Die Nacht ist sehr ruhig gewesen bis auf ein paar Regengüsse und wir werden geweckt vom Lärm der Müllabfuhr.

Bei grauslichem Wetter starten wir kurz nach 09:00 Uhr los und eine Viertelstunde später landen wir bei unserem ersten Ziel, die Abbaye Notre-Dame du Pré in VALMONT. Mit Geläut werden wir empfangen, aber bevor wir in den Innenraum betreten, betrachten wir den Komplex von außen. Von einer früheren Kirche, gegründet um 1169, existieren noch Teile des ursprünglichen Chors. Dort befindet sich auch die Sechs-Uhr-Kapelle, die täglich zu dieser Zeit zum Gebet aufrief. Die Kirche wurde mehrmals zerstört, sei es durch einen Brand, einem Tornado oder den Krieg. Das Kloster wurde während der Revolution aufgelöst und kam in private Hände. Seit 1994 leben hier Benediktinerinnen, die dahinter sind, dass nach und nach renoviert wird. Heute steht hier ein interessantes Ensemble mit romanischen und gotischen Elementen und das moderne Holzdach setzt sowohl außen, als auch innen einen tollen Kontrast. Sie ist sehr hell und schlicht ausgestattet mit schönen Buntglasfenstern und tollen Kronleuchtern. Lange können wir leider nicht besichtigen, weil neun Nonnen und zwei Priester einziehen und mit Gesängen ihr Gebet verrichten. Da wollen wir nicht stören.

Wir ziehen weiter und um 12:30 Uhr erreichen wir FÉCAMP, das direkt am Ärmelkanal liegt. Wir fahren durch die komplett verparkten Gassen auf der Suche nach einem freien Platz für unser riesiges Vehikel und kehren nach einer Runde und viel Angstschweiß meinerseits wieder in den Hafen zurück und parken direkt gegenüber des Yachthafens. Fécamp besitzt neben diesem auch einen Fischerei- und einen Handelshafen. Während wir entlang der Hafenpromenade schlendern, bestaunen wir die tollen Segelboote und Yachten und Wolfgang findet sofort Gefallen an der „Tante Fine“, einem historischen Langusten-Fischerboot aus edlem Holz. Sie stammt aus dem Jahr 1962 und kann samt Mannschaft gemietet werden und man muss dabei mitanpacken.

Nun erklimmen wir die steile Straße hoch und fühlen uns wie auf den Straßen von San Francisco. In der Rue Alexandre Le Grand Nr. 110 erreichen wir das extravagante Palais Bénédictine aus dem 19. Jhdt. Das Gebäude vermischt die verschiedensten Baustile von gotisch, über Barock bis hin zur Renaissance und zieht alle Blicke auf sich. Es gleicht einem Märchenschloss mit den unzähligen Verschnörkelungen auf der Backsteinfassade und da gibt es viele Details zu entdecken. Im Innenhof thront der Gründer Alexandre Le Grand auf einem Stuhl und begrüßt die Besucher. Bekannt ist der Palast heute vor allem aufgrund des Kräuterlikörs Bénédictine, der hier produziert wird. Die Erfindung des geheimen Rezeptes ist umstritten, denn es soll ursprünglich von einem Benediktiner Mönch aus Venezia stammen. Alexandre Le Grand entdeckte 1863 das Rezept eines mysteriösen Elixiers in seiner Bibliothek und nach vielen Versuchen rekonstruierte er den aus 27 Kräuter und Gewürzen bestehenden Likör. Einzigartig ist die Flaschenform, die er sich schützen ließ. Aufgrund einer intensiven Werbung wurde der Likör schnell zum Verkaufsschlager. Das Palais beherbergt heute auch ein Museum, wo sakrale Kunst ausgestellt wird, die Alexandre Le Grand zusammengetragen hat. Wir buchen eine Self-Guided-Tour und warten erst mal die Busladungen an Menschen ab, bevor wir in Ruhe mit dem Rundgang starten. Schöne Fliesenböden mit bunten Einlegearbeiten oder alte, knarrende Holzböden in Fischgrat-Optik zieren die Böden des Palais. Auch beeindruckenden Glasfenstern begegnen wir in den verschiedenen Räumen, die Szenen der Entstehung des Palastes und des Likörs zeigen. Darunter auch den Mönch Dom Bernardo Vincelli bei seinem Pflanzenstudium und den Brauversuchen. Der Gotische Saal ist ausgestattet mit einer prächtigen Holzdecke in Form eines Kirchendaches und hier sind viele Reliquien ausgestellt, die Alexandre Le Grand aus der Abtei der Heiligen Dreifaltigkeit von Fécamp erhielt. Außerdem erhielt er das Recht, das Wappen der Abtei – drei Bischofsmützen – auf den Flaschen des Likörs abzubilden. Im Kuppelsaal dominiert wieder ein beeindruckendes Fenster, das Alexandre Le Grand zeigt, seine Hand auf einem Erdball um zu zeigen, dass er den Likör in der ganzen Welt bekannt machen wollte. In der Mitte des Saals steht der hölzerne Mönch und überblickt das Geschehen rund um sich. Auf eine Sammlung von Kunstschmiedearbeiten stoßen wir im Renaissance-Saal, sie sollen symbolisch auf das gut bewahrte Geheimnis des Rezeptes verweisen. Schwere Schlösser und Schlüssel sperren wuchtige Holzkisten, verkleidet mit Metall und Bemalungen. In einer Truhe ist gut zu sehen, dass sie mit nur einem Schlüssel acht Riegel betätigt, das war schon ein sehr ausgeklügeltes System zu dieser Zeit.

Wir lassen die prunkvollen Räume hinter uns und kommen nun in den Saal Alexandre Le Grand, der viel schlichter gehalten ist. Hier wurden ab Ende des 19. Jhdt. die Flaschen abgefüllt, versiegelt und etikettiert. Heute wird hier die Geschichte über die Herstellung des Likörs dargestellt mit Hilfe von Dokumenten, Fotos und Ausstellungsstücken. Darunter auch die älteste Flasche aus 1876. Die Flaschen des Bénédictine-Likörs waren von Beginn an geschützt und hier können hundert Fälschungen betrachtet werden. Die Wände schmücken von Hand hergestellte Plakate und veranschaulichen die Entwicklung der Werbung im Laufe eines Jahrhunderts. Auch eine Sammlung von alten, verschiedenen Apothekergefäßen aus Porzellan können wir hier bewundern und das ein oder andere würde ich mir gerne zuhause aufstellen. Im nächsten Raum dürfen wir an den getrockneten Gewürzen und Kräutern riechen, darunter Zimt, Safran, Engelwurz oder Ysop. Sie werden sorgfältig ausgewählt, genau dosiert zu vier verschiedenen Zubereitungen kombiniert und nach dem Originalrezept mit Alkohol angesetzt. Aber pssst – das ist alles streng geheim!

Nun müssen wir auf die Führung warten, die uns durch die Brennerei und die Keller begleitet. Inzwischen können wir auf einer Tafel die Darstellung betrachten, die die Zubereitung in den vier großen kupfernen Brennblasen zeigt. Sie werden danach gemischt und müssen dann acht Monate in den Kellern lagern, damit die Kräuteressenzen miteinander verbinden. Anschließend wird noch Honig und für die Farbe Safran zugesetzt und auf 55° erhitzt. Vier Monate muss das Gebräu nochmal in den Keller zur Reifung, um danach gefiltert und abgefüllt zu werden. Die hier befindlichen hölzernen Fässer und Bottiche stehen nur noch als Schaustücke hier, denn die sind bei weiten zu wenig.

Zum Abschluss landen wir im Verkostungsraum und hier dürfen wir die Jetons, die wir an der Kasse erhalten haben, in Kostproben umwandeln. Wolfgang verliebt sich schon nach dem ersten Schluck in das goldene Gebräu, das nicht nur pur getrunken werden kann, sondern auch gemischt mit Juice oder Schweppes. Mein Fall ist es weder so noch so und damit darf mein Schatz alle Kostproben allein trinken. Natürlich kaufen wir noch für zuhause und als Mitbringsel ein und verlassen dann das prächtige Palais.

Wir schlendern Richtung Hafen zurück und obwohl überall Androhungen von 68 Euro hängen, wenn das Frauerl oder Herrl die Geschenke ihres Hundes liegenlassen, sind die Gehwege verkleistert mit der braunen Scheiße. Wir müssen wirklich bei jedem Schritt aufpassen. Das finden wir voll schade, denn die Stadt ist mit den vielen Blumenampel und – trögen sehr schön und sehenswert.

Hungergefühl kommt auf – kein Wunder, es ist ja schon nach 14:30 Uhr geworden. Auf Empfehlung unseres Reiseführers landen wir im „Restaurant Chez Nounoute am Place Nicolas Selle Nr. 3. Im Schutz eines Zeltes sitzen wir im Freien mit vielen anderen und studieren die Speisekarte. Nounoute ist es ein Anliegen traditionelle Küche mit saisonalen und frischen Produkten zu servieren. Wolfgang bestellt Moules au Roquefort mit Fritten und für mich gibt’s Schellfisch mit Kartoffelpüree. Dazu eine Flasche Cidre Traditionnel du Viex Moulin de Valmont. Als Nachtisch gönnen wir uns noch Île Flottante und Espresso. Während dem Essen können wir beobachten, wie die Nachbar-Lokale Tisch und Sessel zusammenstellen und verpacken, hier bereitet man sich schon auf den Winter vor.

Pappsatt spazieren wir entlang des Hafenkais wieder zurück, wo uns Fischgeruch begleitet, der sich mit Bezingeruch vermischt. Wir biegen in die Avenue Gambetta ab und kommen zur Église St. Etienne. Sie wurde erstmals 1006 urkundlich erwähnt und aufgrund von Platzmangel wurde Anfang des 16. Jhdts. Beschlossen, eine größere Kirche zu errichten. Begonnen 1506 blieb sie unvollendet aufgrund von Geldmangel und der Abreise des Abtes. Das Renaissanceportal, der Chor und das Querschiff wurden vollendet. 1563 wurde die Kirche durch einen Brand schwer beschädigt und erhielt danach einen bescheidenen Glockenturm. Nach der Französischen Revolution wurde sie von Seeleuten instandgesetzt. Im 19. Jhdt. renovierte und restauriert man sie und so erhielt die Kirche im Laufe der Jahrhunderte Element aus verschieden Kunstepochen. Im Inneren ist es sehr dunkel und es riecht nach frisch gebohnerten Bänken. Wir schlendern gemütlich herum, betrachten die Fresken, die Orgel und die schönen, bunten Glasfenster.

Einige Straßen weiter kommen wir zur Église Abbatiale de la Sainte Trinité, die um einiges größer und bombastischer ist. Die Abtei datiert bis ins 7. Jhdt. zurück und entstand aus einer Gemeinschaft von Mönchen. Einer Legende nach sollen auf wundersame Weise einige Tropfen vom Blute Christi nach Fécamp gelangt sein und wurde in einem Tabernakel aus weißem Marmor aufbewahrt. Die Abteikirche zur Heiligen Dreifaltigkeit hat eine bewegte Vergangenheit, denn nach Wikingerüberfällen, Bränden und Plünderungen während der Französischen Revolution verließen die Mönche die Abtei. Die Kirche verblüfft mit ihrem 127 Meter langen Innenraum, der lichtdurchflutet ist. Wir spazieren entlang der zwölf Seitenkapellen und hier stoßen wir überall auf Infotafeln, die auch in deutscher Sprache viel Interessantes offenbart. Die ersten Herzöge der Normandie haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sakrale Musik und das Ticken der astronomischen Uhr aus dem Jahr 1667 begleiten unseren Rundgang. Sie zeigt nicht nur die Uhrzeit, sondern auch die Gezeiten an. Sehenswert ist auch der sogenannte „Pas de l´ange“, ein gotisches Kleinod von 1420, das einen Eingang zeigt, davor stehende und kniende Bischöfe, einige davon sind kopflos. Davor ist ein Stein eingelassen und eine Legende besagt, dass ein Engel seinen Fußabdruck in dem Stein hinterlassen hat. Er hat verkündet, „dass die neu erbaute Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht werden sollte“. Einer Überlieferung nach darf man sich was wünschen, wenn man den Stein berührt. Dann machen wir das gleich mal, Wünsche gibt es ja genug. Wolfgang entzündet noch eine Kerze, taucht seine Finger ins Weihwasser, das in einer riesigen Muschel gefüllt ist und dann verlassen wir die Kirche wieder.

Draußen versuchen wir noch das gewaltige Bauwerk fotografisch festzuhalten, was sich als sehr schwer erweist. Der normannische Vierungsturm ist 65 Meter hoch und ist einer der höchsten in der Region. In den angegliederten Abteigebäuden ist heute das Rathaus untergebracht und die Fassade ist geschmückt mit den Flaggen der Normandie, Frankreichs und der EU.

Auf der gegenüber liegender Straßenseite befinden sich die Ruinen des einstigen herzoglichen Burgpalasts, der zwischen dem 10. und 11. Jhdt. aus Stein errichtet wurde. Geschützt wurde der Sitz der ersten normannischen Herzöge von einer starken Mauer, die seinerzeit schon sehr fortschrittlich war.

Wir gehen zum Auto und fahren das Cap Fagnet hoch, das auf 110 Meter Höhe liegt und die höchsten Steinklippen der Normandie sind. Sie ist auch als Alabasterküste bekannt aufgrund des weißen Gesteins und war Motiv von vielen berühmten Malern, darunter Claude Monet. Von dort haben wir einen tollen Blick auf das Häusermeer von Fécamp mit ihren Kirchen und auf die weißen Kreidefelsen. Ach, ist das schön – nur der Wind stört ein wenig und pfeift uns um die Ohren. Am Horizont geht geraden Regen nieder und wir hoffen, dass er nicht so schnell herüberkommt. Neben dem Leuchtturm und Windrädern befindet sich hier oben auch die Chapelle Notre Dame du Salut. Sie stammt aus dem 11. Jhdt. und ist die Wallfahrtskapelle der Fischer und im Innenraum erinnern viele Bilder an die verschollenen Seeleute. Die Spitze des Daches ziert eine goldene Maria mit Jesuskind.

Wir rollen den Berg wieder hinunter, verlassen Fécamp über die D925 und komme nach knapp acht Kilometern nach YPORT. Es ist 17:30 Uhr, unsere Gebete wurden erhört und der Regen ist weitergezogen. Wir finden in der Rue Alfred Nunes direkt gegenüber der Église Saint-Martin einen Parkplatz für unser Gefährt. Das einstige Fischerdorf strahlt einen besonderen Charme aus mit den hübschen Häusern aus Ziegeln und Feuersteinen und schmalen Gassen. Eingerahmt von einer gewaltigen Felswand, lebten die Bewohner vom Fischfang und heute erinnern nur noch einige bunt bemalte Boote an die Vergangenheit. Der Tourismus hat Einzug gehalten, dennoch ist der Ort friedlich und ruhig geblieben. Die Hafenanlage wurde umgestaltet zu einer Strandpromenade mit Kieselstrand und Fischrestaurants. Die Ebbe hat den Kieselstrand mit den Algen freigelegt und so können wir entlang des Meeres entlang spazieren. Die Abendsonne taucht die Felsen in ein schönes Licht und wir freuen uns an dem traumhaften Ambiente.

Wir checken ein am „Campingplatz Le Rivage“, der oberhalb von Yport liegt und genießen noch den Abend mit einem traumhaften Blick auf die Küste.

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