Die ganze Nacht regnet es ununterbrochen, unser Zelt ist triefend nass und die Luft ist kühler geworden, als die Tage zuvor. Nach dem Packen sind wir noch eine Stunde damit beschäftigt, das Zelt so halbwegs trocken zu tupfen. Das Wetter spielt April im wahrsten Sinn des Wortes, denn als wir am Bahnhof von Flåm ankommen, zeigt sich die Sonne wieder von ihrer schönsten Seite.
Flåm liegt am südlichen Ende des Aurlandfjordes, der der Ausgangspunkt der Flåmbahn nach Myrdal ist, einer der spektakulärsten Eisenbahnstrecken Europas. Auf nur 20 Kilometern überwindet die Strecke einen Höhenunterschied von 870 Meter und ist mit ihren 20 Tunnels ein Meisterstück des Eisenbahnbaus. Mit 5,5 % Steigung ist sie zudem die steilste Bahnstrecke Europas. Die Flåmbahn wurde 1940 nach 16-jähriger Bauzeit eröffnet und ist seit 1944 elektrifiziert. Heute werden über 300.000 Fahrgäste im Jahr befördert, von denen die meisten Touristen sind.
Um 12:20 Uhr ist Abfahrt und die Wirklichkeit ist schöner, als alle Beschreibungen in den Prospekten und Reiseführern. Unzählige Wasserfälle stürzen die Berge herab und beim schönsten, dem Kjosfossen dürfen wir sogar für 15 Minuten aussteigen. Die Gischt peitscht uns ins Gesicht und man versteht sein Wort kaum mehr, weil es vom gewaltigen Rauschen verschluckt wird. Nach einigen Minuten ertönt klassische Musik, die sich mit dem Plätschern des Wassers harmonisch verbindet. Wie gezaubert erscheint plötzlich neben dem Wasserfall eine junge Frau mit langem schwarzem Haar und einem roten wehenden Kleid. Mystisch bewegt sie ihren Körper und die Arme im Rhythmus der Musik. Dann verschwindet sie plötzlich wieder so schnell, wie sie aufgetaucht ist. Ein paar Meter daneben erscheint aus einer Ruine eine andere Tänzern und verzaubert uns. Zum Ausklang der Musik ist auch sie wieder verschwunden. Kurz darauf ertönt die Sirene des Zuges zum Einsteigen.
Nach nicht ganz einer Stunde sind wir am Ziel und aus unserem Vorhaben, ein wenig Sightseeing zu machen, wird dann leider nichts. Denn mehr als die Endstation der Flåmbahn gibt es hier nicht! So überlegen wir nicht lange, springen wieder in den Zug und genießen bei der Rückfahrt wieder die wunderschöne Landschaft.
Auf der Fahrt entlang des Hardangerfjordes begegnen uns wieder einige „lebensmüde“ Langläufer. Mit einem Affenzahn brausen sie mit ihren Schiern auf Rädern auf der Straße.
Das Aprilwetter zeigt sich mittlerweile wieder von seiner schlechten Seite, denn Nieselregen und ordentliche Schauer wechseln sich ab. Aber gerade in dieser Stimmung sehen die schroffen Berghänge sehr beeindruckend aus, zumal wir sie ja auch aus dem Auto, also im Trockenen, betrachten können.
Ungefähr 30 Kilometer vor Bergen checken wir in einem großen Campingplatz ein und in Windeseile stellen wir unser Zelt auf, denn dicke Wolken zeigen sich am Himmel und der Nieselregen peitscht auf uns herab.