Als wir heute den Vorhang wegziehen, sind wir kurz erschrocken, denn eine Wolkendecke liegt über der Stadt, obwohl wir schönes Wetter gebucht haben. Doch während wir das Frühstück genießen, reißt die Decke auf und es treiben nur noch Schäfchenwolken am Himmel.
Kurz nach 09:00 Uhr marschieren wir los und landen mitten in einer Veranstaltung. Musik untermalt einen Sprecher, der lauthals durch´s Mikrophon Durchsagen macht. Von allen Seiten strömen Menschen jeden Alters herbei und nachdem viele von ihnen eine Startnummer auf ihrer Kleidung tragen, wissen wir zumindest mal, dass es sich bei dem Event um einen Marathon handelt. Mehr haben wir leider nicht herausgefunden. Egal, wir machen unser eigenes Ding und spazieren gemütlich die Rua Augusta hinunter zum Arco, den wir besteigen möchten. Da erst um 09:00 Uhr die Pforte geöffnet wird, schlendern wir Richtung Tejo und lassen die morgendliche Stimmung auf uns wirken. Am Ufer ist bereits ein Künstler fleißig gewesen und hat einen Drachen aus Sand modelliert. Damit das Tier nicht abhaut, erhält es eine Dusche aus einer Gießkanne. Wie süß, am Schwanzende hat der Drache noch ein Baby. Nicht weit entfernt stapelt ein älterer Mann aus Steinen Figuren und bemalt sie auch noch. Wir sind nicht die einzigen, die die Atmosphäre hier am Wasser genießen. Langsam lassen wir den Blick von einer Seite zur anderen wandern und da fällt uns das riesige Kreuzfahrtschiff auf, das im Hafen ankert. Es ist größer als die Hausfront am Ufer und von hier aus gesehen, macht es den Anschein, als könnte man vom Schiff direkt ins Haus gehen!
Vor uns weitet sich der große, rechteckige Praça do Comércio aus, der umrahmt ist von den grell gelb gestrichenen viergeschossigen Gebäudekomplexen. Schon vor dem großen Erdbeben von 1755, als sich hier noch der Königspalast befand, waren auch die Reedereien hoch im Kurs und bildeten das Zentrum des Handels. Nach dem Erdbeben war Marquis von Pombal federführend für den Aufbau von Lissabon und so erhielt der ehemalige Handelsplatz sein heutiges Aussehen.
Der Platz zählt zu den größten und wichtigsten der Stadt und unter den Arkaden haben viele Händler Tische aufgestellt und bieten tolle handwerkliche Produkte an. In der Mitte des Platzes steht die Reiterstatue von José I., der Lissabon den Rücken zukehrt. Das wurde anscheinend bewusst so gemacht, da der König beim Erdbeben die Flucht ergriff und erst zur Enthüllung seines Denkmals zwanzig Jahre später wieder zurückkehrte.
Den Eingang zur Altstadt bildet der imposante Arco da Rua Augusta. Zwanzig Jahre nach dem Erdbeben 1755 wurde er erbaut und schon zwei Jahre danach wieder auf Befehl von Königin Maria I. abgerissen. Knapp hundert Jahre später wurde dann dieser Triumphbogen errichtet, wie er heute noch steht. Säulen tragen den dreißig Meter hohen Bogen und an beiden Seiten symbolisieren zwei Figuren die Flüsse Tejo und Douro. Sie sind gut zu erkennen, da sie gemütlich auf einer großen Welle sitzen. Zwischen den beiden Flüssen posieren noch vier weitere Persönlichkeiten aus der Geschichte der Stadt, darunter der Entdecker Vasco da Gama und auch der Marquis von Pombal, der für die Neugestaltung von Lissabon einen großen Beitrag geleistet hat. Über dem Bogen befindet sich die Inschrift „Den Tugenden der Größten“ aus der Zeit der Entdeckungen. Er symbolisiert die Widerstandsfähigkeit und Stärke Lissabons, nach den vielen Katastrophen immer wieder aufgestanden zu sein. Gekrönt wird der Bogen von den allegorischen Statuen der Göttin Glory mit langem Kleid, Valor mit Helm, Genius als Jupiter und König der Götter.
Seit August 2013 ist der Arco begehbar und mit der Lisboa-Card haben wir kostenlosen Eintritt. Wir sind heute die ersten Besucher und nach dem Lösen der Tickets durqueren wir ein Drehkreuz und landen vor einem Lift. Der bringt uns in eine Zwischenetage, wo das Uhrwerk der Turmuhr von 1941 mit mehrsprachigen Erklärungen zum Mechanismus zu betrachten sind.
Unsere Tickets gewähren uns Zugang zur ampelgeregelten engen Treppe, die uns schließlich auf die Aussichtsterrasse bringt. Hier befindet sich die Glocke, die mit dem Mechanismus über ein Stahlseil verbunden ist. Dann stehen wir zu Füssen der strahlend weißen Figurengruppe und wir fühlen uns wie Ameisen darunter. Jetzt können wir auch die Details näher betrachten und mit sanftem Gesichtsausdruck krönt die Göttin Gloria Valor und Genius krönt. Michael kitzelt die Zehen von Goliath, aber er scheint nicht kitzelig zu sein. Wir nutzen die Gunst der Stunde, dass die Aussicht uns allein gehört und genießen den 360º Panoramablick über die Stadt. Die Menschen bevölkern schon die schwarz-weiß gepflasterte Einkaufsstraße Rua Augusta. Rechterhand erhebt sich die Kathedrale Sé aus dem roten Dächermeer der Altstadt, wo sich die Häuser an den Hügel schmiegen. Auf der gegenüberliegenden Seite erblicken wir den berühmten Lift, daneben die Ruinen des Konvents und darüber thront das Castelo de São Jorge auf dem Hügel. Auf so mancher verwinkelten Gasse sind wir auch schon herumgelaufen oder mit der Tram gefahren. Wir drehen uns weiter und hier breitet sich der Praça do Comércio vor dem Tejo-Becken aus, wo das Wasser in der Morgensonne glitzert. Die andere Flussseite wird mit der Pont 25 de Abril verbunden und an deren Ende hält Cristo-Rei einladend seine Arme aus. Wir sind überwältigt von dem atemberaubenden Blick auf die Stadt mit ihren beeindruckendsten Bauwerken. Dennoch müssen wir den Rückzug antreten und Platz für die nächsten Touristen machen.
Wieder zurück überqueren wir zügig den Handelsplatz und stapfen dann entlang des Flussufers bis zum Cais do Sodre. Hier kaufen wir uns Tickets für die Fähre, um ans andere Ufer zu gelangen. In etwa nach einer Viertelstunde landen wir in Almada an der Rua do Ginjal, hier lassen wir das Restaurant links liegen und spazieren los. Schon nach wenigen Schritten stoßen wir auf Graffitis, die die verwahrlosten Mauern der Gebäude zieren. Auf unserem Spaziergang entlang des Flussufers begegnen wir einigen einheimischen Fischern, die ihr Glück versuchen. Der ein oder andere verschwindet durch ein halb verfallenes Holztor und da uns die Neugier plagt, blicken wir auch schnell hinein. Alles, was angeschwemmt und aus dem Tejo gefischt wurde, findet hier Verwendung. Aus verrosteten Sesseln und verschlissenen Holzmöbeln hat sich ein Survivor oder ein Obdachloser einen Wohnraum geschaffen. Schaut schon skurril aus und um niemanden zu stören, schlendern wir gemütlich weiter. Das Wasser plätschert sanft an die Kaimauer und der Rost nagt an den Docks. Von hier haben wir einen beeindruckenden Blick auf die andere Flussseite und linkerhand ragen die Pfeiler der roten Brücke des 25. April aus dem Wasser, die imposanter wird, je näher wir ihr kommen. Die Wandmalereien werden immer üppiger und während wir so dastehen und eine Hauswand bildlich festhalten, werden wir Zeuge eines Streits im Obergeschoß. Wir hätten nicht vermutet, dass hier in den halb verfallenen Häusern jemand lebt. Da stört es nicht, dass die Dächer eingestürzt sind und auf den Mauerkanten sich rosa blühende Löwenmäulchen und gelber Sauerklee wohl fühlen. Die gesamte Häuserzeile ist bunt besprüht und die satten Farben setzen einen tollen Kontrast zu den alten, „verlassenen“ und ruinenhaften Gebäuden. Am ehemaligen Clube Náutico de Almada macht der Weg einen scharfen Hacken und hier kann ich durch eine offene Tür zwei Sprühern live zusehen. Ich hab mich aber nicht getraut, sie zu stören und anzusprechen und die anderen sind auch schon beim Strand vorne. Daher stapf ich weiter, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Auf dem Praia das Lavadeiras sind Spaziergänger unterwegs und gönnen ihren Vierbeinern den Auslauf am Sand und im seichten Wasser. Direkt am Strand stoßen wir auf das Restaurant Atira-te ao Rio, wo gerade Kellner damit beschäftigt sind, auf den türkisen Metalltischen Teller und Gläser aufzustellen. Direkt vor dem Eingang steht eine Tafel mit einem super Spruch drauf „Caution – the stay at this location can cause states of relaxation, satisfaction and extreme desire to Return“. Leider ist es für uns noch zu früh zum Verweilen, daher schlendern wir weiter. Das Restaurant Ponto Final reiht sich direkt an und ist mit denselben Tischen und Stühlen ausgestattet, wie der Nachbar, nur dass diese gelb sind. Auf einem winzig kleinen Steg, der in den Fluss führt, sind auch Tische aufgestellt. Echt romantisch, aber wenn du da zu viel getrunken hast, liegst du bei einem falschen Schritt im Wasser.
Wir sind am Ende der Rua do Ginjal angekommen und hier ragt der Elevador Panorâmico da Boca do Vento hoch hinauf. Als wir uns ihm nähern, werden wir informiert, dass er nicht in Betrieb ist. Daher gehen wir weiter des Weges, durchqueren den Jardim do Rio und folgen der Rua do Ginjal am Kai entlang. Wir übersteigen einige „Einfahrt Verboten“ – Schilder, wir wollen ja nicht einfahren, sondern einfach nur drübersteigen. Langsam nähern wir uns der Quinta da Arealva und obwohl die Siedlung von Weitem schon etwas gespenstisch aussieht, sind wir doch sehr neugierig. Die Farm liegt direkt am Fluss und besteht heute nur noch aus zerfallenen Gebäuden und Lagerhäusern. Anfangs sind wir etwas furchtsam, aber je mehr Graffitis wir entdecken, umso entschlossener werden wir, in jede Ruine zu gehen, um zu entdecken, was sich dahinter verbirgt. Bunte Farben hauchen Leben in die zerbrochenen und zerfallenen Gebäude und schwer lässt sich erahnen, wie es hier einst ausgesehen haben mag. Unermüdlich klickt der Fotoapparat, alles möchten wir bildlich festhalten und Michael klettert auch auf so manches Haus, um vielleicht Besonderes zu entdecken. Doch jeder Schritt muss bewusst und achtsam gemacht werden, denn es sind die Spuren des Verfalls gut sichtbar. Verbrannte, eingestürzte Balken und abgesplitterte Fliesen vermischen sich mit viel Müll, der einfach hier abgeladen wurde. Im 18. Jhdt. wurde hier profitabler Weinbau betrieben und das große Anwesen bestand neben den Weinbergen aus mehreren Wohngebäuden, Lagerhäusern und einer Böttcherei, wo Fässer hergestellt wurden. Von einem eigenen Pier wurde der Wein wegtransportiert, weil es auf dem Landweg schwierig war. Im 19. Jhdt. ging der Besitz an die Sociedade Vinícola Sul de Portugal über und aufgrund von Feuer und Zerstörungen in den folgenden Jahrhunderten wurde die Quinta aufgegeben. Danach fanden in den Sommermonaten noch Festivals statt bis schließlich ein Insolvenzverfahren eingeleitet und der Komplex versteigert wurde. Es sollte hier ein neues Viertel entstehen und wiederbelebt werden, aber wie man sieht, ist daraus nichts geworden. Heute ist es ein Betätigungsfeld für Graffiti – Künstler geworden, die spektakuläre Kunstwerke vollbringen. Viele davon sammeln wir mit unseren Kameras ein und obwohl wir gar nicht satt werden davon, suchen wir uns jetzt den Weg aus der Lost City. In einem Lagerhaus werden wir dann fündig, denn hier führt eine Treppe steil hinauf und wir landen im Gartenbereich, direkt am Fluss gelegen. Die Abhänge sind bewachsen mit üppigem Buschwerk, wo gerade die gelben Blüten der Mimosen, die rosa Malven und das blaublühende Immergrün farbige Akzente ins Grün setzen. Wir folgen einem ausgeschwemmten Weg auf einen Hügel hinauf und bei jeder Rast genießen wir den tollen Blick auf die Brücke. Im 3-Minuten-Takt schweben die Flieger darüber hinweg Richtung Flughafen. Der Cristo-Rei mit seinen ausgebreiteten Armen kommt auch schon ins Blickfeld. Die Sonne brennt gnadenlos auf uns herunter und wir sind froh, dass der größte Teil des Weges schattig ist. Ein wenig Plage muss sein, schließlich pilgern wir zum Cristo Rei.
Fast geschafft, vorbei am Kreisverkehr biegen wir zum Praceta do Cristo Rei ein. Ohne Umschweife steuern wir direkt zum Café und besorgen uns eine Kleinigkeit zu essen und Wassernachschub. Während wir auf der Terrasse die Tapas genießen, können wir zwei Kids beobachten, wie sie mit dem Wasser eines in den Boden eingelassenen Brunnens spielen. Nur gut, dass es heute so warm ist, dann trocknen die Unterhosen schneller. Nach einem abschließenden Espresso, Gerti und Michael gönnen sich auch noch was Süßes dazu, füllen wir noch unsere Wasserflaschen auf und machen einen kurzen Abstecher zu den Toiletten. Jetzt haben wir wieder genug neue Energie aufgetankt, um den Cristo Rei zu besuchen.
Als wir auf ihn zugehen, zeigt er uns den Rücken, aber das stört nicht, denn wir sind allein schon vom 82 Meter hohen Sockel beeindruckt. Die darauf stehende Statue des Cristo ist 28 Meter hoch und dieselben Maße haben auch seine ausgebreiteten Arme. Im Fuß des Sockels ist die Capela de Nossa Senhora da Paz untergebracht, die lassen wir aber links liegen. Wir biegen um die Ecke und stehen vor einer unendlich langen Warteschlange. Daher beschließen wir, dass sich zwei von uns anstellen und die anderen gucken gehen. Das Monument mit dem Cristo Rei steht auf einem runden parkähnlichen Platz, wo hunderte Olivenbäume gepflanzt wurden. Dazwischen gibt es Wege und Wiesenflächen und darauf sind verschiedene christliche Andachtsstätten verteilt. Es sind nur wenige Schritte, dann steht man vor dem Geländer direkt vor dem Abhang des Hügels. Vor uns breitet sich Lissabon aus und der Blick über den Tejo auf die Häuser, Hängebrücke und Bauwerke ist unbeschreiblich gigantisch. Dreht man sich um, steht der Cristo vor einem mit seinen ausgebreiteten Armen und man hat das Gefühl, er wartet auf dich, um sich gegenseitig zu umarmen. Nach und nach genießen wir alle die Aussicht und dann stellen wir uns brav in die Warteschlange für den Lift auf die Aussichtsplattform. Wolfgang informiert uns während wir warten mit den geschichtlichen Details zur Statue. Der Lissaboner Erzbischof besuchte 1934 Rio de Janeiro und bewunderte dort die Christusstatue. Sollte Gott das Land vom aufkeimenden Zweiten Weltkrieg verschonen, dann wird auch in Lissabon eine Kopie der Statue gebaut. 1949 wurde das Versprechen dann in die Tat umgesetzt und zehn Jahre später der Cristo Rei eingeweiht, entworfen von Francisco Franco de Sousa.
Wir warten und warten und langsam bewegt sich die Menschenschlange vorwärts. Dabei zählen wir die Flieger, die im 03:30 – Minuten – Takt die Stadt anfliegen. Zwanzig Flieger später stehen wir im Innenraum des Sockels und wenige Minuten später im Lift nach oben. Vorbei an einer kleinen Kapelle folgen wir den anderen durch zwei enge Treppenaufgänge und befinden uns nun im Himmel. Aufgrund ihrer Höhe ist die Christusstatue die siebthöchste der Welt und natürlich auch eines der höchsten Bauwerke des Landes. Wow, das Panorama ist einfach großartig! Blickt man gen Himmel, lächelt einem der Cristo an mit seinem sanften Gesichtsausdruck. Wenn man sich richtig hinstellt, zaubert die Sonne dem Cristo einen Heiligenschein. Es macht sich ein inneres Gefühl breit von Freiheit, Zufriedenheit und Glücklichsein. Daher können wir uns nur schwer losreißen und treten den Rückweg an. Der Wartebereich für den Lift befindet sich mitten im Souvenirladen, doch wir widerstehen dem Krimskrams.
Unten wieder angekommen, pilgern wir nochmal in die Toiletten und dann verlassen wir die Wallfahrtsstätte. Schon etwas schweren Schrittes stapfen wir durch die Gassen bis zur Bushaltestelle Pragal hinunter. Für die Fahrt über die kostenpflichtige Ponte 25 de Abril müssen wir trotz Lisboa-Card auch bezahlen, aber Hauptsache wir können eine Weile sitzen.
Auf der anderen Flussseite angekommen, steigen wir dann in die Buslinie 751 um, die uns nach Belém fährt. An der Rua da Junqueira verlassen wir den Bus und kehren direkt beim Gelados Santini Lisboa ein. Wir genießen das Eis während wir die Bahnlinie mittels eines Übergangs überqueren und direkt am Kai landen. Hier beginnt auch der Hafen und es herrscht reges Treiben hier. Das traumhafte Wetter zieht Groß und Klein ins Freie und jeder genießt auf seine Art die fortgeschrittene Stunde des Tages. Die späte Zeit ist leider auch der Grund, dass wir beraten müssen, was wir uns heute noch anschaun möchten und können. Schweren Herzens beschließen wir dann, dass wir das Monument Padrão dos Descobrimentos, den Jardim Botânico Tropical, den Jardim Praça do Império und das Mosteiro dos Jerónimos nicht mehr schaffen. Die Gärten, das Denkmal für die Entdeckungen und auch das Kloster müssen wir uns für einen nächsten Portugal-Besuch aufheben.
An einem Kassahäuschen vor dem Torre de Belém lösen wir unser kostenloses Ticket und dann schreiten wir auf die Holzbrücke zu. Vor dem Eingang hängt an der Kalksteinmauer das 1983 verliehene UNESCO – Schild, das den Turm zum Kulturerbe ausweist. Der Turm ist ein markantes Wahrzeichen direkt am Tejo und wurde im 16. Jhdt. zum Schutz der Flussmündung errichtet. Er begrüßte aber auch die Schiffe, die Waren ins Land brachten, denn Lissabon wurde unter anderen durch Vasco da Gama ein wichtiges Handelszentrum und eine führende Seemacht. Im Auftrag des Königs Manuel I. wurde zur Verteidigung diese kleine Festung errichtet mit zwei Bollwerken und dem vierstöckigen Turm. Die untere Bastion war mit 17 Kanonen ausgestattet und diente später als Gefängnis, zum Leidwesen der Inhaftierten, da sie bei Flut und Stürmen ständig bis zur Hüfte im Wasser standen.
Wir betreten die Festung durch ein mächtiges Tor und landen direkt im Gefängnis, äh bei den Kanonen und Schießscharten. Hier halten wir uns aber nicht lange auf, sondern steigen auf die Plattform hoch. Halbhohe Mauern verbinden hier die Aussichtstürme, von denen man einen guten Blick auf den Fluss hat. Vor uns ragt der 35 Meter hohe Turm hoch, dessen Zinnen Kreuze des Christusordens zeigen. Der Turm weist von unten bis oben viele Verzierungen auf, die im manuelinischen Stil geschaffen wurden. Dieser Architekturstil ist Anfang des 16. Jhdts. im Königreich Portugal entstanden und ist eine Mischung aus Gotik und Renaissance mit maurischen Einflüssen und benannt nach dem damaligen König Manuel I. Maritime Ornamente, Seile und Knoten, religiöse Symbole, Blüten, Blätter und Ranken und vieles mehr überziehen das gesamte Gebäude. Auch Rundbögen sind typisch dafür und die zeigen sich bei den Fenstern und der Loggia im 2. Stock. Auch das königliche Wappen, Skulpturen, Wasserspeier und Türme zieren die Fassade und Mauern.
Im Inneren des Turms befinden sich im 1. Stock der Gouverneursaal, im 2. Stock der Königssaal, im 3. Stock die Empfangshalle, im 4. Stock eine Kapelle und oben eine Aussichtsterrasse. Enge Wendeltreppen verbinden die Stockwerke miteinander. Wir sind heute genug angestanden und außerdem sind wir schon sehr geschafft, daher stellen wir uns nicht in die Warteschlange und verzichten auf die Besichtigung der Innenräume.
Da genießen wir lieber noch das schöne Ambiente, wie die Festung in der Nachmittagssonne erstrahlt und halten sie bildlich fest. Ein hübsches Gruppenbild machen wir noch mit der Statue „Unserer Lieben Frau der sicheren Heimkehr“, die als symbolischen Schutz für die Seefahrer errichtet wurde.
Tief beeindruckt verlassen wir den Torre, Gerti und Wolfgang studieren noch das Modell des Turms, das vor der Brücke aufgestellt ist, Michael und ich gehen auf die Westseite, um von dort noch Fotos zu machen. Der Turm stand ursprünglich auf einem Felsen, aber im Laufe der Zeit wurde immer mehr aufgeschüttet. Es gab einen zweiten davon auf der gegenüberliegenden Seite und so konnten unerwünschte Besucher ferngehalten werden. Der zweite Turm wurde aber beim Erdbeben von 1755 zerstört.
Im Reiseführer haben wir noch von einem Nashorn gelesen, das sich an der Nordwestfassade befinden soll. Die Darstellung eines solchen exotischen Tieres war zu dieser Zeit in Europa etwas Besonderes. Es gibt dazu auch eine lustige Geschichte: Seefahrer brachten von ihren Expeditionen in ferne Länder neu entdeckte Tiere mit und eines Tages sollte am Strand ein Nashorn zum Kampf gegen einen Elefanten antreten. Der Elefant machte sich aber aus dem Staub, als er das Nashorn erblickte. Das Bildnis des Siegers wurde daher auf der Mauer verewigt und obwohl ich danach suche, ich werde nicht fündig. Übrigens, das Nashorn ist im Meer ertrunken auf der Reise nach Rom, es war als Geschenk von Manuel I. an den Papst Leo X. gedacht.
Der Abend ist noch zu schön, um ins Hotel zurückzukehren. Daher beschließen wir kurzerhand das Angebot eines Straßenfahrers anzunehmen, der unter dem Motto „Wine with a view“ Wein ausschenkt. So sitzen wir in einer Reihe in Regiestühlen am Kai mit portugiesischem Wein in Plastikgläsern und genießen zufrieden die warme Sonne und die tolle Stimmung rund um uns. Ein wenig getrübt wird sie dann kurz, als wir im Tejo einen schwimmenden Plüsch-Hasen entdecken, der in den Wellen dahintreibt. Da gibt es jetzt irgendwo ein Kind, das sehr traurig ist, dass der Hase nicht mehr mit nach Hause kommt.
So, es wird Zeit für die Rückfahrt, deshalb stapfen wir mit schweren Füßen gemütlich in Richtung Haltestelle für die Tram. Auf dem Weg dorthin begegnen uns viele umgebaute und adaptierte Gefährte, die Frozen Joghurt, Ananas-Cocktail in der Frucht, diverse Getränke und natürlich auch Wasser und Eis verkaufen. Viele Menschen sitzen oder liegen in den Rasenflächen des angrenzenden Parks und genießen die Freizeit. Alles wirkt sehr harmonisch, gemütlich und friedlich und es tut uns fast leid, dass wir schon aufbrechen müssen. Ein Sonnenuntergang hier mit Blick auf den Torre, die Brücke und den Cristo wäre sicher noch ein richtiges Highlight. Aber wie schon mal erwähnt, das machen wir auch beim nächsten Lissabon – Trip.
Über die Passadiço do Bom Sucesso gelangen wir wieder über die Gleise und dann sind wir auch schon fast an der Haltestelle Largo da Princesa. Die Bäume des angrenzenden, kleinen Parks spenden etwas Schatten, dennoch ist uns furchtbar warm und wir Vier sind etwas müde. Außerdem klagen alle aufgrund von Schmerzen in den Beinen, Ballen, Rücken oder Hallux und der Magen knurrt. Die wartenden Fahrgäste werden immer mehr und als dann noch eine Reisegruppe kommt, haben wir langsam Bedenken, dass alle in die Tram hineinpassen. Laut Fahrplan ist die Tram auch schon überfällig. Da kommt Michael auf die rettende Idee, ein Uber – Taxi zu bestellen. In wenigen Minuten hat er sich auf der Online – Plattform einen Account angelegt und einen Fahrer bestellt. Sechs Minuten später sitzen wir in einem geräumigen Auto und sind in wenigen Minuten in der Altstadt. Mit Trinkgeld hat uns diese Fahrt zehn Euro gekostet, aber viele Strapazen erspart.
Im Hotel machen wir uns noch etwas frisch und marschieren dann los in die Avenida Duque de Ávila 30 zum Restaurant The Green Affair. Das Ambiente ist an sich sehr schön, nur an der Beleuchtung wird gespart. Wir haben diesmal keinen Tisch reserviert, aber haben Glück einen freien Tisch zu bekommen. Die vegane Speisekarte spricht uns auch an und wir bestellen Bowls und Seitan Steak. Das Essen wird super schnell serviert und wir sind an sich auch zufrieden, nur die Köche könnten sich wirklich trauen, ein wenig tiefer in die Kräuter- und Gewürztiegel zu greifen. Glücklich mit dem heutigen Tag spazieren wir gemütlich zum Hotel zurück und unsere Sportuhr überschlägt sich nur so an Rekorden. So sind wir heute über 26.000 Schritte marschiert und das über fast 100 Stockwerke!