Die erste Nacht was nicht so toll, denn wir sind einige Male aufgewacht und sind daher noch ein wenig konfus, als uns um 07:00 Uhr der Wecker aus dem Schlaf reißt. Dafür erwartet uns ein traumhafter Tag und lässt unsere Müdigkeit schnell verschwinden.

Beim Frühstück treffen wir auf einige der Mitreisenden und wir setzen uns wieder zu Doris und Brigitte, die uns schon am Vorabend Gesellschaft geleistet haben.

Wir besorgen uns noch Trinkwasser, gehen dann ins Zimmer und packen unsere Rucksäcke. Weil wir unsicher sind, wie sich das Wetter noch entwickeln wird, stopfen wir Jacken hinein und marschieren los. Als wir am Pool vorbeikommen, schwimmt Brigitte im kühlen Nass und versucht vergeblich uns zu überreden, auch reinzugehen. Wir schlendern gemütlich zur Strandpromenade und sind überrascht, was hier schon alles los ist. Wir begegnen neben vielen Joggern und Walkern auch einem Papa, der mit seiner Kleinen im Sand spielt, einer Omi, die auf einer Bank chillt und die angenehme Wärme genießt und einen Angler, der seine Ruten aufgereiht in den Sand gesteckt hat und gerade dabei ist, einen gefangenen Fisch zu verstauen. Tauben und allerlei Vögel kreisen in den Lüften und wohin wir schaun, überall entdecken wir Katzen. Eine stapft sogar direkt auf uns zu und holt sich Streicheleinheiten. Das türkisfarbige Meer peitscht über den dunklen, feinen Sandstrand und das Ufer der Promenade ist dicht bewachsen mit mächtigen Bäumen und Büschen. Die gelben Blüten der Akazienbäume leuchten in der Morgensonne und harmonieren hübsch mit den roten Hibiskusblüten. Jetzt sind wir im Urlaub angekommen und wir genießen das wunderschöne Ambiente.

Um nicht wieder die letzten zu sein, spazieren wir rechtzeitig zurück zum Hotel. Wir kommen am Pool vorbei, wo die Hotelkatze aus dem Wasser trinkt und Gesellschaft von Spatzen bekommt, die auch durstig sind. Vor dem Hotel werden wir schon von der Reiseleiterin erwartet, die sich als Melina vorstellt. Sie ist Cypriotin, spricht fast perfekt Deutsch, weil sie in Deutschland studiert hat. Vorweg genommen werden wir ihr zu ihren Kenntnissen im Laufe der Reise noch einige österreichische Wörter und Ausdrücke beibringen. Sie stellt uns den Busfahrer Tasos vor, „er ist der wichtigste von allen und ein toller Geisterfahrer“. Mit viel Schmäh erklärt uns Melina einige Regeln, nämlich, dass sie auf der Hinfahrt spricht und wir auf der Rückfahrt Fragen stellen können.

Pünktlich um 09:00 Uhr fahren wir los und bekommen während der Fahrt durch Limassol erste Eindrücke von der Stadt, wo mächtig gebaut wird und zwischen den alten Häusern moderne, futuristische Wolkenkratzer aus dem Boden gestampft werden. Mittelmeerpflanzen, Büsche, Bäume, darunter mächtige Eukalypten, Araukarien und Palmen, so hoch wie Häuser, bilden ein harmonisches Stadtbild. Wir sind schon nach kurzer Zeit von Limassol begeistert. Melina erzählt uns, dass hier eine kleine Wohnung ohne Betriebskosten 2 Millionen Euro kostet und weil hier das Leben so teuer ist, steht ein Viertel der restaurierten Wohnungen leer. Viele davon gehören nicht mal den Cyprioten und werden an Flüchtlinge vermietet. Als wir an der Brauerei Keo vorbeifahren, weist Melina uns darauf hin, dass hier das beste Bier der Welt gebraut wird, es hat bei einem Wettbewerb von 150 weltweiten Brauereien den ersten Platz erhalten. Ein Highlight ist auch die neue Marina, die über 350 Millionen Euro gekostet hat. Laut Melina sind viele Reedereien aus Deutschland hier beheimatet, haben den Hafen renoviert und den Betrieb übernommen. Heute finden 650 große Boote und Jachten mit einer Länge bis zu 100 Metern Platz. Direkt am Meer sind elegante Wohnhäuser und Luxusvillen, Restaurants und Cafés, exklusive Geschäfte und Designer-Boutiquen entstanden, ein Kongresszentrum und ein Meeresmuseum sollen nicht nur finanzkräftige russische Gäste einladen. Von so einem Leben können viele nur träumen. Wie passend, dass wir dann beim Gebäude des Finanzamtes vorbeikommen und uns Melina erzählt, „das ist die Klagemauer von Zypern, wo man mit Tränen wieder herauskommt“.

Langsam verlassen wir Limassol und die Vororte und kommen entlang der Küstenstraße B6 in weniger besiedelte Gebiete. Hier war einst viel Sumpfgebiet, das tocken gelegt wurde, indem man Eukalyptus aus Australien und Zitrusbäume gepflanzt hat. Doppelreihig wurden Zypressen eingesetzt, um die Plantagen, die Mittelmeerklima brauchen, vor den kühlen Winden des Meeres zu schützen. Aus einem Kern einer Pomeranze entsteht ein Baum, der nach einem Jahr verändert wird, je nachdem, was man möchte, Mandarinen, Grapefruits, Orangen, Zitronen oder Limonen. Es gibt auch eine neue Sorte, die Mandora, eine Kreuzung zwischen Mandarine und Orange. Ein Zitrusbaum bringt im Jahr 1.500 Früchte und ist eine gute Einnahmequelle für den Bauern. Es sei denn man bekommt als Bauer viel, viel Geld für seine Plantage, damit man keine Früchte mehr kultiviert. Das Land wurde in Bauland umgewidmet, gerodet und darauf sollen luxuriöse Wohnungen und ein Casino entstehen. Es ist für uns echt befremdlich, als wir bei diesem kahlen Land vorbeifahren und zuvor schon so imposante Plantagen gesehen haben. Die Vorstellung ist schlimm, dass hier so viel Gebiet zerstört wird, nur dass Luxus entsteht. Wo soll das noch alles hinführen? Gut, dass uns da Melina aus den Gedanken reißt mit einem lustigen Brauch, denn in den nächsten Wochen findet die Taufe ihrer Enkelin statt. Bei der Kommunion von Säuglingen werden die Babys dreimal untergetaucht und danach kriegen sie ein Löfferl Wein, um sie wieder zu beruhigen.

Melina macht uns auf die eingezäunten Siedlungen aufmerksam, bei denen es sich um britisches Hoheitsgebiet handelt und nicht betreten werden darf. Aufgrund der Lage im Mittelmeer befand sich Zypern schon seit dem Altertum immer wieder in wechselnder Herrschaft und es wurde gestritten um die Insel, bis sie 1570 zum Osmanischen Reich kam. Auf dem Berliner Kongress wurde 1878 festgelegt, dass Zypern an Großbritannien übergeht.  Die Zyprioten wollten jedoch unabhängig sein – 1955 begann der Befreiungskampf, bis es 1959 zum Londoner Garantievertrag kam zwischen Zypern, Großbritannien, Griechenland und der Türkei. Somit war Zypern 1960 unabhängig und trat den Vereinten Nationen bei, die bis heute dort stationiert sind. Damit war der Konflikt der griechischen und der türkischen Bevölkerung aber nicht beigelegt und führte 1974 zur Teilung der Insel mit der „Green Line“ als Grenze. Die Garantiemächte sorgen dennoch für die Einhaltung der Verfassungsbestimmungen wie Freiheit, Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Die Türkei besetzt den Norden der Insel, Großbritannien ist im Süden präsent und beide Länder haben Militärstützpunkte errichtet. Der besetzte Norden ist seit November 1983 Türkische Republik Nordzypern und auch nur von der Türkei als eigenständig anerkannt. Der griechische Teil gehört seit Mai 2004 zur EU, die gemeinsam mit den Vereinten Nationen zur vermitteln versucht, Zyperns Wiedervereinigung zu erreichen. Wäre da nicht das Erdgas und das Erdöl vor Zyperns Küsten, dann hätte Zypern sein Ziel vielleicht schon erreicht. „Die englischen Stützpunkte haben eine Ablaufzeit, denn sie dürfen nur für 99 Jahre hier sein und die Hälfte der Zeit ist laut Melina schon vorbei. Vor etwa 30 Jahren wurde alles eingezäunt und darf von Fremden nicht betreten werden. Früher sind die Zyprioten einfach überall hineingefahren. Es war die Zeit, wo die englische Königin Zypern besucht hat, sie wohnte auf ihrem Britannia Schiff an der Spitze der Limassol Halbinsel und die Zyprioten haben sich nicht gefreut darüber. Sie wollte im Rolls Royce nach Limassol fahren und der wurde von Einheimischen zerstört, darüber hat sie sich nicht gefreut. Heute gibt es hier eine perfekte britische Stadt und die Briten haben neben Siedlungen eigene Krankenhäuser, Kirchen, Schulen, Supermärkte, Sportplatz, eigene Kläranlagen und Flughäfen gebaut. Bei Famagusta im Osten der Insel ist ein weiterer militärischer Flughafen und auf dem Berg Olympus haben sie ihr Radar stehen. Wenn hier etwas passiert, zum Beispiel ein Unfall, dann rückt sofort die britische Polizei an und regelt alles“. Die Erzählungen aus dem Mund von Melina hören sich wirklich humoristisch an, doch dahinter steckt eine tragische Geschichte.

Wohin das Auge reicht, Zypern ist zu dieser Jahreszeit eine gelbe Insel, überall überwuchern die Blüten des Stechginsters, des wilden Fenchels oder des Acker-Senf die Landschaft. Verschandelt wird die schöne Gegend von den vielen übergroßen Werbeschilder, die auf den Bau von luxuriösen Wohnungen mitten in der rauen Gegend aufmerksam machen.

Wir sind ungefähr 25 km von Paphos entfernt, da steuert Tasos auf eine freie Fläche neben der B6 zu und hält an, um uns aussteigen zu lassen. Das leuchtende Meer, die schneeweißen Felsen und der blaue Himmel machen uns fast blind, aber das Panorama, das sich uns bietet, ist atemberaubend schön. Sprachlos lassen wir unseren Blick herumwandern und vergessen fast darauf, das traumhafte Bild auch mit Kamera und Handy festzuhalten. Vom Kiesstrand ragt eine Felsformation ins Meer, der einer Sage nach, der Felsen der Aphrodite genannt wird. Melina weist uns darauf hin, dass wir die Fantasie benutzen müssen, „denn die Mythologie ohne Fantasie hat ja gar keinen Sinn“. Sie erklärt weiter, „hier ist sie geboren, die allererste griechische Göttin Aphrodite, ist doch die Oma von Zeus“. Zypern ist reich an Sagen und Mythen und einer Legende nach ist an dieser Stelle Aphrodite aus dem schaumigen Meer entstiegen, die Göttin der Schönheit, der ewigen Jugend und der Liebe. Wer dreimal um den Felsen schwimmt, dem ist jugendliche Schönheit und wahre Liebe sicher. Das mit der Liebe hab ich schon und was die Schönheit betrifft, ich bin zufrieden, so wie es ist. Neben der Schönheit soll es aber auch eine andere Sage geben, und zwar nach dem altgriechischen Dichter Hesoid aus der Zeit um 700 v. Chr. Da soll Kronos seinem Vater Uranos auf Anraten seiner Mutter die Geschlechtsteile abgeschnitten und ihn ins Meer geworfen haben. Und eben dieser Fels ist der versteinerte Schniedel.

Nach einem kurzen Stopp klettern wir wieder in den Bus und die Fahrt wird fortgesetzt bis zum Parkplatz Petra tou Romiou. Bevor wir aus dem Bus steigen, erhalten wir noch einige Infos von Milena. Um nicht ständig zu sagen, dass wir die Toilette aufsuchen können, findet sie es schöner zu sagen, dass wir die Waldkapelle aufsuchen können. Woher das kommt, kann sie uns nicht sagen, das müssen wir später mal herausfinden.

In einem Kiosk kaufen wir Kaffee und frischgepressten Orangensaft, suchen die Waldkapelle auf und spazieren dann durch einen Fußgängertunnel unter der Straße durch, um zum Felsen zu gelangen. Als wir die Unterführung verlassen, stehen wir vor einem mit Klopapier geschmückten Busch. Was dieses Gestrüpp auf sich hat, müssen wir noch hinterfragen, aber jetzt fesselt uns der traumhafte Anblick der blendendweißen Kreidefelsen und das türkisfarbige Meer. Wir haben vierzig Minuten Zeit und die möchten wir jetzt nutzen, die atemberaubend schöne Stimmung zu genießen. Die Natur zeichnet mit den Schäfchenwolken am Himmel ein so schönes Bild, dass wir uns gar nicht sattsehen können. Majestätisch ragt der Felsen der Aphrodite aus dem Meer, der von Möwen und Krähen belagert wird. Am Kiesstrand klappern die geschliffenen Schottersteine, wenn das Wasser sie ans Ufer peitscht. Das erinnert uns an zuhause, wenn zu Ostern die Ratschenkinder von Haus zu Haus gehen. Das Gekreische der Vögel, das Meeresrauschen und das Klappern der Steine veranstalten ein harmonisches Konzert und die angenehme Wärme tut das Ihrige dazu. Wir erinnern uns an die Erklärungen von Melina und müssen schmunzeln, denn sie hat uns erzählt, dass die Schönheit weiblich ist. Auf Griechisch heißt das Meer „i thálassa“ und das ist schließlich weiblich.

Als Individualisten würden wir hier natürlich ein Stück herumwandern und die Umgebung erkunden, wir müssen es aber beim Genießen belassen. Nur schwer können wir uns von der traumhaften Stimmung losreißen, aber wir wollen ja brav und rechtzeitig beim Bus zurück sein. Bevor die Zeit um ist, schlendern wir wieder zum Parkplatz zurück und besuchen nochmal die Waldkapelle. Während ich über der Klomuschel hocke, muss ich gleichzeitig mit einer Hand die Tür zuhalten, damit ich keinen uneingeladenen Besuch erhalte. Beim Händewaschen die nächste Herausforderung, mit der einen Hand den losen Wasserhahn festhalten, damit das Wasser nicht neben das Waschbecken fließt. Seife und Handtücher sind sowieso Mangelware. Das sind südliche Gegebenheiten und das gehört zum Urlaub dazu!

Die Fahrt geht weiter Richtung Paphos und damit es uns nicht langweilig wird, beglückt uns Milena wieder mit interessanten Infos über Land und Leute. „Die Gegend hier ist sehr fruchtbar und das Klima so ideal, dass nicht nur Oliven und Zitrusfrüchte gedeihen, sondern auch Avocados, Bananen und Kiwis. Mit der Kultivierung von Obst und Gemüse und dem Tourismus ist Paphos reich geworden. Das war aber nicht immer so, Paphos war bis 1974 die kleinste Stadt Zyperns, lag im Dornröschenschlaf, bis der Prinz Tourismus die Stadt wach küsste“. Interessant ist auch die Geschichte von der Heiligen Salomone, „die kurz vor Christus als Jüdin verfolgt wurde. Um sich und ihre sieben Söhnen zu schützen, verkroch sie sich in einer unterirdischen Stelle, wo sie dann aber eingesperrt wurde und alle starben. Später wurde diese Stelle von den ersten Christen als Katakombe benutzt. Aus dem Felsen ist ein Baum, eine Terpentin-Pistazie gewachsen und die Gläubigen schreiben ihm eine Wunderkraft zu. Weil man sich ein Wunder erhofft, meist Heilung von einer Krankheit, oder als Erinnerung an ein bereits erfolgtes Wunder, werden Taschentücher aufgehängt“. Milena erzählt, dass „die Touristen das schon nachahmen, letztes Jahr im Sommer hat ein Bikinioberteil an einem Ast gehangen und es ist nicht bekannt, was für einen Wunsch die Dame hatte“.

Knapp vier Kilometer vor Paphos lenkt Tasos den Bus wieder an den Straßenrand und von dort begleitet uns Milena durch eine Wohngegend zur Agia Kyriaki Chrysopolitissa. Unter einem schattenspendenden Baum versammelt Milena ihre Schützlinge und erzählt uns die Geschichte der Kirche und die archäologischen Ausgrabungen. „Viele Völker und Kulturen haben im Laufe der Jahrhunderte gebaut, zerstört, geplündert und wieder errichtet. Ein Erdbeben im Jahr 1159 erledigte dann noch den Rest. In unmittelbarer Nähe der heutigen Kirche gab es im 13. Jhdt. eine gotische Kirche, errichtet auf den Ruinen einer byzantinischen Basilika. So grenzt es an ein Wunder, dass die heutige Kirche Agia Kyriaki Chrysopolitissa aus dem 14. Jhdt. noch steht. Im Inneren sind aus dem 4./5. Jhdt. noch imposante Mosaikböden erhalten geblieben, die wir leider nicht besichtigen können, weil die Zeit nicht ausreicht“. Milena macht uns auf die Paulussäule aufmerksam, die sich nur ein Stück vor uns befindet. Im Jahr 45 n. Chr. wurde hier der widerspenstige Apostel Paulus an die Säule angekettet und wegen Verbreitung des Christentums mit 39 Schlägen ausgepeitscht. Später gelang es ihm doch noch den römischen Gouverneur Sergius Paulus zum Christentum zu bekehren.

Eine Viertelstunde haben wir dann selbst Zeit, um uns Details anzusehen und dann werden wir auch schon wieder beim Bus erwartet.

Es ist nicht mehr weit bis zum Ausgrabungsgebiet von NEU-PAPHOS, wo uns Tasos am Parkplatz auslädt. Milena besorgt die Eintrittskarten und dann stapfen wir ihr nach. Der archäologische Park umfasst etwa ein Drittel der einstigen antiken Stadt, die im 4. Jhdt. v. Chr. gegründet wurde und bis ins Mittelalter reichte. Die meisten der heutigen Überreste stammen aber aus der Römerzeit. In alten Zeiten zwischen dem 2. und dem 4. Jhdt. v. Chr. war Neu-Paphos, aufgrund der Hafennähe, die Hauptstadt Zyperns. Die antiken Relikte wurden nur durch Zufall bei Arbeiten auf den Feldern entdeckt und zählen seit 1980 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sensationell sind dabei die beeindruckenden Mosaikböden von vier römischen Villen in ihrer ursprünglichen Position. Sie erzählen griechische, mythologische Geschichten, die von den Römern übernommen wurden. Daher ließen reiche Römer die Klatsch- und Tratsch Geschichten in Mosaiken lebendig werden. Der beste Fliesenleger wurde dafür engagiert und zauberte mit unzähligen winzigen Plättchen aus Stein, Terracotta, Glas, Keramik oder ähnlichem harten Material unglaubliche Kunstwerke. Damit wurde beim Besucher und den Nachbarn Eindruck geschunden, die es ihnen dann gleichgetan hatten. Heute sind die Mosaike die besterhaltendsten des Mittelmeerraums. Das Schmuckstück der Anlage, das Haus des Dionysos, können wir aufgrund von Renovierungsarbeiten leider nicht besuchen. Zwischen 1962 – 1965 wurden in diesem Haus Mosaikböden aus dem 2. Jhdt. entdeckt, die auf einer Gesamtfläche von 550 m² Szenen zeigen aus der Jagd, dem Kampf, der Liebe und von Dionysos, dem namensgebenden griechischen Gott des Weines.

Milena spaziert mit uns als erstes in das Haus des Aion, das nur einen Teil des ursprünglichen Hauses darstellt, da die Ausgrabungen noch nicht abgeschlossen sind. Das Gebäude ist überdacht und integriert eine eingestürzte, wieder errichtete Villenmauer. Die Mosaike stammen aus dem 4. Jhdt. n. Chr. und sind in drei horizontale Rahmen unterteilt mit fünf Tafeln. Sie zeigen die mythologischen Szenen „Triumphzug des Dionysos, wo der halb mensch-, halb tierhafte Waldgeist Skirtos Früchte an Dionysos opfert ”, „Das Bad des Dionysos, der auf dem Schoß des Gottes Hermes sitzt”, „Leda und Zeus, der sich in einen Schwan verwandelt hat”, „Der Schönheitswettbewerb der Kassiopeia und der Nereiden” und „Apollon und Marsyas”. Milena erklärt uns die einzelnen Bilder, wo für die Szenen winzig kleine Steinchen verwendet wurden, um die einzelnen Details herauszuarbeiten. Sie macht uns darauf aufmerksam, dass für die geometrischen Umrandungen der einzelnen Szenen etwas größere Steinchen verwendet wurden. Gespannt lauschen wir ihren informativen Ausführungen, die sie mit einem unglaublichen Wissen über die Geschichte und Mythologie erzählt. Einzelne Fragmente der Szenen fehlen, aber das tut der Faszination keinen Abbruch. Die Gesichter sind in hellen Rosatönen gestaltet und die Kleidung in warmen Farben wie Rotbraun, Blau und Erdtöne.

Als nächstes schlendern wir zur Villa von Theseus aus der zweiten Hälfte des 2. Jhdt. n. Chr. Sie wurde auf den Ruinen hellenistischer und römischer Häuser erbaut. Auf fast 10.000 m² lebte hier in diesem Palast einst der Statthalter des römischen Provinz. Bis zum 7. Jhdt. n. Chr. wurde die Anlage mit mehr als hundert Zimmern vom Gouverneur von Zypern bewohnt. Milena zeigt uns das Schmuckstück von Raum 36, den Mosaikboden aus dem 3. – 4. Jhdt. n. Chr. Er stellt das „Duell zwischen Theseus und dem Minotaurus im Labyrinth von Kreta“ dar. In einem runden Medaillon befindet sich in der Mitte Theseus mit einer Keule in seiner rechten Hand, der mit der linken Hand nach dem Horn des auf die Knie gefallenen Minotaurus greift. Linksseitig steht ein alter Mann, eine Personifizierung des Labyrinths, der das Geschehen beobachtet. Im Hintergrund ist ein Felsen zu sehen mit den Personifikationen von Kreta und der Ariadne. Eingerahmt wird das Medaillon abwechselnd von Ketten, die Diamanten und die Locken der Ariadne symbolisieren.

Westlich der Villa von Theseus befindet sich die Villa des Orpheus aus dem 3 Jhdt. n. Chr. im selben architektonischen Stil und ist zurzeit auch nicht zu besichtigen.

Milena ist mit ihrem Programm hier fertig und macht uns den Vorschlag entweder mit ihr zum Hafen mitzugehen in ein gutes Fischrestaurant oder selbst hier noch auf Entdeckungsreise zu gehen. Wir entscheiden uns dafür, auf dem Gelände noch ein wenig herumzuspazieren und dann bei einem Take-Away etwas mitzunehmen. Auf der Anlage sind noch andere imposante Monumente zu finden, wie das Odeon, das Theater oder das Asklepieion, eine Heilstätte, oder den Versammlungsplatz, die Agora und die Saranda Kolones, eine Burg (heute Ruine), mit vierzig Säulen.

Wir könnten noch ewig hierbleiben, denn es gibt viele Geschichten aus der bewegten Vergangenheit in diesen Mauern zu entdecken und zu erfahren, als Zypern einst eine große Macht gewesen ist. Heute führt die Universität von Sydney noch archäologische Ausgrabungen hier durch und wer weiß, was noch alles zum Vorschein kommt.

Bevor wir das Gelände verlassen, begegnen wir noch einem kleinen Hardun oder Schleuderschwanzagame, wie sie auch genannt wird. Sie macht uns große Freude, weil sie sich bei unserem Anblick totstellt und wir daher eine hübsche Nahaufnahme von ihr machen können.

Im Laufschritt geht es nun die wenigen Schritte in den Hafen hinunter, der uns auf den ersten Blick ein kitschiges Bild bietet. An der Uferbefestigung reiht sich ein Gastgarten an den anderen und da entdecken wir auch schon unsere Mitreisenden. Wir spazieren an ihnen vorbei und halten Ausschau nach einem Take-Away. Dabei werden wir von allen Seiten von Kellnern angesprochen und es ist kein Problem in einem Restaurant auch Essen zum Mitnehmen zu bekommen. Während wir darauf warten, trinken wir DAS einheimische Keo Bier, das uns supergut schmeckt. Es ist würzig, hopfig und vor allem süffig und schon nach kurzer Zeit fährt es uns heftig ein auf unseren leeren Magen.

Bepackt mit einem Chicken Caesar Wrap und einem Chicken and Cheese Sandwich lassen wir uns auf der Kaimauer nieder und genießen gemütlich unser Essen. Wir beobachten das Treiben im Hafen und lassen unseren Blick herumgleiten. Auf der einen Seite thront die Burg und auf der anderen ankern tolle Schiffe und ein imposanter, hölzerner Zweimaster im Meer. Es weht ein leichter Wind, die Luft riecht salzig und die Sonne wärmt unsere Rücken angenehm.

Nach dem Essen geht sich noch ein kurzer Spaziergang im malerischen Hafen aus und hier begegnen wir vor dem Kastell der Aphorodite, die auf einem Felsen liegt. Ihr Hintern ist vom vielen Anfassen der Menschen schon glänzend poliert. Die Bronzestatue „Sol Alter“ wurde von der zypriotischen Künstlerin Yiota Ioannidou geschaffen und ist eine Hommage an Aphrodite. Die Burg stammt aus dem 16. Jhdt. und wurde von den Osmanen erbaut, nachdem die Vorgängerburg aus dem 13. Jhdt. von den Venezianern niedergerissen wurde. Um den Hafen zu schützen, wurde einst die Burg von Saranta Kolones erbaut, die sich auf der nahegelegenen Ausgrabungsstätte befand.

Es ist Zeit zu gehen und daher schlendern wir gemütlich zum Parkplatz zurück. Um 14:45 Uhr sitzen wir wieder im Bus und fahren weiter zum nächsten Highlight des Tages, den Königsgräbern.

Während Milena wieder die Tickets besorgt, versammeln wir uns inzwischen nach der Kassa. Plötzlich schreit Wolfgang auf, dass ihn etwas in den Finger gebissen hat, während er in seine Jacke geschlüpft ist. Außerdem juckt es ihn am Hals und als ich nachschaue, entdecke ich eine grüne Gottesanbeterin in seinem Nacken. Da das Insekt mit ihren Kauwerkzeugen es nicht schafft, die menschliche Haut zu durchdringen, passiert nichts. Sie sind nicht giftig, sondern geschützt und nicht nur Wolfgang hat sich erschrocken, sondern auch das kleine Tierchen.

Während wir über das Gelände stapfen, macht uns Milena schon auf die vielen hübschen Blüten der zarten, weißen Asphodille, einer Lilienart aufmerksam. Einen hübschen Kontrast dazu bilden die Blüten der pinken Zyklamen, die nicht nur in der Erde wachsen, sondern auch aus den Ritzen der Felsen herauswachsen. Die Felsengräber von Neo Paphos stammen aus dem 3. Jhdt. v. Chr. und liegen verstreut unterirdisch auf einer ausgedehnten Fläche von etwa 1,2 km². Milena erzählt uns, „dass der Name Königsgräber nicht richtig ist, denn hier wurden keine Könige begraben. Einige der Grabstätten sind mit dorischen Säulen ausgestattet und zeugen vom Wohlstand, was darauf hinweist, dass hier wohlsituierte Bewohner, hochrangige Personen und Staatsoberhäupter begraben wurden. Jede Familie hatte ein eigenes Grab und je nachdem wieviel Geld sie besaßen, umso mächtiger und prunkvoller war die Grabkammer. Sie wurden gegen Westen gebaut, denn hier geht auch die Sonne unter und der Tag zu Ende und daher geht auch im Westen das Leben zu Ende. Das Grab war wichtiger als die Wohnung zu Lebzeiten und einige haben ein ganzes Leben lang dafür gespart. Bei den Königsgräbern handelt es sich um Nekropolen und sie wurden wegen der Seuchengefahr außerhalb der Stadtmauern aus dem Sandkalkstein gehauen, das heißt sie wurden nur für Begräbnisse gebaut. Da die Seele drei Tage über dem Leib schwebt, wurde auch drei Tage und drei Nächte Leichenwache gehalten. Während der Totenwache haben die Menschen auch was zu trinken mitgebracht. 3 Flaschen, Wein, Wasser, Olivenöl, das war auch Nahrung für die Reise des Verstorbenen. Pflicht der Grabbeigaben war eine Münze, die zwischen die Zähne gesteckt wurde, damit der Verstorbene den Eintritt für die Fahrt ins nächste Leben bezahlen konnte. Einige Grabbeigaben, wie Amphoren, Münzen, Schmuck oder Lampen, die nicht von römischen Grabplünderern abhandengekommen waren, wurden geborgen und sind heute im Museum in Paphos ausgestellt“.

Zur Zeit der Christenverfolgung fanden diese Menschen hier Unterschlupf in der Nekropole und im Mittelalter wurden sie von sogenannten Squattern, Besetzern genutzt, die sogar Umbauarbeiten durchgeführt hatten.

Nachdem uns Milena viel Interessantes über die acht ausgehauenen Gräber erzählt hat, dürfen wir die Stiegen in die Kammern hinuntersteigen und auf eigene Faust entdecken. Wir sind schon nach kurzer Zeit tief beeindruckt, wie gewaltig diese Tunnelsysteme ausgeführt sind. Rund um ein rechteckiges Atrium führt ein bedeckter Gang mit Säulen um die eigentlichen Grabkammern. Dabei gab es Kammergräber, wo Sarkophage Platz fanden oder Schächte für die Urnen, je nach Reichtum. Größere Grabkammern hatten einen Brunnen mit Trinkwasser, das zur seelischen Reinigung diente.

Wir spazieren ein wenig in den Königsgräbern herum und aufgrund des schönen Lichts können wir auch beeindruckende Fotos davon machen. Der blaue Himmel setzt zum hellen, braunen Kalkstein einen schönen Kontrast und die Schatten zaubern mystische Bilder. Einige der Besucher blödeln in den Nischen herum, sodass wir auch noch theatralisch belustigt werden.

Um 16:00 Uhr heißt es Abfahrt zurück nach Limassol und Milena beglückt uns auch während der Fahrt wieder mit interessanten Infos. Als wir in Kato Paphos an der Kirche Agioi Anargyroi vorbeifahren, macht sie uns darauf aufmerksam, dass sie den Heiligen Cosmas und Damianos geweiht ist, die Kranke heilten, ohne Geld dafür zu nehmen. Die katholische Kirche wurde in typischer zypriotischer Kirchenarchitektur erbaut und die rote kreuzförmige Kuppel sitzt auf weiß getünchtem Mauerwerk.

Die Sonne geht langsam unter und taucht die Landschaft in ein schönes Licht und alle genießen die romantische Stimmung. Man merkt, dass der erste Tag etwas anstrengend gewesen ist, denn es wird sehr ruhig im Bus. Bis zu dem Moment, als uns Milena verkündet, dass wir von der Autobahn abfahren, weil es dort einen Unfall gegeben hat und Stau sich aufbaut. Als wir an der Burg Kolóssi vorbeikommen, nutzen wir die Gelegenheit zu einem kurzen Stopp, um Fotos von außen zu machen. Milena erzählt uns kurz, „dass die heutige Burg aus dem Jahr 1454 stammt und als Komturei, Handelszentrale genutzt wurde. Von der ehemaligen Zuckerfabrik, die zwischen dem 13. – 15. Jhdt. die zweitgrößte des Landes war, stehen noch Ruinen. Einst fanden hier täglich bis zu 300 Arbeiter Beschäftigung, heute sind es nur noch die Archäologen. Der größte Mahlstein aus der Mittelalterzeit mit einem Durchmesser von 3,6 Metern wurde hier gefunden“. Zurück beim Hotel besorgen wir erst noch Wasser in einem urigen Laden und genießen dann eine lange Dusche. Während dem Abendessen lernen wir Brigitte und Doris noch näher kennen und tauschen diverse Erfahrungen aus, was Reisen und Essen betrifft. Den Abend lassen wir gemütlich im Zimmer ausklingen, wo sich unsere Füße von den 18.400 Schritten erholen können.