Trotz der Müdigkeit ist die erste Nacht nicht von königlichem Schlaf gekrönt. Das Haus ist sehr hellhörig und außerdem haben die hier keine so tollen Matratzen, wie wir sie zuhause besitzen!  Das tolle Frühstücksbuffet stimmt uns aber wieder milde, denn es gibt alles, was das Herz begehrt. Also, das klappt schon mal! Wir schlagen uns den Bauch voll und machen uns dann auf den Weg nach Funchal.

Während der ganzen Fahrt sind wir entzückt von der schönen Landschaft. In den Talsenken liegen die kleinen Dörfer und an den Abhängen haben die Bauern terrassenförmig ihre Felder angelegt. Blühende Kartoffelfelder und Bananenplantagen wechseln sich mit Weinbergen ab. Dazwischen leuchten Oleander,  Hibiskusbüsche und Bougainvillea in allen Farben. Kurz nach Santa Cruz zieren riesengroße Opuntien, flankiert vom gelb und orange blühenden Islandmohn, die Bergrücken. Wir haben das Gefühl, die ganze Insel ist ein einziger botanischer Garten.

Da stört selbst die Autobahn die Harmonie nicht, denn sie ist nur in Ballungszentren zweispurig. Die Durchzugsstraßen sind in sehr gutem Zustand und der Verkehr wird durch große, übersichtliche Kreisverkehre flüssig gehalten. Etwas abenteuerlicher wird das Fahren in den Tunnels dann doch – und davon gibt es auf der Insel sehr viele. Mehrere davon bringen es auf Längen von über 3 km und sind damit die längsten Portugals. Bedingt durch die großen Höhenunterschiede sind die Straßen oft sehr kurvig. Außerdem werden sie in den kleinen Dörfern von den Bewohnern als Fußwege benutzt. Langsames Fahren ist da also angebracht. Streckenweise sind die Verbindungsstraßen und Tunnel parallel zu den alten Straßen gebaut, da hat man die Wahl zwischen der schnelleren oder der landschaftlich reizvolleren, alten Streckenführung.

Irgendwo in Funchal sehen wir ein Schild mit „centro“ und da verlassen wir die Autobahn. Der allererste Eindruck von der Stadt entzückt uns außerordentlich. Längs der Straßen leuchten uns die Blüten der violetten Jacarandas, der roten Korallenbäume und der orangen Tulpenbäume schon von weitem entgegen. Die Häuser sind schön und alles wirkt sehr sauber.

Wir fahren im Explorerstil durch die zeitweise sehr verparkten, engen Straßen oder besser gesagt Gassen, bis wir eine Tiefgarage finden. Wir überlegen nicht lange, denn Parkplätze haben wir nicht sehr viele gesehen. Schon bei der Einfahrt lernen wir das Fürchten, denn die Abfahrt ist steil wie bei einer Hochschaubahn. Wir müssen dann aber bis in die dritte Etage hochfahren, bis wir endlich eine leere Parklücke finden. Nach mühsamem Reversieren schaffen wir es, unser kleines Auto zu parken. Gut, dass der Bierbauch noch nicht allzu groß ist, denn auf beiden Seiten ist nicht sehr viel Platz zum Aussteigen. Wir sitzen gerade am Rand des offenen Kofferraumes und sind dabei unsere Wanderschuhe anzuziehen, da kommt ein Kleinlaster heraufgefahren. Es ist uns ein Rätsel, wie der die schmalen Kurven bis hierher geschafft hat. Uns bleibt aber dann der Mund offen stehen, als wir sehen, wie der Fahrer mit Tempo und nur mit einem Versuch in die kleine Lücke einparkt.

Voller Erwartung verlassen wir die Garage und schon nach den ersten Schritten befinden wir uns mitten im Getümmel. Da erst wird uns bewusst, dass der Instinkt uns zum besten Parkplatz der Stadt geführt hat, weil wir mitten im Zentrum gelandet sind. Alle Gehwege sind mit kunstvollen schwarz-weißen Mosaiken oder Mustern gepflastert, die händisch Stein für Stein aus kleinen Lavasteinen gelegt werden. Während wir Schritt für Schritt den Boden bestaunen, befinden wir uns auch schon vor dem Eingang in den Mercado dos Lavradores, der Markthalle. Der „Markt der Arbeiter“ wurde 1941 errichtet. Unmengen von Leuten tummeln sich hier, kaum auszumachen, ob es Einheimische oder Touristen sind. Was wir da alles zu sehen bekommen, dass hätten wir uns in den kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt.

Ein Marktstand reiht sich an den anderen, gefüllt mit einer Vielfalt an Obst und Gemüse, Blumen in den verschiedensten Arten und Farben, aber auch allerlei Gebrauchs-artikel und natürlich Souvenirs. Das Angebot der lokalen Bauern ist unüberschaubar und eine Verführung für Augen, Nase und Gaumen. Zur Farbenpracht vermischen sich die diversen Gerüche der Kräuter und Blumen. Wir sind anfangs ein wenig überfordert –  in welche Richtung sollen wir zuerst gehen? Die Markthalle ist in mehrere Etagen aufgeteilt und überall wimmelt es nur so von Menschen.

Um dem ärgsten Trubel ein wenig zu entfliehen, gehen wir in den untersten Bereich zu den Fischhändlern. Dort können wir den Fischern beim Zerlegen und Filetieren zusehen. Die meisten Fische kennen wir dem Namen nach nicht, aber die riesigen Thunfische haben unsere vollste Aufmerksamkeit. Dann finden wir sie – die berühmten, furchterregend aussehenden, schwarzen Degenfische mit ihren riesigen Augen und den großen Zähnen.

Dieser aalähnliche schuppenlose Tiefseefisch kommt nur um Madeira und Japan vor. Er wird bis zu zwei Meter lang und lebt in über tausend Meter Tiefe. Nachts steigt er auf etwa 800 Meter auf, wo er mit langen Angelleinen gefischt wird. Dabei stirbt er einen grausamen Tod, denn aufgrund der raschen Druckveränderung auf dem Weg zur Wasseroberfläche platzen Schwimmblasen, Kiemen und Augen. In den tiefen Gewässern ist er kupferfarben, seine schwarze Farbe bekommt er erst beim Fang.

An den Wänden hängen wunderschöne Fliesenbilder mit Szenen aus dem früheren Arbeitsleben.

Langsam erreichen wir das Obergeschoß, wo uns schon beim ersten Stand ein Obstverkäufer anquatscht. Noch bevor wir überlegen können, drückt er uns schon Kostproben von Früchten in die Hand. Wir finden Gefallen an den verschiedenen, exotischen Geschmäckern der Maracuja, Tamarillos, oder irgendwelchen komischen Kirschen. Wolfgangs Liebling ist die chinesische Zwergbanane – halbe Größe, aber doppelter Geschmack. Mein Favorit ist die Anona, eine grüne, geschuppte Baumfrucht mit weißem Fruchtfleisch und schwarzen Kernen.

Blumen aller Arten und Farben machen Madeira als Blumeninsel alle Ehre.

Die orangen Strelitzien werden sogar reisesicher in Kartons verpackt. Auch Zwiebeln und Samen kann man hier in Unmengen erstehen.

Vor der Markthalle sitzen noch die berühmten Blumenfrauen in ihren bunten Trachten.

Nicht weit vom Markt entfernt liegt der Hafen. Auf der Kaimauer machen wir es uns zur Mittagszeit bequem und lassen uns die leichte Brise durch die Haare wehen. Sicherheitshalber cremen wir uns auch noch mit Sonnenschutz ein, denn die Sonne lacht schon sehr warm vom Himmel. Während wir den Stadtplan checken und beratschlagen, wohin wir als nächstes gehen, verzehren wir die zuvor erstandenen Früchte – Touristenpreis: 10 Euro für sechs Stück! Leider schmecken sie nicht so süß, wie die Kostproben von den Händlern.

Gemütlich schlendern wir durch die liebevoll gestalteten Gassen bis zur Kathedrale Sé. Leider wird hier auf Madeira auch bei den Kirchen am Nachmittag Siesta gehalten. Von außen wirkt die Hauptkirche sehr bescheiden. Sie wurde 1493 – 1514 im maurischen Stil erbaut, das Tor ist gotisch. Die weiße, schlichte Kirche wird durch Blumenfrauen aufgewertet, die mit ihrer bunten Pracht davor sitzen. Die hier herrschende Atmosphäre strahlt Ruhe und Sauberkeit aus. Einzig die vielen, bunten Blüten der Bäume werden durch die Luft gewirbelt.

Unser Blick wird vom auffälligen, schachbrettartigen Mosaik des Praça do Município gefangen genommen. Ein hoher Brunnen ragt auf der Mitte des Platzes empor. Gleich dahinter befindet sich die Câmara Municipal, das heutige Rathaus, 1758 erbaut. Den schönen Innenhof und die beeindruckenden Fliesenbilder können wir leider nur durch das schmiedeeiserne Tor erspähen, da außerhalb der Bürozeiten alles dicht ist. Pech gehabt! Die Nordseite des Platzes wird vom früheren Jesuitenkolleg begrenzt, heute Unigebäude. Die Symbiose des Platzes mit den weiß getünchten Gebäuden und ihren schwarzen Einfassungen aus Vulkangestein, ist perfekt. Farbkleckse bekommt das Bild von den blühenden Tulpenbäumen.

An der Avenida do Mar stoßen wir auf den Palácio São Lourenço, der ältesten Festung Funchals (1548). Hinter den Mauern residieren der Ministerpräsident und der Militärkommandant. Im Garten, der mit einer Mauer von der Straße getrennt wird, blühen meterhohe Weihnachtssterne in Baumform und Oleander mit faustgroßen Blüten. Ob die wohl zu viel Blaukorn erwischt haben?

Eine längere Rast legen wir im Parque de Santa Catarina ein. Hoch über dem Hafenbecken erstreckt sich das weite Hangareal mit wunderschön angelegten Blumenbeeten. Farblich abgestimmt umranden sie eine sauber gepflegte Rasenfläche. Jugendliche spielen dort Fußball und ihre Hunde stürzen sich mit der gleichen Begeisterung auf den noch runden Ball. Es dauert natürlich nicht lange, bis der Ball zerplatzt.

Wir machen es uns auf einem Bankerl gemütlich und beobachten Mauereidechsen, wie sie sich um ein Stück Tomate raufen. Danach haben wieder die Palmen, Eukalyptusbäume und die vielen Blumen unsere Aufmerksamkeit. Aufgrund des wärmeren Klimas blühen hier schon die Sommerblumen in voller Pracht. Meterhohe Stockrosen, Sonnenhut, Margeriten, Strelitzien, Rosen und viele Mittagsblumen leuchten in allen Farben. Ich kann mich kaum trennen vom  Blütenmeer, aber da ist ja schon das nächste Highlight: ein rotblühender Eukalyptusbaum. Erinnerungen an den Australienurlaub werden wach. Ein Stück weiter oben gibt es einen großen Teich mit Schwänen und anderen Wasservögeln. Am Ufer wachsen gewaltige, weiße Strelitzien. Wir nehmen den Weg Richtung Hafen und dort liegt gerade ein riesiges Cruiserschiff vor Anker. Von hier oben haben wir einen weiten Ausblick auf das Häusermeer an den Hängen von Funchal.

Wir verlassen den Park und spazieren zum Casino von Madeira – sieht von außen wie ein Raumschiff aus! Unmittelbar davor befindet sich das Casino Park Hotel und in dessen Garten steht sie auf einem Sockel – unsere Sissi! Erschaffen wurde sie vom Künstler Lagoa Henriques und der wusste anscheinend nicht, dass es sich dabei um eine schöne Frau gehandelt hat. Diese Sissi hier hat zwar eine zarte Figur, aber das Gesicht eines Mannes. Kaiserin Sissi war zur Erholung und zum Kraft tanken auf Madeira, als es ihr sehr schlecht ging. Der Ärger mit ihrer Schwiegermutter und die wenige Zeit, die ihr Franz-Joseph widmete, machten sie krank. 1860 verbrachte sie mehr als ein halbes Jahr hier.

Da es uns mittlerweise zu heiß wird, beschließen wir, in den schattigen Parque São Francisço zu gehen. Er liegt mitten im Zentrum auf dem Gelände des ehemaligen, gleichnamigen Klosters. Gleich neben dem Eingang gibt es einen Tümpel,  wo sich viele Enten um eine hübsche Steinskulptur – zwei Knaben – scharen. Auch hier ein Blumenbeet neben dem anderen. Amaryllis und Clivias, die wir zuhause in Töpfen mit Mühe zum Blühen bringen, wachsen hier zuhauf im Freien. Im östlichen Teil des Parks wachsen schöne Exemplare von Frangipani oder auch Pagodenbäume, wie sie noch heißen. Schade, dass sie noch nicht blühen. Wir kennen sie aus Australien.  Es gibt sie in drei Farben und ihr Duft ist echt betörend. Ein Freilufttheater ist das Zentrum des Parks und da bekommen wir eine lebhafte Aufführung von einer Menge Minisaurier. Die einen aalen sich in der Sonne, andere pirschen sich langsam an uns heran, um nachzusehen, ob vielleicht etwas Fressbares für sie abfällt.

Mittlerweile ist es nach 16:00 Uhr geworden und die Kathedrale Sé hat ihre Mittagspause beendet. Wir nutzen die Gelegenheit, um sie nun auch von innen zu besichtigen. Sie ist sehr düster und die dunkle, hölzerne Kassettendecke mit ihren Elfenbeinintarsien drückt auch nach unten. Sehr schön ist aber das zarte, filigrane blau-goldene Chorgestühl. Ein Blickfang ist auch der Altar mit den goldenen Holzschnitzereien. Wir werden von unserer Besichtigung dann aber abgelenkt von vielen reuigen Sündern. Direkt neben  den Sitzbänken stehen dicht aneinander gereiht Beichtstühle und einer davon ist mit einem Priester bestückt. Abwechselnd nimmt er von beiden Seiten wie im Akkord die Beichten ab. Zu unserem größten Erstaunen reißen die Warteschlangen an beiden Seiten nicht ab. Männer und Frauen jeden Alters, einige noch bepackt mit ihren Einkaufstüten, kommen, um mit dem Geistlichen ein Plauscherl zu führen. Was uns dabei so erstaunt ist, dass die Touristen direkt daneben stehen und ihnen problemlos zuhören können – vorausgesetzt, man ist der Sprache mächtig.

Gegen 17:00 Uhr beenden wir, aufgrund unserer schmerzenden Füße, unseren heutigen Besichtigungstag. Die Parkgarage ist schnell wieder gefunden, aber den richtigen Weg zur Stadt hinaus, das erweist sich als etwas schwieriger. Aber wie heißt es so schön „alle Wege führen nach Rom“ – in unserem Fall aus Funchal hinaus.

Wir beschließen, nicht den schnellen Weg durch die Tunnel zu fahren, sondern über die alte Strecke. Diese erweist sich zwar schon sehr bald als die reinste Bergwertung, aber wir bekommen wunderbare Aussichten auf die Küste hinunter. In Serpentinen geht es zeitweise auf einer sehr schmalen, renovierungsbedürftigen Straße bis Santana hoch. Viele violette Schmucklilien und orange Kapuzinerkresse unterbrechen das viele Grün. Schneller als erwartet erreichen wir Santana, den mit über zehntausend Einwohnern größten Ort an der Nordküste. Berühmt für seine winzigen Bauernhäuser mit den strohbedeckten Dächern, die fast bis zum Boden reichen. Heute gibt es von diesen Casas de Colmo noch ungefähr  hundert in und um Santana. Die meisten dienen nur noch als Schuppen oder stehen leer. Schön zum Ansehen sind sie trotzdem mit ihren blauen Fensterläden und der roten Haustür. Auf der Heimfahrt sehen wir die ersten dieser entzückenden Häuschen und das macht uns sehr erwartungsvoll für die nächsten Tage.

2 Kommentare zu „02.05.08 – Funchal

  • 20. November 2009 um 13:10 Uhr
    Permalink

    Uje – wir sind da nur durch Zufall auf diese Tiefgarage gestoßen. Das ist schwer zu beschreiben.

    Die Tiefgarage liegt ziemlich in der Nähe des Hauptmarktes Mercado dos Lavradores. Wenn man hinunter zum Meer fährt, dann kommt der große Kreisverkehr bei der Avenida do Mar. Von dort zweigt dann die Rua Profetas / Rua Brigadeiro Oudinout ab, an der der Markt rechterhand liegt. Wenn man dort noch ein klein wenig weiter fährt, dann geht halbrechts eine weiter Straße (Rua de Infancia) ab. Und dort dazwischen ist die Abfahrt in die Tiefgarage.

    Habe die Positionen – so weit sie mir noch in Erinnerung ist – auf der Karte eingetragen. (1) ist der Markt und (2) ist die Tiefgarage.

    Garage in Funchal beim Markt

  • 20. November 2009 um 12:11 Uhr
    Permalink

    hallo sabine und wolfgang,
    mit viel vorfreude auf madeira habe ich euren reisebericht gelesen.
    könntet ihr mir sagen, wo genau wir besagtes parkhaus in funchal finden?

    liebe grüße

    regina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.