Heute ist Sonntag, es ist sehr frisch und der Blick auf das Thermometer verrät, dass es nur 7° hat. Draußen sind die Wiese und auch unser Wohnmobil komplett nass und der Dunst schwebt über dem Boden. Jetzt wissen wir, warum wir in der Nacht ein wenig gefroren haben.
Kurz nach 08:00 Uhr brechen wir auf ins nahe gelegene NESLE-HODENG wo wir eine Besichtigung machen möchten in der „Ferme des Fontaines Alex Brianchon“, der ältesten Käserei der Region. Wir haben gelesen, dass die Käserei täglich geöffnet hat, aber so wie´s ausschaut, schlafen heute noch alle. Nur drei Hunde stürzen auf uns zu und heißen uns willkommen oder wollen uns verscheuchen. Das wissen wir nicht so genau. Aufgrund des wilden Gebells kommt dann doch eine Frau heraus und schaut uns verdutzt an. Als wir sie fragen, ob wir Käse probieren können, bittet sie uns in den Produktionsraum. Hier wird der berühmte Kuhmilchkäse Neufchâtel hergestellt und klassischerweise in Herzform. Der junge Käse ist sehr mild, er wird mit den Monaten sehr kräftig und die Rinde färbt sich schwarz. Nach zehn Tagen Reifezeit wird er verkauft und er kann bis zu zwei Monaten reifen. Leider ist mein Französisch nicht so perfekt und Englisch kann die gute Frau gar nix. Dennoch schaffen wir es, Kostproben zu bekommen und für 5 Euro mit Trinkgeld packen wir dann einige Herzen ein. Die Herzform kommt aus dem Hundertjährigen Krieg, weil die normannischen Mädchen den Soldaten damit ihre Liebe bezeugen wollten. Mit einer Seelenruhe packt sie die einzelnen Käse geschickt ins Papier, sodass die berühmten Herzen entstehen. Die Hunde lassen uns dann gar nicht mehr wegfahren, denn alle drei laufen ständig rund ums Auto, sodass wir uns nur in Zentimetern bewegen können.
So geschafft, wir fahren den schmalen Weg wieder retour und unser Navi schickt uns dann durch die Pampas weiter auf den engsten Überlandstraßen. Na hoffentlich kommt uns kein Traktor entgegen! Das Wetter wird immer freundlicher und wir sind gespannt, was uns der Tag heute bringen wird.
Unser nächstes Ziel ist MESNIÈRES-EN-BRE, wo wir uns das Renaissanceschloss ansehen möchten. Wir stellen unser Auto außerhalb des Ortes ab und spazieren dann die Straßen entlang. Kaum eine Menschenseele ist unterwegs, nur die Hühner sind schon fleißig am Picken. Das Schloss finden wir schnell, doch leider ist seit August für den Besucher das schöne Gatter verschlossen. Aber durch die Stäbe haben wir einen schönen Blick auf den weitläufigen Park, der von Vögeln, Enten und Enten bevölkert wird. In Reih und Glied sind Terracotta-Töpfe platziert mit schönem Blumenschmuck, rote Farbkleckse bilden das rote Blumenrohr und die Geranien. Das Schloss stammt aus dem 15. Jhdt. und beherbergt heute das Kolleg für Gartenbau und Forstwirtschaft.
Es ist 09:30 Uhr und wir fragen uns langsam, ob hier überhaupt irgendwer wohnt, denn weit und breit ist kein Mensch zu erblicken. Auch die Kirche Saint-Pierre-et-Saint-Paul aus dem 11. Jhdt. ist verschlossen, da sie nur 14-tägig zur Messe ruft. Eine grüne Route führt durch das Dorf, speziell gekennzeichnet für Fußgänger, Radfahrer, Skater oder Rollstuhlfahrer. Wir stapfen durch die Straßen des Blumendorfes (4 Fleurs) und entdecken immer wieder Keramiken von Jacques und Juliette Damville, die sie 2008 hergestellt haben. „Ceres und der kleine Fotograf“ nennen sie ihre Kunstwerke und begleiten durch das ganze Dorf. Mesnières-En-Bre ist ein Dörfchen wie aus dem Bilderbuch und hier wird der Sonntag als Ruhetag wirklich ernst genommen.
Daher setzen wir die Fahrt fort, die wieder entlang von Wiesen und Weiden führt. Hin und wieder halten wir an und quatschen mit den Kühen, die uns nur neugierig anstarren. Wir genießen die Landschaft und lassen uns Zeit.
Etwa vierzig Kilometer später erreichen wir die Stadt EU. Hinter der Kirche ergattern wir einen der letzten Parkplätze, die heute aufgrund einer Veranstaltung in der Kirche sehr gefragt sind. Nur wenige Schritte davon entfernt befindet sich das Château d´Eu, das 1578 die Gräfin Catherines de Clèves und ihr Ehemann errichten ließen. Im 11. Jhdt. befand sich hier eine Burg, die die Grenze im Norden der Normandie schützte. Bis Ende des 19. Jhdt. wurde das Schloss ständig vergrößert bis 1964 die Stadt Eu der Eigentümer wurde und neun Jahre später das Museum Louis-Philippe darin einrichtet. Auch die Stadtverwaltung ist heute hier untergebracht. Das Renaissance-Schloss wurde aus roten Backsteinen und hellen Steinen erbaut und das Dach decken graue Schindeln. Das Ensemble bildet wahrlich eine Augenweide und bevor wir uns dem Museum widmen kämpfen wir damit das mächtige Gebäude fotographisch festzuhalten.
Gleich nach dem Eingang erhalten wir einen deutschsprachigen Führer, der mit Fotos und vielen Infos uns die einzelnen Räume und Persönlichkeiten näherbringt. Der Säulengang diente dazu, um die verschiedenen Treppen zu verbinden und tolle Kirchenfenster lassen Licht durch. Die Ehrentreppe besteht aus dunklem Holz mit verschnörkelten Geländern und an den Wänden hängen zwei große Gemälde ehemaliger Besitzer des Schlosses. Als erstes widmen wir uns dem großen Salon, der einst der Arbeitsort des Grafen gewesen ist. Auch der kleine Salon beherbergt Portraits der Familie und zeigt herrschaftliches Mobiliar. Das Parkett zeigt tolle Einlegearbeiten aus verschiedenen Holzarten und es knarrt unter unseren Füßen bei jedem Schritt. Der Salon Bragance diente als Schlafzimmer und Blumenmuster zieren die Wände. Der französische Architekt Viollet-le-Duc, berühmt geworden durch seine Restaurierungen von Bauwerken aus dem Mittelalter hat auch hier Hand angelegt.
Im ersten Stock können wir einen Blick in das Badezimmer werfen, was zu dieser Zeit purer Luxus war. Anstelle von Waschtischen gab es nun eine Badewanne mit warmem Wasser aus der Leitung. Der Architekt kreiert dazu Wandfliesen mit witzigen Seetieren. Weiter geht´s ins goldene Zimmer, das noch die bemalten Holzverkleidungen aus dem 17. Jhdt. behalten hat. Ausgestattet ist der Raum mit Möbeln aus Palisanderholz, die auch noch aus dieser Zeit stammen. Das Familienesszimmer erstrahlt aufgrund eines mächtigen, goldenen Kronleuchters aus Erz und auch hier stehen die Möbel auf einem imposanten Parkettboden. Bilder und Wandteppiche sind in die Holzverkleidungen eingelegt und vermitteln eine königliche Eleganz. Edles Porzellan, Silberbesteck und geschliffene Gläser vermitteln den Eindruck, als würde jedem Moment das Essen aufgetragen. Wie die meisten Zimmer des Museums verdankt auch der Familiensalon die Wand- und Deckendekoration Viollet-le-Duc. Viele Portraits des Vaters der Gräfin von Eu zieren diesen Salon. Ein Highlight ist noch die Galerie mit den goldenen Wandverkleidungen, den gläsernen Kronleuchtern und den Portraits. Die verschnörkelte Kutsche vom König Portugals wurde von 1725 – 1729 in Paris gebaut und ist mit Allegorien bemalt. Wir sind nun am Ende des Museums angelangt und machen noch einen kurzen Abstecher in die Gärten. Anne-Marie Louise of Orléans, besser bekannt als La Grande Mademoiselle, Gräfin von Eu ließ 1665 eine Mauer bauen, um einen Garten in der Nähe des Schlosses zu schaffen. 1830 pflanzte König Louis-Philippe Rosen und Rhododendren und ließ Statuen aufstellen. ein runder Springbrunnen ziert das Zentrum des Parks und niedrige Buchsbaumhecken zäunen Rosenbeete ein. Die Rosen sind mit Namen und Zuchtdatum versehen und verströmen einen süßen Duft. Eine 35 m hohe Buche mit fast sechs Meter Stammumfang bewacht den Eingang des Schlossparks. Sie wurde 1585 von Catherine of Clèves gepflanzt.
Orgelmusik empfängt uns in der Église Notre-Dame-et-Saint-Laurent aus dem 12. Jhdt. die mit einer Länge von 80 m und 17 m Breite beachtliche Ausmaße besitzt. Zwei hohe Seitenschiffe mit imposanten Kreuzrippengewölben machen den Innenraum einfach bombastisch. Die dreidimensionale Darstellung des Kreuzweges finden wir total hübsch, denn goldene Heiligenscheine bekräftigen die Szenen, die aus hellem Gestein oder Alabaster hergestellt wurden. Die dunkle Orgel aus dem 17. Jhdt. setzt sich toll vom hellen Gestein ab und dahinter zieren schöne Buntglasfenster die Mauern. In der Chapelle Notre Dame de Lourdes treffen wir auf die Statue der Notre Dame de Lépante, die zum Gedenken an die Seeschlacht von 1571 an der Westküste Griechenlands hier aufgestellt wurde. In den bunten Glasfenstern sind unter anderen die Wappen von Louis-Philippe und der Herzogin von Orléons zu sehen.
Bevor wir in der Kirche eingesperrt werden, flüchten wir noch schnell ins Freie und gehen zum Auto zurück. Jetzt haben wir nur noch knapp vier Kilometer vor uns bis LE TRÈPORT. Wir parken ein Stück außerhalb des Küstenortes, packen den Rucksack und marschieren los. Der Quai François 1er zieht sich entlang des Hafenbeckens und ist gesäumt von einer beeindruckenden Häuserzeile. Oberhalb thront die Église Saint-Jacques aus dem 16. Jhdt. auf der Anhöhe. Sie wurde anstelle der 1360 zusammengebrochenen Kirche errichtet. Boutiquen, Galerien, Banken und natürlich viele Bars und Restaurants reihen sich aneinander. Dementsprechend bevölkern viele Menschen die Promenade und sind vielleicht auch auf der Suche nach einem freien Platz im Freien. Wir werden in der „Brasserie de la Côte“ fündig und freuen uns schon auf leckeres Essen. Wolfgang bestellt Aile De Raie Beurre Ou Crème (in Butter gebratener Rochenflügel) und ich entscheide mich für Les Grosse Gambas Rôties Huile Vierge (Große Garnelen in Olivenöl geröstet). Wie sich herausstellt ist das eine gute Entscheidung, denn von mal abgesehen, dass wir riesige Portionen serviert bekommen, schmeckt das Essen très délicieuse. Bei der Wahl des Biers machen wir leider einen Fehlgriff, denn das grellrote Monaco-Bier und auch mein Bière Panaché schmecken eher nach Fruchtsaft und das ist nicht unseres. Zu unserer Überraschung bekommen wir einen Gruß aus der Küche, nämlich ein Lachstartar mit getoastetem Brot und das schmeckt schon mal sehr gut. Wir haben aber auch schon einen ordentlichen Hunger, denn es ist schon nach 13:30 Uhr geworden. Während wir das Essen genießen, können wir die vorbeiflanierenden Menschen beobachten. Wir haben Blick bis zu den weißen Kreidefelsen und über dem Meer kreisen kreischend die Möwen. Ein Wahnsinn, wie schön es hier ist und trotz der vielen Leute geht es sehr beschaulich ab.
Nach dem Essen nehmen wir uns von einer Boulangérie noch eine Tarte au Citron und ein Éclair als Nachtisch mit und spazieren Richtung Strand. Dabei kommen wir an der Poissonnerie Municipale vorbei und da machen wir auch noch einen Abstecher hinein. Hier entdecken wir auch den Rochen, den Wolfgang zuvor gegessen hat. Wir sind fasziniert von der Farbenpracht und der Präsentation der Fische und Meeresfrüchte. Muscheln en masse, Hummer, Austern, Langusten, Gambas, Krabben, Seeteufel, Schollen … die Liste ist unendlich lange. Mmmh, der Geruch, da kriegt man gleich wieder Guster. Wir verlassen die Fischhalle wieder und folgen einer Verkäuferin zur Kaimauer, wo sie zur Freude der Möwen Fischteile ins Wasser kippt. Die Tiere stürzen sich sofort auf das Futter und kämpfen um jedes Filet. Ein Stück daneben stehen aufgefädelt die Fischer und halten die Angelruten ins Wasser. Wir genießen das mediterrane Flair und lassen unsern Blick über die Küste gleiten. Le Trèport besitzt mit den 110 m hohen, die höchsten Kreidefelsen Europas und am Fuße breitet sich ein langer Kieselstrand aus. Wir setzen uns gemütlich ans Ende der Mauer zum Leuchtturm von 1844 und verspeisen unsere süßen Köstlichkeiten. Ein Opi ist mit Sack und Hund auf der Suche nach Muscheln zwischen den Algen. Der Wuffi beobachtet aufmerksam jeden Handgriff seines Herrls.
Während wir den Strand entlang flanieren, verschwindet so mancher schöne Stein in unserem Rucksack als Andenken. Die Kraft des Wassers hat sie alle zu unterschiedlich großen Murmeln geschliffen und das Wasser hinterlässt ein rollendes Geräusch, wenn es sich vom Ufer wieder zurückzieht. Am Strand hat sich auch ein großer Posten der Wasserrettung stationiert und obwohl heute mehr Menschen am Strand und nicht im Wasser sind, halten die Männer dennoch ihre Augen offen. Wir überqueren die Esplanade de la Plage, schaun da noch Senioren eine Zeitlang zu beim Boule-Spiel und gehen dann zur Einstiegsstelle der Funicular. Zwei Schrägaufzuge überwinden die Klippe und wurde als Verbindung der Unterstadt zur Wohnsiedlung auf dem Felsen errichtet. Er ist kostenlos und wird nicht nur von den Einheimischen rege genutzt. Von hier oben haben wir einen atemberaubenden Ausblick auf die gegenüberliegenden Kreidefelsen, den weitläufigen Strand und natürlich auf die Stadt mit der Kirche und dem Hafenbecken. Die Abhänge sind bewachsen mit einer sattgrünen Wiese und Blumen setzen hübsche farbige Kontraste.
1880 errichtete eine Company das Luxushotel Le Trianon als Konkurrenz zum Seebad. Ein Golfplatz und ein großer Garten wurden angelegt, doch die erwarteten Menschenmengen kamen nicht. Der Erste Weltkrieg ruinierte die Pläne und das Hotel wurde als Militärhospital genutzt. Im Zweiten Weltkrieg errichteten die Deutschen hier Bunkeranlagen und das Hotel wurde gesprengt, damit es nicht von der Luft aus zu sehen war. Heute erinnern noch die majestätische Treppe an die Anlage und Infotafeln mit Fotos der damaligen Zeit.
Es ist kurz nach 16:00 Uhr und irgendwer hat den Stöpsel rausgezogen, denn die Boote und Yachten sitzen im Hafenbecken im Trockenen. Wir ziehen uns auch zurück, nehmen den Fußweg hinunter in die Stadt und schlendern zum Auto. Weit fahren wir heute nicht mehr, sondern checken ein im „Flower Camping le Rompval“. Na dann, bonne nuit!
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