Ratlosigkeit macht sich in uns breit, denn es hat wieder die ganze Nacht geregnet und der Himmel ist grau bedeckt. Tja, auch die Blumeninsel muss irgendwann mal gegossen werden! Eigentlich wollten wir heute eine Wanderung im Landesinneren machen. Na ja, man weiß ja hier nie, wie sich das Wetter von einer Minute auf die andere entwickelt. Und so ist es dann auch. Knapp eine Stunde später grinst die Sonne wieder zwischen den Wolken durch. Also packen wir unsere Sachen und brausen los.

Wir fahren bis Ribeira Brava und biegen dann ins Landesinnere ab. Bei Serra de Água geht es dann weiter in Richtung Encumeada Pass. Die Wolken matchen sich wieder mit der Sonne und es nieselt leicht. Die Abhänge sind fast zur Gänze mit Ginster bewachsen und hätten wir schöneres Wetter, dann wären wir von der Landschaft voll begeistert. Riesige Büsche vom Madeiras Stolz und Schmucklilien zieren den Straßenrand. Da heißt es, sich beim Fahren nicht allzu viel ablenken zu lassen, denn stellenweise sind die Straßenverhältnisse sehr schlecht. Wie an der Nordküste ist auch diese Strecke gespickt mit den alten, schwarzen Tunnels mit eingebauter Dusche. Je weiter wir hochfahren umso grauslicher wird das Wetter. Die Wolken hängen bis ins Tal herab, dazu noch der Nieselregen und unbedingt warm ist es hier auf über tausend Meter auch nicht. Bei Bica da Cana auf 1.620 Meter ändern wir unsere Pläne und kehren um. Es hat keinen Sinn bis Rabaçal weiter zu fahren, denn eine Wanderung bei Regen wollen wir wirklich nicht unternehmen.

Dasselbe Spiel, das wir bei der Fahrt über den Encumeada Pass zuvor erlebt haben, widerfährt uns jetzt in umgekehrter Reihenfolge. Je weiter wir wieder in Richtung Süden fahren, umso schöner wird es. Kaum zu glauben, aber da treffen irgendwo in der Mitte zwei komplett verschiedene Welten aufeinander.

In Ribeira Brava machen wir den ersten Halt. Wir suchen nicht lange nach einem Parkplatz, sondern fahren in die nächstbeste Tiefgarage in der Nähe des Hafens. Eine lange Mole im Hafen bildet eine ruhige Badebucht mit dunklem Sandstrand und Steinen. Ein paar lustige Palmenschirme spenden ein wenig Schatten. Trotzdem lassen sich junge, hübsche Mädels in der Sonne braten. Genug geschaut, wir schlendern weiter die Promenade entlang. Wir erreichen die Markthalle, die schön mit Kachelbildern geschmückt ist. Auf den Bildern sieht man typische Marktszenen mit Fischverkäufern, Obsthändlern oder Bauern. Im Gegensatz zum Markt in Funchal ist hier nicht viel los. Der Ort ist aber auch viel kleiner und nicht so touristisch angehaucht. Gegenüber der Markthalle hockt der dicke Turm der Fortaleza São Bento. Die 300-Jahre alte Küstenbefestigung beherbergt heute die Tourist Information. Im 17./18. Jh. sorgte der Wachtturm dafür, dass die Piraten kein allzu leichtes Spiel hatten. Über eine Wendeltreppe könnte man hochsteigen und das Panorama genießen, die Damen an der Rezeption verweigern uns aber den Zutritt. Kann man nichts machen. Wir folgen der Küstenstraße weiter durch einen in den Berg gesprengten Tunnel. Hier schaukeln die Fischerboote im Hafen und die Fischer hantieren mit ihren Netzen. Ein prächtiger Blick auf die unverbaute Küste und ihren steilen Klippen hält uns gefangen. Eine Weile betrachten wir die idyllische Atmosphäre und dann setzen wir unseren Rundgang fort. Wir folgen einer von den beiden Gassen, die von der Küste in den Ortskern führen. Kleine, weiße Häuser mit schmiedeeisernen Balkonen säumen die Straße, geschmückt mit der strahlenden Farbenpracht der Sommerblumen an den Fenstersimsen.

Wir erreichen den großzügig angelegten und mit hübschem Flusskieselmuster belegten Kirchenplatz mit dem Gotteshaus São Bento aus dem 16. Jahrhundert. Die weiße Kirche ist mit schwarzem Basaltstein eingefasst und ein blau-weißer Kirchturm aus Kacheln schmückt ihr Haupt. Im Inneren bestechen der goldene barocke Altar und die schönen alten Azulejo-Verkleidungen an den Wänden. Als besonders wertvoll gelten das Taufbecken und die Kanzel. Heimlich, weil fotografieren verboten ist, halten wir die Bilder mit unserer Kamera fest.

Nur wenige Schritte daneben befindet sich inmitten eines tropischen Gartens das Câmara Municipal. Baumfarne, Dattelpalmen, Jacaranden, Magnolien und Platanen verwandeln das rosafarbene Rathaus, eine ehemalige Quinta vom Ende des 18. Jahrhundert, in eine schattige Oase. Die genießen wir eine Weile und betrachten auch die Pfaue und Enten, die gemütlich im Park herumstolzieren. Das Flair dieses Ortes hält uns echt gefangen und wir flanieren noch ein wenig in den Gassen. Wir stöbern in den kleinen Geschäften und werden dann in einer Boutique fündig, denn wir haben den Nachbarjungs ja T-Shirts versprochen für das Leihen der Stirnlampen. Mit schönen Eindrücken machen wir uns wieder auf den Weg zurück zur Garage und fahren an der Küste weiter.

Nicht weit entfernt liegt eine der ältesten Siedlungen der Insel, Cãmara de Lobos. Noch heute wird der Ort vom Fischfang geprägt. In der halbrunden, von Felsen eingerahmten Bucht liegen die bunten Boote und die am Hafen sitzenden Fischer führen ein Schwätzchen, spielen Karten oder Domino. Nein, stimmt nicht ganz, ein Boot war draußen und schaukelt gerade ans Ufer. So pittoresk die Boote auch aussehen, ihre Tage sind gezählt, denn sie sind nur für den Fischfang in Küstennähe geeignet. Jetzt hoffen die Fischer auf die Unterstützung der EU, die eine bessere Zukunft verspricht.

Über viele Stufen steigen wir den Hügel im Zentrum des Ortes hoch und die heiße Plagerei lohnt sich. Der Rundblick bis zur Steilküste Cabo Girão ist atemberaubend. Auf der anderen Seite kann man auf das Dächermeer der Altstadt hinunter schauen. Wir sind leicht entsetzt, dass sehr viele Dächer desolat sind. Ja, teilweise fehlen große Flächen davon und man sieht in die kaputten, nicht bewohnbaren Innenräume. Von außen ist kaum sichtbar, dass viele der Häuser leer stehen.

Der Abstieg in die Altstadt über eine schmale Gasse ist nicht minder anstrengend wie der Aufstieg. Der Weg ist sehr steil und der Belag ist stark beschädigt. Die wunderschönen, winzigen Gärten entschädigen aber für alles, denn egal wie viel Platz auch ist, die Stufen und Plätze sind mit Unmengen von Blumentöpfen voll gestellt. Blumen überall – wenn nicht im Freiland gepflanzt, dann in Töpfen. Und das zieht sich die gesamte Altstadt durch.

Im Freien des Cafés Pance Monion vor dem Kirchenplatz machen wir es uns gemütlich und bestellen Mittagslunch.  Während wir essen, beobachten wir die Leute und das Geschehen rund um uns. Wir sitzen im Schatten und es weht ein laues, warmes Lüftchen – hier könnten wir es länger aushalten. Aber die Zeit drängt, wir möchten der Kirche São Sebastião auch noch einen Besuch abstatten. Der Bau geht auf die ersten Jahre von Cãmara de Lobos um 1430 zurück.

Der Innenraum ist im gesamten sehr dunkel. Der Altarraum ist in hellblau gehalten mit goldenen Ornamenten. Schöne Fliesen zieren die seitlichen Wände und den Boden. Von der bemalten Decke hängen schwere, goldene Luster. Und wie in allen bisher besichtigten Kirchen ist auch diese mit einem Blütenmeer geschmückt. Die haben alle einen ordentlichen Verschleiß an Blumen.

Auf dem Weg zurück zum Parkplatz im Hafen machen wir einen kurzen Abstecher in die kleine Kirche Nossa Senhora da Conceição. Die Betonung liegt auf kurz, denn diese Einraumkirche findet überhaupt keinen Gefallen bei uns. Sie ist so überladen und golden, alles vollgehängt mit wuchtigen Bildern. Kaum dass wir sie betreten haben, sind wir auch schon wieder draußen.

Ein letzter Blick auf die umliegenden, mit üppigen Bananen- und Weinplantagen bewachsenen, Hänge von Cãmara de Lobos und dann fahren wir weiter in Richtung Funchal.

Es bleibt noch ein wenig Zeit und daher versuchen wir wieder einmal die Palheiro Gardens im Umland von Funchal zu finden. Und diesmal schaffen wir es auch. Da aber der Garten in einer Stunde schließt und wir uns aber mehr Zeit dafür nehmen wollen, lassen wir es für heute und machen uns auf den Heimweg. Morgen ist auch noch ein Tag.

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