Wie gestern schon ist es auch heute wieder bewölkt und die Wettervorhersage nicht sehr rosig. Daher muss wieder ein Schlechtwetterprogramm her. Wir machen uns auf den Weg, ab in den Süden. Nach gut einer Stunde erreichen wir unser heutiges Ziel, das Gifhorner Mühlenmuseum. Das Museum entstand 1980 aus einer privaten Initiative und wird ohne öffentliche Unterstützung betrieben. Auf dem weitläufigen Gelände sind mittlerweile 14 Mühlen aus aller Welt originalgetreu nachgebaut. In einem Ausstellungsgebäude befinden sich weitere 50 maßstabsgetreue Modelle, sowie zahlreiche Utensilien, Handwerksgeräte und Informationen aus der Welt der Mühlen. Wir lernen hier, dass die Stellung der Flügel für den Bauern eine bestimmte Bedeutung hat. So weiß er schon von weitem, ob der Müller eine kurze oder längere Arbeitspause eingelegt hat und er sein Mahlgut bringen kann oder nicht. Auch ob es zum Beispiel Grund zur Freude oder der Trauer gibt, ist abzulesen.
Nach dem Besichtigen des Ausstellungsgebäudes, spazieren wir von Mühle zu Mühle. Keine gleicht der anderen und auch Raritäten sind darunter zu finden. Zum Beispiel die ungarische Schiffsmühle, erfunden 536 n. Chr. und kaum eine dieser Mühlentypen blieb erhalten. Eine weitere Kuriosität ist die Wassertretmühle aus Taiwan, wo zwei Menschen nebeneinander auf Stufen, die auf einer Achse gebaut sind – eine Art umgekehrtes Laufrad – gehen. Dann finden wir ein wenig Heimat, die Tiroler Wassermühle aus dem Lesachtal. Sie ist ca. 300 Jahre alt und stand an einem Wildbach, versteckt in einem Tannenwald. Wir erreichen den Mittelpunkt des Parks, wo sich das tolle Brot- und Backhaus, die Rossmühle und das Trachtenhaus befinden. Aber dazu später.
Auf dem Platz ist auch ein Bäckerkorb ausgestellt, in dem der Bäcker eingesperrt und immer wieder in einem Brunnen versenkt wurde, wenn seine Semmeln nicht das vorgeschriebene Gewicht hatten. Aus dem Backhaus strömt herrlicher, süßer Duft, dem wir folgen. Heute werden Brot und Kuchen gebacken, die man noch ofenwarm kaufen kann. Aber dazu auch später. Zuvor ruft noch die „Pflicht“.
Auf einer leichten Anhöhe thront die russisch-orthodoxe Holzkirche des Heiligen Nikolaus, auffallend aufgrund ihrer acht zum Teil vergoldeten Kuppeln. Sie entstand als Geschenk zur Versöhnung zwischen dem deutschen und dem russischen Volk fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges.
Unser persönliches Highlight ist die Mühle von Sanssouci. Sie kann wie einige andere auch innen besichtigt werden. In der unteren Etage zieren Windmühlen mehrere Schaukästen, die von Schulkindern bei einem Wettbewerb gebastelt wurden. Wirklich hübsch und teilweise sehr kreativ gemacht. In den nächsten Stockwerken befinden sich Fotos von der Entstehung des Mühlenmuseums, wie die vielen fleißigen Hände Mühle für Mühle in Kleinstarbeit entstehen lassen. Auch die Richtfeste, Einweihungen und Eröffnungen wurden bildlich festgehalten. Nationale und internationale Persönlichkeiten, wie 1996 Michael Gorbatschow, nahmen daran teil. Wir erreichen nach über sechzig Stufen das Aussichtsplateau und haben von dort einen tollen Blick auf einen Teil des Geländes, den Mühlen und der Holzkirche. Die goldenen Kuppeln strahlen im Licht der Sonne.
Wir nutzen die Gunst der Stunde, denn die Sonne guckt durch die Wochendecke und daher legen wir eine kurze Rast im Gastgarten des Trachtenhauses ein. Das Trachtenhaus wird genutzt als Gaststätte und die reichhaltige Dekoration des Fachwerkbaus zieht sich bis ins Innere durch. Unter dem großen Lindenbaum genießen wir, wie vorhin erwähnt, frisch gebackenen Streuselkuchen. Wildenten watscheln von Tisch zu Tisch und hoffen mit ihrem unschuldigen Blick von den Gästen ein paar Krümel zu erbetteln.
So, nun kommen wir zum letzten Teil, der sich rechterhand vom Eingang befindet – die südländischen Windmühlen. Sie wirken verspielt im Gegensatz zu den schon gesehenen. Die Moli de Tramuntana aus Mallorca leuchtet mit ihrem hübschen sonnengelben Anstrich schon von weitem. Daneben befindet sich eine Mühle aus der Provence, die durch den Dichter Alphonse Daudet mit den „Briefen aus meiner Mühle“ literarisch verewigt wurde.
Das war´s für heute, wir sind genug herum gelaufen, jetzt ist ein wenig Erholung angesagt. Dafür machen wir einen Abstecher nach Wienhausen, wo wir uns im Kloster Café Eis bzw. Burgunderwein gönnen. Die Sonne wärmt uns den Rücken und wir genießen die friedliche Stimmung hier. Wären da nicht die anderen Gäste, man könnte glatt wegkippen. Die Backsteine der Häuser rundherum strahlen in der Nachmittagssonne. Aus der daneben liegenden Kirche ertönt das Lied „Herr, deine Liebe“ und vor der Tür wird das Hochzeitspärchen mit ihrer Gesellschaft schon zur Agape erwartet. Das klingt nicht nur kitschig, sondern es ist auch so. Und wir sind Teil dieses „Heimatfilms“ – ach, wie schön!
Wieder geht ein toller, vor allem trockener Tag zu Ende und wir freuen uns schon auf die nächsten.