Seit 04:00 Uhr in der Nacht schüttet es in Strömen. Der Regen, der eigentlich schon für gestern angesagt war, ist heute doch noch gekommen –für uns trotzdem einen Tag zu früh!
Nach einem ausgiebigen Frühstück und gut eingepackt in unsere Regenjacken, machen wir uns auf dem Weg zum Rådhus, dem Sitz der Stadtverwaltung. Mit seiner dunkelroten Backsteinverkleidung und den beiden hohen kantigen Türmen ist es der alles überragende Blickfang am Hafen. Der Entwurf zu diesem unübersehbaren Gebäude ging zwar schon 1916 aus einem Architektenwettbewerb hervor, aber die beiden Weltkriege verzögerten seine Fertigstellung derart, dass es erst 1950 eröffnet werden konnte.
Der Ostturm des Rathauses beherbergt 38 Glocken, sowie eine der größten Uhren Europas, dessen Ziffernblatt einen Durchmesser von 8,5 Metern hat. Der Innenhof ist geschmückt mit Figuren und Symbolen aus der norwegischen Mythologie, geschnitzt aus Holz. Bemerkenswert sind außerdem die prächtige goldene astronomische Uhr, sowie der Schwanenbrunnen.
Betritt man das Innere, gelangt man erst in eine riesige Vorhalle mit großen Wandmalereien und Mosaiken von über zwanzig norwegischen Künstlern. Nachdem wir uns von den nassen Jacken befreit haben, gehen wir in die Räume im oberen Stock. Auch hier oben finden wir Malereien vom Boden bis zur Decke und gewaltige Bilder, eines davon ist Edvard Munchs „Leben“. In den Empfangsräumen und Sitzungssälen sind außerdem viele Glasschalen und Geschenke aus den diversen Staatsbesuchen ausgestellt.
Nicht weit vom Rathaus entfernt liegt am Ostufer des Fjordes die mittelalterliche Festung Akerhus. Sie wurde 1308 errichtet, um Oslo von der Seeseite her zu schützen. Die heute zu besichtigende Anlage geht in weiten Teilen auf den dänischen König Christian IV zurück, der Akerhus 1627 zu einem Renaissanceschloss umbauen ließ. Wir schlendern von einem Raum in den anderen und betrachten die schlichte, aber sehr schöne Einrichtung. Infotafeln beschreiben die einzelnen Zimmer und Gegenstände. Es sind nicht sehr viele Touristen unterwegs, sodass wir uns in aller Ruhe alles ansehen und auf uns wirken lassen können. Wir sind tief beeindruckt von der etwas mystisch wirkenden Festung.
Kurz nach Mittag statten wir McDonalds einen Besuch ab, danach setzen wir uns in die Straßenbahn und fahren in den Stadtkern zur Oslo Domkirke. Die 1697 erbaute Kathedrale wurde zweimal umfassend restauriert, sodass außer dem Barockaltar von 1699 auch viele Kunstwerke des 19. und 20. Jhdts. das Innere schmücken. Das prächtigste von allem aber ist die Mosaikdecke in ihren strahlenden Farben. Das Gotteshaus ist sehr geräumig und hell, sodass wir gar nicht das Gefühl haben uns in einer Kirche zu befinden.
Wir trauen unseren Augen nicht, als wir aus dem Dom hinausgehen. Als wären wir eine Ewigkeit drin gewesen, denn von Regen ist kaum mehr eine Spur und die Sonne lacht vom Himmel. Unser Herz macht Luftsprünge im wahrsten Sinn des Wortes. Um dieses schöne Wetter zu nutzen, machen wir uns auch gleich auf den Weg zum Frognerpark, der westlich des Stadtzentrums liegt. Er ist der größte Park Oslos und wird auch Vigelandspark genannt. Hier kann man das Lebenswerk des berühmten Bildhauers Gustav Vigeland bewundern. Jahr für Jahr lockt er über eine Million Besucher an und wird auch von den Osloern sehr geschätzt.
Im Park angelangt, schlendern wir zuerst über die Vigelandsbru, eine Brücke, die mit 58 Kupferfiguren von Männern, Frauen und Kindern geziert wird. Unter ihnen auch der berühmte „Sinnetag“, der zornige Junge. Dahinter steht der 17 Meter hohe Monolith, ein gigantischer Figurenturm aus weißem Granit, der 121 ineinander verschlungene Menschenleiber darstellt. In 40-jähriger Arbeit sind so insgesamt 190 Skulpturengruppen entstanden. Über den künstlerischen Wert der manchmal recht starr wirkenden Riesenleiber scheiden sich bei den Norwegern und Besuchern die Geister. Der Stadt Oslo aber waren sie bis 1945, als der Park eröffnet wurde, immerhin umgerechnet über 5 Millionen Euro wert. Auch wir sind nicht von allen Figuren oder Gruppen begeistert, aber der Ästhetik der Symbiose aus weißem Marmor, blauem Himmel und den bunten Rosen können wir uns nicht entziehen. Die Sonne wird immer kräftiger und für ein Viertelstündchen setzen wir uns auf eine Brüstung und lassen uns von ihr im Gesicht kitzeln. Was ist doch der letzte Urlaubstag noch für ein Prachttag geworden!
Aufgrund unserer Euphorie über den schönen Ausklang des Tages übersehen wir bei der Rückfahrt die Ausstiegsstelle. Wir beschließen, zu Fuß zum Hotel zurückzugehen – ist ja nicht so weit! Als wir aber auf einmal in einem Viertel landen, wo man ganz ohne Heimlichtuerei Drogen kaufen kann und die Nutten jedes männliche Wesen ansprechen, das ihnen begegnet, wissen wir, dass wir uns verirrt haben. Ein paar Straßen weiter kauern Jugendliche vor einer Eingangstür und setzen sich gerade Spritzen. Irgendwie befinden wir uns in einem falschen Film!
Endlich am Hafen angekommen, brennen uns die Füße und der Rücken schmerzt. Als Belohnung für das tüchtige Marschieren gönnen wir uns noch ein gutes Eis (3 Kugerl für 39,- NOK) –schließlich müssen wir ja unsere letzten NOKs loswerden!