Um unser erstes Ziel von heute zu erreichen, fahren wir wieder in die Berge. Einen Teil der Strecke kennen wir von gestern Abend schon, nur biegen wir vor Patrimonio zum 960 m hohen Serra di Pigno ab. Schon ab der Kreuzung wird die Straße, wenn man das überhaupt noch so nennen kann, schmäler. Der Asphalt weist kratertiefe Schlaglöcher wie nach einem Meteoriteneinschlag auf. Ab etwa der halben Strecke bevölkern Ziegen die Straße und erst durch unser Zurufen traben sie gemächlich zur Seite. Oben angekommen gehört der Berg nur uns, denken wir erst. Denn neben der riesengroßen Radarstation, oder was immer das auch ist, liegen gemütlich Kühe herum. Aber was fressen die Viecher hier oben eigentlich? Es wächst da nur halbhohe Macchia und hin und wieder mal eine Herbstzeitlose.
Der Wind bläst ordentlich, aber das ist mal eine gute Abwechslung zur Schwüle in den Städten. Dafür haben wir eine traumhafte Aussicht auf Bastia, St-Florent, das Meer und die umliegenden Bergen. Es herrscht hier eine Ruhe, die nur durch das Surren des Senders etwas gestört wird.
Wir genießen eine Weile den Frieden und dann kehren wir zur Kreuzung zurück. Von dort nehmen wir die D38, die uns in das Gebiet des Nebbio bringt. Während wir die schmale Bergstraße hinunter fahren, öffnen sich weite Blicke auf die Felder rundherum.
Wir legen bei Oletta den nächsten Halt ein. Die Kirche sieht nur von außen toll aus, das Innere muss man nicht unbedingt gesehen haben, obwohl unser Reiseführer davon schwärmt. Uns beeindrucken da die Greifvögel mehr, die in der Luft regelrecht schweben und ihrer Beute auflauern.
Weiter des Weges in den Süden kommen wir unserem Highlight des Tages immer näher, nämlich der Kirche San Michele in Murato. Sie wurde in etwa 1280 aus grünem Serpentin und Kalkstein erbaut und an der Außenfassade reichlich mit Figuren verziert. Da sie sich etwas außerhalb des Ortes befindet und auf einem kleinen Plateau steht, kommt sie besonders gut zur Geltung. Tja, so sollte das alles sein, aber als wir die letzte Kurve rumfahren und auf dem Parkplatz stehenbleiben, ist der Schock riesengroß. Die Kirche ist zu unserem Entsetzen in ein blaues Kondom verpackt. Das darf doch nicht wahr sein! Arbeiter klopfen an der Fassade herum und um die Kosten von 607.329 Euro soll sie in ein neues Kleid gepackt werden. Die Enttäuschung ist riesengroß.
Auf der Strecke nach St-Florent machen wir noch einen kurzen Halt in Piève. Der tolle Glockenturm und die drei Menhir Statuen daneben, ehemalige Grabstelen aus kristallinem Schiefer, versöhnen uns wieder ein wenig.
Die letzten Kilometer vor St-Florent sind landschaftlich wieder traumhaft. Die Abhänge sind bewachsen mit mächtigen Kakteen, Edelkastanien und Feigen- und Olivenbäumen. Die Fahrt auf der engen, sehr kurvigen Straße kostet viel Konzentration, die plötzlich von halbwilden Schweinen auf der Straße unterbrochen wird.
St-Florent ist schon von weitem sichtbar und an der Hafeneinfahrt wuselt es nur so von Menschen. Der Badeort wird auch „St. Tropez von Korsika“ genannt, da er schöne Strände hat und vor allem einen großen Hafen besitzt. Dort stellen wir auch unser Auto ab und können auf dem Weg in die Altstadt die vielen, tollen Jachten bewundern. Wir spazieren durch die verwinkelten Gassen, vorbei an lauschigen Plätzen, bis zur Zitadelle hoch. Sie überragt die Stadt und den Hafen und von dort haben wir einen tollen Blick auf die alten, auf Meereshöhe erbauten, Häuser. Abschließend streifen wir noch durch die Einkaufsstraßen und im Hafen wieder angekommen, schauen wir einer Gruppe junger Boule Spieler noch eine Zeitlang zu.
So, das war´s für heute – Rückfahrt und zuhause noch gemütlich machen, morgen ist auch noch ein Tag!