Das Hinausfahren aus der Stadt ist schon ein Abenteuer für sich. Der Straßenrand ist verparkt, die Lieferanten stehen daneben auf der Straße und dazwischen queren die Fußgänger in alle Richtungen. Zudem sind die Fahrstreifen nicht breiter, als sie unbedingt sein müssen. Daher geht es zwar mit stop and go doch flüssig voran. Es gibt kein Gedränge oder Gehupe, sondern es wird sehr zuvorkommend gefahren. Ein Kreisverkehr nach dem anderen hält den Verkehr flüssig und die Korsen manövrieren ihre kleinen Autos gekonnt durch die kleinsten Gassen und Kurven.
Die Fahrt entlang der Küste des Cap Corse ist sehr scenic, ein Blütenmeer wohin man schaut und rechterhand das türkise Meer mit den Badebuchten.
Unser erster Abstecher nach Castello zur Chapelle Notre-Dame-des Neiges ist leider erfolglos, da die süße kleine Kapelle aus Stein leider verschlossen ist.
Vorbei am Ort Erbalunga, der direkt auf einer Landzunge klebt, schlagen wir uns wieder ins Landesinnere durch nach Sisco. Aber auch da bleiben uns die Tore verschlossen. Genug von Kirchen und Kapellen, ab jetzt bleiben wir auf der Durchzugsroute und widmen uns der schönen Landschaft. Die Abhänge sind bewachsen mit Macchia Büschen und Feigenbäumen und die Straße ist in der Höhe in den Felsen gehauen. Große Flächen der Macchiasteppe ist im heurigen Sommer einem Brand zum Opfer gefallen, da gibt es außer Asche nichts mehr zu sehen.
Entlang der malerischen Buchten mit kleinen Marinas, können wir immer wieder einen der vielen korsischen Genueser Türme, wie zum Beispiel die Tour de Losse, sehen. Diese Türme wurden auf Betreiben der Schutzmacht Genua erbaut und dienten hauptsächlich als Beobachtungsposten. So konnte man die Bevölkerung vor drohenden Gefahren warnen, damit diese ins Hinterland flüchten konnte. Außerdem waren die Turmwächter dafür zuständig, von den durchfahrenden Schiffen die Abgaben zu kassieren. Heute gibt es auf Korsika noch etwa 60 dieser Türme, die restauriert werden.
Bei Macinaggio biegen wir ins Landesinnere ab und müssen bis Rogliano die kurvige, schmale Straße mit Schlaglöchern und ohne Bankett befahren. Der Gegenverkehr kann sich über einen breiteren, frisch asphaltierten Fahrstreifen freuen.
Wir erreichen den Pass (der Col de la Serra – 365 m) und nach einem halbstündigen leichten Marsch aufwärts kommen wir zur Moulin Mattei. Das ist eine der seltenen Windmühlen und wurde nach dem Ersten Weltkrieg von dem Spirituosenfabrikanten Mattei gekauft und restauriert. Seine Produkte sind angeblich berühmt und anerkannt, wir haben aber davon noch nie was gehört. Von hier oben haben wir einen malerischen Ausblick auf den Hafen von Centuri.
Weiter geht es über Ersa bis an die Westküste nach Centuri. Es ist mittlerweile fast zwei Uhr nachmittags und Hunger macht sich in uns breit. Daher fallen wir in das nächstbeste Restaurant ein, einem Fischlokal. Was wir zu essen bekommen, das sind wir uns nicht ganz sicher, da wir unser Dictionary vergessen haben und mir die Küchenbegriffe nicht mehr so geläufig sind. Na, dann lassen wir uns eben mal überraschen. Während wir auf unser Essen warten, können wir zusehen, wie die Kellnerin den Gästen die lebendigen Langusten auf den Tisch setzt, damit diese schon Freundschaft schließen können. Meint der Gast, dass es dem Tier in seinem Bauch gut gefallen könnte, dann wird die Languste in die Küche gebracht, um wenig später auf einem Teller wieder zurück zu kommen. Ja und was ist aus unserer Bestellung geworden? Wir bekommen leckere Frito Misto, Dorade und „Liché“ – keine Ahnung, was das für ein Fisch ist, Wolfgang schmeckt er auf jeden Fall sehr gut. Wir sind zum Bersten voll als wird das Restaurant verlassen und etwas träge setzen wir unsere Tour fort.
Das winzige Dorf Canelle ist unser nächstes Ziel und das können wir jedem Korsikabesucher nur wärmstens empfehlen. Enge Gässchen, mit Schieferplatten gepflastert, Stufen, die unter überwölbten Durchgängen in den Fels geschlagen sind, führen durch das Dorf, das – so scheint es – bis heute nicht aus seinem Dornröschenschlaf aufgewacht ist. Das eintönige grüne Schiefergestein wird aufgeputzt von den schönen Oleanderblüten. Nach dem letzten Haus kommen wir zu einer in Stein gefassten Quelle, geschmückt mit einer kleinen Statue. Drei Frauen sitzen gemütlich auf ihren Hockern, den Zeichenblock auf dem Schoß und versuchen die Stimmung abseits jeglicher Hektik auf Papier festzuhalten. Richtig romantisch!
Wir fahren wieder zurück nach Centuri, wo wir einen hübschen kleinen Hafen vorfinden. Das Becken ist gefüllt mit Fischerbooten und am Ufer liegen Berge von Fischernetzen. Draußen an der Mole peitscht das Meer ans Ufer und die feine Gischt erfrischt unsere Haut. Bevor wir uns wieder auf die Reise machen, schlendern wir ein wenig die Hafenmauern auf und ab.
Die Westküste zeigt sich von einer ganz anderen Seite als der Osten. Sie ist stärker zerklüftet und die Hänge fallen steil zum Meer ab. Agaven und mächtige Opuntien bedecken die Abhänge, die gerade voll sind mit Kaktusfeigen.
Die untergehende Sonne spiegelt sich bereits im Meer, als wir einen kurzen Halt in Pino einlegen. Hier können wir Boule Spielern im Schatten großer Platanen eine Weile zusehen und danach auch unsere Einkäufe erledigen.
Unser letztes Ziel für heute ist Nonza, das sich regelrecht an die Steilküste über dem tiefblauen Meer klammert. Der einstige Turm einer Festung aus grünem Schiefer ragt heute noch über den Ort hinaus. Von dort oben haben wir einen weiten Ausblick auf den schwarzen Kieselstrand, der aus den Gesteinshalden einer früheren Asbestmine stammt (geschlossen seit 1965). Vom Fuß des Turms können wir auch auf den kleinen Platz mit der entzückenden Église Ste-Julie hinuntersehen.
Die Dorfkirche aus dem 16. Jhdt. ist gelb und orange bemalt mit türkisfärbigem Portal und besitzt eine tolle Freitreppe am Eingang. Zum Abschluss des Tages genehmigen wir uns noch ein Pietra in der Bar „La Sassa“ unmittelbar unter dem La Tour de Nonza und lauschen dem Meeresrauschen und dem französischen Gequassel rund um uns. Der Duft von Rosmarin, Basilikum und Weinraute, die hinter uns am Abhang wachsen, strömt in unsere Nasen. Ach, ist der Urlaub schön!
Wir brechen auf und können so während der Rückfahrt noch den schönen Sonnenuntergang genießen. Der Verkehr ist sehr wenig geworden und so beschließt Wolfgang die Pole Position in der Tour-de-Korsika zu übernehmen. Im Halbdunkel durchqueren wir das Patrimonio, wo ein Weingut neben dem anderen liegt. Aber denen widmen wir uns später.