Die Brummis wecken uns in der Früh, aber wir sind gut ausgeschlafen. Nach der Morgentoilette im Campervan gibt es ein kleines Frühstück. Ein bisschen eng ist es schon in unserem fahrenden Haus, die Beulen sprechen Bände. Wir müssen uns erst an den knappen Raum gewöhnen. Der Morgen empfängt uns mit blauem Himmel, Sonnenschein und 22 Grad. Das ist doch wunderbar!

Um 08:45 geht die Reise weiter – wir wollen einen Abstecher nach San Remo machen. Schnell auf die autostrada und los geht die Fahrt. Die Autobahn ist spektakulär ins Gelände hinein gebaut und bietet immer wieder tolle Ausblicke auf die in die Hänge hinein gebauten Orte, wahnwitzige Brückenkonstruktionen und eine bunt blühende Vegetation. Meterhohe, blühende Oleanderhecken, silbrig schimmernde Olivenbäume und die gelben Ginsterhecken beherrschen das Bild. Dazu der blaue Himmel – ein richtig kitschiges Bild! Ein Tunnel folgt dem anderen – und bei jeder Ausfahrt staunen wir wieder über ein neues „Gemälde“, das sich uns zeigt. Einmal Terrassen mit Olivenbäumen, beim nächsten der Ausblick auf die schneebedeckten Berge, danach thronen wieder kleine Dörfer auf den Bergkuppen.

San Remo liegt auf der Strecke und natürlich wollen wir uns diese berühmte Stadt nicht entgehen lassen. Parkplätze und Straßen sind maßlos überfüllt und unzählige quirlige Mopedfahrer ignorieren alle bekannten Verkehrsvorschriften, einen Blinker dürften die Fahrzeuge auch nicht besitzen – und wir mit unserem riesigen Gefährt mitten drinnen. Hätten wir doch nur einen Smart – die parken hier quer zur Fahrbahn in den kleinsten Lücken.

Stau, Stau, Stau, Stau, Stau… und Susi ist total verwirrt, weil sie uns schon mitten im Meer vermutet. Daher müssen wir sie reseten – hilft aber nicht lange und wir verlassen uns dann doch auf die Verkehrsschilder! Langsam haben wir die Schnauze voll von Italien – also bloß weg von hier. Wir fahren noch einige Kilometer entlang der Küste, die zwar wunderschön, aber auch sehr eng ist. Als wir dann noch eine Vollbremsung hinlegen müssen, weil sich ein frecher Italiener ohne zu blinken noch vor uns drängt, dass es im Kühlschrank nur so scheppert, reicht es endgültig. Mal sehen, was Frankreich uns bietet. Also rauf auf die autostrada und bei Menton erst wieder runter.

Wir sind ja lernfähig – und deshalb parken wir gemütlich 3 Kilometer außerhalb vom Zentrum. Die Fahrräder sind schnell ausgepackt, Helme auf und schon strampeln wir los Richtung Hafen. Am Strand braten Unmengen von Sonnenhungrigen. Weil sich der Mittagshunger einstellt, radeln wir bis zur zone piétonne und versorgen uns mit französischem Baguette (belegt mit Tomate und italienischem Mozzarella). Ich bemühe mich, auf Französisch zu bestellen – aber der Verkäufer antwortet mir auf Italienisch. Irgendwie läuft hier etwas falsch! Wusste gar nicht, dass ich einen italienischen Akzent habe!

Essend schlendern wir die überfüllte Straße auf und ab – in der Luft liegt der Duft der Seifen und Potpourris. Ein kleines Geschäftchen reiht sich an das andere und lädt zum bummeln ein. Dazwischen stehen die Verkäufer mit ihren Kühlvitrinen, in denen sich Berge von buntem, dekorierten Eis befinden. Uns sind aber zwei Euro für eine Kugel wirklich zuviel!

Entlang der Rue Longue steigen wir zur Basilique San Michel hoch, die über der Stadt thront. Die barocke Kirche stammt aus dem Jahr 1675 und wurde im italienischen Stil erbaut. Vor der Kirche befindet sich ein Steinmosaik, mit dem Wappen der Grimaldis. Menton stand bis 1861 unter monegassischer Herrschaft. Leider ist die Basilika geschlossen – aber der Ausblick aufs Meer entschädigt dafür.  Auf gleicher Höhe, aber in einiger Entfernung, sehen wir den berühmten Cimetière du Vieux-Château, der auf vier Ebenen angelegt ist. Jede Terrasse des Friedhofs ist einer bestimmten Nationalität oder Religion gewidmet. Unmittelbar neben der Kirche befindet sich die Chapelle des Penits-Blancs, die Büßerkapelle mit einem beeindruckenden Turm. Auch da sind die Tore verschlossen.

Zurück im Hafen pausieren wir eine Zeitlang im Park. Gemütlich sitzen wir unter riesigen Bäumen im Schatten und saugen Urlaubsatmosphäre auf. Rund um uns wird gepicknickt, Kinder graben in der Sandkiste und Jugendliche spielen Ball.

An den Park grenzend steht das kleine Fort Le Bastion aus dem 16. Jhdt. Es wurde zu Lebzeiten von Jean Cocteau entworfen und mit eigenen Gemälden und Keramiken ausgestattet.

Attention aux garçons heißt es auf der Rückfahrt, denn die armen Kellner müssen beim Servieren mit vollen Tabletts quer über die dicht befahrene Promenade laufen.

Weiter geht die Fahrt in die Hügel des Hinterlands über eine 22 km lange Serpentinenstraße Richtung Norden nach Sospel. Hier finden wir sofort einen Parkplatz bei einem Park, in dem die alten Franzosen Boule spielen. Zwei Mannschaften zu je zwei bis drei Spieler haben als Ziel, je drei 900 g schwere Eisenkugeln in die Nähe der 6-10 Meter entfernten Holzkugel zu werfen. Dabei sollen gegnerische Kugeln abgedrängt und so eigene Punkte gemacht werden.

Auf der rechten Uferseite schlendern wir über die berühmte, sehr gut erhaltene Steinbrücke aus dem 11. Jhdt.  hinein in die Altstadt. Die Brücke besitzt einen Turm, der früher als Zollhaus diente. 1944 wurde sie stark zerstört und nach dem Krieg bis 1953 wieder aufgebaut. Sie wird flankiert von pastellfarbenen Häusern, die von beiden Seiten das Flussbett der Bévéra einrahmen.

Auf der anderen Flussseite gönnen wir uns unseren ersten café au lait, der ganz ausgezeichnet schmeckt. Dabei schauen wir belustigt einer polternden Mädchengruppe zu, die die Braut – als Bunny verkleidet – von einer Challange zur anderen schickt.

Je weiter man in die Altstadt vordringt, umso verfallener wirken die Häuser – da sticht die Kirche Saint-Michel mit ihrer barocken Fassade richtig hervor. Sie wurde im 12. Und 13. Jhdt. im Stilmix aus frz. Klassik und ital. Barock auf dem Grund einer Kirche errichtet, von der nur noch der romanische Glockenturm erhalten ist. Der Innenraum besticht durch Helligkeit und durch den wunderschönen Altarraum – aber auch hier sieht man den Zahn der Zeit schon gewaltig nagen.

Schon wird es wieder Abend und wir verlassen das schöne Bergdorf. Vier Kilometer oberhalb von Sospel liegt der Campingplatz für heute Nacht – eine von vielen Bäumen gesäumte Terrassenanlage.

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