. Dafür wurde über der Kapelle ein Turm errichtet, der knapp hundert Jahre später wieder abgetragen wurde zu Beginn der Ausgrabungen von La Hougue Bie.

Im Visitor Center schlendern wir dann noch gemütlich durch die Museumsräume, wo diverse Funde in Schaukästen ausgestellt sind und mit verständlichen Informationen werden die menschlichen Entwicklungen dem Besucher vertraut gemacht.

Neben dem Parkplatz sitzt auf einer Bank eine historisch gekleidete Frau, die uns dann noch eine Legende erzählt über die Kapelle auf dem Hügel. So sollen zwei nordische Herren miteinander gekämpft haben, wobei der eine umgekommen ist. Danach hat der Diener seinen Herren erschlagen und berichtete dann unschuldig dessen Frau von seinem Tod. Jetzt musst du mich heiraten, was sie dann auch tat. Im Traum hat der Mörder aber erzählt, dass er seinen Herrn getötet hat, worauf die Witwe dann den Verbrecher umbrachte. Zu Ehren ihres verstorbenen Mannes ließ die Frau diese Kapelle auf dem Hügel errichten.

Eine wilde Geschichte ist das und daher flüchten wir und machen uns auf die Rückfahrt nach St. Aubin. Da das Wetter aber noch so schön ist, ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es auch noch nicht so spät ist, beschließen wir kurzerhand noch einen Abstecher an die Westküste zu machen. Dort befindet sich ein Wahrzeichen der Insel, das Corbière Lighthouse. Die Küstenlandschaft ist bewachsen mit pinken und gelben Mittagsblumen und Farnen. Leider verschandeln die Betonbunker die Umgebung, herausragend der siebengeschossige Aussichtsturm aus der deutschen Besatzung.

Der Leuchtturm befindet sich auf einer Gezeiteninsel und da grad Ebbe ist, spazieren wir auf dem betonierten Weg zur Insel hinüber. Wie eine Mondlandschaft sieht es hier aus, die Schnecken und Napfschnecken kleben auf den Felsen und die Moose und Algen warten wieder, bis sie vom Wasser bedeckt werden. Kormorane, Möwen und Austernfischer pricken und graben im Sand und den Tümpeln auf der Suche nach Futter.

Beim Leuchtturm angekommen, verweilen wir kurz auf einer Aussichtsbank. Das Meer peitscht auf die Steine des Ufers, Segelschiffe schaukeln im Wasser und in kurzen Abständen fliegen Flugzeuge über unseren Köpfen hinweg. Extreme Tideschwankungen machen die Küste hier sehr gefährlich für die Schifffahrt und im April 1995 verunglückte eines auf der Fahrt zur Insel Sark. Zum Glück konnten alle 307 Passagiere gerettet werden und deshalb wurde ein Denkmal an das Unglück errichtet.

Gemütlich schlendern wir wieder zurück Richtung Parkplatz und plötzlich huschen Häschen über den Weg und verschwinden im niedrigen Gebüsch. Nein, da sitzen ja noch zwei und so klein sind sie.

Wir sind wieder gut angekommen in unserem Guesthouse, machen uns kurz frisch und marschieren los. Im Hafen finden wir Platz im „The Tenby´s“ und bestellen quer durch die Speisekarte. Barbecue-Rips für mich, Muscheln für Wolfgang und Lasagne für Helga und Ernst. Das Essen wird schnell serviert, schaut toll aus und schmeckt super! Wir Frauen trinken wieder Cider dazu und die Männer bestellen Beer. Gegen halb neun brechen wir auf, wir wollen ja schließlich morgen wieder fit sein.