„Diese leichte, etwa 13 km lange Rundwanderung im Naturschutzpark dauert ungefähr vier Stunden; sie beginnt und endet in Niederhaverbeck und führt kreuz und quer durch die schönsten Heideflächen zum Wilseder Berg, nach Wilsede sowie in den Steingrund und den Totengrund.“ So steht es im Marco Polo Reiseführer und das klingt doch wunderbar, zumal die Sonne schon morgens vom Himmel grinst. Die Pferdekutschen sind auch schon unterwegs und machen sich bereit für die Touristen. Auf der kurzen Strecke bis zum Parkplatz nach Niederhaverbeck begegnen uns bereist acht Kutschen, mit denen man in die Heide fahren kann. Wenn wir im Greisenalter sind, dann werden wir uns auch mit der Kutsche in der Heide herum chauffieren lassen.
Um genau 10:15 Uhr marschieren wir los. Nach wenigen Gehminuten durch einen Kiefern- und Fichtenforst erreichen wir erste Heideflächen. Zu unserer Freude grast hier eine gefräßige Heidschnucken Herde, die uns aber keine Aufmerksamkeit schenkt. Der Hirtenhund und der Schäfer, der gerade seine Jause verdrückt, haben aber ihre Augen ständig bei der Herde. Die Tiere grasen wie abgesprochen in Reih und Glied und ihre Felle glänzen im Sonnenlicht.
Der Weg führt entlang einer farnbewachsenen Waldlichtung, Vögel zwitschern und ein laues Lüftchen weht uns um die Ohren. Das von der Sonne getrocknete Gras schimmert golden und schaukelt sanft im Wind. Wir erreichen den Wilseder Berg, und schnuppern die Höhenluft der mit 169,2 m höchsten Erhebung im Nordwestdeutschen Tiefland. Entstanden ist dieses Berglein in der vorletzten Eiszeit, als aus Skandinavien die Eiszeitgletscher riesige Mengen an Gesteinsmaterial hierher schoben.
Besen- und Glockenheide, im Norden auch die Heidelbeere, überziehen die Hänge. Bänke laden ein, den weiten Panoramablick zu genießen. Von hier sind bei klarer Sicht die Türme Hamburgs zu erkennen. In nur 710 km Luftlinie ist man in Wien oder London, 2.000 km sind es bis Moskau, 5.300 km bis New York oder 7.300 km bis Peking. Wir erfreuen uns aber an der wunderschönen Heide, die die Landschaft ringsherum bedeckt. Die rosaroten Flächen mit den dunkelgrünen Wacholderbüschen, soweit das Auge reicht, sehen so schön aus, dass sie bildlich gar nicht festzuhalten sind.
Wir folgen den Wegweisern auf den Pfaden durch die Heide. Immer wieder finden wir Tafeln und Boxen, die interessante Wissensfragen und Erklärungen für Jung und Alt bereithalten. Als Belohnung bekommen wir dann einen Stempel mit Tiermotiven, wie Heuschrecken oder Bienen. Zwei hab ich schon gesammelt, hurra! Wir lernen dabei, dass eine Symbiose zwischen den Bienen und Heidschnucken besteht. Die Schnucken zerreißen beim Grasen die Spinnennetze, die den Bienen gefährlich werden könnten. So können die Bienen die Heide bestäuben und das trägt wieder dazu bei, dass die Heide wachsen kann. Zurzeit hält sich der Verein des Nationalparks für die Pflege der Heidflächen eine Ziegen- und sieben Heidschnuckenherden. Die Pflegemaßnahme „Brennen“ wird praktiziert, um die Vielfalt zu erhalten und verschiedene Altersstadien der Heide zu entwickeln.
Es ist Sonntag, die Heide blüht in voller Pracht und die Wege sind auf vielen Abschnitten breit wie eine Autobahn – die besten Voraussetzungen für einen wahren Almauftrieb. Groß und Klein ist unterwegs, ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Wir erreichen das 40-Seelen-Dorf Wilsede, das für den Autoverkehr völlig gesperrt ist. Zentrum, neben Gaststätten, ist „Dat Ole Huus“, ein Museum. Heute wird zusätzlich Informatives über das Salzsieden gezeigt. Außerdem versucht ein Opi seine selbst hergestellten Wanderstöcke an den Mann zu bringen. Wir legen eine Stärkungspause ein, um neue Heidkartoffeln mit Schmand und Schnucken-Klöpse zu essen, dazu gibt’s Apfelschorle (auf österreichisch übersetzt: heurige Erdäpfel mit Sauerrahm, faschierte Laibchen und Apfelsaft g´spritzt).
Danach folgen wir dem Wanderweg 1 km weiter und kommen zum sogenannten Totengrund. Es handelt sich hier um ein Trockental, das von steilen Hängen umschlossen wird. Der Name kommt daher, dass hier kein Wasser fließt und das Tal daher für den Bauern wertlos ist. Der Wanderweg führt oben herum und gewährt einzigartige Einblicke auf die Landschaft aus Heide und Wacholderbüschen. Wir kommen immer nur wenige Schritte voran, schon bietet sich wieder ein schönes Fotomotiv an. Ich wünsch mir jetzt schon viel Spaß für zuhause beim Aussortieren der Foto. Es wird echt schwierig werden, aus diesen bilderbuchhaften Kulissen das Beste raus zu suchen. Immer wieder setzen wir uns auf ein kleines Bankerl und „sehen fern“ (einfach nur in die Natur blicken). Es tut sich zwar nicht viel, aber das Panorama fesselt uns immer wieder.
Der weitere Weg mündet erst in den Hermann-Löns-Weg und anschließend in den Steingrund. Aus großen Findlingen wurden durch Eingravieren von Entfernungen und Weg- und Ortsnamen tolle Wegweiser gemacht. Und diesen folgen wir, bis wir am späten Nachmittag wieder den Parkplatz erreichen. Die Füße brennen, der Rücken schmerzt und wir sind komplett durchgeschwitzt. Sonst geht’s uns gut, denn wir haben viele schöne Eindrücke gesammelt und dabei das herrliche Wetter genossen.