Während der Nacht hat es geregnet und der Wind hat in der Früh seine Mühe, die Wolken zu vertreiben. Na ja, gehen wir erst einmal frühstücken und dann überlegen wir weiter.

Doch das erübrigt sich, denn eine halbe Stunde später sind die Wolken verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Also brechen wir auf, um Madeiras höchsten Berg, den Pico Ruivo, zu besteigen. Ausgangspunkt ist Santana und die Richtung dieselbe, wie bei unserer ersten Wanderung. Nur fahren wir bei Pico das Pedras noch einige Kilometer weiter. Auf 1.300 Meter Höhe wächst fast nur noch Nadelwald. Die weißen Madonnenlilien machen Platz für den Farn und den Ginster. Die letzten Wolken haben wir unter uns gelassen, blauer Himmel, Sonne und ein leichtes Lüftchen haben sich hier durchgesetzt. Die Straße wird etwas holprig, aber für Bergverhältnisse ist sie relativ breit. An der Achada do Teixeira auf 1.592 m Höhe befindet sich ein großer Parkplatz und es stehen noch nicht allzu viele Autos da. Es ist hier oben etwas kühl und daher ziehen wir uns Jacken an. Schnell ist das Notwendigste  gepackt und dann geht es auch schon los.

Am Ausgangspunkt befindet sich ein großer Wegweiser und der Weg ist sogar gepflastert, sodass es ganz nach einem Spazierweg aussieht. Der langgezogene Bergrücken ist dann auch gemütlich zu gehen, obwohl es immer wieder ein wenig bergauf und bergab geht. Größtenteils ist das Wegerl auf der Sonnenseite und die Wolken schweben unter uns. Ist die Wolkendecke mal ein wenig zerrissen, sieht man bis nach Santana. Die Vegetation ist sehr karg hier oben. Neben niedrigen Ginsterbüschen, Disteln und Erika wächst hier nicht mehr viel. Hin und wieder plätschert ein Rinnsal die Steine herunter.

Ungefähr einen halben Kilometer vor dem Gipfel steht eine Schutzhütte und dort legen wir noch eine kurze Rast ein. Ab da geht es nur noch steil aufwärts. Auf wilden Steinstufen klettern wir Schritt für Schritt nach oben. Mehrmals müssen wir kurz stehen bleiben, um unsere Lungen wieder mit Sauerstoff zu füllen. Dann haben wir es geschafft.

Die Gipfelsäule und Stege wurden mit Holz verkleidet und ein Sicherheitszaun rund um das Aussichtsplateau errichtet. Wir stehen auf 1.862 Metern und der Rundumblick auf die Hochgebirgslandschaft ist gewaltig. Es scheint, als liege uns die ganze Insel zu Füßen. Wir ziehen die Jacken aus und lassen der Sonne den Schweiß auftrocknen. Um den Kreislauf wieder zu stabilisieren, essen wir ein wenig Obst und Kekse. Als wäre ein Vulkan ausgebrochen, „raucht“ es rundherum. Die Wolken ziehen mit großer Geschwindigkeit an uns vorüber und innerhalb kurzer Zeit ist die Aussicht wie durch einen Vorhang zugedeckt. Da haben wir echt Glück gehabt, dass wir so zeitig aufgebrochen sind und noch die schöne Aussicht hier oben hatten.

Gestärkt und ausgeruht treten wir den Rückweg an. Die 415 Stufen bis zur Schutzhütte – ich habe mitgezählt – sind schnell geschafft und mitleidig sehen wir in die roten, verschwitzten Gesichter der Wanderer, die uns entgegenkommen. Sie haben die Plagerei bis zum Gipfel noch vor sich. Je weiter wir hinunter kommen, umso dichter wird die Wolkendecke und am Parkplatz angekommen, sehen wir kaum noch hundert Meter weit.

Nur fünf Minuten vom Parkplatz entfernt gibt es eine Felsformation, die „Homem em Pé“ genannt wird. Der „stehende Mann“ befindet sich auf einer Hochebene und bei schönem Wetter könnte man bis nach Santana sehen. Die Betonung liegt auf könnte, denn da steht der Mann und ist vollkommen eingehüllt in einen grauen Schleier. Schade, wir hätten ihn vor dem Gipfelaufstieg besuchen sollen.

Auf der Rückfahrt nach Santana durchbrechen wir wieder die Wolkendecke und als wir beim Hotel vorfahren, herrscht wieder Bilderbuchwetter. Wir duschen, ziehen uns frische T-Shirts an und dann brechen wir wieder auf.

Es ist kurz nach 14:00 Uhr und den angebrochenen Nachmittag möchten wir an der Nordküste verbringen. São Jorge lassen wir schnell hinter uns, denn das kennen wir ja schon. Gemütlich kurven wir die schmale Straße entlang der Küste. Einerseits, weil es eh nicht schneller geht und andererseits genießen wir das Flair der kleinen Orte. Die Häuser sind ähnlich groß, haben fast einheitlich rote Dächer und sind in hellen, pastelligen Farben getüncht. Das betont den vielen, bunten Blumenschmuck noch mehr. Und immer wieder wird die Gegend vom Weinanbau und den Bananenplantagen beherrscht. Die armen Bauern müssen auf den ärgsten Abhängen herum klettern, um ihre Arbeit verrichten zu können. Hin und wieder sehen wir auch Orangenbäume, voll mit den köstlichen Kugeln.

Bei Boaventura wird die Fahrbahn dann aber sehr abenteuerlich. An die vielen Kurven haben wir uns ja bereits gewöhnt, aber jetzt wird die Straße immer holpriger und schmäler. Streckenweise ist sie sogar einspurig mit seitlichen Ausweichstellen. Das i-Tüpfchen sind dann aber die schwarzen Naturtunnels. Und alles Gute kommt von oben, denn es gießt durch das Gestein von oben herab.

Wir finden im Ortszentrum von São Vicente keinen Parkplatz und fahren daher weiter zu den nahe gelegenen Lavagrotten. Das sind 400.000 bis 800.000 Jahre alte Vulkanröhren, die dadurch entstanden sind, dass die Lava an der Oberfläche schon erkaltet ist, während im Inneren die glühend heiße Magna noch abfloss. Stellenweise fließen jetzt noch kleine Bäche durch die Kanäle.

Die Grutas kann man nur mit einer Führung besichtigen, die eine halbe Stunde dauert. Wir verstehen zwar nur die Hälfte davon, denn wir haben Mühe zu unterscheiden, wann sie Portugiesisch und wann sie Englisch spricht.  Die Wanderung durch die feuchte Bergwelt  ist aber sehr interessant, denn man sieht noch gut die erstarrten Lavaströme, die auf ihrem Weg an die Oberfläche Felsen und Gestein mitgeführt haben. Gut, dass wir unsere Windjacken angezogen haben, denn von der Decke tropft klares Wasser, das in Auffangbecken gesammelt wird. Hier wächst auch zarter Farn, der nur durch das künstliche Licht und die konstante Luftfeuchtigkeit von 16° wächst. Nach der Führung begleitet uns der Guide noch in das angeschlossene Vulkanologiezentrum, wo wir uns einen 3D-Film über die Entstehung Madeiras ansehen.

Dann starten wir den zweiten Versuch mit der Suche eines Parkplatzes im Ort und das Glück ist diesmal auf unserer Seite. São Vicente ist ein kleiner Ort, deren weiße Häuser im Schutz eines Bergmassives gebaut sind. Schmale, steingepflasterte Gassen führen bis zum Kirchenplatz. Die Kirche wäre laut Reiseführer mit ihren Fliesenbildern, der bemalten Holzdecke und dem vergoldeten Altar sehr schön zum Besichtigen gewesen, ist aber wegen Renovierung für Besucher geschlossen. Trotzdem haben wir uns schon nach den ersten Schritten in den Ort verliebt. Da trifft das Wort pittoresk voll und ganz zu.

Wir schlendern gemütlich durch die Gassen, schmökern in den Auslagen und gucken über Hausmauern. Dahinter verbergen sich schön angelegte Gärten und wie überall auf der Insel Bananenstauden oder Papayabäume. Wir machen es uns in der Snack Bar Estoril direkt am Kirchenplatz gemütlich und bestellen uns etwas zu Essen. Wir überlegen, ob es das Mittag- oder das Abendessen ist. Macht nichts, wir sind hungrig. Mein Omelette hätte für uns beide gereicht und das Cerveja Coral (Bier) schmeckt auch sehr gut!

Bevor wir uns auf die Heimfahrt machen, statten wir dem kleinen Greißler noch einen Besuch ab – die Tante Emma hätte an diesem Geschäft ihre Freude gehabt!

Um schneller vorwärts zu kommen, fahren wir die Strecke quer durch die Insel über Ribeira Brava. Der Verkehr ist anfangs nicht sehr schlimm, dann kommen wir aber vor Funchal in den Abendverkehr. Im Nu stehen wir mitten im Stau. Erst geht es etwas schleppend voran, aber nach einer Viertelstunde sind wir dann durch. Also, reine Fahrzeit von São Vicente bis Santana ist gut eine Stunde – die Stauzeit abgezogen. Da sind wir über die Nordküste vom Hotel bis São Vicente schon viel länger gefahren!

Zum Abschluss dieses schönen Tages gönnen wir uns an der Hotelbar noch ein Betthupferl: für jeden ein Glaserl Madeirawein. Und den genießen wir bis auf den letzten Tropfen, denn wir löhnen dafür ganze acht Euro! Für diesen Preis hätten wir in der Vinothek schon eine halbe Flasche bekommen!

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