Wir haben kaum ein Auge zugemacht letzte Nacht und sind dementsprechend müde. Es hat heftig geschüttet und das Prasseln des Regens auf dem Metallfensterbrett war echt laut. Außerdem sind wir es nicht gewöhnt, in einem so kleinen Bett mit butterweicher Matratze und dann noch mit nur einer gemeinsamen Bettdecke zu schlafen. Frühstück gibt es heute keines, denn sonntags wird es erst ab 08:00 Uhr serviert – wir müssen aber schon um 06:00 Uhr aus den Federn.

Knapp eine dreiviertel Stunde später stehen wir auf der Straße und warten auf das Taxi, das uns zum Flughafen bringen soll. Na, und da kommt es auch schon!

Der Regen hat sich wieder verabschiedet, hat aber eine Luftfeuchtigkeit hinterlassen, uff, die uns ordentlich zu schaffen macht.

Die Fahrt ist wieder sehr reizvoll und überpünktlich erreichen wir den noch fast menschenleeren Flughafen.

Ein kleiner, gelber Flieger der Aurigny Air (18 Sitzplätze) liefert uns nach 15 Minuten Flugzeit heil auf der drittgrößten Kanalinsel Alderney ab. Wir werden von einem Shuttledienst in die Hauptstadt St. Anne gebracht und dort mieten wir uns Fahrräder. Bevor wir uns aber ins Abenteuer stürzen, schlendern wir die Victoria Street hinauf, wo heute Sonntag die Geschäfte leider geschlossen haben. Wir statten der  St. Anne Church einen Besuch ab, deren Innenraum sehr düster und schlicht gehalten ist – lediglich die roten Teppiche und Sitzkissen frischen die Dunkelheit ein wenig auf.

Die Kirche wird umrundet von einem hübschen Friedhof mit alten Grabsteinen. Wilde Orchideen und Hasenglöckchen bilden einen farbigen Kontrast zum grauen Gestein.

Wir verlassen den Ortskern und radeln hinunter zum Braye Harbour und dort bis ans Ende des Breakwaters. Die Wolkendecke reißt auf und der blaue Himmel gewinnt langsam Überhand.

In einem kleinen Laden besorgen wir uns noch Essbares und dann strampeln wir weiter die Küste entlang. Wir kommen aber nur langsam vorwärts, denn es gibt so vieles zu schauen. Vor allem aber schlägt mein Gärtnerherz bis zum Anschlag. Wir befinden uns hier inmitten eines botanischen Gartens, die  liebevoll angelegten Vorgärten, aber auch der Wildwuchs auf den Wiesen und Abhängen tut das Seinige dazu. Vom gelb leuchtenden Frauenschuh, über die Weißglöckchen bis zu den rosa Grasnelken – alle erfreuen uns. Bei einer Rast erspähen wir auch prächtige Exemplare von Fackellilien, die einfach so unbekümmert in der Wiese wachsen. Wenn ich im Kopf so durchrechne, was ein Topferl bei uns kostet, dann wächst hier ein wahres Vermögen! Während wir die erstandene Chorizo mit Baguette verdrücken, genießen wir den Blick auf das Fort Clonque und die dahinter liegenden Vogelfelsen. Das türkise Meer rauscht und ein frisches Lüftchen bläst uns um die Ohren. Die gesamte Hügelkette ist bedeckt mit den schönsten Wild- und Mittagsblumen.

Das Fort Clonque steht auf einem vorgelagerten Inselchen und wurde Mitte des 19. Jhdt´s errichtet. Aufgrund der Ebbe können wir über den Damm radeln, stehen aber vor verschlossen Toren. Von hier haben wir aber einen guten Blick hinüber zu den Vogelinseln.

Es ist kein Vorwärtskommen mit uns beiden – tolle Blicke in die Umgebung und schöne Blüte wollen bildlich festgehalten werden. Und nun noch eine Bergwertung. Beim Hinaufschieben fallen uns die Sitzbankerl auf, die alle eine Widmung an einen Verstorbenen an der Lehne befestigt haben. „Erinnerung an meine liebste Mum, die gerne hier gesessen hat …“ – kein Wunder, ist ja auch ein hübsches Platzerl mit der schönen Sicht auf das Meer, hier inmitten des prächtigen Stechginsters, der sich mit den Farnen verbrüdert.

Wir lassen den sogenannten Zic-Zac-Abschnitt hinter uns und schwingen uns wieder auf die Drahtesel. Ja, Tiere bekommen wir hier genug zu sehen. Fangen wir mal an mit den schwarz gefleckten Schweinen, die gemütlich mützen. Die Ziegen sind beim Fressen und die Gänse watscheln nur so herum.

Wir folgen dem Hinweisschild The Gannets und kommen im Nu zu den beiden Vogelfelsen, die schon von weitem weiß leuchten. Durch den kleinen Gucker können wir dem geschäftigen Treiben der Vögel zusehen. Hunderte von Tölpel flattern auf der Insel herum, kreischen und lassen sich vom Lärm des eben gestarteten Fliegers nicht stören. Ihr Geschnatter bildet mit dem Rauschen des Meeres eine beruhigende Stimmung.

Weiter des Weges begegnen uns unzählige Häschen, die entweder zwischen den Stechginsterbüschen herum huschen oder die sattgrüne Wiese rund um die Start- und Landebahn des Fluggeländes genießen. Die Insel wird im Spitznamen auch lapins genannt, was aus dem Französischen übersetzt Hasen bedeutet.

Wir erreichen wieder St. Anne, lassen die Hauptstadt aber diesmal hinter uns und radeln Richtung Nordwesten. Auf einem Golfplatz teilen sich die Spieler die Rasenfläche wieder mit den kleinen Häschen. Doch beim kleinsten Geräusch sind sie im nächsten Loch oder Busch verschwunden.

So wie die anderen Kanalinseln wurde auch Alderney im zweiten Weltkrieg von den Deutschen besetzt, wo sie Arbeitslager, Bunker und Türme errichteten. Noch heute kann man diese „Andenken“ überall auf der Insel finden.

1912 wurde an der Ostküste der Leuchtturm von Alderney errichtet. Der schwarz-weiß gestreifte Turm ist 37 m hoch und hat eine Reichweite von ca. 45 km. Er ist mit einem Nebelhorn ausgestattet, das man noch in 7 km Entfernung hören kann.

Kurz bevor wir wieder zum Strand der Braye Bay kommen, überqueren wir die Schienen der 1847 erbauten Eisenbahn. Sie diente damals zum Transport von Granitsteinen aus dem Steinbruch. Heute ist die Molly mit ihren zwei Wagen nur noch eine Touristenattraktion. Alderneys „Orient Express“ besteht aus ausrangierten Waggons der Londoner U-Bahnwagen.

Als wir den schneeweißen Strand erreichen, bereiten uns die Hintern schon ordentliche Schmerzen. Daher legen wir eine Rast in einem Strandpub ein. Zu Cider und Guinness schmausen wir wirklich gute Beef Burger.

Danach schieben wir die Räder die Straße hoch und bringen sie wieder zum Verleih zurück. Also, an das Linksfahren haben wir uns schnell gewöhnt und mit den Bikes hat uns das Fahren auch richtig Spaß gemacht. Außerdem ist die Insel mit ihren fünf mal drei Kilometern ja nicht wirklich groß.

Nach einem abschließenden Gang die Victoria Street hinauf und wieder hinunter setzen wir uns in den Schatten und warten auf unseren Transfer zum Flughafen – wenn man das so nennen kann. Der Flughafen besteht aus einem Container, wo primitivst die nötigsten Einrichtungen installiert sind.

Wir haben echt den Eindruck, als befände sich Alderney in einem Dornröschenschlaf! Unbeeinflusst von der Außenwelt mit ungeahnten Naturschönheiten, wo jeder mit einer herzlichen Wärme willkommen ist.

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