Bei einem wolkenlosen, strahlend blauen Himmel fahren wir pünktlich um 09:00 Uhr ab und schon nach wenigen Minuten ist Melina wieder voll in ihrem Element. „Was haben wir gestern gelernt? Kaliméra, was so viel bedeutet wie Hallo, Tschüß, Guten Morgen, Guten Tag, Gute Nacht oder auch Pfiat di, das kann man immer sagen! Und heute lernen wir gleich zwei neue Wörter, nämlich Yassas und Jámas, beides sind gebräuchliche Trinksprüche auf die Gesundheit oder zum Wohl. Der Unterschied ist, dass man Yassas verwendet, wenn man sagt zu unserem Wohl und Jámas sagt, wenn man zu ihrem Wohl anstößt“. Morgen werden wir wieder geprüft, ob wir uns das gemerkt haben! Und weil sie grad so gut drauf ist, erzählt sie uns auch noch, dass sie „ein kleines Enkerl hat mit viereinhalb Monaten, das im Sommer getauft wird. Im engsten Familienkreis natürlich mit nur 200 Gästen, geheiratet hat die Tochter mit 1.000 Gästen und die Hochzeit hat 60.000 Euro gekostet – ist alles im kleinen Rahmen“.

Heute führt uns die Fahrt in den Norden des Landes in die Stadt NIKOSIA oder nach dem historischen Namen Lefkosia. Milena packt ihr historisches Wissen aus und erzählt uns während der Fahrt über die wechselvolle Geschichte Zyperns und ihrer vielen Auseinandersetzungen. In der Antike trug sie den Namen Ledra und wurde vom Fluss Pedieos geteilt, der die Gegend fruchtbar machte. Das war neben dem gemäßigten Klima und dem Schutz der Berge auch ein Grund, warum sich Menschen hier ansiedelten. Kupfer war das erste Metall der Welt, danach kam die Bronzezeit und all diese Vorkommen verhalfen Zypern um ca. 2500 v. Chr. zum Reichtum. Die Mykenen kamen im 14. Jhdt. in Massen, aber friedlich, nur um reich zu werden.  Sie brachten Sprache, Religion, Kultur, Schrift mit – so hat sich Zypern „vergriechischt“. Es folgt eine bewegte Geschichte, wo die Stadt weiter ausgebaut, aber durch Erdbeben wieder zerstört wurde. Erst ab dem 4. Jhdt. n. Chr. als die Stadt zum Bischofsitz wurde, gewann sie wieder an Bedeutung. Nach den Arabereinfällen in den Küstenstädten zwischen dem 9. – 10. Jhdt. zog sich die Bevölkerung ins Landesinnere zurück und Nikosia wuchs danach unter der Herrschaft der Byzantiner zur Hauptstadt. Die Blütezeit war ab dem 12. Jhdt., als sie Sitz der Könige wurde. Der Fluss Pedieos wurde aus der Stadt umgeleitet, damit es zu keinen Überflutungen im Stadtzentrum mehr kommt. Im 16. Jhdt. errichteten die Venezianer, um sich vor türkischen Angriffen zu schützen, eine 5 km lange Stadtmauer sternförmig mit elf Bastionen und den drei Toren Famagusta, Paphos und Kyrenia. 1570 gelang es den Türken Nikosia einzunehmen. Die Kirchen wurden in Moscheen umgewandelt und Karawansereien und Basare entstanden. Im Jahr 1878 übernahmen die britische Kolonialmacht die Herrschaft über Zypern und nicht nur Nikosia erlebte einen Aufschwung durch den Ausbau der Infrastruktur. In den 1950er Jahren entbrannte der Konflikt, dass die griechische Bevölkerung ein Ende der britischen Kolonialherrschaft forderte. Zwischen 1955 – 1959 fegte der bewaffnete Unabhängigkeitskrieg über das Land und Erzbischof Makarios führte Gespräche mit dem britischen Gouverneur. 1960 erlangte Zypern ein vorläufiges Ende der Kämpfe mit der Unabhängigkeit unter den Garantiemächten von Großbritannien, Griechenland und der Türkei. 1974 scheiterten Verhandlungen zwischen den griechischen und türkischen Zyprioten, als die griechische Militärjunta auf Zypern einen Putsch inszenierte. Daraufhin rückten türkische Truppen an und besetzten dauerhaft den Nordteil der Insel. Ein Jahr später erfolgte ein Bevölkerungsaustausch, griechische gegen türkische Zyprioten. Die Insel und Nikosia wurden mit der Green Line geteilt, die von einem UN-Offizier auf dem Plan mit einem grünen Stift gezogen wurde und bis heute so ist. Völkerrechtlich gehört Nordzypern zur Republik Zypern, doch seit einer Proklamation 1983 zur Türkischen Republik Nordzypern hat das Land keine Hoheitsrechte für den besetzten Teil. Seither überwachen die United Nations die Grenze zwischen beiden Teilen. „Nord-Nikosia ist daher eine Pseudostadt mit einer Pseudoflagge, die nach türkischem Vorbild entstanden ist“. Ein roter Halbmond und ein roter Stern und jeweils oben und unten ebenfalls ein roter Streifen auf weißem Hintergrund. Auf der Flagge von Zypern ist auf weißem Hintergrund mittig das Land in Kupfer und darunter zwei Olivenzweige zu sehen, die ein Friedenszeichen symbolisieren und entworfen wurde von einem zypriotischen Türken. Milena betont immer wieder, „dass die echten Bewohner des besetzten Teils keine Türken sind, sondern Zyprioten und Zypern auch nie zu Griechenland gehört hat. Heutzutage leben 11% türkische Zyprioten im Norden, viele Illegale, das sind wirklich Türken, ca. 400.000 und die werden von der Türkei geschickt und leben in den Häusern der Zyprioten. Wenn man sich bei einer Behörde mit einem türkischen Namen meldet, dann musste man weniger Steuern bezahlen, damit es einem besser geht. Die Unterscheidung erkennt man am Namen, ob türkisch oder griechisch.“ Sie ist selbst ein „Flüchtling“ aus dem türkischen Teil und sie möchte gerne zu ihren Wurzeln zurückschaun. Man merkt schon aus ihren Erzählungen, dass diese Tatsache sehr weh tut im Herzen und sich alle wünschen würden, ein eigenständiges, freies Land zu sein.

Aufgrund Milenas Erzählungen ist die Fahrt schnell verlaufen und wir sind westlich der Altstadt in der Straße Leoforus Mouselou gelandet, wo uns Tasos vor dem Stadttheater aussteigen lässt. Von hier sind es nur noch wenige Schritte bis zum Zypern-Museum, das auf der anderen Straßenseite liegt. Bevor wir uns die Ausstellungen ansehen, gönnen wir uns noch einen leckeren zypriotischen Kaffee. Dann legen wir los mit der Erkundung der einzelnen Räume, die alle kostenlos zu besichtigen sind. Die Gründung des Museums erfolgte 1882, um die archäologischen Funde zu sichern, denn Plünderungen erfolgten zu dieser Zeit von vielen Ländern. Zudem galt damals das Recht, dass die Hälfte der Funde vom Ausgräber behalten werden durfte, und das haben ausländische Ausgrabungsteams ernst genommen. Der Ausgräber Luigi Cesnola hat ohne Genehmigung und archäologischem Wissen unzählige Königsstädte mit ihren Tempeln und Nekropolen ausgegraben und sich bereichert an vielen Wertgegenständen, die er außer Landes geschafft und verkauft hat. Alle Ausstellungsstücke, die hier in den 14 Räumen in chronologischer Reihenfolge zu besichtigen sind, stammen von der Insel. Die Fundstücke datieren zurück vom 8. Jahrtausend v. Chr. bis zum Ende der Antike. Sie stammen von Funden aus Zypern und sind „nicht gestohlen“, wie Milena erzählt. Sie reiht alle ihre Schäfchen rund um sich und pickt sich aus den einzelnen Exponaten die Gustostückerl heraus und erklärt uns Details davon. Wahrscheinlich hätten wir uns so manches Stück im Vorbeigehen angesehen und Wohlgefallen bekundet, aber die Details nie erkundet. Wir beginnen in der Jungsteinzeit im Raum 1 und hier ist schon das erste Highlight zu finden, nämlich ein aus Speckstein gefertigtes Exponat, ein sogenanntes Idol. Manche sind männlich und weiblich in einem dargestellt und sie wurden damals sehr verehrt.

Das Idol von Pomos ähnelt einem Kreuz, symbolisiert die Fruchtbarkeit und es ist deswegen so berühmt, weil es eine zypriotische 2-Euro-Münze ziert. Der Raum beherbergt auch schöne Gefäße und Vasen, die 4.500 v. Chr. aus Keramik hergestellt wurden, die ersten aus diesem Material. Einige davon sind extrem dekorativ, die würden wir uns zuhause auch aufstellen. Interessant ist auch eine Schale, die ein Haus symbolisiert, ist innen und außen bemalt, hat eine Öffnung, die eine Haustür darstellt und einen Grabstein im Inneren. Megaspannend ist auch die weibliche Figur, die eine Geburt verkörpert.

Das Besondere im Raum 2 ist das Tonmodell eines Heiligtums, wo sich in einer flachen Schale Menschen und Tiere befinden, die zeigen, wie eine religiöse Zeremonie abgelaufen ist. Ein Priester mit Krone kniet vor menschlichen Figuren mit Schlangen und Stieren. Schlangen waren der Unterwelt zugeordnet, Stiere bedeuteten Fruchtbarkeit und die beiden stellen Leben und Tod dar. Am Eingang stehen zwei Wächter, die aufpassen, wer hereinkommt, denn in der griechischen Kirche darf nicht jeder zu einer Zeremonie kommen und schon gar keine Frauen. Außen ist eine große Figur zu sehen, die über die Mauer guckt. Die Schale stammt aus einem Gräberfeld von Vounous-Bellapais in Nordzypern. Milena erzählt uns, dass dort hirnlos mit Baggern der prähistorische Friedhof zerstört wurde.

Im Raum 3 kommen wir zu beeindruckenden Amphoren und Vasen und besonders nennenswert ist ein einhenkeliges Trinkgefäß aus einer Grabstätte nahe Kition. Es zeigt auf blauem Untergrund in drei Ebenen laufende Tiere, in der Mitte Jagdszenen und unten ein Muster aus Spiralen. Das gesamte Gefäß ist mit einer Emailleschicht überzogen. Hergestellt wurden solche Gefäße auf einer Drehscheibe und im 12. Jhdt. v. Chr. verwendet zum Ausgießen von Trank-Opfern mittels einer Öffnung im Boden. Spannend sind auch die Ausführungen von Milena, was die flachen Weinschalen betrifft, die mit griechischen Motiven verziert wurden. Befüllt wurden sie mit dreiviertel Wein, gemischt mit Wasser. Zu dieser Zeit hat es auch schon Bier gegeben, das aber aus Granatäpfeln, Johannisbrot oder Feigen hergestellt wurde. Die Person lag beim Essen und Trinken auf der linken Seite, der Becher auf der rechten Schulter, eingeschenkt wurde von einem Mundschenk. So konnte getrunken werden, ohne dass es auf den Magen drückt. Milena macht uns auf eine große Vase aufmerksam, die zum Lagern verwendet wurde, auf der die nackte Aphrodite am Thron zu sehen ist, die Wasserpfeife raucht. Auch Hakenkreuze auf Gefäßen waren ab dem 11. Jhdt. üblich. Das war ein indisches Symbol der Macht, entstanden 4.500 v. Chr. und Milena sagt, dass „Hitler es kopiert hat, aber umgedreht, er wollte damit bekunden, wie mächtig er ist“. Bevor wir in den nächsten Raum weitergehen, betrachten wir noch die sogenannten Krater-Vasen mit den großen Öffnungen, die aussehen wie bei einem Vulkan.

Im Raum 4 dominieren die Terrakotta-Figuren, die aus dem Tempel von Agía Irini im Nordwesen von Zypern stammen. 1929 wurden rund um einen Altar 2.000 Figuren, darunter nur zwei weibliche, von einer schwedischen Expedition gefunden. Daher haben jetzt etwa die Hälfte der Figuren (davon eine weibliche) auch Kopenhagen als Heimat, da sie von den Findern dorthin gebracht wurden. Der Erstgebrauch datiert auf die Zeit zwischen 1200 – 1050 v. Chr. Eine Flut hat viele der Figuren zerstört und daher wurden sie aufgegeben. Sie stellen neben Kriegern auch Mischwesen aus Mensch und Pferd und Löwen als Sphinx dar. Sie sollen die Gräber bewachen, damit diese nicht ausgeraubt werden.

Im Raum 5 gucken uns Grabstatuen von 3 Löwen und 2 Sphinxen aus Kalkstein entgegen, die eine abschreckende Wirkung haben sollten, aber in Wirklichkeit ein sehr sanftes Gesicht zeigen. Sie wurden durch Zufall bei Ausgrabungen in Tamassós von Königsgräbern aus dem 6.-8. Jhdt. v. Chr. gefunden. Ein Rätsel ist bis heute, ob sie für ein reiches Grab erschaffen wurden. Auch die anderen Skulpturen weisen weiche Gesichtszüge auf, wie die Aphrodite von Soloi, die im 1. Jhdt. v. Chr. aus Marmor gefertigt wurde. Auch der Kopf der Aphrodite aus dem 4. Jhdt. v. Chr. veranschaulicht, wie schön die berühmte Liebesgöttin gewesen sein muss oder der Künstler sie so gesehen hat. Interessant sind auch die Frauenstatuen aus Kalkstein, eine davon ohne Kopf, beide halten aber Stiere in den Händen, das Darstellung von großen Gottheiten sein sollten. Sie stammen aus dem 7.-6. Jhdt. v. Chr. und weisen schon starke Beschädigungen auf, da Kalkstein nicht sehr haltbar war. Besonders nennenswert sind die Zeus Statuen, bei denen entweder die Augen oder bei der anderen Figur die Lippen farbige Markierungen aufweisen. Milena macht uns noch auf ein besonderes Votivrelief aus dem 3.-2. Jhdt. v. Chr. aufmerksam, dass doppelseitig bearbeitet wurde. Während auf der Vorderseite der harmlose Kopf des Dionysos zu sehen ist, zeigt es auf der hinteren Seite eine erotische Szene. Die Ausstellungsstücke zeigen sowohl griechische als auch ägyptische Einflüsse.

Der Raum 6 wird dominiert vom 2,08 Meter großen römischen Kaiser Severus. Er ist in athletischer Pose dargestellt und Milena fragt uns, was uns an dieser Figur auffällt. Viele aus der Runde sagen sofort, dass der Penis zu klein ist für diese große Figur (war nicht die richtige Antwort). Die Statue ist die einzige großformatige Bronzeskulptur ganz Zyperns ist, die bis jetzt gefunden wurde. Ein Bauer hat sie 1928 beim Pflügen seines Feldes entdeckt nahe des Dorfes Kythrea. Der Bauer hat die Figur zerlegt in der Hoffnung, darin einen Schatz zu finden. Der Kopf wurde vom Körper abgebrochen und ist heute, wie auch die Füße, nicht mehr original. Das Haupt ist sichtlich für diesen massiven Body auch viel zu klein.

Der Raum 7 ist dominiert von kleinen Statuetten aus Bronze, die schon von der schönen grünen Patina überzogen sind. Voll süß ist die kleine Kuh, mit dem vierrädrigen Gespann. Das Highlight ist natürlich der gehörnte Gott aus Egkomi aus dem 12. Jhdt. v. Chr. Der gehörnte Helm deutet auf einen Stier hin, der als Symbol der Macht galt. Außerdem erlangte Zypern aufgrund des Kupferbergbaus zu Reichtum. In Schaukästen können wir auch Werkzeuge, Waffen, Siegel, Gold- und Silberschmuck betrachten. Eine Besonderheit sind die Münzen, die in Kition gefunden wurden, nämlich 2.484 Drachmen. Die Münzen sind alle verschieden groß, aber jede davon hat dasselbe Gewicht. Wir sind fasziniert, wie detailgetreu und winzig so manches Stück ausgearbeitet wurde und das in diesen frühen Zeiten. Melina macht uns auf die Schaukästen aufmerksam, wo Masken ausgestellt sind. Zu Ehren von Dionysos entwickelte sich aus den heiligen Ritualen das Theater, wo während der Zeremonien von Priestern oder geweihten Gläubigen Masken getragen wurden. Aber nicht nur die Masken gefallen uns, sondern auch die aus Keramik hergestellten Szenen, zum Beispiel die Kriegsfiguren auf einem Streitwagen oder der Ruderer im Schiff. Besonders schön finden wir die weiblichen Figuren, die ein Kind in den Armen halten oder Geburtsszenen darstellen.

Die Räume mit den Ausstellungen von Gräbern, einer Kupfermine oder Figuren in den Räumen 8 – 14 besichtigen wir nicht mehr, denn die Zeit ist fortgeschritten und wir haben noch die Stadt auf dem Plan. Um 12:30 Uhr verlassen wir das Museum und stapfen Milena und Tasos nach zum Bus. Wir sind tief beeindruckt von den interessanten Ausstellungsstücken. Milena hat die wichtigsten für uns herausgesucht und die Infos spannend und zugleich humoristisch für uns aufbereitet.

Wir sitzen wieder im Bus und unterhalten uns noch euphorisch, als Milena durchs Mikrofon tönt „Guckguck, meine lieben Gäste … wir befinden uns nun in der Stadtmitte in Alt – Nikosia, im Niemandsland. Die Altstadt ist von einer Stadtmauer umgeben und mittendurch verläuft die Grenze vom griechischen zum türkischen Teil. Sie hat eine Länge von 4,6 km, ist kreisrund mit 11 dreieckigen Bastionen und 3 Toren. Jedes Tor hat eine andere Architektur, sie waren sehr prunkvoll, heute sind es Ruinen, die Türken haben sie zerstört. Tasos fährt uns jetzt spazieren, mal in die Altstadt im besetzten Teil, dann wieder in die Neustadt, aber das ist heutzutage kein Problem“. Beim Famagusta Tor können wir nicht stehenbleiben, daher kutschiert uns Tasos noch ein Stück weiter und parkt am Straßenrand direkt neben dem Befreiungsdenkmal. Es wurde nach der Befreiung von der britischen Kolonialherrschaft 1960 auf der Wallanlage der Podokataro-Bastion aufgestellt, aber nie vollendet und es wurde offiziell nie eröffnet. Der griechische Bildhauer Ioannis Notaras hat auf dem pyramidenförmigen Marmorsockel als höchste Figur die Freiheit mit erhobenem Zeigefinger gestellt. Darunter öffnen zwei Soldaten die Kette des Gefängnisses, damit die Menschen ins Freie fliehen können. Auf beiden Seiten sind 14 Personen zu sehen, nicht nur Zivilisten, sondern auch Priester und Soldaten. Die Gesichter der Bronzefiguren zeigen erleichterte und hoffnungsvolle Züge.

Einige von unserer Gruppe nutzen die Fahrpause und laufen ein Stück entlang der Straße zurück, um das Famagusta Tor zu fotografieren. Es war das größte der drei Tore der venezianischen Stadtmauer und stammt aus dem Jahr 1567. Benannt ist es nach der einstigen florierenden Hafenstadt, die aber heute verwahrlost und nicht mehr erreichbar ist. In den Katakomben ist das Kulturzentrum untergebracht. Rund um das Tor spielt sich im Süden das große Treiben ab mit vielen Restaurants, Cafés und Tummelplätzen.

Wir stapfen gemeinsam mit Milena und Tasos durch die Gassen und saugen während des Spazierengehens die Eindrücke der Stadt in uns auf. In den Kneipen und Cafés wird gechillt und getratscht. Als wir an einer Shisha – Bar vorbeikommen, müssen wir schmunzeln, denn da sitzen die Männer aufgereiht an den Tischen und inhalieren das Zeugs aus den Wasserpfeifen. Stellenweise müssen wir unsere Schritte sehr achtsam machen, denn die rumpeligen Straßen mit geflicktem Asphalt und Steinen sind oft eine Herausforderung. Dann erreichen wir die berühmte Ledrastraße und hier stoppen wir kurz, denn Melina trifft wieder eine Freundin. Sie ist bekannt wie ein bunter Hund, denn gestern ist sie auch in Pafos einer Berufskollegin begegnet. Die Ledra Straße ist eine große Einkaufsmeile, die am Platz der Freiheit beginnt und zur Grünen Linie führt, wo sich der Grenzübergang in den besetzten Teil befindet. Dazu aber später mehr, jetzt kehren wir erst mal ins Restaurant To Anamma ein. Wir werden sehr freundlich willkommen geheißen und im Nu stellen die Kellner im hübschen Innenhof einige Tische zusammen, damit wir gemeinsam Platz nehmen können. Auf Empfehlung von Milena bestellen wir uns Moussaka und griechischen Salat und dazu frisch gepressten Orangensaft. Sie hat nicht zu viel versprochen, das Essen schmeckt uns hervorragend und während wir es genießen, lernen wir andere Reiseteilnehmer näher kennen.

Zum verabredeten Zeitpunkt warten wir vor dem Restaurant wieder alle zusammen und gehen mit Milena gemeinsam die wenigen Schritte bis zum Checkpoint, der sich am Ende der Fußgängerzone der Ledra – Straße befindet. Seit 2003 gibt es hier für Fußgänger einen Grenzübergang vom griechischen in den türkischen Teil der Altstadt. Bevor wir aber zur Passkontrolle gehen, zeigt uns Milena noch das Steindenkmal, das sich vor der Grenze befindet. Auf einer runden Scheibe ist in griechischer Sprache der 1. Artikel der Menschenrechte eingelassen. Da wir den Text eh nicht lesen können, widmen wir uns den vielen Katzen, die dieses Monument als Kuschelplatz nutzen. Dann nehmen wir das Prozedere in Angriff, um in den besetzten Teil zu gelangen. Zweimal Pass hergeben, Fotografieren lassen und keine Fotos machen! Jetzt dürfen wir uns zwischen 30 – 90 Tage im besetzten Teil aufhalten.

Nachdem alle durch sind, scharrt Milena uns um sich und erklärt uns einige Details. „Nikosia ist die einzige geteilte Stadt der Welt und rund um die Pufferzone patrouillieren die UNO-Soldaten. Es ist eine Schande, dass die vielen einstigen prachtvollen Bauten, die darin gefangen sind, verwahrlost und verbarrikadiert sind. Nach 1974 wurde der besetzte Teil vertürkischt und die schöne aristokratische Einkaufsstraße hier veränderte sich.“ An der Grenze bekommen wir eine türkische Reiseführerin zur Seite gestellt, weil Melina hier nicht anerkannt ist. Obwohl die Dame kein Wort Deutsch oder Englisch mit uns spricht, müssen wir sie trotzdem mitnehmen und bezahlen. Milena schlendert mit uns durch die verwinkelten Gassen, die aus einem einzigen Basar bestehen. Auf beiden Seiten reihen sich die Geschäfte aneinander und die Verkäufer buhlen um Kunden. Wir dürfen in einem Süßwarenladen türkischen Honig, Lokum und anderes süßes und klebriges Zeugs kosten, aber das ist gar nicht unser Fall. Wir halten kurz in der Gasse und Milena weist auf das Minarett hin, das von hier zu sehen ist. Der Turm wurde auf das Dach der einstigen römisch-katholischen Sophien-Kathedrale gebaut und die Kirche 1326 ohne Glockenturm unvollendet eingeweiht. 1570 wurde sie von den Osmanen eingenommen, das 50 m hohe Minarett aufgebaut und zu einer Moschee umfunktioniert. Die Moschee oder Kirche von 1209, je nachdem, ist und bleibt das älteste und schönste gotische Gotteshaus von Nikosia. Die Fassade war einst reich dekoriert mit kleinen Engeln, die Innenfresko bedeckte man mit Zement und die Grabsteine als Bodenplatten verwendet, die heute mit einem Teppich ausgelegt sind. Die Könige von Zypern wurden hier gekrönt als damals das Zusammenleben der katholischen Kirche mit der orthodoxen noch gut war. Wir können die Selimiye-Moschee, wie sie heute heißt, nicht besuchen, da sie gerade restauriert wird und von einem grünen Netz umgeben ist.

Während Milena uns die interessanten Infos darüber erzählt, kommt wieder ein Bekannter von ihr des Weges daher. Sie nutzt die Gelegenheit, bittet ihn um seine Identifikationskarte und zeigt sie uns gemeinsam mit ihrer. Der Unterschied ist nur, dass Erdal ein zusätzliches, türkisches Zeichen auf seiner Karte hat. Dann setzen wir unseren Spaziergang fort, der vom Gesuder eines Muezzins begleitet wird. Wir kommen zur Karawanserei Büyük Han, eine historische Markthalle, die einst für Händler und Reisende mit ihren Tieren als Herberge diente. Milena versorgt uns wieder mit Infos über das Leben damals. „Tagelang reisten sie vom Süden hierher, sie sind tagelang geritten auf Kamelen oder Pferden in der Karawane auf den Straßen, nicht über die Autobahn. Sie sind mit Waren, wie Eisen, Holz, Gemüse und Handwerk gekommen und mit Waren wieder abgereist, denn sie haben auch gekauft. Sie kamen mit Sack und Pack, es konnten alle kommen und verkaufen und kaufen, aber es konnten sich nicht alle leisten, denn sie mussten Steuern bezahlen“. Die Anlage wurde 1572 erbaut und war mit 68 Räumen zu dieser Zeit die größte auf der Insel. Die obersten Räume waren für die Menschen und in den unteren waren die Tiere und Waren untergebracht. Am Abend wurden die beiden großen Tore zugemacht, sodass hinter den dicken Mauern Schutz vor Dieben gewährleistet war. Die ehemalige Herberge wurde komplett renoviert und in den einstigen Schlafräumen finden heute die Kunsthandwerker und Souvenirgeschäfte Unterkunft. In den ehemaligen Ställen bieten Restaurants und Cafés ihre Kulinarik an. Mitten im Atrium gibt es einen Brunnen, auf dem man ein muslimisches Bethaus baute.

Nachdem Milena uns mit vielen Infos versorgte, bekommen wir Freizeit bis 15:00 Uhr, damit wir auf eigene Faust die Karawanserei und die Umgebung entdecken können. Also drehen wir oben und unten eine Runde, betrachten die feilgebotenen Waren. Wir verlassen die Karawanserei und schlendern durch die umliegenden Gassen. Was uns sofort auffällt sind die vielen Graffitis auf den Hausmauern, die wirklich beeindruckend sind. Wieder landen wir in den Einkaufsstraßen und was die Textilien und Schuhe betrifft, animieren sie uns nicht, irgendetwas zu kaufen. Der Geruch von Räucherstäbchen mit orientalischem Duft liegt in der Luft, der sich mit dem Geruch von feuchten Schachteln vermischt. Wir sind nur wenige Schritte vom griechischen Teil der Stadt entfernt und erleben so einen großen Unterschied. Das zeigt sich auch bei den Katzen, denn diese hier sind verwahrlost und streunen ziellos herum. Auf dem Rückweg zur Karawanserei kommen wir noch an der Turunçlu Fethiye Mosque vorbei, deren Minarett mit einer Holzgalerie umgeben ist und auf der Spitze ist der Sichelmond zu sehen.

Die Zeit ist schnell vergangen und wir genießen noch die letzten Eindrücke auf einer Sitzbank, bis Melina uns abholt und sagt „gemma, gemma“. Um 15:30 besteigen wir wieder den Bus und während der einstündigen Rückfahrt nach Limassol lassen alle ruhig den Tag Revue passieren. Für alle ist es befremdlich, dass nur getrennt von einer skurrilen Grenze zwei verschiedene Welten existieren. Die eine fortschrittlich und modern und die andere konservativ und mit der Zeit stehengeblieben.

Am Abend sitzen wir wieder gemütlich im Speisesaal zusammen und tauschen unsere Erlebnisse des ereignisvollen Tages aus.

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