Mit dem Wandern ist es vorerst vorbei, denn die nächsten Tage schaut die Wettervorhersage nicht sehr rosig aus. Daher beschließen wir heute mal in Celle herum zu spazieren. Die Residenzstadt wurde vor 700 Jahren gegründet und Mittelpunkt ist das Celler Schloss. Es stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jhdts. und wurde im Laufe der Zeit von einer einfachen Burg aufwendig zu einem Renaissance- / Barockschloss umgebaut. Das weiße Schloss liegt wunderschön inmitten eines Parks – leider stören gerade viele Autos und Baufahrzeuge das Bild, weil groß renoviert wird.

Wir buchen eine Führung durch die Staatsgemächer des letzten Herzogs und vorweg gesagt, diese Führung muss man unbedingt machen. Erstens bekommt man die Audienzräume des Welfenkönigs zu sehen, die mit pompösen Stuckverzierungen, mit Seide bespannte Wände, Parkettböden und Kronleuchter aus Muranoglas ausgestattet sind. Mit viel Witz und Miteinbeziehung der Gäste bekommen wir anschaulich, informativ und höchst interessant die skandalösen Geschichten und Verbandelungen zwischen dem deutschen und dem englischen Adels- und Nichtadelsgeschlecht, über die Thronfolgen, Heirat und die Frauenschicksale näher gebracht.

Warum zeigen sich die Persönlichkeiten auf den Gemälden nie mit einem Lächeln? Ganz einfach: diese Herrschaften hatten viel Geld und konnten sich unter anderem auch Zucker leisten und der macht ja bekanntlich schlechte Zähne – igit igit igit. Andere Frage: woraus ist der Hermelinumhang gemacht, der den Körper eines Oberhaupts ziert? Es handelt sich hier um eine Wieselart, dessen Fell nur im Winter weiß ist und das Schwanzende schwarz. Man benötigt dafür 500 – 700 Tiere, um einen Umhang herzustellen. Also, je mehr schwarze Schwanzspitzen in so einem Mantel, umso reicher war der Herrscher!

Wir dürfen auch einen Blick in die Schlossküche werfen, die zur damaligen Zeit schon sehr modern ausgestattet war. Dann kommt der Höhepunkt des Rundganges, die Schlosskapelle mit ihrer Fürstenempore. Es ist kaum in Worte zu fassen, wie überwältigend die nicht allzu große Kapelle ist. Die ursprüngliche Kapelle stammt aus dem Mittelalter, ist heute aber prunkvoll im Stil der Hochrenaissance gestaltet und wurde 1570 eingeweiht. Ein Gottesdienst dauerte zwischen 3 – 4 Stunden, denn es sollten den Menschen eingebläut werden, dass der protestantische Glaube der Beste für sie ist. Und das kann dauern!

Das Schloss beherbergt das älteste, noch heute bespielte Barocktheater Deutschlands. Es ist zurzeit aber nicht zu besichtigen, da es sich in Restaurierung befindet. Im Nu ist die Stunde vergangen und hat wirklich Eindruck hinterlassen. Also, wie anfangs schon erwähnt – Führung unbedingt machen!

Auf der gegenüber liegenden Straßenseite befindet sich das Bomann-Museum. Da das Wetter aber noch trocken ist, starten wir unseren Rundgang in der Altstadt. Der Zweite Weltkrieg hat Celle großteils verschont und daher blieb das Ensemble von fast 500 Fachwerkhäusern rund um das Schloss erhalten. Fachwerkhäuser bedeutete Arme-Leute-Architektur, da sie sich keine Steine leisten konnten. Sie wurden liebevoll restauriert und bilden heute eine heimelige Stadt. Bevor wir uns den Häusern widmen, machen wir einen Blick in das Innere der Stadtkirche. Sie wurde 1308 als Marienkirche geweiht, ist aber seit 1525 evangelisch-lutherisch. Die weiße barocke Innenausstattung gefällt uns sehr gut, auch die blau bepinselten Kirchenbänke und die tolle Barockorgel. Im Chorraum befinden sich die Grabdenkmäler der Welfenherzöge. Und im hinteren Teil der Kirche gibt es noch einen gemütlichen Spielbereich für die Kleinen.

Die Kirche wird flaniert von der sogenannten Stechbahn, ehemals der Turnierplatz. Wir legen eine kurze Rast auf einem Bankerl ein und bestaunen die Wasserfontänen, die plötzlich aus dem Boden schießen. Währenddessen lauschen wir der Musik des Celler Glockenspiels, das sich auf der Fassade eines Juweliergeschäfts in der Zöllnerstraße befindet. Heute erklingt „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ und dabei treten Figuren aus Holz hervor, die Celler Persönlichkeiten von historischer Bedeutung darstellen.

Dann schlendern wir die Straßen entlang und betrachten die hübschen Fachwerkhäuser, von denen eines schöner ist als das andere. Egal in welche Gasse wir gehen, die Häuser sind alle renoviert und keines gleicht dem anderen. Am Heiligen Kreuz Nr. 26 finden wir das älteste Haus Celles, das 1526 erbaut wurde.

Wir genießen das Flair und die Gemütlichkeit der Stadt, bis es um dreiviertel drei urplötzlich zu gießen beginnt. Während wir aber in der Eisdiele einen Eisbecher verdrücken, ist der ganze Spuk auch schon wieder vorbei und wir können unseren Weg fortsetzen. An der Poststraße befindet sich das Hoppenerhaus von 1532, das über und über mit reichem Schnitzwerk verziert ist. Vor dem Haus treffen wir auf die sprechenden Laternen. Fünf Laternen erzählen tagsüber den Besuchern lustige, informative und spannende Geschichten rund um das Celler Stadtleben. Abends trällern sie Lieder oder beantworten Fragen der Passanten. Schade, das hätte uns wirklich interessiert, aber so lange haben wir leider nicht Zeit.

So, das Pflichtprogramm ist erledigt, jetzt gehen wir noch etwas shoppen. Hinter den alten Fassaden verstecken sich moderne Geschäfte und Lokale. Schön, dass die Erinnerungen an früher erhalten geblieben sind und so das Flair nicht verloren gegangen ist.

Auf der Nachhause Fahrt schüttet es dann wie aus vollen Schaffeln, sodass wir stellenweise nur mit 50 km/h vorwärts kommen. Was haben wir da für ein Glück gehabt, dass es tagsüber so ausgehalten hat. Wie heißt es doch so schön, wenn Englein reisen, wird sich das Wetter weisen!

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