Kurz nach Mitternacht hat uns der Regen wieder eingeholt.

Es kostet uns viel Zeit am Morgen, das Zelt so halbwegs trocken zu tupfen, bevor wir es einpacken können. Das Frühstück essen wir dann provisorisch im Auto auf unseren Knien.

Danach machen wir uns wieder auf die Reise.

Die weiße Holzkirche in Sortland bleibt uns leider verwehrt, da auch diese abgeschlossen ist. Jetzt können wir nicht für schöneres Wetter beten (ha, ha, ha,…)! Unverrichteter Dinge setzen wir unsere Fahrt fort.

Entlang des Fjordes stehen wieder die bunten Holzhäuser und jedes mit prächtigem Garten. Da wechseln sich der Flieder, der Goldregen und Meere von Lupinen in allen Farben ab – tut gut für das Auge und das Gemüt.

Zwischen Sortland und Stokmarknes müssen wir wieder eine abenteuerliche Brücke überwinden. Diese macht vor der Erhebung in der Mitte noch eine Rechtskurve!

In Melbu verlassen wir die Vesterålen und fahren mit der Fähre bis nach Fiskebøl, den Beginn der Lofoten. Die Wolkendecke hängt tief herunter, es nieselt wieder und es ist kalt wie zu Beginn des Winters. Genauso kalt ist unsere Stimmung, denn wir sind etwas deprimiert. Die schöne Landschaft, die uns hier geboten wird, kann unser Stimmungsbarometer erst gar nicht anheben.

Gegen Mittag erreichen wir Svolvær, die Hauptstadt der Lofoten. Der Ort ist seit dem 17. Jhdt. ein Handelszentrum und genießt seit 1918 Stadtrechte. Svolvær ist buchstäblich von Wasser umgeben und wird von spitzen Felsgipfeln flankiert. Warm angezogen machen wir einen Spaziergang durch die Stadt. Erst besuchen wir die weiße Steinkirche – man staune, diese ist mal zur Abwechslung offen! Die Kirche wurde durch Spendengelder und Eigeninitiative des Volkes geschaffen und 1934 der Gemeinde schuldenfrei geschenkt. Diese kleinen Kirchen hier im Norden haben schon ein eigenes Flair, denn sie sind nicht so kitschig und protzig, wie so manche es bei uns ist. Witzig ist jedoch, dass in fast jeder irgendwo ein kleines Modellschiff von der Decke hängt. Außerdem sind sie mit einem WC ausgestattet!

Am Hafen reiht sich ein Café an das andere, daher herrscht hier reges Treiben. Auch am Stadtplatz ist einiges los, denn hier gibt es einen Samimarkt.

Die Sonne zeigt auch ihre ersten Sonnenstrahlen und es wird langsam wärmer.

Der nahegelegene Ort Kabelvåg wird 1352 das erste Mal genannt und liegt an mehreren Buchten. Nicht weit vom Torget (Markt) entfernt, liegt die prächtige gelbe Vågan-Kirche, wegen ihrer Größe auch „Lofot-Kathedrale“ genannt. Sie ist die größte Holzkirche nördlich von Trondheim und in ihr finden 1.200 Menschen Platz. Im Inneren hängt eine große Portraitsammlung von Geistlichen seit 1544.

Auf der anderen Seite der Kirchenbucht liegt der Trollstein. Der Sage nach soll der Teufel, der sich gerade auf dem Kjellberg befand, vor Wut über den Bau der Kirche den nächsten Felsbrocken gegriffen und ihn gegen die Kirche geschleudert haben. Er traf nicht – der Brocken wiegt immerhin 18 Tonnen – und der Stein fiel kurz vor der Kirche nieder. Auf dem Stein sieht man noch heute Spuren von des Teufels Krallen, außerdem ist ein normannisches Kreuz eingehauen.

Wir genießen die Aussicht auf den Fjord, denn inzwischen haben wir endlich wieder blauen Himmel mit Schäfchenwolken und die Luft erwärmt sich auch langsam.

Weiter des Weges sehen wir einen Gedenkstein neben der Straße, auf dem die norwegischen Könige sich verewigt haben. Sie haben sich seit eh und je für Straßen und Verkehrsverbindungen interessiert. Die E10 führt von der Reichsgrenze zu Schweden nach Å auf den Lofoten. Um den verstorbenen König Olav zu ehren, hat die norwegische Straßenunterhaltungsbehörde beschlossen, die E10 die „Straße des Königs Olav“ zu benennen.

Nächstes Ziel ist das Lofotmuseum. Mit einem Plan und einer kurzen Beschreibung spazieren wir in einem Herrenhaus und in alten Fischerhütten herum. Diese Ausstellung veranschaulicht das Leben der Fischer mit ihren primitiven Gebrauchsgegenständen. Im Bootshaus sieht man noch verschiedene Boote, Netze und Bojen.

Nach einer Rast auf dem Sonnenbankerl fahren wir weiter nach Henningsvær. Der Fischerort, auch „Venedig des Nordens“ genannt, ist auf mehrere Inseln verteilt. Wir schlendern durch die schmalen Gassen zum Hafen, auf beiden Seiten stehen die Fischerhütten dicht gedrängt nebeneinander. Am Hafen können wir einem Fischer zusehen, wie er seine Fische zerlegt und reinigt.

In den diversen Souvenirläden werden allerlei Krims Krams, Norwegerpullis und Wikingerfiguren angeboten.

Auf der Fahrt zurück erblicken wir dann die ersten Holzgerüste, auf denen Stockfische zum Trocknen aufgehängt werden. Leider ohne die berühmten Fische, denn dazu sind wir von der Jahreszeit her zu spät dran. Der größte Teil der gefangenen Kabeljaus wird getrocknet und zu Stockfisch verarbeitet. Dazu werden die Fische ausgenommen, der Kopf abgeschnitten, paarweise an den Schwänzen zusammengebunden und auf hohe Holzgerüste gehängt, wo sie durch Wind und Wetter knochenhart trocknen. Seinen Namen hat der Stockfisch nicht daher, weil er trocken und hart wie ein Stock wird, sondern von den Stöcken, auf die er gehängt wird.

Die Wolken haben sich fast restlos aufgelöst und daher überlegen wir, bis Kvalnes zu fahren. Laut Straßenkarte ist dort eine gute Stelle, die Mitternachtssonne sehen zu können. Einen Haken hat die ganze Geschichte aber, es gibt dort keinen Campingplatz. Nach Überprüfung unserer Wasservorräte ist das dann aber schnell beschlossene Sache. Nach einigen Kilometern ist der Asphalt von der Straße verschwunden, dafür dürfen wir 60 km/h anstatt der zuvor 50 km/h fahren! Je schlechter die Strasse, desto schneller darf man fahren!?!

Der kleine Ort ist schnell erreicht und ein Stück außerhalb suchen wir uns eine geeignete Stelle, an der wir unser Auto stehen lassen und nicht weit davon auch unser Zelt aufstellen können. Während wir noch über den besten Nachtplatz beratschlagen, sehe ich einen Campervan mit österreichischem Kennzeichen eine gute Autolänge vor uns stehen. Die muss ich gleich begrüßen gehen, denn man freut sich immer, ein wenig Heimat so nahe zu haben! Sepp ist ein gebürtiger Goißerer und seine Frau Monika kommt aus Baden bei Wien, wo die beiden auch leben. Wir schätzen die zwei auf etwa 60 – 65 Jahre. Schon nach kurzer Zeit laden sie uns in ihren Camper ein und kredenzen uns Tee und Kuchen. Stundenlang führen wir eine angeregte und lustige Unterhaltung. Seit mehr als vier Wochen sind die beiden schon unterwegs, von Deutschland, durch Finnland, bis 10 km vor die russische Grenze. Dort war es ihnen aber nicht recht geheuer und sie sind dann Richtung Schweden weitergefahren. Mit dem vielen von zu Hause mitgebrachten Bier und Wein haben sie im Laufe der Reise regen Tauschhandel mit den Einheimischen getrieben. So hat Sepp für eine Flasche Wein einen ganzen Lachs und ein andermal ein Elchgeweih eingetauscht. Ein Teil vom Lachs ist noch da und der wird uns auch gleich stolz präsentiert. Neben dem Alkohol haben sie auch die halbe Speisekammer mitgenommen (Marmelade, eingekochte Fleischsaucen und einen tollen Speck – wir dürfen uns davon auch überzeugen).

Die Zeit vergeht rasend schnell und wir merken, dass das Glück heute auf unserer Seite ist, denn es wird eine tolle Mitternachtssonne geben. Es sind zwar wieder ein paar Wolken aufgezogen, aber die erzeugen eine mystische Stimmung. Gemeinsam gehen wir ins Freie und erfreuen uns an dem schönen Farbenspiel. Kurz nach Mitternacht bittet uns Monika noch mal in den Wohnwagen zu einem „Mitternachtsfrühstück“: Lachsbrötchen und dazu weißen Muskateller! Was braucht der Mensch mehr?!

Um 1:00 Uhr nachts / morgens bauen wir dann unser Zelt auf und gehen zufrieden – und mit vollem Bauch – schlafen.

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