Nach dem brütend heißen Tag gestern hat Nürnberg heute eine dicke Wolkendecke und 15° für uns parat. Also kramt jeder in seinem Gepäck nach wärmeren Klamotten, die er findet oder auch nicht.
Als wir das Hotel verlassen, schüttet es schon aus vollen Schaffeln und als wir die U-Bahnstation erreichen, sind unsere Hosen und Jacken schon durchnässt. In ausnahmslos allen Gesichtern sind Spuren von Müdigkeit zu finden und das Schaukeln in der U-Bahn lässt die Augenlieder schwer werden.
In der City wird noch der eine oder andere Regenschirm gekauft und den Regen ignorierend stapfen wir durch die Straßen. Den Filmern und Fotografen tut es a bissi leid, weil die vielen schönen Motive ohne Regen und grauen Himmel ein Traum wären.
Unser erstes Ziel ist das Rathaus im Renaissancebau in der Historischen Meile Nürnbergs. Die im Keller-geschoss befindlichen mittelalterlichen Lochgefängnisse gelten als Touristenattraktion und sind bei diesem Wetter genau das richtige. Die Besichtigung ist nur im Rahmen einer etwa 20-minütigen Führung möglich und vermittelt ein bedrückendes Bild des schaurigen Rechtsgebarens früherer Zeiten. Im Jahre 1322 erwarb die Reichstadt Nürnberg das Brothaus des Zisterzienserklosters Heilsbronn am Salzmarkt. Es wurde ein Rathaus mit Stadtgericht errichtet und ein zusätzlicher Bau eines Gefängnisses. Dafür wurden die ehemaligen Brotstuben umgebaut und das Geländeniveau aufgeschüttet. Zwölf kleine Zellen und eine größere, ihrer Ausmaße wegen „Kapelle“ genannte Folterkammer dienten zur Verwahrung bis zur Urteilsvollstreckung.
Einige Zellen waren für eine bestimmte Art von Insassen reserviert – Zelle 11 zeigt einen roten Hahn, das Sinnbild der Brandstiftung, Zelle 12 wurde durch eine schwarze Katze gekennzeichnet, was auf Verleumder hindeutet. Die Haftbedingungen waren sehr grausam, denn die Häftlinge mussten mehrere Tage angebunden in völliger Dunkelheit in einer zweimal zwei Meter kleinen Zelle verbringen. Fußboden, Decke und Wände waren mit Holz ausgekleidet, als Einrichtung gab es eine Pritsche, eine Bank und einen Eimer als Toilette mit einem Brett darauf, das gleichzeitig als Tisch diente. Für Kost und Logis mussten die Gefangenen selbst aufkommen, die Versorgung organisierte der „Lochwirt“. Nur Mittellose wurden auf Kosten der Stadt verpflegt. Heute noch findet man die Zellen unverändert vor und unsere Führerin erzählt uns die Geschehnisse so lebendig, dass uns richtig übel wird. Auch alltägliche Begriffe, wie „Schlitzohr“ oder „gebrandmarkt“ werden uns erläutert. Ein der Zunft zugehöriger Handwerker trug als Kennzeichen einen Ohrring, der ihm bei schweren Vergehen als Strafe ausgerissen wurde. Gebrandmarkt wurde ein Verbrecher auf Stirn, Kinn oder Wangen, sodass er die Stadt verlassen musste.
Und wir verlassen diese grausliche Stätte jetzt auch und finden uns in der Hausbrauerei „Altstadthof“ wieder ein. Als Stärkung kippen wir auf die Schnelle einen Liter Rotbier aus der Bügelflasche hinunter. Kurz nach 11:00 Uhr werden wir von einer waschechten, in Nürnberg eingebürgerten, Französin abgeholt, zu einer Führung in den historischen Felsgängen. Unter der Altstadt Nürnbergs wurde jahrhundertelang ein weit verzweigtes 25.000 m² großes Labyrinth von Gewölben und Gängen aus Buntsandstein geschlagen, das sich oft über vier Stockwerke erstreckt. Seit 1380 ist dieses Stollennetz urkundlich erwähnt, über das auch die Wasserversorgung der Stadt gewährleistet war. Bis in die Mitte des 17. Jhdts. wurden diese Leitungen streng geheim gehalten, damit Feinde bei der Belagerung der Stadt die Wasservorräte nicht vergiften konnten.
In diesen Stollen wurde auch Bier zur Gärung und Reifung gelagert – ein kleiner Teil davon wird auch heute wieder genützt. In den Kellern herrschen konstant 7 bis 10°, ideal zum Brauen von untergärigem Bier. Um die gewünschte Kühlung zu gewährleisten, schlug man über die Etagen Kühldome, die jeden Winter mit Eis aufgefüllt wurden.
Der Rat der Stadt Nürnberg erließ schon sehr früh eine Art Reinheitsgebot für das Bier, in dem festgelegt wurde, dass nur Gerstenmalz zum Brauen verwendet werden darf. Und jeder, der einen Keller besaß, durfte brauen, solange er sich daran hielt. In der Verordnung hieß es „wie einer ein hause haben sol, der schenkt… zehen schuch tieff und sechzehen schuch weit…“. Im Mittelalter gab es etwa zweihundert Brauereien. Bier war Grundnahrungsmittel, schon die Kinder bekamen zum Frühstück eine kräftigende Biersuppe. Durchschnittlich 500 Liter pro Kopf Bier wurde damals getrunken. Wasser war oft verseucht und alles andere konnte man schlecht kühlen, nur Bier war haltbar. Es gab einen eigenen Berufsstand, den sogenannten Einleger, der zuständig war, dass das Bier auch gut wurde. Bis 1699 wurde die Bierproduktion von der Stadt streng kontrolliert und mit einer Biersteuer belegt.
Ein ausgeklügeltes System von Be- und Entlüftungsschächten sorgte für ausreichend Luftaustausch in den Stollen, sodass im Zweiten Weltkrieg tausende von Menschen die Bombardierungen überlebten. Außerdem konnte hier auch eine Vielzahl an Kunstwerken unbeschadet diese Zeit überstehen.
Im Halbdunkel spazieren wir durch die teils schmalen Tunnelsysteme und hin und wieder macht es „Doing“, wenn ein Kopf etwas zu hoch gehalten wird. Infotafeln, Anschauungsobjekte und ein Kurzfilm macht das Leben im Mittelalter sehr lebendig.
Ich denk mir öfter, wenn die Führerin jetzt abhaut, dann müssen wir hier unten verhungern, denn hier finden wir alleine nie wieder raus!
Diese Führung war hochinteressant und die nette Dame hat uns mit viel Witz interessante Informationen vermittelt. Zum Abschluss zeigt sie uns noch die Destillieröfen in der Museumsbrauerei. Hier wird nur weiblicher Hopfen verwendet und das Gebräu dreifach destilliert, sodass daraus dann ein naturtrübes Rotbier entsteht.
Danach gibt es ein typisches Nürnberger Mittagessen im Traditionslokal Gaststätte Augustiner – Zur Schranke „Schlenkerla“. Es befindet sich in der Altstadt gegenüber dem berühmten Albrecht-Dürer-Haus und wurde 1530 erbaut. „Zur Schranke“ deshalb, weil sich vor dem Haus eine Schranke befand, an der Bauern und Fährleute Wegzoll entrichten mussten. Hier stillten sie ihren Hunger und Durst, der Beginn einer traditionsreichen Gastronomie. „Schlenkerla“ heißt das Rauchbier, das seit 1951 ausgeschenkt wird.
Wir finden ein uriges, kleines Einraumgasthaus aus Großmutters Zeiten mit dicken, geblümten Vorhängen und viiiiiiel Krims Krams vor. Die Kellnerinnen in Tracht servieren uns zum Schlenkerla unter anderem die berühmten Nürnberger Bratwürste. Als Simon kulinarisch fremd geht und als Dessert Kaiserschmarrn bestellt, bekommt er prompt die Frage gestellt „Sind Sie sicher?“. Die Kellnerin hat mitbekommen, dass wir Ösis sind und aus dem Land des Kaiserschmarrn kommen und sie weiß, dass der Schmarrn bei ihnen im Lokal „nur geliefert wird“ (übersetzt, aus dem Packerl kommt). Satt geworden sind wir aber alle und jetzt heißt es, wieder ein wenig Bewegung zu machen.
Die Führung durch die Stadt, die wir ursprünglich machen wollten, haben wir aufgrund des starken Regens storniert. Ätsch, jetzt müssen wir auf eigene Faust ohne Vorbereitung los marschieren. Der Regen hat sich fast vertschüßt und guten Willens erklimmen wir den Berg hinauf zur Kaiserburg. Sie ist das Wahrzeichen und thront hoch über der Stadt auf einem Sandsteinrücken.
Eigentlich besteht diese aus zwei getrennten Burgen, die in die Stadtbefesti-gung eingebunden sind. Zwischen 1050 und 1571 hielten sich alle Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reichs hier auf, da der erste Reichstag jedes Kaisers in Nürnberg stattfand.
Den Vorhof der Burg erreichen wir durch das schwere äußere Holztor, das mit einem schönen Wappen bemalt ist. Wir kommen in einen schönen Innenhof, im Zentrum davon ein tiefer Brunnen.
Von einer Aussichtsterrasse haben wir einen tollen Blick auf das Dächermeer der Stadt, den wir aber nicht lange genießen können, weil uns sonst der Wind holt. Jeder wickelt sich so gut es geht in seine Jacke und um ein wenig Wärme zu bekommen, kuscheln wir uns zusammen.
Wir schlendern den Ölberg hinunter und besichtigen noch die Altstadt. Der Elan lässt jedoch ein wenig zu wünschen übrig und deshalb teilt sich die Gruppe auf.
Zwischen der Burg und dem Hauptmarkt befindet sich die Stadtpfarrkirche St. Sebald, eine der herausragenden Kirchenbauten Nürnbergs. 1215 als doppelchörige, dreischiffige spätromanische Pfeilerbasilika erbaut, wurde sie mit gotischen und später mit barocken Zubauten und Ausstattungen ergänzt. Während des Zweiten Weltkriegs zerstört, wurde St. Sebald 1957 wieder aufgebaut und eingeweiht.
Nach dem Betrachten der Außenfassade machen wir auch einen Blick ins Innere. Das Markanteste ist der Reliquienschrein des Hl. Sebald, des Schutzpatrons der Stadt, der um 1070 starb und 1425 heiliggesprochen wurde. Der ehemals hölzerne Schrein wurde Anfang des 16. Jhdt. in ein Gehäuse aus Bronzeguss gehüllt. Der Baldachin wird geschmückt von vielen Bildern und Statuetten, unter anderem auch die 12 Apostel.
Den Rest unserer Gruppe treffen wir auf dem Hauptmarkt wieder. Den Rand des Platzes, direkt neben dem Rathaus, schmückt der hochaufragende Schöne Brunnen (1370), eine der Sehenswürdigkeiten Nürnbergs. Eine 19 Meter hohe Steinpyramide ragt wie eine gotische Kirchturmspitze aus einem achtseitigen Becken und verschmälert sich über drei Stufen bis zur Kreuzblume. Es handelt sich zwar nur um eine 1903 angefertigte Kopie aus Muschelkalk in Gold und farbenfroher Bemalung, ist aber nicht minder sehenswert. Vom Original aus weichem Sandstein sind nur Teile im Germanischen Nationalmuseum erhalten. Der Schöne Brunnen war im Zweiten Weltkrieg in einen Betonmantel gehüllt und überstand so die Bombardierung unversehrt. Vierzig farbig bemalten Figuren stellen in vier Stockwerken das Weltbild des Heiligen Römischen Reiches dar. Der Brunnen wird umzäunt von acht Schutzgittern und in zwei davon sind drehbare Ringe eingelassen, die als Glücksbringer gelten. Einer Sage nach wird mit Kindersegen bedacht, wer daran dreht. Na, dann probieren wir´s halt auch.
Nürnbergs Stadtfluss, die Pegnitz, durchfließt das Stadtgebiet auf einer Länge von etwa 14 km. Und diese Länge wird mit vielen Brücken überspannt. Wir spazieren vom Hauptmarkt kommend über die prächtige Museumsbrücke Richtung Königstraße. An ihrer Stelle errichtete man im 13. Jhdt. eine Holzbrücke, die aber durch Hochwasser mehrmals beschädigt wurde. Sie wurde durch eine Brücke mit zwei Steinbogenöffnungen ersetzt -diese fiel wiederum dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Im Rahmen des Hochwasserschutzes der Altstadt folgte 1954 der Abbruch und Neubau der Brücke im Erscheinungsbild des Jahres 1700, aber mit doppelter Breite und mit drei Öffnungen.
Mittlerweile sind wir am anderen Ende der Brücke angelangt und schlendern die Einkaufsmeile entlang, studieren die Auslagen oder gucken in das eine oder andere Geschäft rein. Nahe der Lorenzkirche, die wir aber mangels Interesse links liegen lassen, besuchen wir Käthe Wolfahrts ganzjährig geöffnetes Weihnachtsfachgeschäft. Liebevolle Atmosphäre hüllt die Kunden hier ein, die Preise jedoch lassen uns schnell wieder aufwachen. Daher trotten wir auf der Straße weiter.
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„Lust auf eine kleine Reise in die Vergan-genheit? In eine Zeit, in der man den Handwerkern noch zu-schauen konnte, wie sie aus Holz, Blech, Glas, Blei und Gold Nützliches und Künst-lerisches herstellten. In Nürnberg kein Problem!“ Mit diesem Slogan wirbt der Handwerkerhof am Altstadteingang, beim Königstor. Wie ein winziger mittelalterlicher Stadtteil wirkt der ehemalige Waffenhof mit den Lädchen und Gaststätten. Kleine, weiße Fachwerkhäuschen mit verwitterten, roten Dachschindeln und viel Blumenschmuck beherbergen viele Kunsthandwerker, die zum Zuschauen und Einkaufen einladen. Auf das haben wir uns auch den ganzen Tag gefreut, ABER leider sind wir zu spät dran. Wenn die Türen nicht schon versperrt sind, werden sie uns vor der Nase zugemacht. Uns bleibt nur noch der traurige Blick durch die Fensterchen. So schlendern wir das bunte historische Kopfsteinpflaster entlang und verlassen den Hof wieder.
Wir gehen die Königsstraße wieder retour Richtung Mauthalle, ein mittelalterliches Gebäude, das eines der wichtigsten Baudenkmäler der Nürnberger Altstadt ist. Es war früher der größte, von 12 Kornkasten (84 m lang, 20 m breit, 29 m hoch) der Stadt. Erst im 19. Jhdt. bekam sie den Namen Mauthalle aufgrund der Nutzung als Hauptzollamt. Heute ist hier der „Mautkeller“ unterge-bracht, eine traditi-onelle, fränkische Gastwirtschaft. Und das ist genau das richtige für uns.
Doch ein Blick genügt und wir werden von der gegenüberliegenden Seite magisch angezogen von Goethes Schokoladen-manufaktur. Hier wird Schokoladen-Kunst in Handarbeit und neue Formen des süßen Genusses vermittelt. Wildeste Kreationen an Schokopralinen mit Pfeffer, Wasabi, Lavendel-blüten, Rosmarin, Ingwer, Fleur de Sel, Balsamico stehen zur Verkostung und natürlich auch zum Kauf bereit. Und das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Aber auch Chutneys, Konfitüren, Schokoaufstriche, Trinkschokoladen, Torten, Biokolade und im Sommer Eis finden reißenden Absatz. Nachdem wir das Sortiment von vorn bis hinten durch probiert haben, kaufen wir uns noch einige ausgefallene Pralinen zum Mitnehmen.
So, jetzt nichts wie hinein in die gute Stube, den Mautkeller. Einen großen Tisch für die ganze Gruppe haben wir schnell gefunden. Jetzt steht einer gemütlichen Atmosphäre im Herzen der Stadt nichts mehr im Weg. Wir sind überwältigt von der Großzügigkeit der mittelalterlich wirkenden Kellerräume mit den liebevoll zusammengetragenen Flohmarkt-Gegenständen, die überall herum stehen oder hängen.
Trotz einer etwas unfreundlichen Kellnerin fühlen wir uns hier wohl und heben ein(ige) Bier(e). Auch einen kurzen Blick in die Speisekarte wagen wir und nach und nach wird jeder vom Hunger oder Appetit gepackt und bestellt etwas von den fränkischen Gerichten. Es fällt uns auf, dass bei einzelnen Speisen, die Wurst, Fleisch oder Käse enthalten, kleine Fußnoten angedruckt sind. Sie informieren über Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker der Ingredienzien. Angenommen, man isst das typische Eisbein mit Speckkrautsalat und Kartoffelklöße – klingt ja an und für sich ganz lecker. Aber: Eisbein enthält Nitritpökelsalz, Speckkrautsalat Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker und ist geschwefelt und bei den Kartoffelklößen findet man Antioxidations- und Konservierungsmittel und Schwefel. Na dann, Mahlzeit! Da bleiben wir dann doch lieber bei Bier und Brezn.
Nach diesem ereignisreichen Tag gönnt sich wieder ein Teil der Truppe einen Absacker in der Bar.