Eine schlecht geschlafene Nacht liegt hinter uns und es ist nach wie vor sehr schwül. Bei der geringsten Bewegung klebt die Haut, als hätten wir uns mit Leim eingecremt. Da bringt die kalte Dusche nach dem Frühstück nur kurzfristig Abkühlung. Danach packen wir die wichtigsten Dinge und stapfen los.
Unmittelbar um die Ecke unserer Unterkunft befindet sich die Église Sainte Marie. Die gelbe Kirche wurde 1495 errichtet und 1570 zur Kathedrale erhoben. Im Innenraum dominiert der wunderschöne Boden aus weißem Carrara-Marmor, rotem Marmor aus Oletta und blauem Marmor aus Corte. Wer sich hier in der Kirche eine Abkühlung erwartet, der wird enttäuscht, denn es hat hier nahezu die gleiche Temperatur wie in einer Sauna.
Im Pfarrhaus neben dem Kirchengebäude wohnten der Schriftsteller Viktor Hugo und sein Vater einige Jahre.
Wir schlendern weiter und kommen an einem kleinen, aber sehr stilvollen Flohmarkt vorbei. Unser Rundgang führt uns durch die schmalen Gassen mit ihren mehrstöckigen Häuserfronten. Bemerkenswert sind hier die nachgerüsteten kleinen Klos auf den Balkonen. Der erd- und pastellfarbene Putz bröckelt an vielen Stellen schon von den Fassaden und viele Fenster hängen in ihren Rahmen. Die aus den Fenstern aufgespannte Wäsche bringt etwas Farbe in das schmutzige Gelb und das triste Grau. Aber das passt einfach alles in das südliche Flair. Das wird komplettiert von den vielen schön blühenden Oleanderbüschen, Hibisken, Bougainvilleas, Feigenbäumen und Palmen.
Wir machen einen kurzen Abstecher zum Ancien palais des gouverneurs, dem früheren Palais des genu-esischen Gouverneurs (15. – 18. Jhdt.). Seit dem 20. Jhdt. steht das Gebäude auch unter Denkmalschutz und beherbergt heute ein Museum.
Am Kai des Hafens sind die Restaurants wie auf einer Perlschnur aufgereiht und die Speisekarten lassen uns schon jetzt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Dominiert wird das Hafenviertel aber von der Barockkirche Saint-Jean-Baptiste mit ihren zwei mächtigen Glockentürmen. Sie ist Johannes dem Täufer geweiht und die größte Pfarrkirche Korsikas. Hier werden wir Zeuge einer für uns ungewöhnlichen Taufe. Ein kleines, etwa zweijähriges Mädchen ist heute der Mittelpunkt des Spektakels, das von einem jungen, feschen Priester vollzogen wird. Am Taufbecken wird der Kleinen erst eine Ladung Wasser über den Kopf gegossen und danach darf sie sich´s auf dem Altartisch bequem machen. Zu guter Letzt darf sie eine an einer Leine gehängten Glocke läuten und das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Im Gegenteil, sie hört gar nicht mehr auf zu bimmeln.
So, nun können wir uns dem Inneren der Kirche widmen. Auf dem schwarz-weißen Steinfußboden stehen schlichte, dunkelbraune Holzbänke, die gut mit dem Gold der prachtvollen Orgel harmonieren. Auf dem barocken Hochaltar befindet sich ein Christus aus Pappmaché und im hinteren Teil des Gotteshauses bewundern wir das mächtige Taufbecken aus Marmor.
Wir verlassen die Kirche über den Seitenausgang und befinden uns direkt auf dem Place du Marché. Der Marktplatz ist mit Schieferplatten verlegt und hat sein ursprüngliches Erscheinungsbild bewahrt. Zu unserer Freude ist heute Markttag und so stürzen wir uns gleich ins Getümmel. Erst mal flanieren wir von Stand zu Stand und gucken, was es da so Köstliches gibt. Und das ist schon einiges – Kastanienbrot, Hasenfleisch, Weiße Pfirsiche, Ziegenkäse, Wildschweinwurst, getrocknetes Fleisch, Kaktusfeigen, Honig, Blumen und vieles, vieles mehr. Die verschiedensten Düfte vermischen sich und wir fühlen uns so richtig wohl. Daher greifen wir auch gleich zum Portemonnaie und kaufen Obst, Brot und Fleisch für die Jause am Abend.
Unser nächstes Ziel führt am Hafen vorbei, wo gerade wieder einige Fährschiffskolosse ankern. Im ruhigen Wasser des Hafenbeckens schaukeln die Yachten und kramen Fischer auf ihren Booten herum. Jetzt kommt das Urlaubsgefühl in uns so richtig auf.
Wir spazieren wieder eine Gasse hinauf und erreichen den Place St. Nicolas, einer der größten Plätze Europas. Er ist sogar größer als der Petersplatz in Rom. Aber er hat nicht das Flair; die große Fläche wurde mit rotem Asphalt geteert und bis auf ein Kriegerdenkmal und einer großen Statue von Napoleon ist er schmucklos. Eine Platanen- und Palmenallee fassen den Platz ein, die etwas Schatten bieten. Die Sonne knallt heute wieder so richtig herab und daher beschließen wir hier unsere Mittagspause einzulegen. Wir nehmen an einem der vielen Tische des Restaurants „U L´essentiel“ Platz und bestellen Salat, Wasser und Cola für den Kreislauf.
Obwohl wir noch kurz zuvor beschlossen haben, uns hier nicht mehr wegzubewegen, schlendern wir doch weiter und besuchen die kleine Bruderschaftskapelle Oratoire de l´Immaculée Conception. Ein wunderschönes Kieselmosaik auf dem Vorplatz zieht schon am Eingang unsere Aufmerksamkeit auf sich. Der Bau der Kapelle wurde 1589 begonnen und in den nächsten Jahrhunderten mit der Innenausstattung komplettiert. Die Wände sind im unteren Teil mit geschnitztem Holz getäfelt und darüber mit karmesinrotem Samt bespannt. In einer Seitenvitrine befindet sich die Marienstatue der „Unbefleckten Empfängnis“, die jedes Jahr am 8. Dezember in einer Prozession durch die Straßen der Altstadt getragen wird.
Auf dem Rückweg zu “unserem” Haus machen wir noch einen Abstecher zum Jetée du Dragon, dem Ende der Hafenmole, von wo wir eine tolle Aussicht auf das Hafenbecken, die Fähren, das Häusermeer und die umliegende Gegend haben.
Geschafft und mit schmerzendem Fuß (Wolfgang) spazieren wir nach Hause. Nach einem Nachmittagsschläfchen gibt es die Dusche Nummer zwei und dann fallen wir über unsere Errungenschaften vom Markt her. Es ist mittlerweile kurz nach 18:00 Uhr, es beginnt zu donnern und dann kommt ein ordentlicher Regenguss, der aber nicht lange andauert.
Gegen 20:00 Uhr verlassen wir nochmal das Haus und schlendern zweimal ums Hauseck, wo wir uns am Place du Donjon in einer Brasserie niederlassen. Wir bestellen uns Cocktails, lauschen dem Chansonnier und beobachten die vorbeiflanierenden Menschen. Es ist wieder so angenehm geworden, sodass wir ohne Jacken gemütlich den Abend ausklingen lassen. Bonne nuit!