In Etappen finden sich nach und nach alle Familienmitglieder am nächsten Morgen im Frühstücksraum wieder ein. Mehr oder weniger ausgeschlafen, schaufelt jeder seine Brötchen in sich hinein und hoffentlich schafft der Kaffee es noch, die letzte Müdigkeit zu vertreiben.
Wieder machen wir uns per Bus und U-Bahn auf den Weg ins Zentrum von München. Heute steht Sightseeing auf dem Programm, das ich für uns vorbereitet habe. Den Part des Tourguides übernimmt Wolfgang.
Los geht es an der Börse und dem direkt daneben liegenden Wittelsbacher Brunnen. Der Monumentalbrunnen wurde 1893 bis 1895 aus Anlass der Fertigstellung der Quellwasserleitung errichtet. Die beiden Brunnenfiguren stellen die zerstörerische und die segensbringende Kraft des Wassers dar – ein Mann, der einen Fels schleudert und eine Frau, die eine Schale trägt. Um das beste Motiv für das Foto zu finden, klettert Thomas am Rand des Beckens herum. Mal sehen, ob wir was zum Lachen bekommen, wenn er unfreiwillig baden geht.
Die Begeisterung will noch nicht so recht aufkommen, daher steuern wir als nächstes den Karlsplatz an, der umgangssprachlich auch Stachus genannt wird. Im Mittelalter führte die Salzstraße darüber, die Stadt erlangte dadurch ihren Wohlstand. Heute ziert ein großer Brunnen den Platz, der tolle Farbspiele zaubert, wenn sich die Sonnenstrahlen darin brechen.
Unmittelbar daneben befindet sich das westliche Stadttor der historischen Altstadt, das Karlstor. Verschiedenste Figuren zieren die Torbögen. Da gibt es erst mal ein Denkmal für Herbert Jensen, dem „Erfinder“ von Fußgängerzonen. Aus den Ecken des Haupttorbogens ragen die sogenannten Kragenköpfe. Hier werden herausragende Münchner Persönlichkeiten, wie der Kutscher Krenkl, Baron Sulzbeck und der Finessensepperl dargestellt. Außerdem guckt auch Bayerns letzter Hofnarr auf die Passanten herab. Tausende von Menschen gehen jeden Tag unter dem Tor hindurch, das in die beliebte Münchner Einkaufsmeile führt.
Und plötzlich kommt Leben in unsere Gruppe. Während sich die einen noch für die Sehenswürdigkeiten interessieren, sind die meisten Mädels schon in den Geschäften verschwunden. Na ja, lassen wir sie mal eine Weile shoppen.
Der Rest der Truppe widmet sich der St. Michaels Kirche, die dem Erzengel Michael geweiht ist. Von außen sieht sie nicht wirklich wie eine Kirche aus. Die reich verzierte Fassade mit Rundbögen und Nischen, in denen sich Statuen befinden, ist eines der schönsten Werke der Renaissance-Epoche. Im Inneren erzeugt das 20 m hohe weiße Tonnengewölbe eine beeindruckende Raumwirkung. In der Michaelskirche befindet sich auch die letzte Ruhestätte des legendären Märchenkönigs Ludwig II.
Auf dem Weg zum nächsten sakralen Bauwerk erregt die mongolische Band Sedaa unsere Aufmerksamkeit. Keine Ahnung wie sie das machen, solche kehligen Gesangslaute von sich zu geben, begleitet von ihren interessanten Musikinstrumenten. Es hört sich auf jeden Fall echt toll an und innerhalb kurzer Zeit sammelt sich eine große Traube von Menschen vor ihnen. Ist nur traurig, dass das Geldbörsl der meisten Leute verschlossen bleibt – unser Geldbörserl ist da nicht so knausrig.
Nur gut, dass wir in der Zeit der Handys leben – sonst hätten wir uns nicht wieder gefunden! So aber treffen wir uns alle vor der Frauenkirche, dem Wahrzeichen Bayerns. Der dreischiffige spätgotische Backsteinbau, flankiert mit zwei fast hundert Metern hohen Zwiebeltürmen wird auch Dom Zu Unserer Lieben Frau genannt. Sie wurde 1494 eingeweiht und bietet 20.000 stehenden Menschen Platz, was etwas kurios ist, da zur Bauzeit die Stadt nur etwa 13.000 Einwohner hatte. Viele kostbare Kunstwerke wie mittelalterliche Figuren, die Überreste des frühneuzeitlichen Chorgestühls und Buntglasfenster aus der Zeit des 14. bis 16. Jahrhunderts sind im Inneren zu finden. Das mächtige, dunkle Scheingrab von Kaiser Ludwig befindet sich direkt neben dem Eingang und zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Wir wühlen uns durch die Menschenmassen weiter auf den Marienplatz, der vom Prachtbau des Neuen Rathauses dominiert wird. Der Bau aus Back- und Muschelkalkstein wurde nach den Plänen eines Grazer Architekten zwischen 1867 – 1909 erschaffen. Die fast 100 m lange Hauptfassade ist reich geschmückt mit Münchner Originalen, neugotischen Wasserspeiern in Form von Fratzen und Masken, Themen aus dem Leben von Heiligen und volkstümlichen Sagengestalten.
Sehenswert ist auch das weltberühmte Glockenspiel auf dem 85 m hohen Mittelturm. 43 Glocken mit einem Gesamtgewicht von 7.000 kg spielen mehrmals am Tag vier verschiedene Melodien. Dazu tanzen auf zwei Etagen 32 Spielfiguren einen Schäfflertanz oder führen ein Ritterturnier auf. Auch das Münchner Kindl oder der Friedensengel haben einen Auftritt in dem etwa 12-minütigen Spektakel. Der Komplex beherbergt im Keller einen gastronomischen Betrieb und besitzt auch sechs Innenhöfe.
Unmittelbar vor dem Neuen Rathaus glänzt eine Maria golden auf einer Statue, die 1638 zum Dank für die Schonung der Stadt während des Dreißigjährigen Krieges errichtet wurde. Die Mariensäule galt früher als Mittelpunkt des Landes und alle ausgehenden Straßen hatten hier ihren Nullpunkt. Die zu Beginn stattfindenden Litaneien an der Säule wurden 1803 verboten, jedoch 50 Jahre später wieder aufgenommen. Noch heute finden an der Mariensäule öffentliche Gebete statt. Und davon können wir uns auch überzeugen, denn eine große Gruppe Jugendlicher gibt Gesänge zum Besten und ein Laudator schwingt seine Rede.
Von Sängern und Künstlern werden wir heute reichlich beglückt. An fast jeder Ecke finden wir Straßenmaler oder eingefrorene „Figuren“ vor, die nach Einwurf kleiner Münzen wieder bewegungsfähig werden.
Vorbei am Alten Rathaus, kommen wir zur Pfarrkirche Sankt Peter, deren Turm im Volksmund auch Alter Peter genannt wird. Die älteste Pfarrkirche Münchens geht auf das 12. Jhdt. zurück. Im Jahr 1327 wütete ein verheerender Brand in München und zerstörte die ursprünglichen zwei Türme. Im Zuge des Wiederaufbaus wurden sie zu einem einzigen Mittelturm (91 m hoch) zusammengelegt, der sie noch heute ziert. Außerhalb der Turmwächterstube befindet sich eine Aussichtsplattform in 56 m Höhe. Bis dahin ist der Aufstieg aber schon eine gewisse sportliche Herausforderung. Über steile Treppen auf engem Raum winden wir uns von Ebene zu Ebene hinauf. Bei Gegenverkehr heißt es „an die Wand drücken“, damit niemand stecken bleibt. Wir benötigen einige Verschnaufpausen bis zum Ziel. Eine davon legen wir vor den Guckfenstern am Glockenstuhl ein. Wir hoffen, dass uns die vier Glocken nicht begrüßen, denn danach ist eine Schwerhörigkeit nicht auszuschließen. 303, 304, 305, 306 – geschafft, oder doch verzählt?
Auf jeden Fall hat sich die Anstrengung gelohnt, denn wir haben einen herrlichen Rundumblick auf Münchens Mitte und auf das Getümmel weit unter uns. Majestätisch erheben sich das Neue und das Alte Rathaus, die Frauenkirche mit der Mariensäule und dem Fischerbrunnen auf dem Platz. Wir haben heute traumhaftes Bilderbuchwetter und deshalb sieht man bis zum Olympiastadion und dem auffälligen BMW Gebäude. Das Fotografenherz macht Sprünge – doch leider sind die Bilder schwer verdient, denn der Rundgang ist sehr schmal und vollgepflastert mit Touristen. Die Geduld wird aber belohnt und wir können tolle Bilder einfangen.
Von oben können wir bis in die Kaffeetassen des Cafés Glockenspiel hinunter sehen, wo Evi und Markus bereits einen Tisch belagern. Die beiden haben es vorgezogen, das Sportprogramm auszulassen und stattdessen lieber eine Zigarette zu genießen.
Wir gesellen uns nach dem Abstieg noch auf einen Kaffee zu ihnen und nachdem alle das Topferl besucht haben, geht´s weiter.
Wie bei einer Prozession schlängeln wir uns im Entenmarsch durch die Gassen und schlagen uns bis zum Viktualienmarkt durch. Hier begegnen wir Bayern mit der Urtümlichkeit und den vielen typischen Köstlichkeiten des Landes. Hübsche Mädels in Dirndln und urige Bayern mit Edelweiß und Gamsbärten dekorierten Hüten laufen hier zuhauf herum. Aber auch die Farbenpracht der Blumen, Gemüse und sonstigem Allerlei finden unsere Begeisterung. Weniger erfreut sind wir davon, dass wir keinen freien Sitzplatz mehr finden. Der Hunger plagt uns nämlich schon sehr, und die vielen köstlichen Düfte tragen das ihrige bei. Also schlendern wir weiter des Weges, verlassen den Markt wieder und versuchen es in den diversen Gassen. Zum Glück finden wir schließlich ein Bayern-typisches Lokal, das „Weisse Bräuhaus“ mit einheimischer Küche, die uns ausgesprochen mundet.
Gestärkt setzen wir unsere Sightseeing-Tour fort und ziehen weiter ins berühmte Hofbräuhaus. Das Ambiente hier ist schon ein eigenes. Prächtiges, bemaltes Gewölbe, rund um urige Tisch- und Sitzgelegenheiten gruppieren sich die dazu passenden „Gestalten“ und singen bzw. gröllen. Auch das muss man gesehen haben!
Danach stiefeln wir bis zum Alten Hof, der ehemaligen Kaiserresidenz. Der Alte Hof besteht aus mehreren Gebäuden und einem tollen Torbogen. Auffällig sind das schief karierte Muster auf der Fassade und die Sgraffiti-Bemalung der Fensterstöcke. Am Burgstock befindet sich ein hübscher gotischer Holzerker, zu dem es eine Sage gibt. Ein Affe aus der herzoglichen Menagerie hat den kleinen Ludwig entführt und erst nach langem Zureden wieder zurückgebracht.
Dieses hübsche Ambiente hat sich heute ein Brautpaar ausgesucht, um ihre Hochzeitsfeier hier im Hof zu verbringen. Ob ich das möchte, gemeinsam mit so vielen Touristen – ich weiß nicht.
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Einige Gassen weiter kommen wir zum Nationaltheater am Max-Joseph-Platz. Über dem Eingangsbereich, der von korinthischen Säulen getragen wird, thront ein zweifacher Dreiecksgiebel – das Gebäude erinnert an einen griechischen Tempel. Auf dem großen Platz davor tummeln sich viele Menschen, tratschen oder gehen ihrer Freizeitbeschäftigung nach.
Nicht weit davon entfernt befindet sich am Odeonsplatz die Feldherrnhalle, eine Loggia die als Denkmal zu Ehren des bayerischen Heeres errichtet wurde. Vor der Feldherrnhalle wurde der Putschversuch von Hitler am 9. November 1923 blutig niedergeschlagen.
Flankiert wird der Platz von der gelben barocken Theatinerkirche. Diese lassen wir aber links liegen und legen eine kurze Pause im daneben liegenden Hofgarten ein. Die Motivation der Reisegruppe lässt inzwischen ein wenig zu wünschen übrig und deshalb wird beratschlagt, was wir mit dem Rest des Tages machen.
Die Entscheidung fällt auf den Olympiapark. Die U3 bringt uns bis zu den Wahnsinnsbauten des BMW-Werkes. Von dort müssen wir noch einen kleinen Hatscher machen bis zum Fernsehturm. Der Olympiapark befindet sich im Norden der Stadt und ist weit über die Grenzen der Landeshauptstadt bekannt. Der 300 ha große Park wurde für die Olympischen Spiele 1972 angelegt und ist heute ein Naherholungszentrum für die ganze Stadt. Während Radfahrer, Jogger und Walker hier täglich ihre Runden im Freien drehen, legen Schwimmsportler ihre Längen in der Olympiaschwimmhalle zurück. Der Park wird dominiert vom 291 m hohen Olympiaturm, einem Fernsehturm, der schon 1968 eröffnet wurde. Mit einem Lift sausen wir in Null-Komma-Nichts (7 Metern/Sekunde) auf das Aussichtsplateau des Turms. Von hier oben haben wir einen traumhaften Ausblick auf die Dächer Münchens mit der weitläufigen Parkanlage hinaus bis in die Berge und auch auf die außergewöhnliche Architektur des Olympiastadions mit ihrem silbrigen Zeltdach.
Von oben ist auch das BMW-Werk gut auszumachen – auf dem Dach ein eigener Helikopter-Landeplatz. 2007 hat BMW hier die Tore für den Publikumsverkehr ein eigenes Ausstellungszentrum geöffnet. Die Geschichte der Marke BMW wird mit einem Museum, Shops und Restaurants dem Besucher nahe gebracht.
Wir genießen auf dem Turm noch den Sonnenuntergang und wieder gut am Boden angelangt, wird beratschlagt, wie wir den Tag ausklingen lassen. Die Füße brennen, die Hungersnot ist groß – da ist jeder Ratschlag teuer.
Die Entscheidung fällt auf den 7 km entfernten Englischen Garten, der zu den größten innerstädtischen Parks weltweit zählt. 1789 als Militärgärten, nach englischem Vorbild begonnen, wurden sie bereits wenige Jahre später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf der 3,75 km² großen Grünanlage befindet sich der auffällige Chinesische Turm. Der Pagodenbau ragt 25 m in die Höhe und fiel mehrmals dem Brand zum Opfer, wurde aber jedes Mal originalgetreu wieder aufgebaut. Im Turm spielt heute eine volkstümliche Band, die wir schon von weitem hören können. Do is wos los, do san ma richtig! Mit über siebentausend Plätzen handelt es sich hier um den zweitgrößten Biergarten Münchens und trotzdem finden wir nur mit Müh und Not einen freien Tisch, an dem wir alle Platz haben. Wir müssen uns eng zusammen kuscheln, aber das macht es erst richtig gemütlich. Damit wir nicht verdrängt werden, schlagen wir uns Gruppenweise durch die Menschenmassen durch, um uns Nahrung und Bier zu holen. Ich hätt mir nie gedacht, dass es nicht schwierig ist, eine oder sogar mehrere Maß zu trinken. Aber es ist ein leichtes, süffiges Bier. Die Stimmung nach der Schinderei ist wieder gut und als wir dann der Musikgruppe, die im Chinesischen Turm spielt, Konkurrenz machen, erregen wir die Aufmerksamkeit rund um uns. Doch wir ernten Applaus und spätestens jetzt wissen die Bayern, dass auch wir Ösis lustige Gesellen sind. Es wird wieder gegessen, getrunken und geraucht bis in die tiefe Nacht hinein. Die Tanzeinlage von Helga auf der Bank wird uns in ewiger Erinnerung bleiben.
Es ist weit nach 23:00 Uhr, als wir uns auf den Heimweg machen. Wir passieren das mächtige Siegestor an der Kreuzung Ludwig-Straße, Leopold-Straße. Gekrönt wird der Triumphbogen mit einer Bronzeskulptur der Bavaria und vier Löwen und wurde 1840 in Auftrag gegeben. Der Schriftzug „Dem bayerischen Heere“ auf der Nordseite erinnert an das siegreiche Ende der Befreiungskriege von 1815. Die Südseite ziert seit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges der Widmungsspruch „Dem Krieg geweiht, im Krieg zerstört, zum Frieden mahnend“. Der schönen Beleuchtung verdanken wir zur späten Nachtzeit noch tolle, stimmungsvolle Fotos von diesem beeindruckenden Bauwerk.