Es ist sehr kühl und der Himmel zeigt sich nicht gerade von seiner schönsten Seite, daher genießen wir die Bettwärme heute etwas länger und lümmeln bis 08:30 Uhr herum.

Frühstück in Form von Croissants, Kaffee und Smoothie besorgen wir uns wieder in der Biobäckerei von gestern. Dann spazieren wir zur nächsten Metro-Station und fahren bis zum Boulevard Haussmann, denn da liegt unser erstes Ziel, das Stammhaus der traditionsreichen Warenhauskette Galeries Lafayette. Es ist mit seiner Jugendstilarchitektur eines der ältesten Kaufhäuser Frankreichs und beherbergt alles, was Reiche und Schöne so brauchen und sich leisten können. Zum Genießen und Flanieren reicht der Inhalt unseres Portemonnaies aber allemal.

Zuerst müssen wir jedoch die Taschenkontrolle über uns ergehen lassen – ist ja beinah so wie am Flughafen. Wir stürzen uns ins Gewühl und jetzt wird uns bewusst – ja, dieses Kaufhaus ist wirklich für die Betuchten. Wir kommen uns zwar als Otto-Normalverbraucher mit unseren Wolfskin-Jacken ein wenig fehl am Platz vor, aber „schaun kost ja nix“.

Von außen wirkt das Gebäude noch eher normal. Aber was sich hier im Inneren auftut, ist das reinste Kunstwerk. An der höchsten Stelle ist der Raum 73 Meter hoch, ringsherum verlaufen die einzelnen Etagen und hoch oben die wunderschöne Glaskuppel mit den bunten Einlegearbeiten aus Glas. Die Galerien sind gesichert mit verschnörkelten filigran wirkenden Geländern und wohin auch unser Blick schweift, überall Jugendstilornamente und Applikationen, Lampen in Blumen- und Blattformen und buntbemalte Wände. Eine Farbenpracht, die ihresgleichen sucht. Überall glitzert und funkelt es in warmen Farben und Gold. Das gesamte Erscheinungsbild wirkt verspielt und hat doch Stil und ist wunderschön.

So, nun schenken wir dem eleganten Verkaufspersonal und den edlen Produkten unsere Aufmerksamkeit. Es macht den Anschein, dass hier das Personal nach einem Casting à la „… next Topmodel“ eingestellt wird. Dezent schwarz bekleidet, die Damen mit High Heels, tollen Frisuren und mit einem charmanten Lächeln im Gesicht gehen sie auf ihre Kunden zu. Hübsche Schals und Tücher oder elegante Taschen und Geldbörsen, farblich sortiert, zieren die Regale und Viktoria findet auch sofort Gefallen an einer Tasche. Als nach dem Check des Preisschildes ein „Oh“ aus ihrem Mund entfährt, machen wir sie darauf aufmerksam, dass man nach dem Kauf von so einem Teil das Preismarkerl außen dranhängen lässt, damit jeder sehen kann, dass der Pariser Lafayette-Aufschlag mitberechnet wurde.

Während Wolfgang sich eher den Uhren widmet, vor allem jenen der Marke Breitling, widmen wir Frauen uns dem Schmuck in den Vitrinen. Mit offenen Mündern bestaunen wir die Ringe und Ketten und die dazugehörigen Preise, denn zum „Schnäppchenpreis“ von 75.000 Euro gibt es hier zum Beispiel einen Ring, verziert mit einer Kamelie. Die dazu passende Armbanduhr ist ein wenig günstiger für 63.500 Euro zu haben und beim Collier steht gleich nur noch „prix sur demande“ (Preis auf Anfrage). Da wir unser Weihnachtsgeld noch nicht auf dem Konto haben, lassen wir es sein und fragen lieber nicht nach dem Preis.

Direkt unter der Kuppel grinst uns Julia Roberts entgegen, die für das Parfum „La vie est belle“ (das Leben ist schön) von Lancôme Werbung macht. Scheinbar Hunderte Flakons sind hier ausgestellt, in Szene gesetzt von einem Vorhang aus Kristallen. Vor den gläsernen Theken sind Kristallsteine am Boden verstreut. Natürlich probieren wir Mädels gleich den Duft und sind auf Anhieb begeistert von den verführerischen Noten der Iris, Orangenblüten, Jasmin und Patschuli. Unsere Verkäuferin wird dann jedoch abgelenkt von einem Chinesen, der sich als sehr lukrative Kunde herausstellt. Wir interpretieren, dass er Chef einer großen Firma ist und seinen weiblichen Angestellten dieses Parfum schenkt, denn er kauft viele davon (wirklich viele). Die große Papiertasche füllt die Verkäuferin noch auf mit Goodies und Seidenrosen. Wir belassen es beim Probieren – heute steht der Dufti (daheim gekauft ohne Lafayette Aufschlag) in unserem Bad und jedes Mal, wenn ich ihn aufsprühe, denk ich an die schöne Zeit in Paris.

Wir schlendern weiter von einer Abteilung zu anderen, betrachten die Waren oder testen Handcreme. Immer wieder begegnet uns Security, die schaut, dass hier alles ruhig abläuft.

Mit dem Lift fahren wir in den siebten Stock hinauf und dort kramen wir eine Weile im Souvenirbereich. Viktoria probiert einige Cappies und Baskenmützen – wir stellen fest, dass sie ihr richtig gut stehen, vor allem die in den französischen Nationalfarben. Nach einigem hin und her kauft sie dann einige Mitbringsel für ihre Lieben zuhause.

Von der Dachterrasse einen Stock höher hat man einen guten Ausblick auf das Dächermeer von Paris, die Oper, den Eiffelturm und den Hügel von Montmartre. Leider lässt das Wetter noch immer zu wünschen übrig und der grauverhangene Himmel hüllt die Stadt komplett ein. Auch der frische Wind trägt dazu bei, dass wir uns hier nicht lange aufhalten.

Auf dem Weg hinunter bekommen wir noch einen kurzen Eindruck der „Nouvelle Collection“ aller weltweit bekannten Designer. Die Mode spricht uns an, aber dafür ist eine dicke Geldtasche notwendig und zu der haben wir es leider noch nicht geschafft. Wir überlegen jedoch, was würden wir davon kaufen, hätten wir einen Tag zur Verfügung und dürften nehmen, was gefällt und passt, ohne auf den Preis schauen zu müssen.

So dahinträumend verlassen, wir das Kaufhaus wieder und schlendern zum Place de l´Opéra, auf dem das tolle Gebäude der Oper steht, benannt nach dem Architekten Garnier. Das flächenmäßig größte Theater der Welt wurde 1875 eröffnet. Im Inneren sind das luxuriöse Treppenhaus und das Deckengemälde von Marc Chagall sehr sehenswert, außen natürlich die tolle Fassade mit dem grünen Kuppeldach und den goldenen Statuen von Apollon und Poesie. Außerdem ist die Oper Schauplatz des berühmten Romans „Das Phantom der Oper“. Flankiert wird die Oper linkerhand vom Prachtbau des legendären Grand Hotels von Paris.

Es ist Mittagszeit und wir sind auf der Suche nach einem Bistro, Café oder ähnlichem, wo wir etwas zu essen bekommen. Weit kommen wir nicht, denn in der „Godiva Chocolatier steht in der Auslage der Meister und tunkt frische Erdbeeren in Schokolade. „Komm herein“ verrät uns sein Grinsen und dieser Einladung müssen wir natürlich Folge leisten. Im Fenster steht eine Schale neben der anderen, gefüllt mit Pralinen und Trüffel. Helle, dunkle, weiße, gewälzt in Schokolade, Kakao oder Nusssplit. Uns läuft das Wasser schon beim Anblick im Mund zusammen. Wir dürfen auch Schokolade probieren und die überzeugt uns so sehr, dass wir für jeden exklusive Pralinen kaufen (Champagner, Gognac, Crème Brûlée und gesalzene Karamell). Aber als Nachtisch wohlgemerkt, erst mal ist Mittagessen angesagt.

Wir entdecken in der Rue Danielle Casanova das kleine Restaurant „Boco“, benannt nach einem Einmachglas. Neben dem Eingang befindet sich in der Kühltheke eine Anzahl von Einmachgläsern, gefüllt mit frisch gekochten Vor- und Hauptspeisen und Desserts. Man nimmt sich ein Körbchen, packt alles rein, worauf man Lust und Appetit hat, geht zur Kasse und bezahlt. Gläser mit kalten Speisen nimmt man zum Tisch mit, die anderen tauscht man gegen einen Signalgeber ein und wenige Minuten später werden sie heiß zum Tisch gebracht. Das Essen schaut nicht nur gut aus, die raffinierten Kreationen schmecken auch super. Und das alles in Bioqualität und ohne Gluten nach Rezepten vom Gourmetkoch Christophe Michalak! In einem Gläschen ist die unterste Schicht Creme-Mozzarella, dann Ratatouille und darauf verteilt kleine Hühnerbruststücke. Eine andere Kreation, Zwetschkenmus ganz unten, darauf Kalbfleisch und abgedeckt mit Kartoffelpüree. Viktoria entscheidet sich für Cous-Cous à L´Orange mit Prawns. Als Nachtisch teilen wir uns Crème Caramel mit Salzkristallen und Schokomousse mit Birnen- und Browniestücken drin. Mhhhhh…

Es ist eine andere Art von Essen gewesen, aber es hat uns richtig gut geschmeckt und wir können es wärmstens weiterempfehlen. Dem Publikum nach zu urteilen, sieht man: hier wird Wert gelegt auf gesunde Ernährung und das findet bei vielen großen Gefallen.

Gestärkt widmen wir uns wieder unserem Programm und fahren mit der Metro zum Place du Châtelet, der vom Fontaine du Palmier dominiert wird. Der Brunnen, aufgestellt zur Erinnerung an napoleonische Siege, ist geschmückt mit Statuen und einer Sphinx und aus der Mitte ragt eine Säule. Auf der anderen Straßenseite ist der Tour Saint-Jacques sichtbar, ein Glockenturm, der einzig erhaltene Überrest einer nicht mehr vorhandenen gotischen Kirche. Daneben befindet sich das Stadttheater.

Wir spazieren aber über eine mächtige Brücke, die die Seine überspannt in Richtung Île de la Cité zur Conciergerie, die im Mittelalter als königliche Residenz diente. Das mächtige Palais ist flankiert von zwei Rundtürmen, wobei 1370 am Tour de l’Horloge die erste öffentliche Uhr von Paris angebracht wurde. Für die Besichtigung kaufen wir uns Karten und sind erstaunt, dass Viktoria als EU-Bürgerin unter 26 Jahren kostenlosen Eintritt bekommt. Mit einem kleinen Flyer bewaffnet erkunden wir nun die zugänglichen Säle und Räume und lernen die teils sehr grausliche Vergangenheit kennen.

Den Anfang machen wir im ehemaligen Wächtersaal, der größte erhaltene Saalbau des Mittelalters. Das mächtige, gotische Kreuzrippengewölbe wird mit Licht angestrahlt und wirkt daher sehr mystisch. In diesem imposanten Raum mit den vier Eckkaminen wurde einst das königliche Personal verköstigt. Während der Französischen Revolution hielt man hier mehr als 2.700 Menschen gefangen, die auf ihre Hinrichtung warteten. Darunter die Revolutionsanführer Danton und Robespierre oder die Königin Marie-Antoinette. Küche, Waschräume und Zellen sind heute in der Conciergerie zu besichtigen und mir läuft es kalt den Rücken runter beim Anblick von Marie-Antoinette in ihrer Zelle. Inhaftierte, die Geld besaßen, konnten sich für eine Goldmünze ein Zimmer leisten, wo sie nicht mit den andern zusammengepfercht und dem widerlichen Gestank ausgesetzt waren.

Die frische Luft tut uns gut als wir die Conciergerie wieder verlassen, denn diese Informationen liegen uns etwas schwer im Magen. Das Kombiticket, das wir zuvor gekauft haben, ermöglicht uns auch den Eintritt in die Sainte-Chapelle, der Palastkapelle. Regelrecht eingemauert in den Justizpalast, von außen nicht sichtbar, ist sie während der beiden Weltkriege unzerstört geblieben.

Es sind nur wenige Schritte bis zum Gatter – nur um dorthin zu gelangen, dauert es fast eine Stunde. Als wir sehen, wie lange die Warteschlange ist, trifft uns fast der Schlag! Die Blockabfertigung lässt uns auch nur langsam vorwärtskommen. Hätten wir nicht das Eintrittsgeld schon bezahlt und wüssten wir nicht schon vorher, was uns da für ein Schatz erwartet (Wolfgang und ich haben sie vor 13 Jahren schon einmal besichtigt), dann wären wir unverrichteter Dinge abgezogen. So aber heißt es, Geduld aufbringen und sich die Füße in den Bauch stehen. Auch hier müssen wir mit unserem Rucksack durch das X-Ray, da die Kapelle sich auf dem Gelände des Justizpalastes befindet.

Da wir schon Tickets haben, müssen wir uns wenigstens beim Eingang nicht mehr anstellen und können somit die tiefere Unterkapelle der zweistöckigen Palastkapelle sofort betreten. Sie war für das einfache Volk bestimmt, während die Oberkirche nur für den König und dessen Familie zugänglich war. Die Kapelle wurde im 19. Jhdt. gebaut, um die „echte“ Dornenkrone Jesu und ein Stück des „originalen“ Kreuzes zu verwahren, die in Byzanz geraubt wurden. Beim Eintreten in die Kapelle meint man im Himmel zu sein, denn die Flächen zwischen dem Kreuzrippengewölbe sind blau gestrichen und mit unzähligen goldenen Königslilien bemalt. Royalblau, Weinrot und Gold beherrschen die Kapelle und das Licht lässt den Raum erstrahlen. Hier hält sich die Menschenmasse in Grenzen und so können wir die Stimmung auf uns wirken lassen.

Anders in der Oberkapelle – jetzt wissen wir, warum wir draußen so lange warten mussten. Der Großteil der zweihundert Leute, die sich angestellt haben, sind hier und jeder lauert darauf, ein gutes Foto machen zu können. Dauernd steht einer im Weg oder läuft ins Bild – erschwerend wirken sich auch die Japaner aus, die sich immer in Szene setzen, bevor sie auf den Auslöser drücken. Man muss sich halt auf die Details konzentrieren und das tun wir dann auch.

Die kostbaren Fensterflächen sind 12 m hoch und bedecken eine Fläche von 640 m². Zwei Drittel davon stammen noch aus dem 13. Jhdt. und sie stellen 1.113 Bibelszenen dar, von der Erschaffung des Menschen bis zur Auferstehung Christi. Bemerkenswert ist im Fenster 3 die Krönungsszene, die 20 Mal dargestellt wird. Die Fensterrose aus dem 15. Jhdt. hat einen Durchmesser von 9 m und stellt die Apokalypse dar. Das Licht, das durch die bunten Fensterscheiben dringt, lässt den hohen Raum irgendwie überirdisch wirken.

Bevor wir uns wieder auf den Weg hinaus machen, lassen wir die Stimmung noch ein wenig auf uns wirken. Eigentlich sind wir heute schon ordentlich geschafft. Mir tut der Rücken weh, Wolfgang brennen die Füße und Viktoria schnupft. Nach einer kurzen Rast geht´s dann aber doch weiter. Der Wachposten draußen schaut mich noch giftig an und fuchtelt mit dem Finger in der Luft, als ich ein Foto von ihm mache – anders die Jus Studenten in ihren schwarzen Roben. Naja, haun wir ab!

Nicht weit entfernt entdecken wir am Place Louis Lépine den 200 Jahre alten Marché aux fleurs, den Blumenmarkt. In langen, hellen Jugendstil-Pavillons sind liebevoll eng die Töpfe der üppigen Stauden, Sukkulenten und Schnittblumen aneinandergereiht. Neben den bunten Blumen, Pflanzen, Zwiebeln oder Samen gibt es hier natürlich auch allerlei Gartenzubehör, Deko-Gegenstände, Klim-Bim im Vintage-Stil als auch in Kitsch. Alles liebevoll angeordnet und dekoriert und ich muss mich ordentlich beherrschen, um nicht das eine oder andere zu erstehen. Die friedliche Stimmung tut gut nach dem Trubel in der Sainte-Chapelle und wir vergessen für eine Zeitlang das pulsierende Leben von Paris. Dieser Ort zieht nicht nur Botanik-Liebhaber an, sondern ist auch ein charmanter Ort für Spaziergänge.

Eigentlich sind wir auf dem Weg zurück ins Hotel, aber wir befinden uns unmittelbar in der Nähe der Notre-Dame, daher beschließen wir kurzerhand noch einen Abstecher dorthin zu machen. Die Kathedrale im historischen Zentrum der Stadt ist die meist besuchte Sehenswürdigkeit von Frankreich. Der Bau wurde im 13. Jhdt. begonnen und in den zweihundert Jahren Bauzeit der Übergang von Romantik zur Gotik verbildlicht. Starke Beschädigungen erlitt sie während der Französischen Revolution – sie wurde im 19. Jhdt. wieder restauriert. Ausschlaggebend war dabei Victor Hugos Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ mit dem buckligen Glöckner Quasimodo und der Esmeralda. Als Teenager habe ich davon mal eine Verfilmung gesehen und der war echt angsteinflößend.

Beim Anblick der Kathedrale sind wir überrascht, wie schön sie heute aussieht, denn von unserem letzten Besuch haben wir noch in Erinnerung, dass die Fassade kohlrabenschwarz war. Vor einigen Jahren wurden die Türme und die Westfassade restauriert, sodass sie heute wieder hell erstrahlen. Drei Portale prägen die Fassade und es war in der mittelalterlichen Gotik weit verbreitet, dass Szenen zum Jüngsten Gericht dargestellt wurden. Unter Christus ist ein Engel zu sehen, der in einer Waagschale die Seelen der Verstorbenen aufwiegt. Er streitet mit einem Teufel darum, welche Toten in den Himmel und welche in die Hölle kommen. Darüber stehen in Reih und Glied 28 biblische Könige, die auch schon einiges mitgemacht haben. Sie wurden während der Revolution geköpft und erst viele, viele Jahre später wiederhergestellt.

Die Originalköpfe kann man heute im Museum bewundern. Bemerkenswert ist auch die Fensterrosette über dem Haupttor, die mit 12 Meter Durchmesser eine der größten in Europa ist. Die wahre Schönheit ist aber nur von innen zu sehen, aber dem widmen wir uns in ein paar Tagen. Im Reiseführer lesen wir, dass der fünfschiffige Innenraum 130 Meter lang ist, das Mittelschiff eine Höhe von 32,5 Meter erreicht und hier ca. neuntausend Menschen Platz finden. Diese Fakten lassen wir mal so auf uns wirken, wie auch das Treiben um uns herum.

Auf dem geräumigen Kirchenplatz vor der Kathedrale ist auch der der Punkt Null eingelassen – von dort werden noch heute alle Straßenentfernungen in Frankreich berechnet. Diesen Punkt finden wir nach einigem Suchen inmitten einer Mädchengruppe, die Cent-Münzen in die Vertiefung legen, dann drauf steigen und sich drehen. Bis heute haben wir nicht herausgefunden, was das für eine Bedeutung haben soll! Aber die Mädels werden das schon wissen, warum sie das gemacht haben!

Von einer anderen (deutschsprachigen) Gruppe werden wir angesprochen, ob wir einen Beitrag zu einer Hochzeit leisten möchten. Sie zeigen uns Fotos von den Brautleuten und stellen uns anschließend Fragen über Namen, Beruf oder Hobby. Wäre spannend, wie das umgesetzt wird.

Einige junge Damen, wir entscheiden uns für Erasmus-Studentinnen, präsentieren Akrobatikübungen auf dem Platz. Wir staunen nicht schlecht wie sie in Jeans Spagat, Kopfstand und Brücke auf´s Pflaster legen. Es herrscht eine so friedliche und doch ausgelassene Stimmung hier und keiner verschwendet einen Gedanken, dass dieses Miteinander jäh zerstört werden könnte. Und doch machen die Reservisten der Landarmee nachdenklich, die hier auf dem Platz mit angelegter Waffe ihre Runden ziehen. (Wie wichtig das ist, das erfahren wir einige Wochen später, als am 13. November 2015 die Welt geschockt wird, weil in Paris Bomben hochgehen und viele Menschen dabei getötet werden.) In so mancher Metro-Station sind uns schon die Plakate aufgefallen, auf denen geworben wird „Devenez Réserviste opérationell de l´armée de Terre!“

Wir verlassen das Geschehen, überqueren die Brücke au Double und steuern auf Subway zu. Hier versorgen wir uns mit warmen Baguettes, um unseren Hunger zu stillen. Um in Ruhe essen zu können, schlendern wir zur Seine hinunter und machen es uns dort an der Promenade bequem. Das Wetter zeigt sich mittlerweile von seiner schönsten Seite und daher beschließen wir kurzerhand noch eine Bootsfahrt mit dem Batobus zu unternehmen, einem hop-on-hop-off Boot.

Karten sind schnell gekauft und das Boot gleitet auch schon nach wenigen Minuten auf die Haltestelle zu. Wir ergattern Stehplätze an der hinteren Reling und so haben wir schon nach dem Ablegen einen tollen Blick zurück auf den hinteren Teil der Kathedrale. Prunkvolle Häuserzeilen auf beiden Seiten wechseln sich ab mit Glasbauten, auffallend auch das Gebäude des „Les Docks – Cité de la Mode et du Design“ mit dem giftgrünen Etwas an der Außenfassade. Dort macht unser Boot kehrt, fährt ein Stück zurück und biegt am Pont de Sully in den anderen Seine-Arm ein, um die Île de la Cité zu umrunden.

Beeindruckend sind immer wieder die Brücken, die wir durchfahren, denn es sind viele und keine ähnelt der anderen. Mehr als 13 km lang ist die Seine in Paris und mehr als vierzig Brücken verbinden die beiden Ufer. Die Île de la Cité allein wird von sieben Brücken überspannt. Unter so mancher haben sich Sandler mit Kisten und Schachteln eine Bleibe aufgebaut. An den Quai Mauern ankern Yachten und Hausboote aller Art. Unter den baumgesäumten Alleen kuscheln Liebespärchen auf einsamen Parkbänken.

Gemütlich schippern wir am Wasser dahin, halten nach und nach an den neun Stationen, um Fahrgäste auszutauschen. Auch ein Teil des prächtigen Hôtel de Ville, das Rathaus ist vom Boot aus sichtbar. Danach erscheint rechterhand das Musée d´Orsay, 1900 zur Weltausstellung als Bahnhof erbaut, 1977 in ein Museum umgewandelt. Nun steuern wir auf die eindrucksvollste Brücke der Stadt zu, dem Pont Alexandre III. Auch sie war Teil der Weltausstellung und steht heute unter Denkmalschutz. Schon von weitem sichtbar die goldenen Figuren auf den vier Toranlagen, die einen geflügelten Pegasus darstellen, richtig in Szene gesetzt vom tollen Licht der Abendsonne.

Dann folgt das wirkliche Highlight der Bootsfahrt, für Viktoria auf jeden Fall, der Eiffelturm kommt ins Blickfeld! Noch macht es den Eindruck, als würde er aus einem Gebüsch herauswachsen, doch je näher wir kommen, umso majestätischer sieht er aus. Als Hintergrund der strahlend blaue Himmel mit den Schäfchenwolken, kitschiger geht´s ja gar nicht mehr. Der Auslöser des Fotoapparates raucht, denn unaufhaltsam drücke ich drauf, jedes Bild könnte wieder schöner sein als das andere. Durch den Sucher sind sogar die Liftkabinen und die Menschen auf der obersten Plattform sichtbar.

Wir beschließen spontan, an der Haltestelle auszusteigen und sollten es die Warteschlangen zulassen, vielleicht auch auf den Turm zu fahren. Nahe dem Eiffelturm befindet sich auf einem künstlichen Damm die Île aux Cygnes und darauf steht eine Miniausgabe der amerikanischen Freiheitsstatue, ein Geschenk von Amerikanern, die in Paris leben. Die nur 11,5 Meter kleine Lady blickt in die Richtung, in der ihre große Schwester in New York steht.

Der Bootführer steuert um die Insel herum auf den Eiffelturm zu. Nahezu alle Fahrgäste stürzen aus dem Boot und eilen schnurstracks auf den Turm zu. Wie Ameisen fühlen wir uns beim Näherkommen und ehrfürchtig marschieren wir zum Mittelpunkt. Tja, zwei Menschenschlangen arbeiten sich vorwärts Richtung Kassa – „ene-mene-muh, raus bist du“, an welcher Kassa sollen wir uns anstellen. Und wie soll´s auch anders sein, wir wählen spontan die falsche. Macht nix, nach einigen Minuten sprinten wir zur anderen rüber. Und das ist auch gut so, denn nachdem ein Japaner Karten für seinen gesamten Bus kauft, sind mit einem Schlag fünfzig Wartende weniger und zügig rücken wir immer näher an die Glasscheibe ran.

Wieder heißt es anstellen für den Lift auf die zweite Ebene. Dort knipsen wir mal einige Fotos und weil jetzt der Sonnenuntergang rasch vorwärtsschreitet, nehmen wir die nächste Warteschlange, um mit dem Lift auf die oberste Aussichtsterrasse zu fahren. Wir ziehen unsere Jacken an, wickeln uns in die Schals und setzen die Mützen auf, weil es mit dem Sonnenuntergang auch sehr kalt und stormy geworden ist. Innerhalb einer halben Stunde versinkt die Sonne, färbt den Himmel erst rosa, dann orange. Nach und nach gehen die Lichter an und die Stadt wird immer heller und auch einzelne Gebäude werden beleuchtet, wie das Palais des Tuileries, die Notre Dame oder der Triumphbogen. Die Straßenlaternen zeichnen orange Linien zwischen die Häuserzeilen und die fahrenden Autos dazwischen sehen aus wie sich bewegende Stecknadelköpfe, richtig schön anzusehen. Das alles spiegelt das Leben der Stadt. Und hier oben blitzen wie bei einem Wetterleuchten im Sekundentakt aus allen Richtungen die vielen Fotoapparate auf. Jeder möchte das schönste Bild einfangen.

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Der Rundumblick ist einfach ein Wahnsinn und beim Rundherumgehen auf der Plattform bekommen wir einen tollen Überblick über Paris. Sacré-Cœur mit dem danebenliegenden Glockenturm am Horizont, der höchste Turm der Stadt, der Tour Montparnasse, daneben die Kuppel des Invalidendoms, das Viertel La Défense mit den Wolkenkratzern und natürlich die kleine Lady. Bunt beleuchtete Boote gleiten auf der schwarz gefärbten Seine und jetzt werden auch die vielen Brücken darüber gut sichtbar. Direkt unter uns strahlt grell das Flutlicht von einem Stadion, wo gerade ein Match stattfindet. Ach ja, schaut mal, mitten im stadtumgebenden Grüngürtel leuchten von einem Jahrmarkt die bunten Lichter herauf. Vom Gipfel des Eiffelturms wandert ein blauer Laserstrahl am Himmel über Paris.

Ich kann nicht sagen, wie viele Runden wir drehen, denn jedes Mal wieder zeigt sich ein anderes Bild und stärkt das Bedürfnis, wieder und wieder den Fotoapparat auszulösen. Dieses Foto könnte ja noch besser sein, als das vorige.

Wolfgang besorgt uns zur Feier des Tages Rosé-Champagner (10 cl für 16,00 Euro) und wir stoßen auf unseren schönen Urlaub an. Oje, wir verletzten die Aufsichtspflicht, weil wir einer Minderjährigen Alkohol einflößen. Aber wirklich, sie hat ihn freiwillig getrunken! (Genippt – den Rest durfte Wolfgang austrinken – braves Kind!)

Gemäß einer pinken Tafel mit der Aufschrift „Place to kiss“ nehmen wir diese Aufforderung natürlich wörtlich.

Es fällt uns wirklich schwer zu entscheiden, wann es Zeit ist zu gehen. Auch Viktoria kann sich nicht losreißen, so fasziniert ist sie vom Anblick und der Stimmung. Oder hat sie ihr Vorhaben noch nicht erledigt? Sie hat ihrer Freundin das Versprechen gegeben, vom Eiffelturm zu spucken. Pssst, das darf niemand wissen!

Bevor wir uns ein letztes Mal in die Warteschlange stellen, diesmal auf den Weg hinunter, werfen wir noch einen kurzen Blick in das kleine Museum. Hier ist das Büro von Gustave Eiffel nachempfunden und in der dargestellten Szene empfängt er Thomas Edison am 10. September 1889.

So, nach langem Warten sind wir wieder unten angekommen und haben festen Boden unter unseren Füßen. Unbeschreiblich, wie schön der Eiffelturm mit Beleuchtung bei Nacht aussieht, er glüht regelrecht.

Ein letzter Blick nach oben, ein Erinnerungsfoto und dann gehen wir mit schweren Füßen zur nächsten Metro.

Wie ist das mit dem Anstellen gewesen? Der Weg ist lange bis zum Hotel, daher reihen wir uns noch in die Warteschlange vor einer öffentlichen Toilette ein. In der Nähe der Sehenswürdigkeiten gibt es rund 400 graue, kostenlose Klohäuschen. Meine Blase tut mir schon ordentlich weh, als sich die Tür für mich öffnet. Nach jedem Toilettengang wird das Innere automatisch komplett gereinigt und das dauert. Ein Lichterlsystem zeigt an, wie grad der Status ist. Grün heißt frei, Orange besetzt, Blau es wird gereinigt und Rot, die Toilette ist defekt. Und wie schon erwähnt, alles passiert ganz automatisch, die Tür öffnet sich auch automatisch nach einer Viertelstunde. Sollte also das Geschäft länger dauern, dann sitzt man in der Auslage! Ist mir aber nicht passiert!

copyright Tour Eiffel – illuminations Pierre Bideau

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