Der gestrige Tag hat seine Spuren hinterlassen, wir schlafen lange und hüpfen erst gegen halb neun aus den Betten. In Ruhe duschen, Haare waschen, zusammenpacken und dann beginnen wir unseren Tag.
Frühstück gibt´s wieder in der Bäckerei und mit der Metro fahren wir bis zur Église de la Madeleine. Das Erscheinungsbild ähnelt keineswegs einer Kirche, denn es gibt weder einen Glockenturm, noch ein Kreuz. Von außen sieht die Kirche mit ihren korinthischen Säulen rundherum wie ein römischer Tempel aus und am Giebel befindet sich ein Relief, das das Jüngste Gericht darstellt. An der obligatorischen Bettlerin vorbei schreiten wir über die breite, mit Blumenkisten gesäumte Treppe hoch und betreten den Innenraum. Bombastisch, was sich hier für ein Blick auftut. Die Säulen setzen sich auch hier fort und tragen drei aufeinander folgende Kuppeln. Die Kuppel über dem Altar zeigt ein tolles Fresko, das aus Wachs gemalt ist und die Sternstunden der Kirche des Abendlandes Frankreichs darstellt. Erkennbar unter anderen der Papst, Napoleon, die Kreuzritter und die Nationalheldin Jeanne d´Arc. Ganz oben, umgeben von Aposteln, empfängt Christus Maria Magdalena im Himmel. Diese und viele Infos mehr lesen wir von einem anschaulichen Führer, der in der Kirche in beinah allen Sprachen aufliegt. Viktoria und Wolfgang möchten aber mehr über die Technik des Wachsmalens erfahren, zücken daher ihr Handy und lesen im Internet nach.
Über dem Altar steht in beachtlicher Größe die weiße Statue der Maria Magdalena, die von zwei Engeln in den Himmel geleitet wird. Flankiert wird sie von weißen Gestecken aus Rosen, Schleierkraut und Madonnenlilien, die ihren süßen Duft verströmen. Wir setzen unseren Rundgang fort, denn auch die tolle Kanzel aus Eichenholz, die bekannte Orgel oder die prächtigen Luster aus Messing sollen nicht unbeachtet bleiben. Sehenswert auch die Bildersammlung und das Standbild der Jeanne d´Arc. Vor dem Verlassen der Kirche entzünden wir noch ein Kerzerl und werfen unseren Obolus in die an der Wand hängenden Kasse „Pour les Pauvres“ (für die Armen).
War was im Frühstück oder liegt was in der Luft oder sind das Nachwirkungen des gestrigen Sonnenstichs – Viktoria und Wolfgang hüpfen singend durch die Gegend und umarmen die Säulen der Metrostation. Nein, es ist das tolle Wetter, der makellos blaue Himmel und die angenehme Temperatur – das löst einfach Glücksgefühle aus. Ich muss sie aber ein wenig bremsen, denn schließlich befinden wir uns auf der Rue Royal und in der Gegend mit vielen Boutiquen und Nobelläden, wo die Reichen und Schönen zuhause sind. Uns genügt ein kurzer Blick in die Schaufenster, wo Maxim´s Gelees, Liköre oder Pasteten anbietet oder daneben edle Jacken, Schuhe und Taschen von Gucci ausgestellt sind. Aber ehrlich, dieses Zeug gefällt uns auch nicht wirklich und wenn eine leichte Jacke mal so 28.000 Euro kostet, dann mögen wir sie schon gar nicht mehr. Wir folgen kurz einem jungen Pärchen, das eben aus dem Geschäft kommt, behängt mit den eleganten Einkaufstüten. Ja, die passen eindeutig hierher!
Im Rinnsal neben der Fahrbahn plätschert lustig das Wasser in die Pariser Kanalisation. Mehrmals am Tag fließt es aus viereckigen Auslässen an den Gehsteigkanten und nimmt den Dreck mit, dem es unterwegs begegnet. Die kurze Straße vom Place de la Madeleine endet am Place de la Concorde, einer der größten Plätze der Stadt. Hier befindet sich eine weitere Attraktion von Paris, der Obelisk von Luxor. Das 22 Meter hohe und 230 Tonnen schwere Monument war ein Geschenk des ägyptischen Vizekönigs und wurde am 25. Oktober 1835 aufgestellt. Eine vergoldete Pyramide aus Bronze bildet den Schlussstein, der erst 1998 aufgesetzt wurde. Daneben thronen zwei große Brunnen, der eine stellt mit seinen Figuren Rhein und Rhone die Flussschifffahrt dar, der andere die Seefahrt mit dem Mittelmeer und dem Atlantik. Immer wieder eröffnen sich spektakuläre Blicke hinauf zur Madeleine oder auf der anderen Seite das Palais Bourbon, dessen neoklassizistische Fassade sich jener der Kirche ähnelt. Die beiden Gebäude gucken sich also an! Immer wieder wird der Blick von den Busladungen an Menschen gestört, wenn sie sich zu Hauf vor die Sehenswürdigkeiten platzieren. Durchgeknallt, wie wir heute sind, nehmen wir uns an ihnen ein Beispiel und produzieren auch einige verrückte Fotos. Wir nutzen noch die Zeit, um über die Geschichte dieser Gegend nachzulesen. Auf dem Platz stand die Guillotine, auf der Marie-Antoinette und Louis XIV. während der Französischen Revolution hingerichtet wurden.
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So, weiter geht´s nun die Avenue des Champs Élysées entlang, die Prachtallee von Paris schlechthin, gesäumt mit den edelsten Boutiquen, Luxusrestaurants, Banken und Versicherungen. Wir schlendern unter den schattenspendenden Bäumen die schnurgerade knapp zwei Kilometer lange Allee erst linkerhand entlang. Nach einer schönen Parkanlage folgen das Petit und das Grand Palais, die heute Museen beherbergen. Das Grand Palais wurde zur Weltausstellung im Jahr 1900 errichtet und wie schon erwähnt als Museum und für Veranstaltungen genutzt. Chanel präsentiert seine Kreationen hier und im Winter wird das Palais in die größte Eishalle der Welt verwandelt. Vor dem Gebäude marschiert Charles de Gaulle auf einem hohen Sockel und genau der hat es einem anderen Touristen angetan. Er bittet mich ein Bild zu machen von ihm, seinem Begleiter und Charles soll natürlich auch drauf sein. Ein Foto in Hochformat, ein Foto in Querformat, eine Großaufnahme, mal mit dem Palais, dann wieder ohne. Jedes Foto gefällt ihm, aber eines geht noch. Als ich dann endlich überschwänglich dankend entlassen werde, sind Viktoria und Wolfgang über alle Berge. Die beiden wollten schon in der Polizeistation, die in einem Trakt des Grand Palais untergebracht ist, eine Vermisstenanzeige aufgeben.
Bei jedem Schritt haben wir Sicht bis zum Arc de Triomphe und dem dahinterliegenden Viertel La Defense. Über uns kreisen Hubschrauber, auf der Straße die trötenden Autos und Motorräder der Polizei, die Security ist permanent immer vorhanden. Und das sicher nicht nur wegen der vielen Fahrzeuge und Menschen, die in Richtung Place Charles de Gaulle strömen. Wir haben das Gefühl, dass wir dem Triumphbogen gar nicht näherkommen und so suchen wir zwischendurch ein wenig Rast auf gemütlichen Bankerl unter so manchem Baum.
Wir wechseln die Straße und verharren eine Weile auf der Verkehrsinsel in der Mitte der zehnspurigen Avenue, um die Sichtachse zum Triumphbogen bildlich festzuhalten. Etwa einen Kilometer vor dem Ziel strecken sich dann die prachtvollen Fassaden der Häuser hoch hinauf, in denen unten die Restaurants und Boutiquen untergebracht sind. Wir staunen nicht schlecht über die Preise der ausgestellten Produkte. Bei Tiffany finden wir einen voll hübschen Ring, der wär doch was für den Hochzeitstag in ein paar Tagen? Kostet eh nur 15.200,00 Euro – das geht, oder? Ups, da hat sich auch ein H&M hierher verirrt, den können wir uns leisten, da schauen wir mal rein. Und wirklich, wir finden auch einen hübschen Blazer für Viktoria. Wow, jetzt kann sie ihren Freundinnen erzählen, dass sie auf der Champs Élysées geshoppt hat!
Überall in Paris sind uns die Bettler schon aufgefallen – aber diese Version des Bettelns hier ist uns neu, denn mitten auf der Promenade liegt eine Frau der Länge nach auf dem Pflaster, den Arm mit dem Becher von sich weggestreckt und das Gesicht verdeckt. An den Füssen trägt sie Flip-Flops mit Glitzersteinchen und auch das Kopftuch glitzert. Eine elegante Bettlerin, angepasst an das Nobelviertel. Als wäre es die natürlichste Sache, spazieren die Leute rund um sie und setzen ihren Weg fort.
In der Boulangerie et Patisserie Paul reicht die wartende Menschenschlange weit heraus, da muss die Jause gut schmecken. Also stellen wir uns in die Reihe und während wir langsam vorrücken, können wir inzwischen die Auswahl betrachten. Wir entscheiden uns für Hühnchen-Baguette und als Nachtisch Eclairs. Draußen ergattern wir noch einen freien Tisch und genießen unser Essen. Und es schmeckt très délicieux, sehr köstlich wie der Franzose sagt. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt auch, denn sie bieten Kombiangebote mit Baguette, Nachtisch und Getränk. Die Verkäuferinnen sind flink und ausgesprochen freundlich.
Gestärkt spazieren wir weiter das letzte Stück bis zum Arc de Triomphe, der inmitten eines riesigen Kreisverkehrs steht, wo zwölf Straßen zusammentreffen. Erreichbar ist das Wahrzeichen für Fußgänger durch eine Unterführung und der Tunnel endet unmittelbar an der Kassa. Viktoria darf zu unserer Freude wieder mal kostenlos rein. Los geht´s! Der volle Bauch rächt sich schon nach den 195 Stufen bis zur ersten Plattform. Kurz durchschnaufen und ein Schluck Wasser und dann schlängeln wir uns weiter hoch im kreisrunden Treppenhaus. Die Belohnung ist riesengroß, als wir die Aussichtsterrasse erreichen (nach gesamt 275 Treppen). Eine klare Sicht, dass es schöner gar nicht geht und ein Rundumblick auf die Hauptsehenswürdigkeiten von Paris. Auch das Meer der grauen Blechdächer verzaubert uns wieder und ist schön anzusehen. Und wir entdecken so manches Gärtchen oder Terrasse auf dem Dach. Obwohl wir so hoch oben sind, sieht man das Ausmaß der riesigen Häuser mit den tollen Fassaden. Die langen, grün gesäumten Straßen scheinen im Himmel zu enden. Paris ist eine so schöne Stadt, dass wir es gar nicht oft genug betonen können und mit Sicherheit stehen wir nicht das letzte Mal hier oben. Eine Zeitlang beobachten wir auch das Gewirr der Autos auf der Straße direkt unter uns. Wird die Ampel grün, verstricken sich die Matchbox-Autos in einem Gewirr und trotzdem findet jedes Auto ohne Gehupe seinen Weg wieder hinaus. Lange genießen wir die Aussicht und lassen die Stimmung auf uns wirken.
Um den Drehwurm nach dem Abstieg ein wenig zu verdauen, widmen wir uns noch kurz dem Bogen, unter dem das ewige Feuer zum Gedenken an den 2. Weltkrieg brennt. Der Triumphbogen wurde von Napoleon zur Verherrlichung seiner Siege in Auftrag gegeben, bei Fertigstellung war aber seine Armee längst besiegt. Figurengruppen zeigen Schlachten und Triumpfe, die bekannteste ist die Marseillaise, der Auszug der Freiwilligen. Heute findet zum Jahrestag des Waffenstillstandes 1918 zwischen Frankreich und Deutschland jeden 11. November eine Parade statt. Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag (Sturm auf die Bastille 1789) marschiert auch eine Parade die Champs Élysées entlang zum Arc de Triomphe, begleitet von einer Patrouille Jets am Himmel. Und einige Tage später strampeln dann noch die Radfahrer der Tour de France hier ins Ziel.
Im Sauseschritt geht es nun zur Metrostation Charles de Gaulle-Étoile, eine der bedeutendsten der Stadt. Hier sind die Gleise mit Glasfronten abgesichert, die sich erst öffnen, wenn der fahrerlose Zug eingefahren ist und steht. Die Durchsagen in der Metro werden hier nicht nur in Französisch, sondern auch in Englisch und – man beachte – auch in Deutsch gemacht.
Am Rathausplatz steigen wir aus und stapfen los. Die Enttäuschung ist groß, denn der Blick auf das tolle Hôtel de Ville bleibt uns leider verwehrt, da hier gerade eine Veranstaltung für Studenten stattfindet und der gesamte Platz vollgepflastert ist mit Fahnen, Zelten und Infoständen. Daher halten wir uns nicht lange auf und überqueren die Seine Richtung Notre Dame. Auf beiden Seiten der Seine haben Bouquinisten ihre Boxen geöffnet und bieten ihre alten Bücher, Zeitschriften, Postkarten, Bilder und sonstige Raritäten feil. Hier wird die Vergangenheit wieder lebendig und so manches Comics Hefterl haben wir in unserer Jugend selbst besessen und oft durchgeblättert. In Paris gibt es auf den Mauern der Uferstraßen fast neunhundert solcher fix installierten, grünen Kästen, die abends einfach verschlossen und morgens nur geöffnet werden müssen. Es gibt sie schon seit dem 16. Jhdt. und sie sind heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.
Wir erreichen unser nächstes Ziel, nämlich die Kathedrale Notre Dame. Aufgrund des traumhaften Wetters möchten wir noch auf den Turm hochsteigen. Der Eingang befindet sich an der linken Fassade in der Rue du Cloître und liegt jetzt im Schatten. Es ist kurz vor vier, wir haben noch genügend Zeit und die Warteschlange ist nicht allzu lange. Außerdem werden wir von einem Typen unterhalten, der einmal Al Pacino und fünf Minuten später wieder Johnny Depp ist. Einem Farbigen klopft er beim Vorbeigehen auf die Schulter und begrüßt ihn mit „Hello, Mr. Obama“, sperrt den Weg für andere Fußgänger ab und motiviert die umherstehenden Leute zu applaudieren, die das auch prompt machen. Die Gaudi für uns soll aber nicht umsonst sein, denn danach versucht er es mit Geld absammeln!
Nach einer halben Stunde werden wir vorgelassen und erklimmen die ersten 74 Stufen bis zur Kassa. Tickets kaufen (Viktoria geht wieder gratis durch), nochmals warten und dann erreichen wir nach 250 Stufen die erste Plattform. Eine kleine Holztreppe führt auf eine Zwischenebene und hier können wir zwei Glocken aus nächster Nähe betrachten. Da Quasimodo nicht zuhause ist, stelle ich halt meinen ganz persönlichen Glöckner daneben. Irre, Wolfgang wirkt darunter wie ein Zwerg. Auf engem Weg schlängeln wir uns an den beiden Türmen vorbei und kommen ins nächste Treppenhaus, wo die letzten ausgetretenen Steinstufen ganz hinaufführen. Insgesamt 422 Stufen sind wir nun hochgestiegen bis auf die Terrasse und die Plagerei wird diesmal nicht ganz belohnt. Der Balkon ist komplett mit einem engmaschigen Netz eingepackt, sodass es unmöglich ist, die Fantasiefiguren und Fratzen ohne Seile zu fotografieren. Auf einem Schild wird auch darauf hingewiesen, dass das Fotografieren mit Selfiestick verboten ist – wahrscheinlich sind schon zu viele auf die Köpfe der auf dem Platz wartenden Menge geplumpst.
Die 360 Grad Aussicht auf Paris ist grandios, wenn das blöde Netz nicht wäre. Aber alles Jammern hilft nix, wir können es nicht ändern. So versuchen wir das Beste herauszuholen und drücken unendlich oft auf den Auslöser, in der Hoffnung, doch einige gute Bilder zu machen. An Zauber haben die grotesken Fabelwesen und Fantasievögel ja nichts verloren. So von nächster Nähe sehen sie schon gruselig aus, das ist von unten gar nicht auszumachen.
Die nächste Besuchergruppe nähert sich uns und daher werden wir Richtung Ausgang weiter geschoben. Schnell noch einen Blick auf den Platz hinunter, wo die Menschen wie Ameisen herumwuseln. Auf der anderen Seite sieht man schön die Brücken, die die Seine überspannen – so manche vollbehangen mit den Liebesschlössern, die im schönen Abendlicht golden leuchten.
Nun geht es im engen schneckenförmigen Treppenhaus wieder nach unten – diesmal ohne Pause – und das verursacht einen gewaltigen Drehwurm. Es ist halb sechs, als wir unten wieder ankommen und mit einem wahrlichen Glockenkonzert werden wir hinaus geläutet. Der Besuch des Kircheninnenraums geht sich leider nicht mehr aus, schließlich steht heute noch ein weiteres Highlight auf unserem Abendprogramm.
Wir erleben Paris in der Rush Hour nun hautnah. In der Metro gibt es kein Umfallen, so dicht gedrängt stehen die Menschen. Bei den Ausgängen gibt es keine freie Treppe mehr und nur nicht stehenbleiben, sonst wird man niedergetrampelt.
Wir schaffen es heil zurück ins Hotel, wo wir uns umziehen und hübsch machen. Mit Stöckelschuhen stolzieren wir etwas mühsam auf dem Kopfsteinpflaster Richtung Moulin Rouge. Es ist klar zu erkennen, dass wir im Alltag mit bequemen Laufschuhen unterwegs sind, denn das Gehen erfordert höchste Konzentration. Aber unser Gentleman passt eh auf uns Damen auf und beschützt uns. Mit unseren leichten Kleidchen fallen wir schon ein wenig auf, immerhin befinden wir uns im Pigalle, dem Vergnügungsviertel von Paris. Es entgeht uns nicht, dass einige junge Männer Viktoria lange Blicke zuwerfen.
Einige Schritte weiter wechseln wir zur Sicherheit die Straßenseite, als wir in einem kleinen Park ein Stück vom Moulin Rouge entfernt an einer Schlägerei vorbeikommen. Da wollen wir lieber nicht mitmachen!
Vor dem Moulin Rouge herrscht bereits reges Treiben, denn die Busfahrer laden ihre Gäste unmittelbar vor dem Eingang aus. Anstellen sind wir mittlerweile gewöhnt und es gibt uns die Chance zu beobachten, wie der Dresscode so ist. Da ist von Trekking-Sandalen, Adidas-Jogger, bedruckte Sommer T-Shirts bis zum Anzug, dem kleinen Schwarzen und Pelz alles dabei. Auch vom Alter sind die Besucher bunt durchgemischt.
Schnell sind wir im Inneren bis zur Rezeption vorgedrungen, wo wir nach unseren Namen gefragt werden. Von dort begleitet uns ein Kellner persönlich zu unserem Tisch, bringt uns die Speisekarte und fragt, ob er uns Champagner servieren darf. Viktoria bevorzugt Orangensaft – Mensch, ist die junge Dame vorbildhaft brav! Wir zwei Erwachsenen sagen jedoch nicht nein zu einem Gläschen Blubberwasser – schließlich ist die gesamte Flasche im Eintrittspreis inbegriffen.
Das Drei-Gänge-Menü „Toulouse Lautrec“, das uns danach serviert wird, lassen wir uns im wahrsten Sinn des Wortes auf der Zunge zergehen. Zwischen den Gängen werden wir Mädels von Wolfgang überrascht, denn er beschenkt uns beide mit einem Eiffelturm-Anhänger für Kette oder Armband. Merci beaucoup und Bussi, Bussi! Bei Viktoria setzen wir noch einen drauf und teilen ihr mit, dass wir morgen wieder sehr früh aus den Betten müssen, denn unser nächstes Ziel ist Disneyland – von diesem Programmpunkt wusste sie noch nichts. Eigentlich hatten wir geplant, entweder Versaille oder Disneyland zu besuchen – und Viki hatte sich für das echte Schloss entschieden.
Während des Essens werden wir von zwei vorzüglichen Stimmen unterhalten, die Chansons zum Besten geben. Die angenehme Geräuschkulisse wird abrupt zerstört, als plötzlich der halbe Saal zu toben beginnt. Die Beiden auf der Bühne stimmen nämlich ein Lied auf Japanisch an und da fühlen sich viele Asiaten angesprochen. Das Publikum klatscht mit, wippt mit dem Becken hin und her und einige beginnen auf der kleinen freien Fläche zu tanzen. Also, die Gäste sind aufgewärmt – „let the show begin!“
„Féerie“, das ist der Name der Vorstellung, heißt übersetzt „Fee“ und feierte ihre Premiere am 23. Dezember 1999. Über hundert Künstler wirken in der Show mit, mehr als die Hälfte davon sind „Doriss-Girls“, so benannt von der Erfinderin Dorothea Haug, die Erfinderin der weltberühmten Can-Can-Truppe des Pariser Kabaretts. Die Bühnenfläche vergrößert sich, langsam bewegen sich die festlichen Kulissen auf die Bühne, Musik ertönt und dann erscheinen die Tänzerinnen mit ihren atemberaubenden Kostümen aus farbenprächtigen Stoffen, Tüll und Federn. Schon nach den ersten Schritten ziehen sie uns in ihren Bann mit ihren schönen Körpern und den graziösen Tanzbewegungen. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll – in jedem Eck, auf jeder Treppe, überall tut sich was. Pailletten und Strass-Steinchen funkeln in der dynamischen Lichtershow, die mit der Musik eine berauschende Stimmung erzeugen.
Wolfgang und ich lassen uns richtig einfangen von dieser Atmosphäre. Viktoria hingegen hatte ja Bedenken, dass der Besuch im Moulin Rouge nichts für sie sein wird, denn nackte Frauen – das geht gar nicht! Dabei haben diese Showgirls richtig makellose geformte Figuren und kein Gramm zu viel auf den Rippen. Noch tanzen sie fast bekleidet, lediglich die nackten Brüste sind nur mit Glasketten spärlich bedeckt. Als Highlight am Ende des Tanzes reißen sie sich das Rockerl weg, aber auch da wird unserer Meinung nach kaum Haut gezeigt. Trotzdem entfährt Viktoria der Satz „das hätt jetzt nicht sein müssen“! Kaum zu glauben – es kommt auch ein Showteil, bei dem alle Akteure von oben bis unten vollständig bekleidet sind. Passend dazu Viktorias Kommentar „na wenigstens die haben den Kleiderschrank gefunden“. Na siehste – schließlich ist die Show für junge Damen ab 6 Jahre freigegeben!
In Sekundenschnelle verändert sich immer wieder das Bühnenbild und verschiedene Themen werden aufgegriffen. Einmal ist es der Zirkus, dann sind es Piraten oder ein Girl tanzt schwimmend mit unzähligen Riesenschlangen in einem gigantischen Aquarium. Im „Moulin Rouge von 1900 bis…“ bekommen wir dann den berühmten französischen Can-Can präsentiert, einfach unbeschreiblich.
Damit die Damen und Herren ihre Bühnenkleidung wechseln können, unterhalten uns in der kurzen Zeit Clowns, Kabarettisten oder Rollerskater. Angst und Bang wird uns, als ein Pärchen auf einem kleinen, runden Podest mit ihren Skatern in einem Affenzahn im Kreis herumfetzt.
In einem Wahnsinnstempo sind dann auch die zwei Stunden vorbei und wir sind richtig erschlagen von den vielen Eindrücken und dem Bling-Bling. Wir haben uns dahintreiben lassen und sind in eine andere Welt eingetaucht, oh mon dieu, ist das schön gewesen. Ein Pflichttermin und Highlight für jeden Paris-Besuch!
Als wir gegen 23:00 Uhr das Moulin Rouge verlassen, müssen wir uns durch die wartende Menge graben, die schon ansteht für die nächste Show. Auf dem Nachhauseweg werden wir noch von den Türstehern der Rotlichtbars angesprochen, doch für heute haben wir genug nackte Haut gesehen. Na ja, ein Schlummerdrink in einer Tabledance-Bar wär doch noch was? Nein, das können wir Viktoria nicht antun, außerdem war der Tag lang und das Bett ruft.