An jedem Tag ist das Wetter frühmorgens das Wichtigste. Obwohl der Himmel mit Schlierenwolken  bedeckt ist, haben wir heute schon 16°. Die Luft riecht brandig, weil die Obstbauern inmitten ihrer Orangenplantagen das verdorrte Reisig verbrennen. Wir fahren die schon bestens bekannte Autopista Richtung Valencia, nur heute wollen wir noch ein Stück weiter nach Norden, bis Sagunto.

Die knapp 130 km legen wir mühelos zurück. Es herrscht zwar stellenweise dichter Verkehr, aber aufgrund des disziplinierten Fahrverhaltens der Spanier erreichen wir die 35 km von Valencia entfernte Stadt Sagunto sehr schnell. Schon von weitem sind die beeindruckenden Mauern der Burg zu sehen, die am Sierra Calderona thront. Mehr als einen Kilometer lang schlängeln sich die im 5. Jhdt. v. Chr. erbauten Burgmauern um den Hügel und umschließen ganze sieben Plätze. Natürlich wollen wir sie uns dann auch näher ansehen.

Wir müssen einige Male in der Altstadt herum kreisen, weil alle Gassen maßlos mit Autos verstopft sind, bis wir endlich einen Parkplatz finden. Daher freuen wir uns umso mehr, als wir einen im Kern des Centro Históricos finden. Zuvor aber statten wir noch der Tourist Info einen Besuch ab, um uns einen Stadtplan zu holen. Wir sind begeistert, denn hier spricht man, nein eigentlich Frau, auch Englisch! Wir bekommen von ihr sogar einen Plan auf Deutsch! Mit Elan stapfen wir auch gleich los und betrachten am Plaza Mayor die Puerta del Almadín Medieval mit dem schönen historischen Wappen der Krone von Aragón. Hier war der öffentliche Kornspeicher. Der Platz war im Mittelalter das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum, auf dem traditionellerweise der wöchentliche Markt stattfand. Er ist rechteckig und mit Arkaden gesäumt und weckt in uns Verzücken. Da erregt plötzlich die junge Dame neben uns Aufmerksamkeit, weil sie Unmengen von Münzen in einen Parkautomaten steckt. Ah, Parkautomaten – stehen die auch an der Straße, wo wir unser Auto abgestellt haben? Um das festzustellen, geht es im Laufschritt dorthin zurück. Tja, es gibt da auch welche und es wird auch kontrolliert, ob sie benützt werden. Und da der Parksheriff auch schon da war, haben wir prompt schon ein Ticket über 30 Euros an der Windschutzscheibe hängen. Nein, die wollen wir aber nicht bezahlen! Da sehe ich ihn, nein sie, nur hundert Meter die Straße weiter. Also schnell nach und um Schadensbegrenzung kämpfen. „Perdone, parla inglés?“ Auf Spanisch schaff ich das sicher nicht – sie schaut mich nur groß an! So, was mach ich jetzt? In einfachen Sätzen und Vokabeln, die mir in der Not einfallen, erkläre ich ihr irgendwie, dass wir nur in der Tourist Info und außerdem noch Geld wechseln waren (eine kleine Notlüge wird ja wohl erlaubt sein). Darauf sagt sie was auf Spanisch, das sich meiner Sprachkenntnisse entzieht. Sie merkt mir die Verzweiflung an und tröstet mich erst mal mit „tranquilo, tranquilo“. Mit Händen und Füssen schafft sie es dann, uns zu erklären, dass wir 3,50 Euro in den Parkautomaten werfen sollen. Damit ist dann der 30 Euro-„Gutschein“ annulliert. Muchas gracias. Also hat sich dieser Einsatz wirklich gelohnt!

So, jetzt beginnen wir wieder von vorne mit der Besichtigung. Aber erst mal suchen wir uns die Markthalle, denn wir benötigen wieder dringend los Aseos (das Klo)! Dann schlendern wir entspannt wieder zum Plaza Mayor, denn dort befindet sich die Eglesia de Santa María aus dem 14. Jhdt. Die rosafarbene Kirche besitzt einen prächtigen Glockenkäfig, schöne goldene Portale und – ich liebe sie so – die hübschen Wasserspeier. Schräg gegenüber liegen noch die Mauerruinen des Tempels der Diana aus dem 5. Jhdt. v. Chr. – heute ein Nationaldenkmal.

Mittlerweile hat sich Bilderbuchwetter breit gemacht und wir haben noch mehr Freude am Herumlaufen. Wir erklimmen die steile, kopfsteingepflasterte Carrer Vell Del Castell hoch und erreichen das Römische Theater. Es wurde auf dem Bergabhang des Kastells errichtet und stellt heute einen der wichtigsten Schätze der römischen Kultur in Spanien dar. Seine heutige Gestalt ist aber geprägt von unzähligen Restaurierungsarbeiten. Erbaut wurde das Theater im 1. Jhdt. und bot 6.000 Menschen Platz. Fortan war es durch Verwitterung einem starken Abnutzungsprozess ausgesetzt. Auch Kriege und Entwendung der Quadersteine aus Kalkstein für die Errichtung von Gebäuden in der Ortschaft haben den Zerfall begünstigt. 1896 wurde es das erste offizielle Nationaldenkmal Spaniens. Heute nutzt man es für verschiedenste Veranstaltungen.

Eine langgezogene Kurve weiter oben stehen wir vor dem Gatter zum Castillo. Ich kann nicht herausfinden warum, aber wir bekommen Eintritt-Tickets, für die wir nichts bezahlen müssen! Naja, dann wieder mal „muchas gracias“. Das Kastell ist heute von Mauern unterschiedlicher Epochen und Stile umgeben. Iberische, römische, karthagische, maurische, mittelalterliche und moderne Überreste sind Zeugnisse der Kulturen, die sich während seiner 2.000-jährigen Vergangenheit hier niederließen. Erhalten sind heute noch Ruinen alter Gebäude, das Forum, eine unterirdische Zisterne, Spuren von Marktständen und Grundmauern der Basilika. Es scheint, als würden die fehlenden Teile durch Oliven- und Feigenbäume und riesige Opuntien ergänzt. Einen Rundgang ist das weitläufige Gelände aber allemal wert, denn man hat tolle Ausblicke auf die schöne Huertalandschaft, die Stahlindustrie, den Kalvarienberg und zu Füßen liegt die Altstadt. Sagunto hat eine uralte Geschichte, denn bereits 500 Jahre v. Chr. siedelten hier im fruchtbaren Tal Menschen.

Auf dem Weg wieder hinunter machen wir einen kurzen Abstecher ins Judenviertel. Die Judería erreicht man durch das Portalet de la Sang (Tür des Blutes) und soll an die blutigen Judenprogrome, die im 15. Jhdt. stattgefunden haben, erinnern. Kleine Häuser, restauriert und liebevoll geschmückt mit bemalten Azulejos und Blumen, reihen sich aneinander. Alles sieht sehr friedlich und ruhig aus.

Bevor wir zum Auto zurückgehen, bewundern wir noch die Außenfassade des barocken Rathauses von Sagunto.

Mittlerweile sind Stunden vergangen, seit wir in die Stadt gekommen sind. Dem regen Treiben ist jetzt die Siestazeit gefolgt und die Stadt ist wie ausgetauscht. Die Geschäfte sind geschlossen und die Plätze fast menschenleer und nun gäbe es auch unzählige Parkplätze!

Wir verlassen Sagunto und fahren weiter landeinwärts nach Segorbe, dessen Stadtmauerreste ein mittelalterliches Ensemble mit Burgruine, Bischofspalast und Kathedrale einfassen. Die Stadt selbst lassen wir aber hinter uns und machen erst einen Abstecher zum 1 km außerhalb liegenden Fuente de los 50 caños. Idyllisch inmitten eines Parks gelegen hat man entlang des Flussbettes des Palancia 50 Wasserhähne in eine Wand eingelassen und darüber mit den Wappen der 50 Provinzen Spaniens versehen. Wir machen es uns auf einer Bank bequem und lauschen dem Plätschern des Wassers und dem Zwitschern der Vögel.

Knapp 4 km entfernt in der Ortschaft Navajas, da liegt unser nächstes Ziel – der Salto de la Novia (Cascada del Brazal). Mit fast leerem Tank irren wir einige Zeit herum, auf der Suche nach den 60 m in die Tiefe stürzenden Wasserfall. Aber die Suche lohnt sich, denn wir finden hier ein richtiges Naturparadies. Kristallklares Wasser stürzt in die Tiefe und die feine Gischt glänzt im Sonnenlicht. Auf beiden Seiten ragt das rostrote Bergmassiv des Rascaño hoch. Auf der Grünfläche des Tales, das die Erosion des Berges gebildet hat, wurden Tische und Bänke zum Picknicken aufgestellt und die Wege zum Wasserfall mit Holzblanken befestigt. Mir fallen kaum Worte ein, wie schön es hier ist. Viele Menschen kommen vor allem in den Sommermonaten hierher, um die Stimmung hier zu genießen oder um sich Trinkwasser zu holen, weil es frisch und natürlich schmeckt. Wie eine Legende sagt, kamen verliebte Pärchen hierher, um herauszufinden, ob ihre Ehe glücklich und segensreich wird. Die Braut musste den Fluss überqueren und gelingt es ihr, stand dem Glück nichts mehr im Wege. Es waren einmal Sara und Louis und sie wollten es der Tradition gleichtun. Sara kam aber in einen Wasserstrudel und als Louis ihr zu Hilfe kommen wollte, ertranken sie beide. Ihre Körper wurden noch kurz gesichtet, aber das Wasser verschluckte sie für immer. Man sagt, dass während des Vollmondes im Tal ihre Schreie noch heute zu hören sind. Eigentlich eine grausliche Geschichte für diesen wunderschönen Ort. Nur schade, dass die Zeit schon fortgeschritten ist und wir ja noch Segorbe einen kurzen Besuch abstatten möchten. Ein weiterer Grund, wieder mal her zu kommen!

Auf dem Rückweg nach Segorbe halten wir die Augen offen nach einer Tankstelle. Das würde uns noch fehlen, wenn wir hier in der Pampas liegen bleiben! Direkt an der Ortseinfahrt finden wir dann eine und unser Auto bekommt sein Futter.

Es ist kurz vor 17:00 Uhr – wir haben gerade eine ausführliche Erklärung in der Tourist Info für einen Rundgang in der Altstadt bekommen – da pirschen sich schwarze Wolken am Himmel heran. Egal, machen wir das Beste daraus. Bewaffnet mit einem Stadtplan spazieren wir die Calle Colón entlang. Diese Straße ist berühmt aufgrund der „Semana taurina de Segorbe“. Anfang September werden dort täglich Punkt 14:00 Uhr eine Woche lang von wagemutigen Reitern Stiere eingetrieben. Ein Volksfest, das wegen seiner Urtümlichkeit, Tradition und seines spektakulären Charakters weit über die Grenzen hinaus bekannt ist.

Die Calle Colón endet beim Portal Arco de Verónica und dem kolossalen Aquädukt. Leider ist ein großer Teil davon eingerüstet, weil die Andenken an die Römer restauriert werden. Auf einem riesigen Plakat können wir lesen, dass die Kosten EUR 363.616,64 betragen werden. Nicht schlecht! Das hat den Herrn im Himmel wahrscheinlich auch erschreckt, denn plötzlich beginnt es zu blitzen und donnern, dass es nur so kracht. Keine fünf Minuten später fallen auch schon die ersten Regentropfen. Damit haben wir nicht gerechnet, denn unsere Regenjacken liegen schön brav im Auto! Da es nicht kalt ist, beschließen wir unseren Rundgang fortzusetzen. Die Türen der Kathedrale aus dem 13. Jhdt. sind leider verschlossen, daher können wir uns den Altar aus Marmor leider nicht ansehen.

Mittlerweile sind wir schon ordentlich nass und daher beschließen wir, doch abzubrechen und zurück zu fahren. Als wir die Stadt Valencia erreichen schüttet es aus vollen Schaffeln. Trotz des zeitweise etwas stockendem Verkehr und einer Baustelle kommen wir zügig voran und als wir nach einer guten Stunde in Pego ankommen, ist das Wetter wie ausgewechselt. Die Sonne strahlt und auf dem Himmel sind nur kitschige Schäfchenwolken zu sehen. Das verspricht Gutes für morgen!

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