Wo ist die Blumeninsel Madeira geblieben? Wir sind heute über Caniçal zur Ponta de São Lourenço gefahren, um ans Ende des Ostzipfels zu wandern. Irgendwie haben wir das Gefühl uns in einer anderen Welt zu befinden, denn diese wüstenartige Landschaft ist der krasse Gegensatz zum Rest der Insel. Das kommt daher, weil es in dieser Gegend fast nie regnet. Die Wolken ziehen über die nur wenige hundert Meter hohen Felsen hinweg und lassen an den höheren Hängen der Inselmitte ihr Wasser ab. Die Farbtöne der Felsen von rostrot über currygelb bis zum schwarzen Vulkangestein bezaubern den Betrachter. Und das türkisblaue Meer ergänzt die Farbpalette des Malers „Natur“. Die Vegetation ist sehr charakteristisch, denn sie ist so gut wie unberührt.
Die Wanderung beginnt an einem großen Parkplatz. Sie führt ständig durch wind- und wasserumbraustes, karges Land. Zu Beginn gehen wir über Holzplanken, die eine Mulde überqueren. Danach geht es ständig bergauf, bergab, mal auf betonierten Stufen, mal auf wildem Gestein und dazwischen auch auf flachen Bergrücken.
Wir kommen nur langsam voran, weil immer wieder bizarre Felsformationen unsere Aufmerksamkeit erregen. Außerdem bieten sich an allen Seiten beeindruckende Ausblicke auf beide Küsten. Caniçal und die Landebahn des Flughafens sind gut erkennbar. Alle fünfzehn Minuten unterbricht ein Flugzeug im Landeanflug die abgeschiedene Ruhe.
In einer weitläufigen, geschützten Bucht liegen die Käfige für die Fischzucht. Ein Fischerboot dreht seine Kurven und kontrolliert die Goldbrassen. Die Sonne brennt gnadenlos herab und trotz der leichten Brise ist uns schon sehr heiß.
Es sind viele Wanderer unterwegs und alle hoffen, beim schon in Sichtweite befindlichen Casa do Prainha, ein wenig Schatten zu finden. Das Häuschen steht auf einer breiten Mulde nahe der Küste und war einst ein Hirtenhaus. Es ist umringt von Dattelpalmen und wirkt wie eine Oase in der Wüste. Wir lassen es erst links liegen, denn das Ziel ist schon so nahe. Es dauert aber dann doch noch, denn nach jeder Kurve bietet sich uns wieder eine Kulisse, scheinbar schöner als die vorherige. Die Abhänge bis zur Küste sehen aus, wie von Hand angelegte Steingärten. Die endemischen Eidechsen nuckeln an den Blüten weißer Blumen oder genießen die Sonne. Schmetterlinge flattern in der Luft und huschen von einer Blüte zur anderen.
Schon von weitem sehen wir den kleinen „Gipfel“ und irgendwie erinnert uns das Bild an Australien. Da strömen die Menschen, scheinbar im Gänsemarsch, den steilen Abhang hoch. Wie Ameisen sehen sie aus dieser Entfernung aus. Der letzte Hügel hinauf ist bewachsen von einem Blütenmeer der kleinen, roten Mohnblumen. Ich liebe Poppies (engl.) über alles und kann mich daher von dieser wunderschönen Kulisse kaum trennen. Die rostfarbene Erde, das türkisblaue Meer und die Möwen, die darüber schweben, der azurblaue Himmel mit den Schäfchenwolken – ein Maler könnte das Bild nicht schöner malen!
Wir sitzen, ein wenig erschöpft vom letzten steilen Aufstieg, nun gemütlich auf einem Stein und genießen die ruhige, friedliche Stimmung. Von hier oben haben wir Sicht bis zum Ende der Insel und sogar bis nach Porto Santo, der Nachbarinsel. Um uns für den Rückweg zu stärken, packen wir unsere Jause aus und plötzlich sind wir umringt von vielen Eidechsen. Sie haben jede Scheu verloren und pirschen sich ganz nahe zu uns heran, um nachzusehen, ob vielleicht etwas Fressbares für sie abfällt. Ganz wild sind sie auf unsere Wurst, aber das Brot lassen sie links liegen. Ganz ehrlich, uns schmeckt das weiße Gebäck von hier auch nicht sonderlich. Auf den Eibischgummi wiederum fahren sie voll ab, die süßen Brüder. Wir genießen die Rast und die Aussicht und nur schwer können wir uns von diesem schönen Ort losreißen. Dann wird es uns aber doch zu heiß und wir klettern wieder vorsichtig die Anhöhe hinunter.
Wir flüchten uns in den Schatten des alten Hirtenhauses und setzen unser Mittagessen fort. Auch hier lauern wieder unzählige Echsen auf unser Essen. Übrigens, Tomaten mögen sie auch nicht! Lustig, sie zu beobachten, denn das Haxerl, das sie gerade nicht belasten, heben sie in die Höhe. Zuhause müssen wir mal nachlesen, warum sie das tun. Es sieht auf jeden Fall lustig aus. Jetzt heißt es aber, alles wieder zurück wandern.
Um 14:30 Uhr erreichen wir den Ausgangspunkt, verschwitzt und trotz der vielen Sonnencreme mit Sonnenbrand im Genick und an den Handgelenken. Wir staunen nicht schlecht, als auf dem Parkplatz ein fahrender Kiosk steht und mit den vielen Leuten wahrscheinlich das Geschäft seines Lebens macht. Wir gönnen uns auch ein Eis, setzen uns damit noch eine Weile auf einen Felsen und genießen das laue Lüftchen. Wir befreien unsere heißen Füße von den Wanderschuhen und machen uns dann auf den Heimweg.
Bei Faial legen wir noch einen kurzen Stop ein am Fuße des Penha de Águia, dem Adlerfelsen. Das Wahrzeichen der Nordküste hat seinen Namen von den Fischadlern, die früher hier nisteten. Er hat eine Höhe von 590 Metern und die Kuppe ist von einem Wäldchen bedeckt. Für die zweistündige, steile Wanderung sind wir aber schon zu müde und daher fahren wir für heute zurück ins Hotel.
Die kühlende Dusche und das Fußbad bringen uns wieder ein wenig in Schwung, sodass wir den Abend noch schön ausklingen lassen können.