Mit einigen Unterbrechungen schlafen wir bis 08:30 Uhr und nach dem Frühstück leeren wir noch unsere Board-Toilette, füllen Wasser auf und dann steht der Weiterfahrt nix mehr im Weg. Wir fahren auf der D925 und bis zu unserem Ziel DIEPPE sind es etwa 35 km. Wir fahren wieder durch landwirtschaftliches Gebiet und weite Flächen Windräder.
Nach einer guten halben Stunde landen wir im Hafen von Dieppe und stellen das Auto am Quai de la Marne auf einem Wohnmobil-Stellplatz ab. Das Fährschiff „Seven Sisters“ der dänischen DFDS Reederei ankert gerade und wir fühlen uns wie Ameisen neben ihr. Auf dem Weg Richtung Zentrum rücken wir dem inneren Hafenbecken immer näher, wo sanft die Boote und Yachten im Wind schaukeln. Das Gekreische der Möwen erfüllt die Luft und der Fischgeruch vermischt sich mit dem Duft aus einer Pâtisserie. Emsiges Treiben herrscht auf den Fischerbooten, wo die Netze sortiert und die Taue aufgewickelt werden. Die bunte Häuserzeile entlang des Beckens ist eine Augenweide in Kombination mit den vielen Booten. Wir überqueren die Colbert-Brücke, eine gusseiserne Drehbrücke aus dem 19. Jhdt. mit einer Reichweite von 70,5 m. Und wieder waren die Deutschen am Werk, denn sie wurde 1944 von ihrer Armee gesprengt. Sie blieb aber fast unbeschadet und wurde wiederaufgebaut. Ende 2000 sollte sie einer neuen, modernen Brücke weichen, aber Proteste führten dazu, dass sie erhalten blieb und renoviert wurde.
Wir starten unsere Besichtigung am Place Nationale und begrüßen dort den Marineoffizier Abraham Duquesne, der hoch oben von einem Sockel auf uns herunterschaut. Er kämpfte sein Leben lang für die verschiedensten Länder und zu seinen Ehren stellte die Stadt 1844 hier eine Statue von ihm auf. Inmitten einer Art von Kreisverkehr befindet sich die gotische Église Saint-Jacques. Sie vereint verschiedene Baustile aufgrund der langen Bauzeit und den Bränden, denen sie immer wieder zum Opfer fiel. Zerstört von einem Feuer 1195 wurde sie zwischen dem 13. und 14. Jhdt. wiederaufgebaut und dem Apostel Saint James geweiht. Dank dem Wohlstand der Stadt wurde sie nach dem Hundertjährigen Krieg vergrößert und verschönert. Sie erhielt einen vierzig Meter hohen Turm, zwanzig Kapellen in den Seitenschiffen und das sogenannte wilde Fries entstand. Es zeigt neben kriegerischen Szenen, Prozessionen, Musikanten und Tänzen auch Eingeborene aus Afrika, Indien oder Amerika. Sie liegt auf dem Jakobsweg nach Santiago di Compostela und daher ist es wichtig sie zu erhalten. Sowohl außen, als auch innen wird fleißig gearbeitet. Wie man sieht ist noch viel zu tun, aber nichtsdestotrotz ist sie sehr beeindruckend. Die filigranen in Stein gearbeiteten Ornamente und Figuren sind wirklich toll und bei genauerem Betrachten entdecken wir zwischen Ranken und Blumen Drachen, Hasen und Figuren. Beim Auszug aus Ägypten hat Maria leider schon den Kopf verloren. Auch die Buntglasfenster in den satten Farben sind Meisterwerke der damaligen Zeit. Wir können uns kaum sattsehen an den vielen hübschen Details und lassen daher die Kamera ordentlich arbeiten, um so viel als möglich bildlich festzuhalten. Kontraste zu den steinernen Details bilden der geschnitzte Heilige Jakob und die Bronzefigur von Papst Johannes Paul II im Altarraum. Über der prachtvollen Orgel befindet sich ein schönes Rosettenfenster und die geschnitzte Kanzel ist mit goldenen Ornamenten übersät. Auf einer Mauer entdecken wir dann noch ein Sgraffito aus dem 16. Jhdt., das ein Segelschiff darstellt.
Wie wir es von Frankreich schon kennen, haben viele Geschäfte am Montag geschlossen und daher ist nicht viel los in den Gassen. Selbst in der Hauptstraße, der Grande Rue sitzen nur die Obdachlosen auf den Gehsteigen herum. Unsere Mittagsrast verbringen wir hier im „Restaurant Le Calvados“, das Essen haut uns nicht vom Hocker, aber satt geworden sind wir allemal.
Auf unserem Spaziergang durch Dieppe kommen wir an der Porte des Tourelles vorbei, ein Überbleibsel der Stadtbefestigung aus dem 15. – 19. Jhdt. Es ist das einzige noch erhaltene von einst sieben Stadttoren als die Stadt erneuert wurde. Die Twin-Towers wurden bis ins 19. Jhdt. als Gefängnis genutzt. Immer wieder begegnen wir Gedenkstätten der Weltkriege, am Fuße der Burg wurde eines den gefallenen kanadischen Soldaten gewidmet. Auf der Steilküste thront das Vieux Château aus dem 12. Jhdt., das den Hafen vor Angriffen der Engländer im 15. Jhdt. schützen sollte. Wir steigen den Berg hoch und erreichen den Innenhof, wo der Zugang zum Museum ist. Dazu sind wir heute aber nicht aufgelegt und daher verlassen wir die Burg hinten wieder über eine schmale Brücke. Um 1560 wurde ein überdachter Zugang aus massiven Sandsteinblöcken mit Schießscharten errichtet. Zu dieser Zeit gab es hier noch eine Holzbrücke, die erst Ende des 17. Jhdt. durch drei Mauerwerksbögen ersetzt wurde. Je nach militärischen Anforderungen wurden diese blockiert oder entsperrt. Von hier oben haben wir einen schönen Blick auf die Stadt hinunter und bevor wir uns auf den Weg dorthin machen, studieren wir noch die Infotafeln über die Luftschlacht im August 1942 und die Bunkeranlagen, die noch präsent sind. Dann schlendern wir den Berg wieder hinunter und statten der Église Saint-Rémy aus dem 16. / 17. Jhdt. noch einen Besuch ab, weil sie auf der Strecke liegt. In der Kapelle der Heiligen Jungfrau überrascht uns der üppige goldene Prunk von oben bis unten. Zwei Jahre dauerte die Renovierung dieses Altarbildes und es wurden 16.000 Goldbleche dafür verwendet. Viel Zeit schenken wir ihr aber nicht, denn die Kaffeepause ruft.
Unten im Hafen angekommen, spricht uns das „Restaurant Tout Va Bien“ am Quai Henri IV an, denn wenn der Name schon sagt, dass alles gut ist, dann sicher auch der Café Gourmand. Leckerlis haben wir schon bessere gegessen, aber der Kaffee war super.
Wir stapfen zum Auto zurück und fahren ins Landesinnere, wo wir um 17:30 Uhr am Parkplatz beim Château Miromesnil ankommen. Es ist Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden, dort wo ursprünglich eine Burg stand. Von dieser Zeit stammen noch die beiden Türme, die heute Teil der Parkfassade sind. Versteckt hinter hohem Baumbestand liegt idyllisch das Schloss, das von einem zehn Hektar großen Park umgeben ist. Die Abendsonne taucht das Bauwerk in ein warmes Licht und die Backsteine leuchten in voller Farbe. Am Eingang begegnen wir einem Hinweisschild, auf dem geschrieben steht, dass Hunde nicht gewünscht, aber dafür Ziegen akzeptiert werden. Nur wenige Schritten treffen wir auch schon auf die Tiere, die unbeschwert in der Wiese grasen. Am Ticketschalter erhalten wir die Info, dass es heute nur noch eine Führung in französischer Sprache gibt, aber dafür reichen unsere Sprachkenntnisse nicht aus. Daher bezahlen wir den Eintritt zum Küchengarten, der seitlich am Schloss liegt und umgeben ist von einer Ziegelsteinmauer. Diese bietet Schutz vor Tieren, Wind und Wetter und bietet daher beste Bedingungen für Obst, Gemüse und Blumen. Die Mauern speichern die Wärme, die sie dann langsam abgeben und so ein spezielles Mikroklima schaffen. Außerdem bieten sie Platz für Obstspaliere. Der Garten wurde im 17. Jhdt. angelegt und fiel während des Zweiten Weltkrieges in einen Dornröschenschlaf. Erst die Großmutter der heutigen Besitzerin erweckte ihn mit viel Mühe und bestellte Samen aus aller Welt. Heute verbindet der Garten die Geometrie eines französischen und die freie Gestaltung eines englischen Gartens. Vier große Gemüsebeete sind eingefasst mit einer Blumenbordüre, wo jetzt die schönen Herbstpflanzen in allen Farben blühen. Wir können uns gar nicht satt sehen und sind anfangs komplett überfordert mit der Schönheit. Hummeln und Schmetterlinge sind emsig am Nektar Saugen und so ist es ein leichtes Spiel sie fotografisch festzuhalten. Im 2.500 m² Garten wird heute Gemüse kultiviert, dass die gesamte Familie und das Personal, ein benachbartes Kloster versorgt. Durch eine Tür verlassen wir den Garten nach hinten hinaus und landen im weitläufigen Schlosspark, wo eine 200 Jahre alte Zeder die Rasen dominiert. In die Grasfläche wurde mit dem Mäher das Muster eines Schachbretts und an Eckpunkten schöne Vasen aufgestellt. Wir gucken auf der Rückseite des Schlosses durch die Fensterscheiben und erhaschen Blicke auf einige herrschaftlich ausgestattete Räume. So, es ist Zeit Abschied zu nehmen und wir spazieren wieder zum Ausgang. Vor dem Shop stolzieren Vögel aus Metall im Rasen und eine graue Katze schleicht dazwischen herum. Sie begleitet uns bis zum Ausgang, streicheln lässt sie sich aber nicht.
Wir setzen unsere Fahrt abseits der breiten Straßen fort und nehmen den Weg durch die Pampas. Wir passieren dabei wieder kleine Dörfer, die eingebettet sind in Wiesen und Weiden, eines hübscher als das andere. Trotz der schon fortgeschrittenen Zeit legen wir um 18:30 Uhr einen Stopp bei VEULES-LES-ROSES ein und spazieren dort den Wasserkresse-Rundweg. Den Namen hat das Dorf vom Fluss, der übrigens mit 1.194 m der kürzeste von Frankreich ist und den vielen Rosen, denen man überall in Hülle und Fülle begegnet. Im Mittelalter war Veules ein betriebsames Fischerdorf, wo sich Weber- und Gerberfamilien ansiedelten. In Mühlen wurde die Wasserkraft genutzt, die Tag und Nacht arbeiteten. In früheren Wasserbecken wird heute noch Wasserkresse gepflanzt und die gedeiht hier sehr üppig. Infotafeln mit Fotos, Erklärungen, Zeichnungen und die kleine Comicfigur „Mademoiselle Rose“ begleiten uns auf dem Rundweg. Entlang des Ufers der Veule stehen wunderschöne Fachwerkhäuser, viele davon mit Reet gedeckt, das schon von Moosen, Hauswurzen und Farnen bewachsen ist. Das glasklare Wasser plätschert ruhig dahin, Forellen und Wildenten lassen sich darin gleiten und Schwertlilien, Roten und blühende Pflanzen zeichnen ein wunderschönes Bild. Wir flanieren entlang die stellenweisen schmalen Gassen und bei jedem Schritt entdecken wir wieder einen hübschen Garten oder eine alte Mühle. Alles ist so liebevoll gestaltet und geschmückt und wir sind total verzückt. Die kleine Rose erzählt uns in einem dicht bewaldeten Abschnitt, dass wir uns hier an der „Champs Elysées“ befinden, entstanden aus einem Wortspiel, über die Felder vom Landbesitzer Mr. Elysées. Heute ist es der Weg der Träumer oder Liebhaber, wo einst die Pariser Bourgeoisie zuhause war und Inspirationsquelle für die Künstler des 19. Jhdts. gewesen ist. Wir kommen zur Mühle Anquetil, die bis 1940 genutzt wurde und während der Schlacht zerstört wurde. Heute erinnern nur noch Mauerreste, ein Schaufelrad und ein Metallzahnrad an römische Zeiten. Die Ancestors-Mühle produzierte bis 1789 Öl und stand dann für zehn Jahre still. Sie wurde 1806 zu einer Getreidemühle umfunktioniert und blieb bis 1952 aktiv. Das Rad wurde restauriert und dreht sich heute noch.
Fast am Ende kommen wir zu einem hübschen Wohnhause mit überdachter Terrasse und dieses Haus hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Erbaut wurde es 1577 – als es im 19. Jhdt. zerstört wurde, errichtete man es wieder im „Normand“-Style. Man nutzte es als Posthaus, dann die Kirche, nach der Revolution wurde es ein Bauernhaus, danach wurde es ein Hotel für ein halbes Jahrhundert, bis es ein Ferienlager für Kinder wurde und heute eine Unterkunft für Touristen ist. Wir bedanken uns bei Mademoiselle Rose für die Begleitung und die vielen Informationen über Veules-les-Roses. Unser Schrittzähler besagt, dass wir heute knapp fünfzehn Kilometer in den Beinen haben und das spüren wir auch schon gewaltig. Der Ort ist auf jeden Fall ein lohnender Abstecher gewesen und wir kehren jetzt zum Auto zurück und setzen unsere Fahrt fort. Die Sonne geht langsam unter und taucht die vielen Windräder entlang der Straße in ein mystisches Licht. An der D925 kommen wir nach Cany-Barville und hier übernachten wir auf einem Parkplatz.
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