Nach Sonnenschein, kommt Regen, oder wie ist das? Hier ist das so, nachdem wir gestern Sonne gehabt haben, hängen heute wieder schwere Wolken tief herunter und es nieselt ständig – mal mehr, mal weniger. Nach dem tollen gestrigen Tag sind wir heute ein wenig ausgebrannt. Daher brechen wir spät auf und gehen es ein wenig ruhiger an.
Wir fahren den Highway Nr. 1 entlang und halten bei den Lower Spiral Tunnels. Auf der 5 km langen Bahnstrecke des sogenannten „Big Hills“ kam es aufgrund des starken Gefälles ständig zu Zugentgleisungen, Crashes und Katastrophen. Schweizer Eisenbahningenieuren gelang durch den Bau zweier spiralförmiger Tunnels, die die Steigung abschwächten, dieses Problem zu lösen. Von einem Aussichtspunkt neben der Straße können wir den Ein- und Ausgang der Röhren gut sehen. Interessante Schautafeln erzählen die spannende Geschichte über den Big Hill im Laufe der Zeit.
Bei Regen erreichen wir das kleine Eisenbahnstädtchen Field. Es liegt umrahmt von Bergen direkt an der Canadian Pacifik Railway. Diese war bis 1952 der größte Arbeitgeber in Field. Dann haben die Dieselloks die Dampfloks ersetzt und somit reduzierte sich die Wartungsmannschaft von 39 auf 9 Leute. Field war 1883 als Zeltsiedlung für die Railway-Arbeiter entstanden und da Baumaterial limitiert war, wurden alte Waggons zu Häusern umgebaut. Einige Originalhäuser stehen heute noch hier und der Besucher von Field wird anhand von Infotafeln darauf aufmerksam gemacht. Der Großteil der Häuser, oder besser Häuschen, ist schön erhalten und mit Holzgartenzaun und hübschem Garten umgeben. Zurzeit stehen die Frühlingsblumen in voller Pracht und wir fühlen uns jahreszeitlich ein wenig zurück versetzt. Das haben wir zuhause schon hinter uns.
Impressionen von Field:
Das Telegraph Building wurde früher nicht nur dienstlich gebraucht, die Passagiere konnten während den 20 min Aufenthalt hier ihre Nachrichten abfragen oder welche verschicken. Dieses Gebäude hat 30 Jahre lang den Klang von Punkten und Strichen erfüllt, bis die Telefonsteckboards eingeführt wurden. Die kleine, weiße St. Joseph Roman Holzkirche von 1908 wurde über hundert Jahre regelmäßig verwendet. Heute werden Messen nur noch im Sommer abgehalten und die Originalglocke wird nur zu besonderen Anlässen geläutet. Wir machen einen kurzen Blick ins Innere und siehe da, da ist ja das Seil für die Glocke. Es hat mich schon in den Fingern gejuckt, aber dann wären die Einwohner aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass dieses Städtchen eh nur eine Kulisse für einen Westernfilm ist, denn es ist kaum eine Menschenseele zu sehen. Wäre interessant, wie viele Einwohner es tatsächlich hier noch gibt, denn viele Häuser tragen das Schild „Guesthouse“ und die sind natürlich in dieser Jahreszeit noch leer.
Mittags gönnen wir uns richtig leckeren lunch im Truffle Pigs Bistro & Lodge, dem einzigen Gasthaus hier. Auch das Bier ist wirklich wahnsinnig gut – irgendein draught beer, das auch der Kellner selber gern trinkt. Das junge Personal ist ausgesprochen höflich und aufmerksam. Bloß sobald man fertig gegessen bzw. getrunken hat, gibt’s auch schon die „bill“ auf den Tisch. Bezahlt man mit credit card, bringt der Kellner das Lesegerät und der Gast wickelt die Bezahlung selber damit ab. Bei manchen Geräten kann man auswählen, wie viel tip (10%, 15%,…) mit abgezogen werden und bei den anderen gibt man den Betrag einfach ein. Sehr fortschrittlich, das muss man sagen!
Etwa 3 km westlich von Field zweigen wir zum Emerald Lake ab. Auf der Strecke dorthin kommen wir zu noch einer Sehenswürdigkeit, der Natural Bridge. The Kicking Horse River hat hier eine Höhlung in das weiche Gestein eingeschnitten und so eine natürliche Brücke geformt. Früher war hier ein Wasserfall, doch das Wasser hat Löcher gefunden, durch die es wie über ein Kanalsystem abgeleitet wurde. Irgendwann wird es diese Brücke wahrscheinlich nicht mehr geben, denn das Wasser wird eine Schlucht bilden. Weiß, wie geschlagenes Obers quillt es durch das Loch heraus, dreht sich im Becken und fließt dann ruhig ab.
Gerade als wir den Emerald Lake erreichen, beginnt es wieder ordentlich zu schütten – als wäre noch zu wenig Wasser im See. Die mehr als 3.000 m hohen Berge sind verhüllt im Nebel und rahmen den smaragdgrünen See ein – kein blauer Himmel weit und breit. Eine Riesenlawine hat am Westhang einen Tannenwald dem Erdboden gleichgemacht. Jetzt sieht der Abhang wie ein missglückter Haircut aus. Wirkt sehr dramatisch! Dazu passt dann auch das Grollen des näher kommenden Unwetters, das uns mit einem heftigen Regenguss wieder ins Auto zurück treibt. Davor haben wir noch die interessanten Tafeln über „Burgess Shale“ studiert. Eine weltberühmte Sedimentsgesteinsschicht, die Geheimnisse der Evolutionsgeschichte gelüftet hat, wurde hier 1909 entdeckt. Vor rund 530 Mio. Jahren wurden wirbellose Meereslebewesen lebendig begraben, die aufgrund der Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr nicht verwesten. 1909 fand Charles Walcott erste Fossilien und innerhalb von 5 Jahren wurden 65.000 Individuen freigelegt. Diese Fossilienbetten stehen als UNESCO-Welterbe unter Schutz und können nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Leider erst ab Juli.
Auf der Rückfahrt machen wir Halt bei den Upper Spiral Tunnels. Da wir gesehen haben, dass in Field ein Zug abgefahren ist, liegt die Vermutung nahe, dass er demnächst zu den Tunnels kommen müsste. Also sitzen wir im Auto und warten. Und plötzlich ein lautes Hupen und da ist er. Die beiden Loks fahren in den Tunnel ein und ihnen folgt eine Kolonne an Waggons, die immer noch nicht zu Ende ist, als die Antriebsloks in die Gegenrichtung fahrend wieder aus dem Tunnelende heraus kommen. Wie ein langer Wurm windet sich der Zug langsam den Berg hoch und verschwindet dann wieder in den Wäldern. Das ist ja richtig spannend gewesen – wie ein kleines Kind wird man da!
Einige Meter weiter an der Abzweigung zu den Takkakaw Falls sind wir dann zum „Meeting of the Waters“ vom Yoho River mit dem Kicking Horse River eingeladen, denn die beiden treffen hier aufeinander. Der milchige Yoho River vermischt sich mit dem klaren Gletscherwasser des Kicking Horse Rivers. Aufgrund der vielen Büsche haben wir leider keine gute Sicht und so können wir diese Tatsache nicht bestätigen.
Tja, und unser eigentliches Ziel, die Takkakaw Falls können wir leider nicht besichtigen, da die Straße geclosed ist. Jetzt sind wir furchtbar traurig, die Bilder im Reiseführer haben sehr viel versprochen vom zweithöchsten Wasserfall Kanadas.
Ziel | KM | Campingplatz | Kosten | Getankt |
---|---|---|---|---|
Lake Louise | 92 | Lake Louise Campground | CAD 32,30 | 134 Liter / CAD 199,00 |