Wie es sich für einen Urlaub gehört, kuscheln wir heute früh ein bisschen länger im Schlafsack. In aller Ruhe frühstücken wir und dann laden wir unsere Fahrräder ab. Die wenigen Kilometer bis ins Zentrum von Sterzing wollen wir mit dem Fahrrad zurücklegen. Direkt an der Ausfahrt vom Campingplatz herrscht schon Polizeiaufkommen, das im Laufe der Strecke immer mehr wird. Stellenweise jubeln uns die Massen zu – ach nein, der Applaus ist nicht für uns, sondern für die Rennfahrer des heutigen Ötztaler Radmarathons. Daher halten wir kurz an, um die fleißigen Strampler auch ein wenig anzufeuern.
Als wir bei der Pfarrkirche Maria im Moos eintreffen, ist die Sonntagsmesse noch im Gange. Wir nehmen auf einer der Bänke Platz und während wir der Messe und dem Niederländischen Chor lauschen, betrachten wir den Innenraum der Kirche. So was Schönes habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Der geräumige Innenraum – 23 m breit und 22 m hoch – ist weiß getüncht und an der Decke mit prachtvollen Fresken geschmückt. Gigantische weiße Säulen aus Marmor mit kunstvollen Verzierungen und den Wappen ihrer Gönner stützen die Gewölberippen. Unsere Aufmerksamkeit erregen auch die Kirchenbänke, die kunstvoll mit den Wappen ihrer Inhaber geschnitzt sind. Das Gotteshaus wurde auf den Resten einer alten romanischen Kirche (1981 freigelegt) errichtet, die vermutlich wiederum erbaut wurde, um ein altes römisches Gräberfeld zu sakralisieren. Vom römischen Friedhof zeugt der Victoria-Stein an der Nordfassade der Kirche aus dem 2. oder 3. Jhdt. nach Christus. 1233 wurde die Kirche erstmals urkundlich erwähnt und im Laufe der Jahrhunderte mehrmals verändert.
Wir schwingen uns wieder auf unsere Drahtesel und folgen dem Radweg bis ins Zentrum. Ab dem Untertorplatz bewegen wir uns zu Fuß durch den Torbogen in die sogenannte Neustadt. Entlang der schnurgeraden Hauptstraße reihen sich liebevoll gepflegte Bürgerhäuser mit Erkern, Zinnen und kunstvollen Wirtshausschildern. Das Gasthaus „Lilie“, 1450 erstmalig erwähnt, ist heute noch ein Anziehungspunkt.
An der Ostseite der Neustadt finden wir das Rathaus, das anstelle eines von der Stadt angekauften Bürgerhauses 1468 – 1473 erbaut wurde. Der Eckerker stammt aus dem Jahr 1526. Im Innenhof ist ein römischer Meilenstein ausgestellt, der 1979 im Zentrum in 3 m Tiefe aus dem Bachschotter geborgen wurde. Er stellt das erste wichtige Monument römischer Zeit dar. Der Stein stand an der römischen Straße, die durch das Pustertal über den Brenner nach Augsburg führte und stammt aus dem Jahr 201.
Flankiert wird das Rathaus von der Statue des hl. Johannes Nepomuk, der von der Moldaubrücke in den Fluß geworfen wurde. Er soll Wassergefahren abwehren.
Dominiert wird das Ortsbild aber vom Zwölferturm, der die Neustadt mit der Altstadt verbindet. Der 46 m hohe Turm ist das Wahrzeichen Sterzings und wurde von 1468 – 1472 erbaut. Da der frühere Spitzhelm abgebrannt ist, hat man ihm einen steinernen Treppengiebel verpasst.
Nach einem Rundgang in der Altstadt, die vom Gasthof „Schwarzer Adler“ beherrscht wird, schlendern wir wieder durch den Zwölferturm und machen es uns im Gasthof Post bequem. Während wir Nudeln bzw. Spätzle mit Pilzen genießen, lassen wir die schöne Stimmung auf uns wirken. Wir finden hier ein hübsches, hervorragend erhaltenes mittelalterliches Städtchen!
Daher können wir uns nur schwer losreißen, aber wir möchten noch auf den Hausberg von Sterzing, den Rosskopf oder Monte Cavallo, wie er melodiös in Italienisch heißt. Eine Seilbahn bringt uns 800 m höher bis unter den Rosskopf hoch und die letzten 300 Höhenmeter fahren wir mit einem Sessellift. Dann folgt noch ein kurzes Stück Fußmarsch bis zum Gipfelkreuz. Das Wahnsinnspanorama lohnt für die kleine Mühe, denn wir sehen im Norden zu den Ötztaler Alpen, die Zillertaler Alpen und die Dolomiten im Südosten. Von den Almen rundherum sind Musik, Peitschenschlagen und das Läuten von den Glöckchen der weidenden Tiere zu hören. Der blaue Himmel mit den Schäfchenwolken komplettiert das Bild, wie es kitschiger nicht sein könnte. Wanderer, Mountainbiker und Reiter machen die Stimmung lebendig. Kaum einige Schritte gegangen, verharren wir an verschiedenen Aussichtsterrassen und betrachten die Bergwelt und die Alpenflora, genießen die herrliche Luft oder naschen einige Heidelbeeren. Schnell sind mehr als zwei Stunden vergangen und bevor wir wieder die Gondel ins Tal nehmen, gibt´s an der Bergstation auf der Sonnenterrasse noch einen herrlichen Cappuccino.
Auf der Rückfahrt zum Campingplatz machen wir noch einen kurzen Halt vor der Neustadt und gönnen uns eine Eistüte – nur zur Stärkung für´s Strampeln.
Mit einem Häferl Tee vergraben wir uns im Campervan noch in unseren Reiseführern, um eine Route für morgen zusammen zu stellen.