Die nette Dame an der Rezeption warnt uns davor, mit dem Auto ins Zentrum von Saint Tropez zu fahren, da heute Markttag ist. Wir beherzigen ihren Rat und parken zirka 3 Kilometer vor dem Ortsbeginn, um die restliche Strecke mit den Rädern zu bewältigen.

Der Verkehr leitet uns direkt ins alte Hafenbecken und schon stecken wir mitten im Geschehen fest. Die Harley-Fahrer von gestern sind auch schon alle hier und eine Maschine schöner als die andere parkt am Quai. Natürlich präsentieren die stolzen Besitzer ihre Prachtdinger auch gerne den Interessierten und so manch einer legt einen Burn-Out seines Hinterreifens hin.

Wenn man aber „den Lärm abschaltet und durch die Mopeds und Menschen hindurchsieht“, dann kommen auch die hohen, pastellfarbigen Häuser zum Vorschein, die den Hafen schön umrunden. Am Kai hat ein Maler neben dem anderen seine Kunstwerke aneinander gereiht und versucht durch Konversation sie an den Mann zu bringen.

Irgendwann fällt der Blick unweigerlich auf die teuren Yachten, die hier im Hafen vor Anker liegen. Die Reichen und Schönen (sind weniger schön als reich) lassen sich von ihren Bediensteten „umwuseln“. Hier wird nirgends selbst Hand angelegt, für alles hat mein einen „Boy“. So zählen wir auf einer Yacht mindestens 10 Angestellte , die nur dazu da sind, das Boot zu putzen, das Auto des Chefs vorzufahren, das Essen zu servieren, die Taschen zu tragen, die lebendigen Puppen (Kleinkinder) zu hüten. Eine Lady mit Dolce Gabbana Brille und Louis Vuitton Tasche stolziert vom Bug zum Heck und zeigt sich der gaffenden Masse. Es wird hier perfektes Theater geboten und das ohne Eintritt zu bezahlen!

Nach dem Bestaunen der Maßarbeit eines Kapitäns und seiner Crew beim Ablegemanöver aus den dicht an dicht liegenden Yachten, schlendern wir in die Altstadt von St. Tropez und bestaunen die Speisekarten der vielen kleinen Restaurants. Vielmehr bestaunen wir die Preise! Zwischen den vielen Cafés und Restaurants haben sich auch einige Immobilienmakler einquartiert –  und über diese Preise staunen wir erst recht (30 m2 für € 1,4 Millionen).

Gegen Mittag erreichen wir dann den Markt am großen Platz. Hier dominiert der typische „Schrott“ für die Touristen – von Brillen angefangen über bedruckte T-Shirts bis hin zu den klassischen Tischdecken mit Olivenmotiven. Der einzige gute Stand, den wir finden, ist der Bäcker, bei dem wir uns mit einem gefüllten Baguette versorgen.

Mit dem Mittagsessen in der Hand verziehen wir uns auf eine naheliegende Bank und beobachten fasziniert die vorbeiflanierenden Menschenmassen. Die Schlange vor dem Bankomat unmittelbar neben uns wird immer länger – man spürt die Wirtschaftskrise so richtig…

Außer Abgase (von Harleys und Yachten) und teuren Preisen hat St. Tropez nicht viel zu bieten – aber man muss es gesehen haben, um es wirklich zu begreifen. Wir schwingen uns auf unsere Maschinen – äh… Drahteseln – und kämpfen uns gegen den Wind bis zu unserem Auto zurück.

Weiter geht die Fahrt ins Landesinnere über Cogolin durch ein Weinanbaugebiet. Die Fahrbahn zieht sich schnurgerade durch die Ebene, bis wir die nächsten Miniberge erreichen. Von dort schlängelt sich die Straße dann in Serpentinen hinauf, von Straßenbankett oder gar Absturzsicherung hat man hier noch nie etwas gehört. Oft verkrampft sich mein Magen, wenn es seitlich aaaaaaaaaaaabwärts geht…

Hyéres und Toulon lassen wir links liegen und brausen auf der Autobahn direkt bis Cassis. Die Fahrbahn ist gesäumt von blühendem Ginster und roten Mohnblumen.

Gegen 16:00 Uhr erreichen wir Cassis und checken gleich auf dem einzigen Campingplatz der Gegend – hoch über dem Meer – ein. Radl auspacken, aufsitzen und ab den Berg hinunter zum Hafen. Das Flair ist ganz anders als in St. Tropez und nimmt uns gleich gefangen. Die Leute sind viel ausgeglichener, die Häuser weniger heraus-geputzt, alles viel stimmiger. Der ursprüngliche Charakter ist hier erhalten geblieben.

Der Hafen selbst wird von der auf einer Anhöhe thronenden Burg dominiert, die 1225 erbaut wurde und im Besitz der Familie Michelin ist.

Zu deren Füßen erstehen wir Tickets für die letzte Bootsfahrt des Tages hinaus zu den berühmten sechs Calanques. Das sind Einschnitte in das Kalksteinmassiv, die kleine Buchten ausgeformt haben und nur zu Fuß oder per Boot erreichbar sind.

Bei der Ausfahrt aus dem  Hafenbecken eröffnet sich uns ein prächtiger Ausblick auf das Canaille , das am Ende der berühmten Panormastraße von Marseille nach Cassis liegt.

Die Bootsfahrt zur ersten Calanque bringt uns hinaus in die stürmische See und das kleine Boot springt von Welle zu Welle. Jede einzelne Bucht bietet ihren eigenen Reiz und der Kontrast zwischen den steil aufsteigenden weißen leuchtenden Felswänden und dem türkisblauen Meer ist einfach atemberaubend. Die dritte Bucht, die sogenannte d´En-Vau, wird als die schönste gehandelt, denn sie besitzt einen pittoresken Badestrand. Bei den letzten Buchten wird das Massiv schon sehr hoch und bietet Kletterfreaks hervorragende Bedingungen – so sehen wir einige an für uns vollkommen unerklärlichen Stellen herumhängen.

Nach einer Stunde laufen wir wieder wohlbehalten und salzverkrustet in den Hafen ein. Wir sind tief beeindruckt von diesem Naturschauspiel, zumal die prächtigen Lichtverhältnisse alles richtig kitschig erscheinen lassen.

Danach machen wir noch einen Rundgang entlang des Hafens und durch die Gassen der Altstadt. Dabei checken wir die Speisekarte der Restaurants, denn langsam macht sich Hungergefühl in uns breit. Doch es ist kurz vor 19:00 Uhr und um diese Zeit isst der Franzose noch nichts und daher gibt es auch nichts! Zwangsläufig müssen wir zum Campingplatz zurück – in unserem Restaurant gibt es nämlich alles Mögliche!

Der Weg zurück ist beschwerlich, da wir einen leeren Magen haben und die ganze Strecke unsere Räder steil bergauf schieben. Dafür schmecken die Gnocchi in Sahnesauce mit Salat umso besser.

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